Protokoll der Sitzung vom 08.10.2004

Eine Nachfrage, Herr Höhn.

Herr Staatssekretär, im Mai war das Ende der Ausschreibungsfrist. Bis heute ist offensichtlich noch keine Entscheidung ergangen. Vorhin sagte Staatssekretär Schneider in seiner Antwort auf die Frage von meinem Kollegen Bausewein, dass gegen Ende des Jahres mit dieser Entscheidung zu rechnen sei. Womit erklärt sich dieser lange Zeitraum zur Entscheidungsfindung?

Mit der Auswertung der vorliegenden Angebote ist eine Unternehmensberatung beauftragt worden. Aus der Erstauswertung der Angebote haben sich weitere Fragen ergeben, zu deren Klärung den Bewerbern ein Fragebogen zugesandt worden ist.

Danke schön. Damit kommen wir zur nächsten Anfrage, Drucksache 4/177, der Abgeordneten Frau Wolf: "Umgang mit Neonazis auf Montagsdemonstration in Eisenach".

Umgang mit Neonazis auf Montagsdemonstration in Eisenach

Die Thüringische Landeszeitung berichtete am 21. September 2004 unter der Überschrift "Demo vorzeitig 'geschlossen'" über die Teilnahme mehrerer Neonazis an der Montagsdemonstration in Eisenach. Die Veranstalter der Demonstration unter dem Motto "Antifaschistischer Protest gegen die Sozialreformen der Bundesregierung" erhielten laut Artikel keine Unterstützung durch die Einsatzkräfte der Polizei bei dem Versuch, die Neonazis, die lautstark die Versammlung störten, von dieser auszuschließen. "Es sei nicht Aufgabe der Polizei, die Kundgebungsteilnehmer zu sortieren", sei das Argument der eingesetzten Beamten gewesen. Die Versammlungsleitung hatte nach eigenen Aussagen bei der Anmeldung, zu Beginn der Veranstaltung sowie wiederholt während der Demonstration deutlich darauf hingewiesen, dass es sich um eine antifaschistische Demonstration handele und dass faschistische Parolen unerwünscht seien. Obwohl sich die Situation zugespitzt hätte und von den Neonazis Sprüche wie "Deutschland den Deutschen", "DGB Arbeiterverräter" und "Links verrecke" gerufen worden seien, sei die Polizei trotz Hilfeersuchens der Veranstalter nicht eingeschritten. Stattdessen seien die Ordner von der Polizei an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert worden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Inwieweit muss die Polizei Veranstaltern von Demonstrationen Unterstützung gewähren, wenn Personen, die dem Motto der Veranstaltung gegenüber feindlich eingestellt sind, die Versammlung stören?

2. Darf die Polizei eingesetzte Ordner bei der Ausübung ihrer Aufgabe behindern?

3. Welche Rechtsauffassung stützt die Annahme der eingesetzten Beamten, es gäbe keine Handhabe als Störer auftretende Neonazis aus einer antifaschistischen Versammlung auszuschließen?

4. Welche Empfehlung erging vom Innenministerium zum Problem "Neonazis auf Montagsdemonstrationen"?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Baldus.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Wolf beantworte ich im Auftrag der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Bei Versammlungen unter freiem Himmel kann die Polizei Versammlungsteilnehmer nach § 18 Abs. 3 und § 19 Abs. 4 des Versammlungsgesetzes ausschließen. Ein polizeiliches Einschreiten setzt eine gröbliche Störung des Versammlungsablaufs voraus. Aus dem Verhalten des Störers muss erkennbar sein, dass er den Verlauf der Versammlung wesentlich behindern will. Bloße Anwesenheit missliebiger Personen stellt nach den durch Literatur und Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen ebenso wenig eine gröbliche Störung dar wie das Äußern abweichender Meinungen im Rahmen der Kundgebung. Die Grenze ist - abgesehen von der Begehung von Straftaten - immer dann überschritten, wenn der Verlauf der Versammlung gefährdet ist. Beispiele hierfür sind u.a. das Niederbrüllen von Rednern, Werfen von Eiern und faulem Obst, Pfeifkonzerte sowie Sprechchöre oder Plakate mit eindeutig beleidigendem Inhalt. In Bezug auf den hier interessierenden Versammlungsablauf liegen der Landesregierung derzeit mehrere, in entscheidenden Details allerdings abweichende Schilderungen vor. Dies sind der Verlaufsbericht der Polizeiinspektion Eisenach, die Darstellung in der Lokalpresse sowie eine vom 21. September datierende Pressemitteilung des "Eisenacher Bündnisses gegen Sozialkahlschlag" als Veranstalter der in Rede stehenden Demonstration. Der polizeiliche Verlaufsbericht, in dem insgesamt 17 durch die der rechten Szene zugeordnete Versammlungsteilnehmer skandierte Sprechchöre dokumentiert sind, enthält keinen Hinweis auf gröbliche Störungen während der Versammlung. Die durch die Teilnehmer des rechten Spektrums gerufenen Parolen sind im Einsatzverlaufsbericht detailliert aufgeführt und weisen keine strafrechtliche Relevanz auf. Die Landesregierung geht daher davon aus, dass das Verhalten der Beamten nicht zu beanstanden ist.

Zu Frage 2: Im Gegensatz zu Versammlungen in geschlossenen Räumen, einschlägig ist hier der § 11 des Versammlungsgesetzes, sind Versammlungsleiter sowie die von ihm bestellten Ordner bei Versammlungen unter freiem Himmel nicht befugt, Versammlungsteilnehmer aufgrund gröblicher Störungen auszuschließen. Soweit der Versammlungsleiter oder die Ordner die ihnen durch das Versammlungsgesetz eingeräumten Befugnisse überschrei

ten, z.B. weil sie eigenmächtig Versammlungsteilnehmer ausschließen wollen, ist die Polizei zum Eingreifen verpflichtet, um die Grundrechtsausübung der betroffenen Personen zu schützen.

Zu Frage 3: Hier verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.

Zu Frage 4: Besondere Leitlinien zum angesprochenen Problem sind nicht ergangen.

Danke. Es gibt keine Nachfrage. Doch - eine. Bitte.

Herr Staatssekretär, nachgefragt zu den Versammlungsleitungen: Wenn eine Versammlungsleitung der Auffassung ist, dass entsprechende zusätzliche Teilnehmer, so möchte ich sie beschreiben, ihre Veranstaltung stören und sie als störend empfinden und dies den entsprechenden Polizeikräften mitteilen, führt das nach Ihrer Auffassung nicht automatisch zum Eingreifen?

Wir haben diese Frage, Herr Abgeordneter, in dieser Woche noch einmal mit Experten sowohl des Vollzugsdienstes als auch des Ordnungsrechts ausführlich diskutiert. Ich hatte diese Woche auch zwei Gespräche mit dem Vorsitzenden des DGB in Thüringen zu diesem Thema. Das Ergebnis der Prüfungen ist in allen Fällen eindeutig. Die Polizei hat nicht das Recht zu entscheiden, wer auf welcher Veranstaltung welche Meinung äußert. Das heißt, die Polizei darf auch nicht im Sinne der einen oder der anderen Meinung regulierend eingreifen, auch nicht, wenn die Meinung, die im Laufe einer Veranstaltung geäußert wird, in extremer Weise von der Meinung abweicht, die der Anmelder der Veranstaltung, die Versammlungsleitung selbst mit dieser Veranstaltung verbreiten will. Also letztlich besteht keinerlei Möglichkeit der Polizei, unterhalb der von mir genannten Schwelle einzugreifen. Wenn diese Schwelle allerdings überschritten wird, wenn also dieses Stören über die Meinungsäußerung dergestalt hinausgeht, dass der Störer versucht, die Veranstaltung als solche zu verhindern, ist die Polizei zum Einschreiten befugt und auch angewiesen, so zu handeln.

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zur nächsten Anfrage, Drucksache 4/178, eine Anfrage des Abgeordneten Matschie, eine Frage zum Jenaer Universitätsklinikum.

In den Medien wurde des Öfteren über eine mögliche Rechtsformänderung des Jenaer Universitätsklinikums berichtet. Ich frage die Landesregierung:

1. Ist eine solche Rechtsformänderung in Planung oder angedacht und wenn ja, wie soll diese Rechtsformänderung aussehen und wann soll sie vollzogen werden?

2. Ist bei einer vorgesehenen Rechtsformänderung damit ein Ausstieg aus den bestehenden Tarifverträgen verbunden?

3. Wie sieht die finanzielle Situation des Klinikums aus, in welcher Höhe werden Überschüsse erzielt bzw. in welcher Höhe werden Verluste verursacht?

4. Wie hoch sind die Einkünfte des Jenaer Universitätsklinikums aus der Thüringer Nebentätigkeitsverordung?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Eberhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Matschie beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Leitung der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Universitätsklinikums finden derzeit Gespräche statt mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des Universitätsklinikums zu erhöhen. Dabei werden Fragen der Struktur und Organisation erörtert. Über eine Änderung der Rechtsform wurde in diesem Zusammenhang bislang nicht gesprochen.

Zu Frage 2: Entfällt.

Zu Frage 3: Das Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena wies bis 2001 eine ausgeglichene Bilanz aus, 2002 einen Bilanzverlust von 5,5 Mio.  und 2003 einen Bilanzverlust von 6,2 Mio. 

Zu Frage 4: Die Einnahmen des Klinikums der Friedrich-Schiller-Universität Jena aus dem Nutzungsentgelt betrugen im Jahr 2001 2,1 Mio.  Jahr 2002 2,2 Mio. 0 : rechnung für das Jahr 2003 werden 2,6 Mio.    sen sein.

Eine Nachfrage, Herr Abgeordneter Matschie.

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir sagen, welche Maßnahmen zur Effektivitätsverbesserung derzeit mit dem Klinikum diskutiert werden?

Wenn die Landesregierung derzeit Erkenntnisse hätte, welche Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung des Klinikums beitragen würden, dann wäre die Einrichtung einer entsprechenden Arbeitsgruppe gemeinsam mit der Universität Jena und dem Klinikum entbehrlich gewesen. Insofern ist es Auftrag dieser Arbeitsgruppe, entsprechende Bestandsaufnahme zu machen und entsprechende Leitfragen abzuleiten.

Es gibt eine Nachfrage. Herr Matschie.

Können Sie mir, wenn Sie über den Inhalt der Gespräche in der Arbeitsgruppe schon nichts sagen können, sagen, bis wann die Arbeitsgruppe zu Ergebnissen kommen soll?

Ich gehe davon aus, dass diese Arbeitsgruppe bis zum Sommer des Jahres 2005 erste Ergebnisse vorlegen muss.

Es gibt eine Nachfrage von Herrn Abgeordneten Gerstenberger.

Herr Staatssekretär, ich hätte gern gewusst, ob ein Risikomanagementplan in Auftrag gegeben ist bzw. vorliegt, um die Risiken, die offensichtlich in den Verlusten bestehen, abzubauen bzw. auszugleichen.

Diese Frage kann ich im Moment nicht abschließend beantworten. Ich werde es prüfen und die Beantwortung nachreichen.

Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Kaschuba.

Herr Staatssekretär, können Sie eine Aussage treffen, wie es zu den Effektivitätsdefiziten des Klinikums kam?

Universitätskliniken haben grundsätzlich einen anderen Status als beispielsweise auch ganz normale Krankenhäuser, weil hier Forschung und Lehre letztendlich in Übereinklang zu bringen sind mit der entsprechenden Krankenhausplanung. Insofern ist das ein Problem, was für alle Universitätskliniken innerhalb der Bundesrepublik Deutschland besteht und in den nächsten Wochen bzw. Monaten auszudiskutieren ist.

Danke schön, Herr Eberhardt. Wir kommen damit zur nächsten Frage entsprechend Drucksache 4/179 von der Abgeordneten Leukefeld.

Frau Präsidentin, die Anfrage lautet wie folgt:

Förderung der Existenzgründung von Langzeitarbeitslosen

Ab dem 1. Januar 2005 sind Langzeitarbeitslose von der Möglichkeit der Gründung einer so genannten "Ich-AG" ausgeschlossen, da Empfänger von Arbeitslosengeld II dann grundsätzlich nicht mehr mit einem Existenzgründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden. Stattdessen ist für diesen Personenkreis zur Gründung einer eigenen Existenz nur ein "Einstiegsgeld" vorgesehen, das die Fallmanager der Bundesagentur für Arbeit nach eigenem Ermessen gewähren und dessen Höhe höchstens dem Arbeitslosengeld II entspricht, was deutlich niedriger ist als der Existenzgründungszuschuss. Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet es die Landesregierung, dass Langzeitarbeitslose grundsätzlich nicht mehr mit einem Existenzgründungszuschuss gefördert werden, der nach Aussagen der Bundesregierung eines der Kernelemente ihrer Arbeitsmarktreform darstellt?