Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

Lassen Sie mich noch einen Gedanken zu dieser Frage der Standards sagen, Frau Ministerin, weil Sie gesagt haben, wir können uns nicht mehr Standards als andere leisten. Auf welche Bereiche bezogen meinen Sie denn das?

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Lesen Sie bei Seitz nach.)

Ich habe das Seitz-Gutachten, glaube ich, sehr zeitig gelesen, zumindest zeitiger als die Kollegen der CDU.

Meine Damen und Herren, das ist mir wirklich wichtig, lassen Sie mich noch etwas zu den Standards sagen. Keiner redet bei der Standarddiskussion darüber, dass wir in den neuen Bundesländern mittlerweile über bessere Standards beispielsweise beim Autobahnnetz verfügen. Es würde auch keiner auf die Idee kommen, zu sagen, weil unsere Autobahnen schlechter sind als die in Baden-Württemberg, müssen wir die jetzt zum Teil wieder einstampfen. Die Debatte wird ausschließlich auf alles fokussiert, was im klassischen Sinne konsumtiv ist. Meine Damen und Herren, das ist nicht mehr sachgerecht. Wir müssen eine Debatte führen, dass Beton nicht mehr gleich gute Investitionen bedeutet und umgekehrt, dass alles das, was nicht Beton ist, konsumtiv ist und deshalb etwas Linkes oder Schlechtes ist und in dieser Standarddebatte in Frage gestellt wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Genau hier müsste doch die Landesregierung sagen, im Bereich der Kindertagesstättenfinanzierung sind wir besser als ihr. Wir haben ein durchschnittlich besseres Angebot. Die gesamtgesellschaftliche Debatte geht genau in diesen Bereich, dass man sich dann hinstellt und sagt, wir bleiben jetzt hier auf unserer Position stehen und warten erst einmal, bis ihr diese Standards in den Bereichen habt, wo wir schon seit Jahren sind; wir werden die verteidigen. Das ist mein Vorwurf und ich frage mich manchmal, Frau Ministerin, welche Interessen Sie tatsächlich vertreten. Ich kann die vom Freistaat Thüringen und die der Thüringer Bürger in dieser Debatte jedenfalls nicht er

kennen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht ist die Forderung nach einer grundlegenden Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs notwendig und damit wollen wir verhindern, dass die Föderalismusreform II auf die Verhinderung von Haushaltsnotlagen reduziert wird. Eine grundlegende Neuordnung des Finanzausgleichs müsste zumindest dazu führen, dass finanzschwache Länder aus ihren eigenen Lagen eigenständig herauskommen können. Ich will nicht die Debatte an dieser Stelle aufmachen zu Überlegungen zur Neugliederung des Bundesgebietes, das gehört auch in eine andere Debatte. Ich denke aber, dass das Szenario zeigt, wenn es nicht gelingt, die finanzschwachen Länder so in die Lage zu versetzen, dass sie eigenständig handeln können.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf unsere Debatte zum Nachtragshaushalt kann das aber letztlich nur heißen, dass wir verantwortungsbewusst mit den Gütern umgehen müssen, die wir an öffentlicher Versorgung in Thüringen haben und gegenüber den Bürgern erbringen können. Mit dem Doppelhaushalt haben Sie eben in einzelnen Bereichen falsche Signale gesetzt und zweitens, Sie eilen der Neiddiskussion, die öffentlich geschürt wird von einigen Ministerpräsidenten in den alten Ländern, ohne Not voraus.

Meine Damen und Herren, für das Land Thüringen ist das völlig kontraproduktiv. Das, was Sie mit dem Doppelhaushalt gemacht haben, ist kein Sparen, sondern das ist ein Plattmachen. Es konsolidiert nicht, es schafft mehr Probleme und, meine Damen und Herren, deshalb fordern wir auch einen Nachtragshaushalt, weil die Position der Landesregierung aus unserer Sicht gerade in diesen Bereichen korrigiert werden muss.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf einen anderen Bereich hinweisen. Die Landesregierung, Frau Ministerin, hat bezüglich der Prognose der Steuermehreinnahmen argumentiert, es gäbe noch keinen Grund zur Entwarnung und zur Freude und - wörtlich - so sehe sie, die Ministerin, „durchaus auch Risiken bei der Einnahmeentwicklung“. Und weiter in demselben Text: „Die anstehende Unternehmenssteuerreform und ihre finanziellen Auswirkungen“ seien „noch nicht abschätzbar.“ Das ist ja immerhin schon einmal etwas. An anderer Stelle führt die Ministerin aus, dass wir kein Einnahmeproblem haben, sondern ein Ausgabeproblem.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Das ist auch richtig.)

Das ist ein Widerspruch. Ich stelle einfach fest, dass es widersprüchlich ist, und das ist auch so einfach in der Feststellung, dass das Zweite nicht stimmt.

Meine Damen und Herren, dann wird es konkret. Die Große Koalition plant eine weitere Entlastung von größeren Unternehmen in einer Größenordnung, die die Landeshaushalte erneut enorm gefährden kann. Und wenn schon, Frau Ministerin, Sie dies in Ihrer Begründung schreiben, dass Sie genau diese Risiken auch sehen, dann muss ich doch von Ihnen erwarten, dass Sie konsequenterweise aus Thüringen massive Bedenken gegen eine neue Unternehmenssteuerreform mit diesen Eckdaten vortragen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich meine, eins geht nicht, dass man einerseits nichts dagegen tut, dass die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte weiter aktiv und bewusst über die Steuerpolitik ausgehöhlt und infrage gestellt wird, und dann hier in Thüringen so tun, als wäre das gottgegeben, wir könnten nichts dagegen machen und müssten weiterhin auf Kosten der Schwächeren den Haushalt sanieren. Das geht nicht und es ist auch falsch, weil so Konsolidierung nicht stattfinden wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, ich will noch etwas zu den Eckdaten sagen. Mal abgesehen davon, dass der Koalitionsvertrag von dem Ziel einer aufkommensneutralen Steuerreform redet, davon ist im Moment keine Rede mehr. Es wird derzeit jongliert mit 5 Mrd. €, die das kostet. Wir glauben das nicht, wir sind vor allen Dingen nach den Erfahrungen der Steuerreform 2000/2001 äußerst skeptisch, was die Gegenfinanzierung betrifft. Ich sehe hier nichts anderes als das, nachdem man fünf Jahre massive Steuerausfälle hatte, mit denen Sie Ihre Haushaltspolitik immer begründet haben, jetzt läuft es einigermaßen gut

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Jetzt wollen Sie verteilen.)

und jetzt kommen Sie und machen dort mit diesem Spiel weiter, dass ja keiner auf die Idee kommt, über die öffentlichen Haushalte tatsächlich umzuverteilen, nämlich Lebenschancen umzuverteilen. Die Frage ist, wo Sie sich verstehen, für wen Sie sich verstehen.

Meine Damen und Herren, Steuerreform auf der einen Seite, für die Großunternehmen weitere Entlastung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, auf der anderen Seite ganz konkret beschlossene Maßnahmen, die direkt ab dem nächsten Jahr Auswirkungen auf die Einkommen der Menschen, die hier leben, haben werden. Drei Beispiele: Abschaffung der Pendlerpauschale, Senkung des Sparerfrei

betrags und 3 Prozent Mehrwertsteuererhöhung. In den Antworten zu den entsprechenden Kleinen Anfragen, die ich gestellt habe, wird deutlich, wie viele Thüringer und in welcher Höhe davon betroffen sind. Dann stellt die Frau Ministerin an anderer Stelle fest - und auch in der letzten Mittelfristigen Finanzplanung immerhin eine Feststellung -, dass Thüringen unter einer gewissen Umsatzschwäche leidet. Ein klarer Hinweis darauf, dass wir in Thüringen eine schwache Kaufkraft festzustellen haben, eine im Vergleich zu anderen Ländern, auch zu vergleichbaren Ländern, schwache Binnennachfrage.

Meine Damen und Herren, wenn ich das feststelle, dann ist doch die Erkenntnis nicht so weit, dass es genau mit dem Landeshaushalt auch darum geht, die Titel im Landeshaushalt auch als ein Element von Nachfrage zu verstehen. Wenn die insgesamt zu schwach ist, ist genau der Landeshaushalt ein Ansatz dafür.

Meine Damen und Herren, wenn man dann auf der Einnahmenseite weiter so tut, als kann man es den Großen geben, und dann im Landeshaushalt nicht mehr Geld hat, ist es dann eben so, dass man sich auf solche Projekte wie das der Lernmittelpauschale stürzt und damit gänzlich scheitert. Das ist genau das Ergebnis dieser Politik.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss ein paar Kernpunkte nennen, die ich für die weitere Debatte für bedeutsam halte und die natürlich in einen Nachtragshaushalt unserer Auffassung nach einfließen sollten. Das sind die Punkte, die Sie schon in den Anträgen meiner Fraktion zum Doppelhaushalt wahrnehmen durften. Das sind zum Beispiel Forderungen für ein Arbeitsmarktsofortprogramm, welches den Einstieg in dauerhafte Finanzierung gemeinwohlorientierter Beschäftigungsfelder ermöglicht. Die Lernmittelfreiheit ist wieder herzustellen und, ich sage, dauerhaft - also nicht bloß abkassieren, zurückzahlen, wieder abkassieren, sondern dauerhafte Herstellung der Lernmittelfreiheit. Die Kürzungen im Bereich der Familienoffensive, besonders im KitaBereich, sind zurückzunehmen. Ebenso haben wir enormen Nachholbedarf bei der Schuljugendarbeit und bei der Jugendpauschale, ebenso bei der Schulsozialarbeit an berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema wären die Fehlentwicklungen im Nahverkehr und natürlich - angedeutet wurde das schon von Herrn Pidde - die Kürzungen der Mittel im Kommunalen Finanzausgleich mit dem Haushaltsjahr 2005 und deren nicht erfolgter Korrektur mit dem Doppelhaushalt 2006/2007.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine, all diese Punkte werden hier nicht vorgetragen mit dem absoluten Und-so-muss-es-Sein. Diese Sorge ist völlig unberechtigt und ich glaube, es handelt sich nicht um eine ehrliche Sorge, sondern um eine einfache Unterstellung. Ich glaube, wir müssen deutlich machen, dass dieses Haus hier der Haushaltsgesetzgeber ist - das ist er, da kann sich auch niemand weglügen - und dass wir in jedem Haushaltsjahr hier die Debatte zu führen haben, wo die Mittel an der richtigen Stelle sind und wo sie nicht richtig sind. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Seitens der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Redeanmeldungen vor. Für die Landesregierung Finanzministerin Diezel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, um den Antrag der SPD auf Einbringung eines Nachtragshaushalts zu bewerten, würde es im Grunde genommen reichen

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Die Linkspartei.PDS.)

- PDS, ich bitte vielmals um Entschuldigung -, die „OTZ“ vom 11. November zu zitieren. Ich werde darauf später zurückkommen und ich möchte auch sagen, die Überschrift war „Hausolds Qualitäten“, aber heute könnte man hinzusetzen „Husters Qualitäten“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der PDS, Ihr Antrag weist in der Tat mangelnde Qualität Ihrer finanzpolitischen Vorstellungen auf.

(Beifall bei der CDU)

Denn anders kann man ernsthaft nicht beurteilen, dass Sie angesichts zum ersten Mal wieder gestiegener Steuerprognosen gleich beginnen, das Füllhorn aufzumachen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben wir wieder eine erfreuliche Konjunktur. Und was tun Sie? Als Erstes einen Nachtragshaushalt fordern, der verteilt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Die Linkspartei.PDS: Das ist doch normal.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr Geld für alle, koste es, was es wolle, das ist Ihr Thema. Ihr Antrag ist rechtlich sinnlos und in der Sache aben

teuerlich.

Zunächst darf ich Ihnen allen noch mal, von der PDS, Artikel 99 Abs. 3 der Thüringer Verfassung zitieren. Dort heißt es, Frau Präsidentin: „Der Entwurf des Haushaltsgesetzes mit Haushaltsplan sowie Entwürfe zu deren Änderung werden von der Landesregierung eingebracht.“ Es handelt sich hierbei um ein ausschließliches Recht der Landesregierung. Nur sie kann Entwürfe zum Haushaltsgesetz in den Landtag einbringen. Das gilt auch für Nachtragshaushalte. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Kommentierung wird auch ausgeführt, dass so ein komplexes Zahlenwerk wie der Haushaltsplan und seine Wirkungen und Wechselwirkungen auf alle Politikfelder einer umfassenden administrativen Vorbereitung bedarf. Vor diesem Hintergrund ist Ihr Antrag bereits bedenklich. Sie können die Landesregierung mit diesem Antrag nicht zwingen, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Es liegt allein in der Verantwortung der Landesregierung zu befinden, wo Haushaltsansätze im Jahr 2007 zu hoch oder zu niedrig sich erweisen werden oder ob sachliche Bedürfnisse sich ergeben, die bislang im Haushaltsplan keine Berücksichtigung gefunden haben und dann einen Nachtragshaushalt notwendig machen. Es ist also die Verantwortung der Landesregierung und diese nimmt sie wahr.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Es besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts. Anders als bei den Leistungen für Ausgaben bedarf es bei der Realisierung von Einnahmen nicht einer haushaltsrechtlichen Ermächtigung. Die bloße Erwartung, dass 2007 Mehreinnahmen aufgrund der Steuerschätzung kommen, bedarf keines Nachtrags. Der finanzpolitische Sprecher Mike Mohring hat eindeutig noch mal darauf hingewiesen, wir haben das im Haushaltsgesetz geregelt. Und, Herr Huster, Ihr Philosophieren, ob man uns auseinanderbringen könne, dass man es anders einschätzt, ich habe in der Pressekonferenz eindeutig gesagt, dort, wo gesetzliche Mehrausgaben und rechtliche Verpflichtungen die Landesregierung binden, werden wir diese leisten und leisten müssen - und dazu bedarf es keines Nachtragshaushalts - und die müssen dann gegebenenfalls von Mehreinnahmen oder Kreditaufnahmen getilgt werden. Das kennen Sie. Deswegen, grundsätzlich bleibt grundsätzlich und rechtliche Verpflichtungen werden finanziert - rechtliche Verpflichtungen übrigens auch durch Bundesgesetzgebung.

(Zwischenruf Abg. Huster, Die Linkspar- tei.PDS: Wir wollen Ihnen nur helfen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und noch etwas, weil es um die Steuerschätzung ging, von

beiden Rednern der Opposition wurde so etwas angebracht. Ja, ich habe in den letzten Jahren Erfahrungen mit Steuerschätzungen gemacht, mit Herrn Eichel, Herr Dr. Pidde. Die Steuerschätzungen des Bundes in den Jahren 2000, 2001 waren immer sehr, sehr prognostisch, freundlich.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Moment, Sie sprachen von einer Konjunktur von 2 bis 2,5 Prozent, am Ende hatten wir 0,7 Prozent, zum Schluss überhaupt nichts mehr. Deswegen sage ich und auch die Volkswirte in meinem Haus: Die Steuerschätzungen, die wir versuchen auf den jetzigen gesetzlichen Regelungen anzulegen, sind das, was vom Bund, den Wirtschaftsweisen und der tatsächlichen Entwicklung in diesem Freistaat mit gutem Gewissen dargestellt werden kann.

Frau Ministerin, darf Ihnen Abgeordneter Höhn eine Frage stellen?

Bitte sehr.