Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

Ich fasse zusammen: Ein Staatsvertrag ist für die Lösung des Problems völlig ungeeignet. Schon morgen könnten sich die Bedingungen ändern und der Vertrag würde uns dann binden und die notwendige Flexibilität nehmen. Grundsätzlich ist die Festlegung bundeseinheitlicher Standards im Bereich der Lebensmittelüberwachung sinnvoll. Aus diesem Grund

sind die erforderlichen Regelungen dazu bereits getroffen worden. Der Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS kann daher nur in Gänze abgelehnt werden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Frau Abgeordnete Scheringer-Wright, Die Linkspartei.PDS-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Minister,

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Das wird nicht besser, wenn Sie noch einmal reden!)

Herr Gumprecht, ganz kurz: Das Instrument Staatsvertrag, da sagen Sie, das ist etwas, was zentralistisch eingreift. Was wir damit erreichen wollen, ist, dass eine verbindliche Zusammenarbeit passiert. Und jetzt ist es natürlich so, wie Sie das dargestellt haben, es wurden Programme ausgedacht,

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Es bindet uns aber!)

es gibt Rahmenverordnungen. Es gibt eine Menge in diesem Bereich, aber das funktioniert nicht ausreichend. Das möchte ich jetzt mal an zwei ganz konkreten Beispielen belegen - einmal gentechnisch verändertes Soja

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Ach du grüne Neune!)

in Babynahrung. „Ach du Scheiße“ sagen Sie da - ja, genau, das war richtig übel damals.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das hat er nicht gesagt!)

Also, Entschuldigung, weder der Abgeordnete Sklenar noch Sie sollten diesen Begriff benutzen. Da ich jetzt nicht wusste, wer der Erste war, kann ich keinen Ordnungsruf erteilen. Ich bitte, sich an die Gepflogenheiten zu halten.

Gut, ich nehme den Begriff zurück, entschuldige mich für diesen Begriff „Ach du...“

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bei dieser gentechnisch veränderten Soja in der Babynahrung hatten wir das Problem, dass das in zwei Bundesländern aufgetreten ist und ein Problem für Eltern in beiden Bundesländern war. Und dann konnte nicht abschließend geklärt werden, was denn da los ist. So funktioniert die Zusammenarbeit, so funktionieren die verbindlichen Standards in der Realität. Die Eltern stehen da und wissen nicht genau, was sie da gekauft haben, und man weiß nicht, welches Bundesland die Analysen richtig durchgeführt hat.

Zweitens, der gentechnisch veränderte Reis, der nicht für den Verzehr zugelassen ist: Das musste erst Greenpeace finden und dann alle mobilisieren, dass die Lebensmittelkontrolle in den einzelnen Bundesländern aktiv wird. Das ist auch ein ganz konkretes Beispiel, Herr Minister, dass es nicht funktioniert. Da befürchte ich eben, weil ich auch Herrn Seehofer kenne, mit Verlaub gesagt, dass es nicht besser wird und dass die länderübergreifende Arbeitsgruppe mit ihrer Arbeit dahindümpelt. Deswegen haben wir einen Vorschlag gemacht mit diesem Staatsvertrag, der ausgestaltet werden kann und deswegen sollte dieser Antrag an die Ausschüsse zur Bearbeitung überwiesen werden, um einen Pflock einzuschlagen, einen Vorschlag zu bringen, wie es besser werden kann. Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Weitere Wortmeldungen liegen jetzt nicht mehr vor. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Darüber lasse ich jetzt abstimmen.

Wer dafür ist, diesen Antrag an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse abstimmen über die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen?

Damit ebenfalls mit Mehrheit abgelehnt.

Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung direkt über den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/2426. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke schön. Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Kürzungen bei der Förderung des Kinderschutzes und der Erziehungsberatung rückgän- gig machen - Personalaus- stattung verbessern Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2428 - dazu: Alternativantrag der Frak- tion der CDU - Drucksache 4/2549 -

Ich frage die einreichenden Fraktionen: Wird Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Einen Sofortbericht der Landesregierung wird es nicht geben. Doch. Bitte schön, dann hat die Landesregierung das Wort, Minister Dr. Zeh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte den Sofortbericht einleiten mit Aussagen zu den gestern und heute bekannt gewordenen tragischen Ereignissen in Sömmerda. Gestern ist im Landkreis Sömmerda ein Säugling tot aufgefunden worden, offensichtlich verdurstet. Seine zweijährige Schwester musste sofort in die Klinik eingeliefert werden. Sie ist Gott sei Dank nunmehr außer Lebensgefahr. Ich hoffe, dass das Mädchen keine bleibenden Schäden davonträgt. Ich bin sicher, wir alle in diesem Hohen Haus sind tief betroffen von dem tragischen Ereignis und wir alle bedauern dieses erneute unfassbare Geschehen unendlich. Das vor uns allen stehende Bild ist ein Albtraum. Das zeigt uns einmal mehr, Kinderschutz ist immer aktuell. Der Tod des Kindes in Sömmerda macht uns dies in schonungsloser Offenheit klar. Jeder Fall ist ein Fall zu viel. Ich habe gestern Abend noch mit der zuständigen Jugendamtsleiterin gesprochen und meine tiefe Trauer zum Ausdruck gebracht und ich habe dabei jede Unterstützung des Ministeriums angeboten.

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet und heute Vormittag der Öffentlichkeit erste Details zu den Geschehnissen bekannt gegeben. Genauere Erkenntnisse liegen bisher zu den Gesamtum

ständen noch nicht vor. Diesen Erkenntnissen und Ermittlungen des zuständigen Jugendamts und der Staatsanwaltschaft kann nicht vorgegriffen werden. Es werden viele Fragen gestellt werden müssen. Sie werden sorgfältig zu beantworten sein und wir werden Schlussfolgerungen zu ziehen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Jugendämter nehmen den Schutz der Kinder vor Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch im Rahmen der Wahrnehmung des staatlichen Wächteramts als Aufgabe im eigenen Wirkungskreis wahr. Die Jugendämter stehen nicht allein da. Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir alle müssen dazu beitragen, dass der Kinderschutz stets im Bewusstsein der Öffentlichkeit bleibt. Dieses tragische Ereignis führt uns wieder vor Augen, dass im Kinderschutz kein Stillstand geduldet werden darf.

Die Landesregierung hat seit vielen Jahren zusammen mit den Zuständigen, den Landkreisen und kreisfreien Städten, ein breites Spektrum an Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern und Kinder aufgebaut. Es ist dennoch notwendig, die Hilfs- und Unterstützungsangebote weiter auszubauen. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen im Fortgang des Textes.

Ich möchte aber vorerst das bestehende System der Hilfsmaßnahmen darstellen. Dieses System ist entstanden, es ist mit allen Verantwortlichen vor Ort abgesprochen und es ist ein abgestuftes System. Dieses besteht - erstens - in der Förderung, - zweitens - der Unterstützung, wo dieses geboten ist und - drittens - in der Intervention, wenn dies nötig ist. Das wird realisiert in Form von Bildungs- und Beratungsangeboten, Hilfen zur Erziehung sowie angemessenen Kriseninterventionsmaßnahmen.

Ich komme zum ersten Bereich, der Förderung. In Bezug auf Förderung von Eltern und Kindern ist vor allem auf die Maßnahmen des am 16.12.2005 - vor fast genau einem Jahr - hier vom Thüringer Landtag verabschiedeten Thüringer Familienfördergesetzes zu verweisen. Thüringen ist danach eines von zwei Ländern, die Kindern bereits ab dem zweiten Lebensjahr einen umfassenden Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung einräumen, und eines von vier Ländern, die ein Erziehungsgeld auf Landesebene gewähren. Die besondere Absicherung der Familienbildung in Thüringen erfolgt durch eine eigens zu diesem Zweck gesetzlich errichtete Stiftung FamilienSinn. Zusätzlich zur Familienbildung werden vom Land auch der Aufbau von Familienzentren sowie die Familienerholung für sozial schwache Familien bzw. für alleinerziehende Mütter und Väter bzw. Familien, in denen Menschen mit Behinderungen leben, unterstützt. Darüber hinaus

wurde eine breite Palette an Unterstützungsleistungen entwickelt. Wegen der Vielzahl der Maßnahmen beschränke ich mich in diesem Sofortbericht darauf, die Maßnahmen lediglich zu benennen, und verzichte auf ausführliche Beschreibungen inhaltlicher Art. Dies kann bei Bedarf dann der weiteren Behandlung des Themas „Kinderschutz“ im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit vorbehalten bleiben.

Zu den Unterstützungsleistungen gehören insbesondere die Thüringer Stiftung „Hilfe für schwangere Frauen und Familien in Not“, die Regelungen für die Durchführung anonymer Entbindungen in Thüringen. Die entsprechenden Kosten werden von der Thüringer Stiftung „Hilfe für schwangere Frauen und Familien in Not“ übernommen. Es sind die Schwangerschaftsberatungsstellen, der Aufbau der entwicklungspsychologischen Beratung für Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern mit dem Ziel, Warnzeichen so früh wie möglich zu erkennen und späteren Entwicklungsstörungen und Verhaltensproblemen vorzubeugen; es sind die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, es sind sonstige ambulante Hilfen zur Erziehung, Kinderschutzdienste, Heime der Erziehungshilfen, Mutter-Kind-Heime; es sind die Frühförderstellen, die Frauenhäuser, die vor Ort auch Interventionsberatung anbieten; es sind Schuldnerberatungsstellen, Telefonseelsorge, Kinder- und Jugendsorgentelefon sowie die Täterberatungsstelle in Weimar.

Zu den Aktivitäten der Landesregierung gehören des Weiteren Fortbildungen und Fachtagungen sowohl im Bereich des Kinderschutzes als auch zu sonstigen die Arbeit der soeben genannten Einrichtungen und Dienste unterstützenden Themen. Zu unseren Aufgaben gehören ferner die Beratung der örtlichen Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe sowie die Entwicklung von Empfehlungen. So wurden vom Landesjugendhilfeausschuss in diesem Jahr beispielsweise folgende Empfehlungen verabschiedet: Es sind „Leitlinien Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“. Es sind Vereinbarungen zum Verfahren nach § 8 a Abs. 2 SGB VIII zum Schutz von Kindern und Jugendlichen; das ist der Paragraph im SGB VIII, der bei Kindeswohlgefährdung angewendet wird und der erst vor nicht allzu langer Zeit in dieses Gesetzeswerk aufgenommen worden ist.

Weiterhin wurden vom Landesjugendhilfeausschuss Qualitätsstandards für das Kinder- und Jugendsorgentelefon des Freistaats Thüringen verabschiedet, es ist übrigens die Nummer 0800 0080080. Fachliche Empfehlungen zur Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII wurden ebenfalls vom Landesjugendhilfeausschuss als Empfehlung verabschiedet. Als weitere Aktivitäten der Landesregierung im Kontext Kinderschutz aus den letzten zwei Jahren ist die Erarbeitung eines Formulierungsvorschlags für die Neu

einführung eines Kinderschutzparagraphen im SGB VIII zu benennen. Das ist der von mir soeben genannte § 8 a. Weiterhin sind zu benennen die Einführung einer Kinderschutzregelung in § 20 des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes, die Änderung der Richtlinie für die Ausstellung der Jugendleitercard in Thüringen und Aufnahme von Kenntnissen zum Kinderschutz in das Fortbildungscurriculum. Das ist die Fortschreibung der Maßnahme der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt und es ist die Beteiligung an der Bundesinitiative „Frühwarnsystem für vernachlässigte oder misshandelte Kinder“. Thüringen beteiligt sich zusammen mit den Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz an dem Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“. Dieses Projekt hat am 1. November dieses Jahres begonnen und läuft über drei Jahre. Ziel des Projekts ist es, Eltern in besonderen Belastungs- und Risikosituationen möglichst früh zu unterstützen. Zielgruppen sind sehr junge, alleinerziehende und kranke Mütter.

Darüber hinaus sind aus dem Gesundheitsbereich folgende Aktivitäten zu benennen: Seitens meines Hauses werden dort alle Anstrengungen der Thüringer Ärzteschaft und auch der Krankenkassen unterstützt. Hierzu gehören insbesondere die an der FSU Jena errichtete Kinderschutzambulanz und die von der Landesärztekammer Thüringen eingerichtete interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die sich mit den Problemen „Gewalt gegen Kinder“ befasst. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht insbesondere die weitere Sensibilisierung und Qualifizierung der Ärzte für dieses Thema, denn es ist wichtig, wenn Kinder bei den Ärzten vorgestellt werden, die Symptome rechtzeitig zu erkennen, die auf Gewalt schließen lassen. Der von meinem Haus zusammen mit der Landesärztekammer Thüringen und der Techniker Krankenkasse herausgegebene Leitfaden „Gewalt gegen Kinder“ wird in Kürze neu aufgelegt werden. Ergänzt wird dieser Leitfaden durch ein Informationsfaltblatt, das in Arztpraxen ausgelegt wird und auch die Öffentlichkeit weiter sensibilisieren soll, denn das Thema verlangt die Aufmerksamkeit aller. Zudem bemüht sich die Landesregierung im Bundesrat um bundesweit einheitliche Regelungen, die zu einer erheblichen Steigerung der Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen führen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie angesichts der vielfältigen Aktivitäten bemerkt haben, ist das Thema „Kinderschutz“ für uns in der Tat kein Thema, das erst seit den spektakulären Kindstötungen auf der Agenda steht. Es ist vielmehr Bestandteil unserer kontinuierlichen Arbeit und das wird auch so bleiben. Gerade die Ereignisse in den letzten Monaten und vor allem von gestern haben gezeigt, dass es trotz eines differenzierten Hilfesystems immer wieder Einzelfälle gibt, bei denen

die Hilfen versagen. Immer wieder sind die Kinder die Leidtragenden. Da müssen die bestehenden Hilfesysteme immer wieder neu einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Das betrifft natürlich auch und vor allem die örtliche Ebene. Gesetzlich zuständig für den Kinderschutz sind vorrangig die Landkreise und kreisfreien Städte. Die Landesregierung möchte allerdings diesen Prozess befördern. Erforderlich ist ein Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes, so wie es in der Ziffer 2 des CDU-Antrags richtigerweise für Thüringen gefordert wird. Das Kabinett hat in dieser Woche den Rahmen für eine solches Gesamtkonzept beschlossen. Es beinhaltet vor allem Maßnahmen in den Bereichen Fortbildung von Kinderschutzfachkräften der freien und öffentlichen Jugendhilfe. Das beinhaltet Fortbildung von Hebammen zu Familienhebammen, die die jungen Mütter auf die im Einzelfall gegebenenfalls erforderlichen Unterstützungsleistungen in den Bereichen gesundheitliche, soziale und materielle Versorgung hinweisen und entsprechende Hilfen vermitteln können. Wir haben festgestellt, dass die Hebammen nach der Geburt in der Regel die ersten Vertrauenspersonen sind und die Hebammen sollten über die gesundheitliche Beratung hinaus auch Kompetenz in sozialen Fragen erhalten.

Die Konzeption eines sozialen Frühwarnsystems auf Ebene eines Landkreises und einer kreisfreien Stadt will ich im Rahmen eines Modellprojekts für interessierte Kommunen beim Aufbau eines solchen Frühwarnsystems unterstützen und ich will die notwendige Unterstützung auch gewähren. Verbesserung der Zusammenarbeit aller am Kinderschutz Beteiligten ist Bestandteil dieses Rahmenkonzepts. Es ist die Klärung datenschutzrechtlicher Fragen notwendig. Die Jugendämter müssen erfahren, dass und welche Kinder in ihrem Zuständigkeitsbereich geboren wurden, nur dann können sie wirklich frühzeitig Hilfestellung anbieten. Die Jugendämter müssen ebenfalls erfahren, welche Kinder nicht mehr an den Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben, eine Nichtteilnahme könnte - ich betone ausdrücklich „könnte“ - ein Indiz für Probleme in der Familie sein. Außerdem müssen die Schulen in die Lage versetzt werden, die Jugendämter über Verdachtsfälle von Misshandlungen und Vernachlässigungen zu informieren.

Meine Damen und Herren, seit mehreren Monaten wird auch darüber diskutiert und gestritten, die Vorsorgeuntersuchungen bei kleinen Kindern zur Pflicht zu machen. Der Bundesrat wird heute voraussichtlich nochmals eine entsprechende Initiative an die Bundesregierung starten. Davon unabhängig sind wir mit der AOK seit geraumer Zeit im Gespräch über eine Bonusregelung bei Wahrnehmung der freiwilligen Untersuchungen - die so genannten U 1- bis U 7-Untersuchungen bei Kleinkindern. Das sind die

Untersuchungen in den ersten beiden Lebensjahren. Die Wahrnehmung der Untersuchungen liegt in den ersten beiden Lebensjahren bei über 90 Prozent und nimmt dann mit zunehmendem Lebensalter der Kinder ab. Diese Rate noch zu erhöhen, ist gemeinsames Ziel der Landesregierung und der AOK Thüringen.

In einer noch festzulegenden Modellregion in Thüringen sollen alle Eltern, die diese Vorsorgeuntersuchungen mit den Kindern wahrnehmen, einen finanziellen Bonus erhalten. Das soll wie folgt geschehen: Jeweils für das erste und zweite Lebensjahr sollen die Eltern bei Wahrnehmung aller Termine jeweils einen Geldbonus erhalten. Dies ist ein weiterer Beitrag zu einem verbesserten Kinder- und Jugendschutz. Ich gehe davon aus, dass sich noch weitere Kassen diesem Modell anschließen werden. Ich möchte ausdrücklich der AOK meinen Dank aussprechen, dass sie hier in dieser Frage so konstruktiv mitgearbeitet hat.

Ferner muss die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden, dazu nutze ich gern auch die Landtagsdebatte wie die heutige. Auch in Zeiten, in denen in der Presse über keine aktuellen Kinderschutzprobleme berichtet wird, muss das Thema „Kinderschutz“ präsent sein. Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens, wo sich auch Verwandte, Nachbarn, Freunde oder Bekannte trauen, Problemfälle zu bemerken, sie anzusprechen und - wenn sie genügend Anlass sehen - hierüber das Jugendamt zu informieren, so wie es im Übrigen auch in Sömmerda geschehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, verstärkter Kinderschutz ist mehr als nur die Aufstockung der Förderung der Kinderschutzdienste. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren - und da gebe ich den Kolleginnen und Kollegen von der SPD gern recht -, auch die Aufstockung der Kinderschutzdienstförderung gehört natürlich in ein solches Gesamtkonzept. Dies ist in der Form vorgesehen. Mit Hilfe der Aufstockung der zur Verfügung stehenden Fördermittel werden wir im nächsten Jahr die Eröffnung des 13. Kinderschutzdienstes ermöglichen können. Außerdem soll die Richtlinie dahin gehend geändert werden, dass wieder, wie in der Vergangenheit auch, bis zu zwei Fachkräfte pro Kinderschutzdienst anteilig gefördert werden. Dadurch sollen mehr Kapazitäten für Präventionsarbeit, insbesondere in Kindertageseinrichtungen und Schulen, geschaffen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist bereits am Dienstag in der eben genannten Form so beschlossen worden. Für dieses von mir soeben skizzierte Rahmenkonzept haben wir im Haushaltsjahr 2007 Mehrausgaben in Höhe von knapp 370.000 € vorgesehen und diese Mittel werden durch

Umschichtung innerhalb meines eigenen Ressorts erbracht. Meinen Worten haben Sie entnehmen können, dass wir mit einem solchen Gesamtkonzept versuchen, das bisherige Kinderschutzsystem weiterzuentwickeln. Wir wollen nicht nur, wie das von der SPD zu Recht beantragt wird, einzelne seit langem bestehende Förderbereiche mit mehr Landesmitteln fördern, sondern wir wollen ein Gesamtkonzept zum Schutz für vernachlässigte oder misshandelte Kinder schaffen, wie dies die CDU mit ihrem Alternativantrag gefordert hat. Im Übrigen, eine Aufstockung der Landesmittel würde im Fall der Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen nur dazu führen, dass die kommunalen Mittel wieder zurückgefahren werden. Auf die Arbeit der Beratungsstellen würde sich der erhöhte Landesanteil somit nicht auswirken. Ich möchte Sie außerdem daran erinnern, dass wir allein in diesem Jahr über 1,3 Mio. € Landesmittel für diese Beratungsstellen zur Verfügung gestellt haben. Das ist eine aus Sicht des Landes freiwillige Leistung, aber, ich denke, eine mehr als ansehnliche Summe und zugleich Beweis dafür, dass wir die Arbeit dieser Beratungsstellen natürlich als sehr sinnvoll und notwendig erachten.

Meine Damen und Herren, abschließend bleibt noch einmal die Feststellung: Kinderschutz ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wir brauchen eine Kultur des Hinschauens - das geht jeden an. Vielen Dank.