Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

Meine Damen und Herren, abschließend bleibt noch einmal die Feststellung: Kinderschutz ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wir brauchen eine Kultur des Hinschauens - das geht jeden an. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Da mir Wortmeldungen von allen Fraktionen vorliegen, stelle ich fest, alle drei Fraktionen wünschen die Aussprache. Dem ist so. Dann eröffne ich die Aussprache und als erste Rednerin hat das Wort Abgeordnete Taubert, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, uns hat die Nachricht schockiert, dass auch in Thüringen Kinder nicht vor Vernachlässigung umfassend geschützt werden können. Aber der Grund für unseren Antrag war ja gar nicht so vordergründig ein Todesfall in unserem Land, sondern die Berichterstattung auch aus anderen Bereichen sowie ein ganz einfacher, sehr verwaltungsmäßig klingender Umstand. Wir sprechen nämlich alle von Verwaltungsvereinfachung und Gebietskörperschaften klagen oft zu Recht, dass sie dem DIN-Infarkt unterliegen, und es gibt eine interministerielle Arbeitsgruppe - oder es gab diese zumindest - zum Abbau kommunal belastender Standards. Gerade in dieser Arbeitsgruppe wurde unter Mitwirkung des Thüringischen Landkreistags Standardabbau de

finiert. In Drucksache 4/2323, die dem Landtag auch zugegangen ist, finden sich zwei vorgeschlagene Punkte: zum einen die Änderung der Richtlinie zur Förderung des Kinderschutzdienstes - Reduzierung vorzuhaltender Personalstandards - und die Überarbeitung der Grundsätze für die Anerkennung von Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Sinne des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes - Reduzierung von Sach- und Personalstandards. Ich will als ehemalige Sozialdezernentin mit Verständnis für Kämmerer deutlich sagen, dass ich auch in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle dafür geworben habe, Veränderungen vorzunehmen. Das sehe ich auch heute noch so. Woran ich aber nie gerüttelt habe, sind die präventiven und unterstützenden Maßnahmen auch gerade außerhalb von Verwaltungen. Unumstößlich müssen Kinderschutzdienst, Ehe-, Familien- und Lebensberatung wie Suchtberatung gefördert werden. Da meine ich sowohl die Landes- als auch natürlich die Kommunalförderung. Was wir bei diesem Angebot sparen, das legen wir später mehrfach drauf.

(Beifall bei der SPD)

Das hat die Erfahrung belegt. Tragischerweise muss manch ein Kind das auch mit dem Leben bezahlen. Jeder Fachmann weiß, dass Erziehungsberechtigte nicht so gern in ein Amt gehen, beim Jugendamt vorsprechen. Der mögliche Ruf, schlechte Eltern zu sein, klebt wie Pech. Die Betroffenen selbst haben auch eine natürliche Hemmschwelle, wenn wir an die Jugendlichen denken, das Amt zu betreten. Deswegen ist es wichtig, dass auch außerhalb von Ämtern Angebote vorgehalten werden. Kinderschutz sowie Ehe- und Familienberatung sind klassisch unterstützende und präventiv arbeitende Bereiche, die bewusst außerhalb von Behörden angesiedelt wurden. Umso ärgerlicher ist es, dass auch die kommunale Familie die Wichtigkeit derartiger Angebote partiell unterschätzt. Dass Kommunalpolitiker auch sensibler mit helfenden und präventiven Angeboten umgehen können, zeigt ein Beispiel aus Dormagen. Aus einer Pressemitteilung bereits vom Februar dieses Jahres geht hervor, dass der dortige Bürgermeister den gesetzlichen Auftrag nach § 8 a SGB VIII mit einer Vereinbarung aller Träger der Jugendhilfe, also der staatlichen und der freien Träger geregelt hat. Dormagen ist eine zuständige Gemeinde, das ist eine etwas andere Regelung als in Thüringen. Die gesetzlich vorgeschriebene Vorgehensweise bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung wird in Dormagen im Übrigen seit Jahren angewandt. Sie ist Teil eines Qualitätskataloges der Jugendhilfe. Dieser Bürgermeister hat ein Gespür dafür, was gut für seine Bürger ist und wie er sie in schwierigen Lebenslagen begleiten kann. Er sieht die Hilfe als gute Investition in die Kinder seiner Stadt und damit auch volkswirtschaftlich in jedem

Fall als gut angelegtes Geld.

Auch das will ich deutlich sagen, in Thüringen leisten Jugendämter gemeinsam mit freien Trägern täglich gute Arbeit genau in diesem Sinne. Dazu ist jedoch von den Fachämtern bis zur Hausleitung Verständnis und Offenheit für die Unterstützung von Familien Voraussetzung. Es kommt darauf an, ein Klima für Mitarbeiter zu schaffen, dass sie sich unterstützt in ihrer Arbeit fühlen können, und das, ohne den sparsamen und sinnvollen Umgang mit Mitteln zu vernachlässigen. Gerade im Kontext von Kinderschutz und Familienunterstützung ist es daher unverständlich, dass der Spitzenverband gerade diese Standards senken wollte.

Trotz aller Betroffenheit heute zu dem ganz konkreten Fall kann ich es nicht lassen, auch darauf zu verweisen, dass gerade in dem Landkreis, der von dem Todesfall betroffen ist, eben ein anderes Klima herrscht. Ich wünsche mir, dass dort eine Veränderung stattfindet.

Ein kleines Beispiel - wir hatten letztens im Haushalts- und Finanzausschuss die überplanmäßigen Ausgaben: Der Landkreis nimmt noch nicht einmal die Landesfördermittel für die Jugendpauschale in Anspruch. Das zeigt, dass dort ein Umdenken dringend geboten ist.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Drin- gend!)

Das ist aber nur ein Teil dessen, was wir an Veränderung brauchen.

Ich weiß, dass in den kommunalen Bereichen - sei es im Hauptamt, aber auch im Ehrenamt - zu mancher Zeit eine ganz fatale Verbindung aufgestellt wird, nämlich, indem man die Jugendhilfe als ein mögliches Sparfeld für die Finanzen nutzen möchte. Solange alles gut geht, mag das ja sein, trotz alledem verkennt so ein Handeln, dass wir bei Kindern immer sorgsam schauen müssen, wo wir sparen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Aber zurück zum Abbau der Standards: Ich glaube nicht - insofern möchte ich auch Herrn Minister Zeh unterstützen -, dass das Fachamt und die Fachabteilung diesem Standardabbau zugestimmt hat oder zumindest erfreut zugestimmt hat. Was mich ärgert, ist der Umstand, dass es erst einer Vielzahl von solchen schwierigen Fällen von Kindesmisshandlungen, zum Teil mit Todesfolge, bedarf, dass Aktivitäten verstärkt werden. Sie haben das in Ihrem Bericht ja dankenswerterweise gesagt, dass viele Aktivitäten bereits jetzt schon stattfinden. Insofern ist es für uns wichtig, dass wir nicht nur punktuell auch

mit solchen Modellvorhaben jetzt helfen, sondern dass wir Kontinuität in diese Förderung bringen. Mir ist wichtig, dass ein Modellvorhaben vielleicht helfen kann, bestimmte Abläufe zu hinterfragen, auch mit einer bestimmten wissenschaftlichen Begleitung zu hinterfragen, aber Modellvorhaben dürfen nicht dazu führen, dass zeitweise Geld ins System kommt, das nach einigen Jahren wieder herausgenommen wird. Jeder weiß, wie fatal solche Finanzabbrüche dann sind, und wir helfen niemandem in Thüringen, schon gar nicht den Kindern, wenn wir das tun. Aber da sie noch nicht ausgearbeitet sind oder uns heute nicht so vorgetragen wurden, hoffe ich, dass es auch in diesem Sinne passiert.

Der Kinderschutz liegt uns deswegen so am Herzen, weil ich z.B. auch aus persönlicher Erfahrung weiß, da, wo Kinderschutzdienste vorhanden sind, arbeiten sie ausnahmslos sehr gut. Sie sind ein Teil dieses Netzwerkes, was verstärkt aufgebaut werden soll oder verstärkt werden soll, und sie müssen einfach ein Bestandteil sein. Deswegen habe ich mit Freude gehört, dass Sie diese Thematik auch wieder aufgreifen, weil sie einfach in dieses Netzwerk gehört. Ich bitte also darum, dass unser Antrag mit aller Ernsthaftigkeit geprüft wird und wir gemeinsam zu einer Netzwerkverstärkung kommen können, die wir auch in Thüringen brauchen.

Lassen Sie mich auch ein paar Worte zum Alternativantrag der CDU-Fraktion sagen. Wir sind mit Ihnen ja einig, dass wir überall dort, wo wir Lücken erkennen, nachbessern, das Netz flicken müssen. Das, glaube ich, ist auch die Hauptaufgabe, die das Ministerium an der Stelle leisten muss. Wir unterstützen selbstverständlich, dass die Früherkennungsuntersuchungen stabilisiert werden. Ich denke auch, da sollten wir gemeinsam schnell zu einem Antrag kommen, diese Untersuchung vorzunehmen und auch gesetzlich zu verankern. Auch wenn es lobenswert ist, dass Krankenkassen bereits Unterstützung zugesagt haben - und ich auch hoffe, dass es flächendeckend über alle Kassen der Fall sein wird -, sollten wir dort auch niemanden aus seiner Pflicht lassen. Denn die Eltern haben Rechte, aber sie haben eben auch Pflichten und Kinder können sich in aller Regel nicht wehren, wenn die Pflichten der Eltern vernachlässigt werden.

Ich verweise auch nochmals auf unsere Kleine Anfrage, die haben wir bereits im September zu den Hebammen gestellt. Auch da habe ich mit Freude gehört, dass an der Stelle Unterstützung geleistet werden wird. Ich bitte darum, dass Sie bei aller Betrachtung auch die Gesundheitsämter mit einbeziehen, denn die Gesundheitsämter sind auch in der Kindereinrichtung tätig. Mindestens zweimal werden die Kinder bis zur Einschulung untersucht; es ist das Mindeste, was auch jedes Gesundheitsamt in Thüringen

leistet. Jedes Jahr sind die Amtsärzte in den Kindereinrichtungen und man muss einfach schauen, was dort noch an Know-how von vor einigen Jahren vorhanden ist, um möglicherweise auch dort Bündelung von Informationen vorzunehmen, denn die Gesundheitsämter haben sich gerade dem Thema Gesundheit intensiv verschrieben. Lassen Sie die bitte nicht außen vor. Die Jugendämter müssen erfahren, wo Hilfe notwendig ist. Es gibt bereits viele Akteure, die dazu helfen können. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Danke. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Panse, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich darf sagen, auch uns, die CDU-Fraktion, hat die Nachricht, die wir gestern Abend aus Sömmerda vernommen haben, sehr betroffen gemacht. Insofern, glaube ich, gehört es auch dazu, dass wir gleich vorab sagen, wir wollen eine sachgerechte Diskussion und Auseinandersetzung, wie sie hier im Thüringer Landtag auch stattfinden kann, gleichzeitig in den Ausschüssen fortführen und fortsetzen. Ich glaube, das ist eine wichtige und angemessene Reaktion auch auf das, was uns seit gestern Abend noch viel stärker beschäftigt, als es uns bereits in den letzten Wochen schon beschäftigt hat.

Ich denke, da können wir für alle hier im Thüringer Landtag sprechen, der Kinder- und Jugendschutz, das ist ein Anliegen aller hier im Landtag vertretenen Fraktionen. Das war vor den schrecklichen Ereignissen der letzten Wochen und Monate und auch des gestrigen Abends so und, ich denke, das wird auch in Zukunft so bleiben. Wir haben uns regelmäßig im Thüringer Landtag über den Kinderschutz miteinander verständigt. Wir haben im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit in sehr kurzen Abständen regelmäßig die Diskussion zum Kinderschutz und was wir besser machen können. Wir diskutieren dort auch miteinander, wie wir Lösungen finden können, wie wir bessere Lösungen finden können.

Aber ich möchte auch eines vorab und deutlich sagen: So betroffen und wütend uns solche Nachrichten wie die von gestern Abend machen, wir müssen auch immer in einer Form reagieren, wo man sagt, es ist der Situation angemessen, wo man nicht dieser ersten Reaktion verfällt, in dem Drang, im ersten Moment zu kurzfristigen Entscheidungen zu greifen und zu sagen, wir suggerieren damit Lösungen. Insofern möchte ich an das anknüpfen, was Birgit Pelke, unsere Landtagskollegin, bei der letzten

Beratung zu diesem Thema in der 39. Plenarsitzung im Thüringer Landtag gesagt hat. Frau Pelke, Sie haben damals sinngemäß gesagt, dass wir nicht aus Empörung heraus der Versuchung erliegen dürfen, etwas auf die Schnelle zu regeln und die Suche nach Schuldigen ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Das dürfen wir nicht. Ich möchte an dieser Stelle auch sehr deutlich und eindringlich davor warnen, weil ich auch jetzt schon wieder die ersten Signale wahrnehme, wenn man sich die Agenturmeldungen durchliest, wie schnell dann gesagt wird, man müsste jetzt nach politisch Schuldigen suchen, man müsste ganz viele Entscheidungen jetzt sofort und ad hoc treffen. Ich glaube, das ist der Situation nicht angemessen.

Ich möchte etwas Weiteres sagen: Neben der gemeinsamen Suche nach einem schlüssigen Gesamtkonzept, was wir vorantreiben wollen, müssen wir immer dabei im Blick haben, dass wir vor allem Eltern stärken wollen, Eltern, die als Allererste Verantwortung tragen, die auch, wenn wir diese ganze Diskussion, die wir heute wieder erleben, reflektieren, feststellen, die als Allererste Verantwortung tragen, aber die leider auch als Allererste bei solchen schlimmen Fällen versagen. Denn das, was in Sömmerda geschehen ist, ist zuallererst ein Versagen der Eltern; das muss und darf man an dieser Stelle auch deutlich sagen. Es gehört auch dazu, dass man das der Ehrlichkeit halber bekennt.

Wir müssen und wir wollen Eltern in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung stärken. Wir wollen das auch vor dem Hintergrund tun, dass wir wissen, dass weit über 90 Prozent der Eltern ihre Erziehungsverantwortung sehr verantwortungsbewusst wahrnehmen. So schlimm, wie die jüngsten Fälle von Kindesmisshandlungen und Kindestötungen in den letzten Wochen und Monaten für jeden von uns waren, wir müssen immer wieder darauf achten, dass wir nicht Eltern generell misstrauen. Wir müssen Eltern, die nicht dazu in der Lage sind, helfend an die Hand nehmen, aber wir dürfen Eltern nicht generell misstrauen.

Ich bin Minister Zeh außerordentlich dankbar, dass er sehr umfänglich berichtet hat zur aktuellen Situation hier in Thüringen. Das war auch eines der Anliegen unseres Antrags, dass wir eine umfängliche Berichterstattung hier im Plenum wollten, aber auch fortführend im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und in den notwendigen Gremien. Ich bin auch dankbar, dass Minister Zeh sehr deutlich herausgestellt hat, wie die gesetzlichen Grundlagen sind. Der Kinderschutz ist ganz klar eine kommunale Pflichtaufgabe, das ist in den §§ 1 und 85 im SGB VIII ganz deutlich geregelt. Das Sozialgesetzbuch VIII trifft ganz klare Aussagen, und auch das von Minister Zeh zitierte Thüringer Kinder-

und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz, das KJHAG, trifft in § 20 mit den seit dem 01.01.2006 geltenden Kinderschutzregelungen dazu klare Bestimmungen. Wir haben - auch das war gesagt worden - die Jugendämter in der örtlichen Verantwortung, die Jugendämter, die den Kinderschutz vor Ort entweder in eigener Verantwortung umsetzen oder mit den Kinderschutzdiensten umsetzen. Wenn sie es in eigener Verantwortung umsetzen, sind es in der Regel die allgemeinen sozialen Dienste, die Abteilungen der Jugendämter, die diese Aufgabe wahrnehmen. Es ist in vielen Regionen so, dass ein Kinderschutzdienst diese Aufgabe leistet. Beide haben aber die klare Aufgabe, Kinder vor Vernachlässigung, vor Misshandlung zu schützen. In dieser Aufgabe muss man sie stärken. So verstehe ich auch den Antrag der SPD-Fraktion an dieser Stelle, wenn es um die Kinderschutzdienste geht.

Lassen Sie mich deswegen auch einige Sätze zur Situation der Kinderschutzdienste in Thüringen sagen. Wir haben bis zum Jahr 2004 in Thüringen 14 Kinderschutzdienste gehabt. Sie wissen, dass im Jahr 2004 in Saalfeld-Rudolstadt und in Sondershausen die Kinderschutzdienste ihre Arbeit eingestellt haben, aber gleichwohl dort die Arbeit in Verantwortung des örtlichen Jugendamtes weiter geleistet wird. Wir haben nun auch - und das hatte ich bei vorangegangenen Plenardebatten schon mal versucht zu erklären - bei den Zuschüssen des Landes Veränderungen vom Jahr 2004 bis zum Jahr 2006 erlebt. Insbesondere im Jahr 2004, als die Zuschüsse des Landes für die Kinderschutzdienste abgesunken sind, hatte das unter anderem damit zu tun, dass wir zum einen nicht mehr 14 Kinderschutzdienste gefördert haben, hat aber zum anderen auch damit zu tun, dass wir vieles von den Anschubfinanzierungen der Jahre zuvor in diesen Jahren nicht mehr leisten konnten und teilweise auch nicht mehr leisten mussten.

Wir haben in den jetzt bestehenden 12 Kinderschutzdiensten die Situation, dass wir rund 400.000 € an jährlicher Landesförderung vornehmen für die hier im Antrag skizzierten 1,5 Vollbeschäftigteneinheiten. Das ist eine Absenkung im Vergleich zum Haushalt 2004, nicht zu 2005. Das haben wir ja schon einmal diskutiert. Es wird auch im Jahr 2007 - zumindest haben wir diesen Haushalt so beschlossen für diesen Bereich - keine Absenkung geben. Wir diskutieren heute darüber, ob es eine Aufstockung in diesem Bereich geben soll und geben wird. Ich sage es auch sehr deutlich: Die CDU-Fraktion befürwortet eine solche Aufstockung. Ich werde später noch darauf eingehen, wie wir uns das vorstellen.

Ich möchte aber, sehr geehrte Damen und Herren, auch einige Sätze zu den Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen sagen. Zu den Er

ziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen ist festzustellen: Wir haben 36 vom Land anerkannte Beratungsstellen; es gibt dazu 14 Außenstellen. Wir müssen feststellen, dass diese Beratungsstellen durchaus sehr flächendeckend im Land vertreten sind und dass sie mit insgesamt 1,3 Mio. € jährlich vom Land unterstützt werden. Sie werden vom Land unterstützt und das macht auch deutlich, dass wir bei den Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen auch eine Aufgabe haben, die sich zuallererst an die örtliche öffentliche Jugendhilfe richtet. Wir unterstützen als Land diese Angebote und wir unterstützen die örtlichen Jugendämter dabei, ein ausreichendes und bedarfsgerechtes Angebot gemäß § 80 im SGB VIII in Verbindung mit § 12 im Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz vorzuhalten. Der ergänzende Finanzierungszuschuss, der Landeszuschuss, den wir vornehmen, macht aber auch deutlich, dass die ursächliche Finanzierungsverantwortung trotzdem bei den Kommunen anzusiedeln ist und auch angesiedelt werden muss - auch in Zukunft.

Sie haben darauf hingewiesen, es steht in der Diskussion, dass die Richtlinie für die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen geändert werden soll. Wir haben in der letzten Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 04.12.2006 dazu beraten. Deswegen, Frau Kollegin Taubert, erlauben Sie mir auch zwei Sätze dazu korrigierend vielleicht zu sagen, was diese Richtlinie angeht. Bei den Änderungen der Richtlinie, die wir jetzt zum 01.01.2007 vermutlich erleben werden, geht es im Wesentlichen darum, dass redaktionelle Änderungen vorgenommen werden aus den vorangegangenen Änderungen am Thüringer Kinder- und JugendhilfeAusführungsgesetz. Es geht um einen zweiten Punkt, das ist die Aufhebung der Anerkennungsgrundsätze. Die Anerkennungsgrundsätze für die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen bestanden in Thüringen seit vielen Jahren. Wir hatten diese Anerkennungsgrundsätze, um zunächst ein flächendeckendes Netz aufzubauen, um als Land auch an dieser Stelle ordnend eingreifen zu können. Jetzt müssen wir konstatieren, erstens haben wir ein flächendeckendes Netz und zweitens hat uns durchaus der Landkreistag berechtigt darauf hingewiesen, dass diese Anerkennungsgrundsätze nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fallen. Das muss man rechtlich so akzeptieren. Gleichwohl hat das Sozialministerium deutlich gemacht, dass es bei dem momentan bestehenden Qualitätsstandard bleiben möchte und bleiben wird und dass wir das auch erreichen können, indem zukünftig Förderungen für die Beratungsstellen eben an diesen Qualitätsstandards gemessen werden, unabhängig, ob die Anerkennungsgrundsätze in dieser Form in unserer Zuständigkeit weiter bestehen bleiben oder ob das vor Ort auch in kommunaler Zuständigkeit geregelt wird.

Neu ist bei der Änderung der Richtlinie hingegen, dass die Modellprojekte möglich gemacht werden. Modellprojekte, wie sie Minister Zeh vorhin zum Teil skizziert hat, wollen wir auch in dieser Richtlinie verankern, damit die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen solche Modellprojekte auch in ihrem Verantwortungsbereich mit Landesunterstützung umsetzen können.

Also noch mal ganz deutlich, damit das auch festgehalten werden kann: Wir haben an dieser Stelle keine Standards verändert, die fachlichen Empfehlungen bleiben, sie bleiben genauso wie der niederschwellige Zugang zu den Einrichtungen.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen bei den Beratungsstellen: Ja, wir hatten in diesem Bereich - und da pflichte ich Ihnen bei - Haushaltsreduzierungen. Aber diese Haushaltsreduzierungen für die Beratungsstellen hatten wir auch nicht im Vergleich der Haushalte 2005/2006 und die werden wir auch nicht im Haushaltsjahr 2007 haben, sondern die hatten wir im Haushaltsjahr zwischen 2004 und 2005. Damals in einer durchaus finanzpolitisch schwierigen Situation, als wir im Thüringer Landtag den Haushalt beschlossen haben, mussten wir auch schauen, wie wir den Haushalt mit allen freiwilligen und allen Pflichtleistungen, die in ihm enthalten sind, rund bekommen können. Das sage ich ganz deutlich und ganz ehrlich. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wie mit diesen Haushaltstiteln umgegangen wird. Ich werde aber nachher noch darauf zurückkommen, wie die Beratungsstellen derzeit in der aktuellen Arbeit damit umgehen.

Zu den beiden Bereichen, die Sie in Ihrem Antrag benannt haben, sowohl die Kinderschutzdienste als auch die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, muss ich sagen, es sind beides ganz unbestreitbar wichtige Aufgabenfelder, aber der vorliegende SPD-Antrag greift eben nur diese zwei Themenfelder auf. Wir wollen als CDU-Fraktion schon deutlich machen, dass für uns ein Gesamtkonzept Bestandteil des Kinder- und Jugendschutzes sein soll, ein Gesamtkonzept, was natürlich darüber hinausgehen soll. Das ist auch ein Teil unseres Antrags, den wir Ihnen vorgelegt haben. Wir haben auch als CDU-Fraktion in der Vergangenheit immer wieder gesagt, wir wollen ein Thüringer Frühwarnsystem und wir wollen ein Schutzkonzept für Thüringer Kinder haben. Deshalb haben wir den Antrag heute vorgelegt, der zum einen die Landesregierung dazu aufforderte, hier umfänglich zu berichten, aber zum anderen auch die Landesregierung bestärkt, dieses Frühwarnsystem, wie es Minister Zeh in einigen Punkten vorhin auch schon skizziert hat, weiterzuentwickeln und auch die Früherkennungsuntersuchung, wie Sie es in einem unserer Punkte des Antrags finden, weiter zu stärken. Auch dazu haben

wir gestern bereits in der Aktuellen Stunde gesprochen. Auch dazu habe ich gestern bereits gesagt, ich wünsche mir ein größeres Maß an Verbindlichkeit. Wir werden gemeinsam miteinander im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit besprechen, was da rechtlich geht. Ich sage aber auch, ich wünsche mir in diesem Bereich ein bundeseinheitliches Vorgehen. Es kann nicht sein, dass das in Ländereinzelregelungen getroffen wird. Ich möchte, wenn dies möglich ist, ein bundeseinheitliches Recht an dieser Stelle. Der Bundesrat berät dazu. Der Bundesrat hat dazu eine relativ klare Meinung. Jetzt ist es in der Tat die Frage, wie sich der Bundestag an dieser Stelle positioniert und wie gegebenenfalls auch verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt werden können.

Zu dem Frühwarnsystem in Thüringen: Die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit wissen, wir haben in der letzten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit dazu diskutiert, unter anderem auch auf Antrag der Linkspartei.PDS. Die Landesregierung hat dazu in dieser Woche Entscheidungen getroffen - Entscheidungen, die ich durchaus begrüße, wo ich sage, das ist der Rahmen, das ist der Weg, über den uns zum Teil im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit schon berichtet wurde, aber auch der Weg, den wir in Zukunft gehen wollen. Wir wollen das bekräftigen, auch unterstützen und weiterentwickeln.

Ich möchte auch etwas zu Berlin sagen, weil ich zur Verantwortung des Bundes durchaus auch Stellung nehmen möchte. Auch da ist es so, dass sich die beiden Bundestagskoalitionsfraktionäre bereits bei ihrer Koalitionsvereinbarung darauf verständigt haben, dass sie dieses bundesweite Frühwarnsystem in den Blickpunkt ihrer Arbeit nehmen wollen. Es ist ein wichtiges Aufgabenfeld für sie und es ist mitnichten erst in den letzten Wochen und Monaten entstanden. Ich bin froh, dass dies bereits bei den Koalitionsvereinbarungen verankert wurde. Die Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchung ist auch in Berlin bereits seit längerer Zeit in der Diskussion. Gestern, ich hatte es gesagt, haben wir darüber diskutiert, aber auch da hat Thüringen bereits Anfang dieses Jahres mit einer Bundesratsinitiative den Finger durchaus in diese Richtung gelegt und gezeigt und um Unterstützung gebeten. Der Bund möchte eine stärkere Vernetzung aller Beteiligten. Das ist zu unterstützen, denn mit der Neufassung des § 8 a im SGB VIII im letzten Jahr wird diese Zusammenwirkung zwischen medizinischen Einrichtungen, also Ärzten, auch Hebammen, auf der einen Seite und Kindertagesstätten und Schulen, Jugendamt und vor allem aber den Eltern deutlich herausgestellt und notwendig gemacht. Ich glaube, das ist etwas, was nur in einer Zusammenarbeit funktionieren kann. Wir

müssen immer wieder darüber diskutieren, wie weit kann das Recht des Staates gehen, in Familien zu intervenieren. Wir alle hier im Saal wissen aber, die beste Lösung ist, wenn es gemeinsam mit den Eltern funktioniert und wenn Eltern nicht gezwungen werden müssen, helfende Maßnahmen anzunehmen, besonders wenn sie helfende Maßnahmen, die ausgestreckte Hand letztendlich des Staates auch ergreifen.

Thüringen beteiligt sich an dem Bundesmodellprojekt - wir haben im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit davon gehört - gemeinsam mit BadenWürttemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz - Länder die durchaus auch sehr aktiv auf diesem Gebiet sind, auch eigene Vorstellungen haben. Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen, weil das der Bund bei seinem Frühwarnsystem auch betont: Eltern sollen gestärkt und einbezogen werden, Eltern dürfen nicht stigmatisiert werden. Das muss im Bund gelten, das gilt auch für uns. So wie dieses Maßnahmebündel im Bund eine Rolle spielen soll, wollen wir genau das gleiche Maßnahmebündel auch hier in Thüringen. Es geht dabei auch im Bund um die Kinderschutzdienste, es geht auch im Bund um die Vorsorgeuntersuchungen, ich habe das gesagt, aber es geht auch im Bund um mehr. Wenn wir sagen, wir wollen das staatliche Wächteramt stärken, also die Möglichkeit des Staates, zu wachen über das, was in Familien nicht funktioniert, denn darum geht es ja, dann müssen wir gleichzeitig den Ausbau früher Hilfen fördern und da müssen wir gleichzeitig ein effektives Frühwarnsystem haben. Wir brauchen dazu auch Fortbildung, Fortbildung für die handelnden Akteure, das war betont. Wir brauchen etwas Weiteres, was so ein Stückchen vielleicht auch seit gestern Abend noch deutlicher geworden ist. Wir brauchen für die handelnden Akteure der Jugendhilfe vor Ort klare begriffliche Definitionen, damit auch mit gemeinsamer Sprache gesprochen werden kann, wenn es um Kindeswohlgefährdung geht. Wir haben rechtlich eine ganz klare Situation, wann eine Inobhutnahme angezeigt ist, aber wir erleben oftmals Unsicherheiten, die auch aus sprachlichen Definitionsproblemen heraus rühren. Ich möchte schon, dass wir eine verbindlichere Regelung für alle Mitarbeiter der Jugendhilfe finden und das beispielsweise im Rahmen von Fortbildung allen zugänglich machen. Wir brauchen eine Rechtsprechung, die den in Verantwortung der Kinder Handelnden den Rücken stärkt, die sie letztendlich nicht im Unsicheren lässt. Ich habe es gesagt, wir haben ausreichend gesetzliche Grundlagen dafür. Zuletzt wurde zum 1. Oktober im letzten Jahr der neue § 8 a eingefügt, der eine Lücke geschlossen hat. Es wurde aber auch in § 42 des SGB VIII eine neue Ordnung der vorläufigen Maßnahmen bei Kriseninterventionen vorgenommen. Auch da ist rechtlich eigentlich klar, die Einschränkung und Ausübung des elterlichen Sorgerechts bei einer miss

bräuchlichen Ausübung ist durch das Familienrecht möglich. Wir haben auch in § 1666 BGB geregelt, wie es mit der Herausnahme von Kindern aus der Familie ist, wann das angezeigt ist, wie das zu geschehen hat. Ich denke, man muss das an dieser Stelle deutlich betonen, weil auch das etwas war, was ja augenscheinlich gestern in Sömmerda geschehen sollte, wo das Jugendamt in Obhutnahme für die Kinder eintreten wollte, aber eben leider bedauerlicherweise zu spät gekommen ist an dieser Stelle.

Minister Zeh hat vorhin das Modell der Familienhebammen skizziert. Das ist sicherlich ein Punkt, wo wir jungen Eltern, jungen Müttern bereits Hilfen an einer Stelle anbieten können, wo sie ihr Kind auf die Welt bringen, nicht erst dann, wenn staatliche Unterstützungssysteme erstmals aufmerksam werden, sondern bereits bei der Geburt des Kindes. Dazu gehört genauso die entwicklungspsychologische Beratung für Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern, die wir ebenso wie die Frühförderung in sehr frühen Phasen des Lebens von Kindern dann als unterstützende Elemente brauchen. Wir haben bei den Vorsorgeuntersuchungen, die dann irgendwann folgen - auch das war ja offensichtlich etwas, was gestern eine Rolle gespielt hat, dass das Jugendamt eingegriffen hat und der Mutter aufgezeigt hat, nimm bitte Untersuchung für dein Kind in Anspruch -, neben dem Prämienmodell, was Minister Zeh vorhin skizziert hat, die Frage, wie rechtlich verbindlich wir das regeln können. So sehr, wie wir uns darum bemühen, wir haben damit immer noch keine bundesweite Garantie, weil auch die staatliche Intervention an dieser Stelle Grenzen hat. So sehr wie wir damit suggerieren und uns das wünschen, wir werden es vermutlich nicht zu 100 Prozent und flächendeckend schaffen und wenn, dann immer nur mit Hilfe der Eltern.

Sehr geehrte Damen und Herren, zu den Kinderschutzdiensten zurück. Wir haben derzeit 12 Kinderschutzdienste in Thüringen. Wir wollen den 13. Kinderschutzdienst. Wir wollen den 13. Kinderschutzdienst in Sonneberg, um damit auch eine Lücke auf der Landkarte zu schließen, eine Lücke, wo wir sagen, wir wollen dieses flächendeckende Netz an Kinderschutzdiensten ausbauen. Dazu bedarf es zweifellos zusätzlicher finanzieller Mittel, um diesen Kinderschutzdienst dort aufbauen, aber dann auch entsprechend fördern zu können. Wir wollen gleichzeitig auch eine Stärkung der bestehenden 12 Kinderschutzdienste erreichen. In Sonneberg wird dank des Engagements unserer ehemaligen Kollegin, der Frau Zitzmann, die sich da immer sehr dafür stark gemacht hat, aber auch

(Beifall bei der CDU)

unserer neuen Kollegin aus Sonneberg, Frau Meißner, Anfang nächsten Monats eine Außenstelle des Kinderschutzdienstes eröffnet. Ich wünsche mir sehr, dass aus dieser Außenstelle sehr schnell ein eigenständiger Kinderschutzdienst wird. Das Land kann dazu deutlich machen, dass die Bereitstellung der finanziellen Mittel den Finger aufzeigt und wenn die Kommune das vor Ort entsprechend auch kofinanziert, bin ich zuversichtlich. Da werden wir in den nächsten Monaten den 13. Kinderschutzdienst in Sonneberg haben. Vor diesem Hintergrund sage ich auch ganz deutlich, wir teilen die Auffassung der SPD-Fraktion zur personellen und finanziellen Stärkung der Kinderschutzdienste.

Sehr geehrte Damen und Herren, das schließt auch ein die Aufstockung der Personalstandards von 1,5 auf 2,0 VbE je Beratungsstelle. Allerdings, auch das müssen wir deutlich sagen, werden und können wir dabei die Kommunen nicht aus ihrer Verantwortung zur fachlichen Entscheidung entlassen. Wie sie es letztendlich umsetzen können, wie sie es auch kofinanzieren können, das ist ein Stückchen die kommunale Pflicht. Ich bitte sehr herzlich alle Mitglieder des Hohen Hauses, die auch zugleich kommunalpolitisch aktiv sind, auf ihren kommunalen Ebenen entsprechend zu wirken, einzuwirken. Wir haben vorhin gehört, die Absenkung der Standards ist damals auf Anregung des Landkreistags erfolgt. Wir brauchen auch die kommunalen Spitzenverbände, wenn wir heute hingehen und sagen, wir wollen die Standards erhöhen, verbessern. Insofern bitte ich Sie sehr herzlich an dieser Stelle um Unterstützung.