Aber in dieser Frage, glaube ich schon, könnte auch in Thüringen ein Markenzeichen „barrierefreier Tourismus“ entwickelt werden.
Die wachsende Zahl an älteren und behinderten Menschen könnte in Thüringen eine attraktive Zielgruppe für Tourismus sein, wenn es denn noch mehr vernetzte barrierefreie Angebote gäbe. Auch das müsste eine konkrete Schlussfolgerung aus dem Demographiebericht sein - ich bin eingangs darauf eingegangen. Aber diese Angebote fehlen oftmals und selbst die vorhandenen werden nicht ausreichend genutzt, vermarktet bzw. kommuniziert. Es gibt vielfältige Probleme. Es fehlen abgestimmte Strategien und Maßnahmepläne. Es gibt Defizite bei der Sensibilisierung und Ausbildung der im touristischen Bereich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Natürlich sind dafür Investitionen nötig. Die werden bekanntermaßen nur getätigt, wenn die daraus resultierenden Umsatzsteigerungen das Geld auch wieder refinanzieren. Wie wird aber die Chance zur Erschließung dieses ökonomischen Potenzials genutzt? Haben wir ein Wissens- und Erkenntnisproblem oder ist es eher ein Umsetzungs- oder ein Geldproblem? Warum versagt hier, könnte man auch fragen, der Markt, wenn es denn eine große Nachfrage gibt?
Ich möchte neben den ökonomischen Aspekten eines barrierefreien Tourismus für alle einige Hemmnisse benennen, die wir sicherlich auch in Thüringen sehen, so habe ich die sechs Veranstaltungen, die voriges Jahr zum barrierefreien Tourismus in Thü
Als Erstes registrieren wir psychologisch mentale Barrieren aufseiten der Anbieter und der nicht behinderten Nachfragenden. Dieses kommt z.B. in solchen Fragestellungen zum Ausdruck: Wie schafft man das Design für alle? Wie bewirbt und informiert man Menschen mit Behinderungen bzw. Mobilitätseinschränkungen über vorhandene Barrieren bzw. die gegebene Barrierefreiheit, ohne andere potenzielle Kunden zu verschrecken? Oder auch solche Fragestellungen wie: Wie sichert man Barrierefreiheit, ohne das Haus zu einem verkappten Sanitätshaus umzubauen?
Oder wir stellen zweitens Kommunikationsdefizite aufseiten der Nachfrager fest. Auf entsprechende Nachfragen von Interessenten reicht es eben nicht aus, Aussagen darüber zu erhalten, dass das Hotel, die Gaststätte oder das Zimmer barrierefrei sei, denn was für den einen gilt - Menschen mit Behinderungen -, muss für den anderen Menschen mit Behinderung eben nicht gleichermaßen gelten. Damit Angebot und Nachfrage nach barrierefreien touristischen Leistungen zueinanderfinden, ist es a) nötig, dass die Nachfrager ihre Wünsche und Bedürfnisse natürlich deutlich artikulieren, b) die Anbieter wissen und auch deutlich sagen - ich würde einmal sagen, auch sagen können -, welche Anforderungen an Barrierefreiheit erfüllt werden und welche nur eingeschränkt oder überhaupt nicht, und c) wirkt es auch auf Anbieter motivierend, wenn barrierefreie Ansätze gewürdigt werden und nicht nur noch nicht Erreichtes kritisiert wird.
Drittens sehen wir Informationsdefizite aufseiten der Anbieter. Nur langsam spricht sich das Marktpotenzial, welches die wachsende Zahl von mobilitäts- und aktivitätseingeschränkten Personen verkörpert, herum. Aber gleichzeitig meinen noch zu viele touristische Anbieter, dass sich die Investitionen in die Barrierefreiheit nicht rentieren und das Potenzial, welches nicht auf Barrierefreiheit angewiesen ist, eben ausreichen würde. Die Entwicklung in Thüringen sagt gegenwärtig - auch in unserer Hauptdestination Thüringer Wald - leider das Gegenteil. Darüber hinaus verkennen die Anbieter die durchschnittlich längere Aufenthaltsdauer, die höhere Zielgebietstreue und den hohen Anteil an Reisen in der Nebensaison durch Reisende, die barrierefreie Angebote gern oder zwanghaft in Anspruch nehmen müssen.
Anbieter brauchen auch mehr Informationen über Anforderungen an die Barrierefreiheit und damit verbundene Regelungen und Normen. Es werden mehr Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema „Reisen für Menschen mit Handicap“ benötigt.
Viertens sehen wir Informationsdefizite hinsichtlich der Kosten von Barrierefreiheit. Natürlich muss sich Barrierefreiheit für den touristischen Anbieter rechnen. Die zu erwartenden Effekte, insbesondere hinsichtlich einer höheren Auslastung, können dazu beitragen, diese Kosten wieder zu refinanzieren. Manches kann und sollte auch mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Hier brauchen wir sicher auch neue Ideen. Neubauten, intelligent geplant, müssen nicht unbedingt viel teurer sein. Teuer ist in der Regel der nachträgliche Um- oder Einbau. Gleichzeitig brauchen wir öffentliche Komplimentärinvestitionen in Tourismusregionen. Was nützt das barrierefreie Hotel, wenn der Bahnhof, die Busstation, der Gehweg oder anderes, nicht barrierefrei sind? Insellösungen helfen nicht viel weiter; eine geschlossene touristische Servicekette ist notwendig und nur durch gemeinsame konzeptionelle Arbeit und Umsetzung zu leisten. Es ist schon bedenklich, wenn eine Hotelierfrau auf einer dieser Veranstaltungen im vorigen Jahr sagte: Ich beginne jetzt, die Barrierefreiheit wieder umzubauen, weil ich die Zimmer leider nicht an Personen ohne Behinderung oder nur sehr schlecht vermieten kann oder weil der Gehweg vor unserem Haus nicht abgesenkt ist und andere Fragen, nicht der Busverkehr so ist, usw. Das ist traurig, dem gilt es eigentlich konsequent entgegenzuwirken. Nun zum Schluss: Wir meinen, dass der barrierefreie Tourismus für alle im Landestourismuskonzept zu verankern ist und nicht in einer Sonderkonzeption oder was weiß ich. Ist es vielleicht verzichtbar, es im Landeskonzept zu verankern? Ich glaube, es ist nicht verzichtbar, ihn in dieser Konzeption zu verankern und man kann es nachholen. Ich sehe dazu vier Gründe, die ich zum Abschluss gern hier mitteilen möchte.
1. Wir sind der Auffassung, dass der barrierefreie Tourismus für alle Bestandteil des Tourismus im Freistaat insgesamt ist und seine weitere Entwicklung auch in der Landeskonzeption zum Ausdruck kommen sollte; er gehört dahin.
2. Barrierefreier Tourismus ist für uns nicht nur ein Marktsektor in der Tourismusbranche, der noch über Reserven verfügt, er ist gleichzeitig eine wichtige soziale Frage, gewissermaßen der Teilhabe älterer sowie behinderter Menschen am Tourismus.
3. Wenn wir gemeinsam zu der Erkenntnis kommen, dass wir in Thüringen nicht nur über einige Reserven im barrierefreien Tourismus verfügen, sondern trotz aller bisher erreichten Leistungen und Ergebnisse immer noch am Anfang stehen, dann gehört dieses festgestellte Defizit natürlich in das Landeskonzept. Denn es bedarf dann entsprechender Entscheidungen auf allen Ebenen. Damit könnte der barrierefreie Tourismus zielgerichteter Bestandteil des
notwendigen Kommunikationsprozesses zu diesem Thema werden, der nach wie vor das Ziel haben dürfte, mehr Entscheidungsträgern die Notwendigkeit und Unausweichlichkeit der vorgesehene Veränderungen zum barrierefreien Tourismus zu erläutern und noch kreativ über diese Fragen und Arbeitsprozesse im Tourismus nachzudenken.
4. Schließlich verbinden wir mit der Verankerung des barrierefreien Tourismus im Landestourismuskonzept die Hoffnung nach einem intensiven Kommunikationsprozess zu diesem Thema und dass der barrierefreie Tourismus Bestandteil des Monitorings zur Umsetzung der Tourismuskonzeption 2004 in Gänze wird.
In dem Sinne stimme ich namens unserer Fraktion der Überweisung unseres Antrags zur Fortberatung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zu. Aber ich unterstütze auch den Antrag von Herrn Dr. Schubert, ihn mitberatend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mein Kollege Dr. Schubert hat den PDS-Antrag bereits aus dem Blickpunkt der Wirtschaftsförderung und der wirtschaftlichen Entwicklung bewertet. Lassen Sie mich einige Ergänzungen aus dem Blickwinkel von Menschen mit Behinderungen und deren Familien machen. Ich ahne ja schon, dass dann die Landesregierung wieder lang und breit berichten wird, wo überall und wie überall diese Barrierefreiheit bereits umgesetzt wird. Das hat allerdings nichts mit der Wirklichkeit behinderter Menschen dann zu tun. Denn diese Berichte würden ganz anders aussehen, wenn sie von Menschen mit Behinderungen gemacht würden. Wer sich mit deren Lebenswirklichkeit auseinandersetzen will, dem empfehle ich, sich nur einmal für wenige Minuten vorzustellen, hörbehindert oder ein Rollstuhlfahrer oder gar blind zu sein. Das ist nämlich dann genau die Situation, mit der Touristen mit einem solchen Handicap konfrontiert werden, wenn sie Thüringen besuchen. Es ist aber auch die Situation, mit der jeder Thüringer mit einem solchen Handicap jeden Tag konfrontiert wird, denn zum Beispiel wenn der Tourist oder die Einheimischen mit einer solchen Behinderung die Bundesbahn benutzen wollen. In Erfurt selbst ist es durch den Neubau des Bahnhofs tatsächlich erheblich besser ge
worden. Wenn man aber in die kleinen Städte und Dörfer unseres Landes geht, dann wird die Nutzung der Bahn sehr schnell fast unmöglich. Von dem Zug auf den Bahnsteig zu kommen, das ist schon ein schwieriges Problem, ein ganz anderes ist es dann, den Bahnsteig über Treppen und Unterführungen überhaupt zu erreichen. So geht das munter weiter. Noch sind Orientierungssysteme für Blinde und sehbehinderte Menschen in unseren Städten und Gemeinden die große Ausnahme. Das Gleiche gilt für Gehwege und Ampelanlagen. Dabei rede ich gar nicht über entsprechend ausgestattete Hotels oder öffentliche Einrichtungen. Überall, wo man mit den Augen eines behinderten Menschen hinsieht, überall dort ist Nachholbedarf.
Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie und wir sollten dieses Thema nicht so nebenbei abhaken. Wir sollten es nicht in wohlklingenden Worten weitgehend bedeutungslos in Planungen unterbringen. Handeln ist angesagt!
Die Kollegen der PDS legen den Finger in eine offene Wunde, wenn sie zum Eingang des Antrags formulieren, dass dem barrierefreien Tourismus größeres Augenmerk geschenkt werden soll. Denn barrierefreier Tourismus fängt nicht dort an, wo wir uns klassischerweise Tourismus vorstellen. Er beschränkt sich nicht wesentlich auf die Nutzung von Hotels und Gastronomiebetrieben. Ich denke, barrierefreier Tourismus setzt voraus, dass all das, was wir in Thüringen, in dieser einzigartigen Verbindung eines kulturellen Angebots mit einer schönen Landschaft anbieten können, tatsächlich für Behinderte oder für Menschen mit Behinderung zu nutzen und auch zu genießen ist. Deshalb ist die Forderung nach barrierefreiem Tourismus nicht abzukoppeln von der Forderung nach Barrierefreiheit für alle behinderten Menschen, also ausdrücklich nicht nur für die Touristen. Dort nämlich, wo wir die Lebensbedingungen für behinderte Menschen in Thüringen verbessern, wo wir für Barrierefreiheit sorgen, überall dort verbessern wir auch die touristischen Bedingungen. Dabei sollten wir uns im Eigeninteresse vor Augen halten: Nur 4 Prozent der Menschen mit Behinderung haben dieses Handicap seit ihrer Geburt. 96 Prozent bekommen das Handicap im Laufe ihres Lebens. Wenn wir uns nun die demographischen Entwicklungen vor Augen halten, dürfte jedem hier im Hause sitzenden Abgeordneten klar sein, jeder von uns kann über kurz oder lang selbst betroffen werden. Ich hoffe es zwar nicht, aber es ist eben möglich. Jeder kann in seiner Familie Angehörige haben, die aufgrund des im Alter nun einmal zunehmenden Handicaps nur noch mühsam am Leben in der Gemeinschaft teilnehmen können. Wer das erlebt - ich erlebe es im Moment gerade in meiner Familie -, der weiß dann, wie wichtig es ist für die Lebensqualität älter werdender Menschen, so lange wie möglich die Schön
heiten dieses Thüringer Kulturraums genießen zu können. Das gilt für den anreisenden Touristen genauso wie für den einheimischen Bewohner. Wer sich in diese Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung hineinversetzt, der ahnt aber auch, wie wichtig es ist, Selbständigkeit zu erhalten und nicht ständig auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen zu sein. Barrierefreiheit ist für Menschen mit Behinderung ein Stück ganz konkreter Lebensqualität und ganz konkreter persönlicher Freiheit.
Unter diesen Gesichtspunkten bekommen der hohe Bordstein, die nicht mögliche Bahnbenutzung, gefährliche Verkehrsführung und unüberwindbare Treppen einen ganz anderen Stellenwert. Deshalb, meine Damen und Herren, sollten wir den Antrag der Kollegen von der Linkspartei.PDS aufgreifen und zügig in politisches Handeln umsetzen. Die Umsetzung hilft der Wirtschaft, hilft unseren Gästen und hilft jedem Thüringer und auch jedem Thüringer mit Behinderung. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der Linkspartei, Sie fordern die Landesregierung auf, bei konzeptionellen Überlegungen dem barrierefreien Tourismus größeres Augenmerk zu schenken. Barrierefreiheit soll zu einem Markenzeichen des Thüringer Tourismus werden. Das ist völlig richtig und da bin ich auch ganz Ihrer Meinung. Nur erkenne ich darin nichts Neues, denn die Forderung nach barrierefreiem Tourismus stammt von mir selbst, vorgetragen auf dem letztjährigen Thüringer Tourismustag in Gera und das nicht nur, weil ich selbst eine behinderte Tochter habe. In Gera habe ich u.a. ausgeführt, Frau Präsidentin, ich zitiere mich einmal selbst: „Die Barrierefreiheit könnte zu einem Gütesiegel für den Thüringer Tourismus werden. Ein solches Gütesiegel könnte der Anstoß für Unternehmen sein, Produkte und Dienstleistungen überhaupt erst touristisch nutzergerecht zu gestalten. Als modernes Marketing-Instrument könnte ein solches Gütesiegel beim Kunden ein verlässliches Zeichen setzen und zugleich die Marktchancen der Angebote im Wettbewerb steigern.“
Meine Damen und Herren, die Barrierefreiheit ist in Gera zusätzlich auf einem Workshop thematisiert worden. Diesen Workshop hat Herr Dr. Brockhau
sen, der Thüringer Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, selbst geleitet. Mein Haus als auch die Thüringer Tourismus GmbH stehen im engen Kontakt mit den Behindertenvertretern. Das Thema Barrierefreiheit ist in Gera von uns selbst mit auf die Agenda gesetzt worden. Barrierefreiheit ist ohne Zweifel ein wichtiges Thema für den Thüringer Tourismus, gleichwohl tangiert touristische Barrierefreiheit nicht nur Menschen mit Behinderungen, auch Familien mit kleinen Kindern oder Senioren sind bei touristischen Ausflügen betroffen. Das hat Kollege Buse hier an der Stelle auch schon ausgeführt. Auf einer Reise oder beim Besuch touristischer Attraktionen können sich immer wieder völlig neue und unerwartete Hindernisse, sprich Barrieren, aufbauen: Bodenschwellen, schmale Türen werden oft zu Stolperfallen oder bleiben einfach unüberwindbar. Das gilt für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte nun mal genauso wie für Kinder und Familien mit Kleinkindern mit einem Kinderwagen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir nach diesen Vorbemerkungen nun einige inhaltliche Anmerkungen zu den einzelnen Punkten des vorliegenden Antrags:
Herrn Dr. Schubert würde ich empfehlen, ein bisschen mehr Sachlichkeit an den Tag zu legen und sich besser zu informieren und nicht ständig alles hier in Thüringen schlechtzureden, was in Wirklichkeit gar nicht schlecht ist.
Intelligente touristische Angebote und Dienstleistungen, die sich an den unterschiedlichen Lebensphasen der Menschen orientieren, eröffnen am Markt Chancen. Und nicht nur eine kaufkräftige, sondern auch eine generationsübergreifende Kundschaft gilt es dabei zu gewinnen, meine Damen und Herren, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Derartige Angebote und Dienstleistungen müssen aber von denen initiiert werden, die ihr Geld mit den potenziellen Touristen dann auch verdienen wollen. Die Landesregierung, das ist völlig richtig, kann dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten natürlich unterstützen und das wollen wir auch gern tun, z.B. durch die gezielte Förderung von tragfähigen und nachhaltigen Projekten. Aus meiner Sicht sollte die Barrierefreiheit bei allen neuen und zur Überarbeitung anstehenden Förderprogrammen zu einem wichtigen Kriterium bei der Antragstellung erhoben werden. Einen wichtigen Informationsbeitrag zur Gestaltung barrierefreier touristischer Ziele hat der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen bereits geleistet. Folgende Broschüren wurden z.B. durch ihn herausgegeben: „Events für alle - Qualitätsstufen für barrierefreie Veranstaltungen“ oder ein „Planungsleitfaden für die barrierefreie Gestaltung von Wanderwegen“, den ich für ganz besonders wichtig halte. Die Landesregierung würde es auch sehr begrüßen, wenn das InnoRe
gio-Projekt - was hier ja schon angesprochen worden ist - „Barrierefreie Modellregion - Tourismus für alle“ fortgeführt werden könnte. Der Träger des Projekts, der Naturpark Thüringer Wald, hat sich bislang jedoch noch nicht abschließend geäußert, in welcher konkreten Form er das Projekt fortführen will. Die Landesregierung wird aber - auf Anfrage hin natürlich - die Unterstützungsmöglichkeiten dazu prüfen und dann auch geben. Mit Blick auf die Kooperation von TTG und regionalen Tourismusverbänden mit Behindertenorganisationen kann ich nur unterstreichen, dass diese Zusammenarbeit bereits sehr gut funktioniert. In enger Abstimmung mit dem Verband der Behinderten e.V. und der Projektstelle des InnoRegio-Projekts gibt die TTG in der 3. Auflage eine Broschüre zu barrierefreien touristischen Zielen in Thüringen heraus. Kollege Heym hatte vorhin die 2. Auflage, hier ist inzwischen die 3., die vor Kurzem erschienen ist. Dort sind 58 Orte, von Altenburg und Arnstadt bis Zeulenroda und Ziegenrück, mit ihren barrierefreien Angeboten zielgruppenorientiert und mit Piktogrammen gekennzeichnet dargestellt. Ergänzt wird die übrigens in Großschrift gehaltene 88 Seiten starke Broschüre durch ein Verzeichnis von barrierefreien Unterkünften. Erstmalig ist diese Broschüre auch als CD-ROM gestaltet worden. Besonders attraktiv ist natürlich hier die Möglichkeit, sich nun alle Angebote und Informationen auch anhören zu können.
Herr Buse hat es angesprochen, und da gebe ich ihm völlig recht -, das, was für den einen geht, geht für den anderen mit einer Behinderung nicht. In dieser Anlage, wo die 120 Beherbergungsmöglichkeiten aufgeführt sind, ist zudem sehr detailliert beschrieben, wie man diese erreichen kann und welche Abstände es z.B. vor dem Bett, neben dem Bett, vor der Dusche oder in der Dusche gibt, und es wird auch gezielt darauf hingewiesen, dass die eine oder andere Gastgeberin sich auch mit Gehörlosen in der Gebärdensprache verständigen kann.
Ein weiteres positives Beispiel kann für meine Begriffe die BUGA werden. Auf der BUGA sollen von entsprechend geschultem Personal Führungen für hör- und sprachbehinderte Menschen angeboten werden. Apropos BUGA: Hier arbeitet auf Initiative von Herrn Dr. Brockhausen die Fachhochschule Erfurt auch ein Gutachten zur Barrierefreiheit des BUGAGeländes aus. In die Erarbeitung des Gutachtens, das unter anderem bestehende Verbesserungsbedarfe aufzeigen soll, werden auch die Behindertenverbände natürlich mit einbezogen.
Ein weiterer Punkt soll nicht unerwähnt bleiben: Die TTG bereitet sich, wie Sie wissen, auf ihren Umzug in den Erfurter Hof vor. Im neu einzurichtenden Thüringenshop wird in Zusammenarbeit mit der Grenzenlos gGmbH ein barriererfreier Counter eingerich
tet werden. Dieser Counter soll personell entsprechend besetzt sein und zielgruppenspezifisch auch beraten können. Ich erinnere an der Stelle noch einmal daran, dass auf der ITB 2004 bereits die TTG deshalb mit ihrem Stand ausgezeichnet worden ist, weil er barrierefrei war.
Meine Damen und Herren, die im Antrag unter der Überschrift „Berücksichtigung individueller Ansprüche und Interessen von Gästen“ aufgelisteten Aktivitäten und dabei auch angedeuteten Probleme sind der Landesregierung bekannt. Die Landesregierung erwartet deshalb mit Interesse die voraussichtlich im Februar dieses Jahres vorliegenden Ergebnisse der entsprechenden Befragung des Verbands der Behinderten sowie der Grenzenlos gGmbH.
Abschließend noch ein paar Worte zum Thema „Barrierefreie Websites auf landes- und regionaler Ebene“: Das Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen verpflichtet in § 14 die Träger öffentlicher Verwaltung, ihre Online-Auftritte und OnlineAngebote barrierefrei zu gestalten. Die Internet-Präsentation des Landes wurde bereits unter Federführung der Thüringer Staatskanzlei auch barrierefrei umgestellt. Die nach § 14 Abs. 2 zu erlassende Rechtsverordnung der Landesregierung befindet sich gegenwärtig im Rechtsetzungverfahren. In dieser Verordnung sollen Aussagen zu den Standards einer barrierefreien Gestaltung der touristischen Angebote sowie zu allgemeinen Umsetzungsfristen getroffen werden. Auch die TTG, meine Damen und Herren, entwirft derzeit einen barrierefreien Internetauftritt, die künftige Website wird derzeit erarbeitet und völlig neu gestaltet.
Als Fazit kann man sagen: Aus Sicht der Landesregierung kann ich unterstreichen, dass das Thema „Barrierefreiheit“ in vielen Bereichen bereits heute eine ausschlaggebende Rolle bei der Gestaltung öffentlicher Räume spielt. Es ist uns in Thüringen ein Anliegen, die Barrierefreiheit auch bei künftigen touristischen Planungen und bei künftigen touristischen Konzepten ganz bewusst zu berücksichtigen. Damit wollen wir letztlich die Betroffenen unterstützen. Zusätzlich steht hinter dem Thema natürlich aber auch die ökonomische Notwendigkeit. Um potenzielle Nachfrage zu bedienen, muss allen Zielgruppen in Thüringen das entsprechende touristische Angebot offeriert werden und dazu, meine Damen und Herren - da sind wir uns sicherlich völlig einig -, gehört selbstverständlich die Barrierefreiheit. Herzlichen Dank.
Danke schön. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden zum einen an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Ich lasse darüber abstimmen. Wer dafür ist, dass der Antrag in Drucksache 4/2502 an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit einstimmig so beschlossen.
Dann lasse ich über die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke schön. Stimmenthaltungen? Dann ist die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit mit Mehrheit abgelehnt. Damit brauchen wir auch nicht mehr über die Federführung abzustimmen und ich kann diesen Tagesordnungspunkt schließen.
Bundesratsinitiative zur Über- führung des Heroinmodells in die Regelversorgung und zum Schutz der Therapiefreiheit von Ärztinnen und Ärzten Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/2503 -
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, Ihnen liegt unser Antrag „Überführung des Heroinmodells in die Regelversorgung und zum Schutz der Therapiefreiheit von Ärztinnen und Ärzten“ vor. „Mit Übernahme der Behandlung verpflichten sich Ärztinnen und Ärzte den Patientinnen und Patienten gegenüber zur gewissenhaften Versorgung mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“, so steht es unter dem Titel „Ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ in § 11 der Musterberufungsordnung der Bundesärztekammer. Nach heutigem Wissensstand ist belegt, dass eine qualifizierte substitutionsgestützte Behandlung sowohl die gesundheitliche als auch die psychische und die soziale Situation opiatabhängiger Patientinnen und Patienten deutlich verbessern sowie das Sterberisiko deutlich senken kann. Die Methadon
substitution hat sich als eine für die Behandlung opiatabhängiger Patienten geeignete Therapieform erwiesen. Der Ihnen vorliegende Antrag meiner Fraktion stellt allerdings nicht die methadon-, sondern die opiatgestützte Substitutionsbehandlung zur Debatte. Hintergrund sind - Sie haben es alle im Antragstext und der Begründung gelesen - die mit dem Bundesmodellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger gemachten Erfahrungen sowie die Ergebnisse der begleitenden Studie. Primäres Ziel der Studie war es, zu prüfen, ob es mit der Verordnung von pharmakologisch reinem Heroin in einem strukturierten Behandlungssetting zu größeren Effekten hinsichtlich der gesundheitlichen Stabilisierung sowie der Verringerung des Konsums illegaler Drogen kommt als mit der Methadonbehandlung. Die Autoren der Studie kommen in ihrer Auswertung zu dem Schluss, dass die Studie dann erfolgreich ist, wenn sich in beiden Hauptzielkriterien - Verbesserung des Gesundheitszustands und Rückgang illegalen Drogenkonsums - eine signifikante Überlegenheit der Heroin- gegenüber der Methadonbehandlung ergibt.
Meine Damen und Herren, das zentrale Ergebnis des bundesdeutschen Modellprojekts zeigt eine signifikante Überlegenheit der Heroin- gegenüber der Methadonbehandlung. Hervorzuheben ist, dass 31 Prozent der Patientinnen und Patienten, die aus der Heroingruppe ausschieden, in eine andere Substitutionsbehandlung wechselten, 8 Prozent sogar direkt in eine Abstinenztherapie. Mehr Opiatabhängige können mit dieser Form der Substitutionsbehandlung therapeutisch erreicht werden und dann auch in andere etablierte Therapien überführt werden. Aber Ärztinnen und Ärzten ist es bisher leider nicht möglich, Diamorphin - das wäre also das verschreibungspflichtige Mittel - nach den aktuell geltenden Regelungen zu verschreiben. Nicht zuletzt mit den Ergebnissen der Studie, die seit Januar 2006 vorliegen, wurde von der Fachöffentlichkeit die Notwendigkeit erkannt und beschrieben, Ärztinnen und Ärzten die Behandlung mit Diamorphin zu ermöglichen. Seit gestern haben wir ja auch eine Debatte über das auslaufende Bundesprogramm, wonach auch Kommunen fordern, dieses Programm fortzuführen. Im Bundesministerium für Gesundheit wurden dazu wie auch zur Verbesserung sozialtherapeutischer Maßnahmen intern schon konkrete Vorstellungen zur Änderung verschiedener Rechtsvorschriften entwickelt. Der Gesetzgebungsprozess ist allerdings ins Stocken geraten, weil es Widerstände im Bundestag gibt. Deshalb bauen wir auf die Initiative der Länder, so die Drogenbeauftragte der Bundesregierung am 20. September. Dieses Stocken des Gesetzgebungsverfahrens hat nicht nur eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die eine sehr eng reglementierte Behandlung mit Diamorphin in einer Regelversorgung empfiehlt, verwundert und enttäuscht, sondern auch dazu geführt, dass wir Ihnen nun heute den
vorliegenden Antrag vorgelegt haben. Sollte Diamorphin in die Regelversorgung aufgenommen werden, so würde das bedeuten, dass Ärztinnen und Ärzte frei entscheiden könnten, ob sie dieses Medikament bei der Behandlung ihrer schwerstopiatabhängigen Patienten anwenden. Es würde nicht bedeuten, meine Damen und Herren, dass dann ab sofort jeder Arzt Diamorphin an jeden Suchtkranken verschreibt. Die Behandlung wäre sehr eng reglementiert. Wir hoffen und setzen unsere Hoffnungen auch auf Ihr Abstimmungsverhalten heute, dass den schwerstkranken Opiatabhängigen geholfen werden sollte, und bitten Sie um die Unterstützung unseres Antrags. Danke.