Mit Wirkung vom 1. August 2005 ist die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen des Freistaats Thüringen an Arbeitslosenzentren, Arbeitsloseninitiativen, Arbeitslosenberatungs- und Arbeits
losenselbsthilfegruppen in Thüringen“ aufgehoben worden. Bis dahin konnte mit diesem Förderinstrument die interessenorientierte Beratung, Betreuung und Begleitung Arbeitsloser zur Suche neuer Beschäftigungsfelder für sie realisiert werden, die behördliche Beratung so nicht leisten kann. Damit sollte ein Beitrag zur Sicherung einer diesbezüglich kontinuierlichen Arbeit geleistet werden. In einigen Fällen wurde danach Projektförderung im Rahmen von LOKAST aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gewährt.
1. Welche Effektivitätskriterien wurden bei der negativen Evaluierung der oben genannten Richtlinie zugrunde gelegt?
2. Durch welche Aktivitäten wurde seit Aufhebung der oben genannten Richtlinie gesichert, dass Betreuungs- und Beratungsstellen der Arbeitslosen unterstützt werden?
3. Welche Fördermöglichkeiten hinsichtlich der Finanzierung von Personal- und Sachkosten für Arbeitslosenzentren, Arbeitsloseninitiativen, Arbeitslosenberatungs- und -selbsthilfegruppen sind in der neuen Förderperiode des ESF vorgesehen?
4. In welcher Form, in welchem Umfang und ab wann sollen künftig Sozialberater/Sozialbetreuer bei der Thüringer Arbeitsloseninitiative - Soziale Arbeit und dem Thüringer Arbeitslosenverband als erfahrenen Trägern gefördert werden?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lemke für die Thüringer Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Im Hinblick auf das Ziel Wachstum und Beschäftigung erfolgte die Bewertung als deutlich unterdurchschnittliche Richtlinie insbesondere aus folgenden Gründen.
1. Zuwendungszweck und Fördergegenstand war die Unterstützung der vielfältigen Aktivitäten der Träger. Das heißt, es bestand keine Begrenzung auf Aktivitäten im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt. Damit wurden z.B. auch Schuldnerberatungen, sozialrechtliche Beratungen und Kreativwerkstätten gefördert.
2. Soweit Beratungs- und Betreuungsaktivitäten im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt gefördert wurden, liegt die Zuständigkeit seit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch (SGB II) , am 1. Januar 2005 vorrangig bei den darin definierten Arbeitsgemeinschaften und zugelassenen kommunalen Trägern. Dies umfasst im Rahmen des Fallmanagements auch alle Beratungs- und Betreuungsaktivitäten, die zur beruflichen Eingliederung beitragen.
Zu Frage 2: Eine Absicherung der Unterstützung ist nicht Aufgabe der Landesarbeitsmarktpolitik. Betreuungs- und Beratungsstellen für Arbeitslose können aber entsprechend den Landesförderrichtlinien Träger von arbeitsmarktpolitischen Projekten sein. Die Projekte müssen in jedem Fall eine Bedeutung für den Arbeitsmarkt haben und können unter dieser Voraussetzung auch entsprechende Betreuungs- und Beratungselemente enthalten. Dies wurde nach Aufhebung der Richtlinie über das ESF-kofinanzierte Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke in Thüringen“ (LOKAST) realisiert, gilt aber gleichermaßen z.B. für landesseitig geförderte Projekte der beruflichen Qualifizierung und für berufliche Integrationsprojekte, die auf Zielgruppen des Arbeitsmarkts ausgerichtet sind.
Zu Frage 3: Schwerpunkt 3 des Operationellen Programms der neuen Förderperiode des ESF ist auf die Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung ausgerichtet. Dies soll auch über Aktivitäten zur sozialen Eingliederung erfolgen. Über eine entsprechende Landesrichtlinie werden berufliche Integrationsprojekte gefördert, die Elemente der Beratung, Betreuung und Begleitung von Arbeitslosen enthalten können. Besondere Bedeutung wird hierbei die Förderung von Netzwerkaktivitäten und Netzwerkstrukturen unter Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner erlangen.
Zu Frage 4: Sozialpädagogische Beratung und Betreuung von Projektteilnehmern kann als Teil beruflicher Integrationsprojekte auf der Basis von Landesrichtlinien der IV. Förderperiode des ESF gefördert werden, wenn dies fachlich angezeigt ist. Die Förderung erfolgt nach Antragstellung und Einzelfallprüfung und stellt immer eine Projektförderung dar. Eine institutionelle oder quasi institutionelle Förderung der Sozialberatung durch bestimmte Träger ist im Operationellen Programm des ESF nicht vorgesehen.
Ich habe auch noch mal zwei Nachfragen, und zwar: Ist Ihnen bekannt, dass es durch das Wirtschaftsministerium - entsprechende Menschen - direkte Kontakte und Verhandlungen mit den beiden Trägern - Thüringer Arbeitsloseninitiative und Arbeitslosenverband - zu dieser Frage gegeben hat?
Zweitens: Wird es im Rahmen der neuen Landesrichtlinie, die ja zu erwarten ist, auch die Förderung von Personalkosten geben?
Zum Zweiten: Soweit es sich um Projektförderung handelt, kann selbstverständlich im Rahmen der Projektförderung auch eine Personalförderung stattfinden, aber keine institutionelle Förderung und auch keine quasi institutionelle Förderung.
Zur ersten Frage: Es gibt Vorgänge, da ergibt sich der Sachverhalt umfänglich aus der Aktenlage und es gibt andere Fälle, in denen darüber hinaus auch das persönliche Gespräch erforderlich ist. In unserem Ministerium ist es üblich, dass dementsprechend verfahren wird.
Danke. Weitere Nachfragen liegen nicht vor. Dann würde ich die letzte Anfrage für heute aufrufen, und zwar der Abgeordneten Pelke - also meiner Person -, vorgetragen durch die Abgeordnete Künast, in Drucksache 4/2758. Dieses ist mit den vorhergehenden Fragestellern, den Abgeordneten Wolf, Hauboldt und Kummer, abgesprochen. Abgeordnete Künast, bitte.
1. Wie viele zusätzliche Fachkräfte für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder wurden in den Jahren 2000 bis zum heutigen Zeitpunkt in den Regeleinrichtungen/Kindertagesstätten beschäftigt (die Angaben bitte nach Jahren getrennt und in Vollbe- schäftigteneinheiten)?
2. Welche Sachkostenzuschüsse leistete das Land in den Jahren 2000 bis 2006 für Kindertagesstätten (Angaben bitte nach Jahren aufgeschlüsselt) ?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Pelke beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Die Anzahl der zusätzlichen Fachkräfte stellte sich wie folgt dar - ich benenne zuerst das Jahr, dann die Vollbeschäftigteneinheiten: 2000 - 299,18; 2001 - 174,55; 2002 - 199,38; 2003 - 246,72; 2004 - 278,78; 2005 - 270,65; 2006 - 189,32; Stand 31.01.2007 - 186,07.
Zu Frage 2: Ich benenne zuerst das Jahr, dann die Sachkosten für freie Träger in Euro: 2000 - 11.105.105; 2001 - 9.288.717; 2002 - 9.996.246, 2003 - 11.179.790, 2004 - 12.439.101, 2005 - 12.711.086, 2006 - 3.129.410.
Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Fragestunde für heute und rufe auf den ersten Teil des Tagesordnungspunkts 21
a) auf Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS zum Thema: „Rente mit 67 - Besondere Aus- wirkungen auf Thüringerinnen und Thüringer“ Unterrichtung durch die Prä- sidentin des Landtags - Drucksache 4/2670 -
Ich eröffne die Aussprache zum ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf die Abgeordnete Künast, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, besonders von der Linkspartei.PDS, eines sei mir vorangestellt: Politik in einer Demokratie ist nun einmal die Kunst des Machbaren. Wünschen würde ich mir oft anderes, aber so funktioniert Politik nun einmal.
Bevor jetzt versucht wird, Angst und Schrecken bei den Menschen in Thüringen zu verbreiten, sollten wir uns eines bewusst machen: Die Erhöhung des Rentenalters und damit die Auswirkungen für die Thüringerinnen und Thüringer geschehen keineswegs übermorgen, sondern sie erfolgen in kleinen Schritten. Der Jahrgang 1947 ist als erster mit dem Zuschlag von einem Monat betroffen. Ab 2012 also erhöht sich das Rentenalter um einen Monat pro Ka
lenderjahr und ab 2024 soll die Anhebung in ZweiMonats-Schritten erfolgen. Erst im Jahr 2029 gilt dann der Renteneintritt ab dem 67. Lebensjahr. Ich betone das, weil es in der aufgeregten Diskussion manchmal aus dem Blick gerät.
Wir sollten uns noch etwas bewusst machen, was überaus erfreulich ist: Die Rentenbezugsdauer ist in den letzten 40 Jahren im Durchschnitt um rund sieben Jahre auf nunmehr 17 Jahre gestiegen. Wir sind alle keine Hellseher, aber beim Fortschreiben der derzeitigen Entwicklung ist zu hoffen - und ich sage ausdrücklich „zu hoffen“ -, dass die Lebenserwartung bis zum Jahr 2030 bei dann 65-jährigen Menschen um weitere annähernd drei Jahre anwachsen wird. Ich wünsche jedem in diesem Haus, dass der medizinische Fortschritt und bessere Lebensbedingungen diese erhofften und prognostizierten Entwicklungen bestätigen.
Weiterhin steht fest, dass sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern aufgrund der bereits geborenen Kinder verschiebt. Während das Verhältnis der über 65-Jährigen zu den 20- bis 25-Jährigen derzeit bei etwa 1 : 3 liegt, wird es im Jahr 2020 voraussichtlich bei 1 : 2 liegen. Die entscheidende Auswirkung dieser Entwicklung besteht also sehr erfreulich darin, dass Menschen in der Bundesrepublik und in Thüringen älter werden, gesünder alt werden und damit sehr zu Recht auch für längere Zeit Rentenzahlungen in Anspruch nehmen.
Noch einmal: Das ist gut so, aber es erfordert auch politisches Handeln. Wir wollen, dass die gesetzliche Rentenversicherung das Kernstück der Altersversorgung bleibt. Aber wir brauchen eine faire Rentenlösung, um diejenigen nicht zu überfordern, die in Zukunft diese Finanzierung solidarisch tragen sollen. Die mit dem Gesetz beabsichtigte langfristige Heraufsetzung des Renteneintrittsalters ist allerdings nur dann zu vertreten, wenn die Menschen auch eine realistische Chance haben, bis zu diesem Renteneintrittsalter zu arbeiten. Wir müssen in den Betrieben weg vom Jugendwahn, endlich hin zu altersgerechten Arbeitsplätzen. Das muss das Ziel der nächsten Jahre mit nachweisbaren Ergebnissen sein. Die Unternehmen sind am Zug, sie werden dokumentieren müssen, dass sie ihre eigenen Aufforderungen zur Senkung der Lohnnebenkosten ernst nehmen. Die beste Maßnahme zur Senkung der Lohnnebenkosten ist es, Menschen bis zum Eintritt in die Rente produktiv zu beschäftigen auf Arbeitsplätzen, auf denen sich die Beschäftigten wohlfühlen und deshalb leistungsbereit und leistungsfähig sind, mit Einkommen, die den Menschen ein Auskommen statt Almosen ermöglichen, mit einer Unternehmenskultur, die die Erfahrungen älterer Arbeitnehmer zu schätzen weiß und den Arbeitnehmern ihren Selbstwert lässt, statt auszubeuten und zu entlassen. Dass das mach
bar ist, zeigen uns andere Länder wie z.B. Skandinavien. Deshalb sage ich für die SPD-Landtagsfraktion am heutigen Tage eins sehr deutlich: Die im Gesetzentwurf vorgesehene Revisionsklausel ist für uns der entscheidende Prüfstein für den Umgang mit diesem Gesetz. Der erste Bericht der künftigen Bundesregierung soll 2010 vorgelegt werden, also zwei Jahre, bevor es überhaupt zur Verlängerung des gesetzlichen Renteneintritts kommt.
Wenn bis dahin die Wirtschaft nicht beweist, dass sie grundlegend bessere Voraussetzungen für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer schafft, wenn dies nicht zutrifft, dann, meine Damen und Herren, sollte dieses Gesetz nicht wirksam werden. Deshalb gibt es im Gesetzentwurf die Revisionsklausel. Wir werden Konsequenzen verlangen. Wir wollen auch, dass der Gesetzentwurf konkretisiert wird. Mein Kollege wird im zweiten Redebeitrag die Positionen meiner Fraktion, die im Gesetz Berücksichtigung finden müssen, noch erläutern. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Frau Künast, da wir ja noch viel Zeit haben, vielleicht hilft uns auch die Entwicklung des Klimas, dass wir uns 2030 nicht mehr über Rente zu unterhalten brauchen.
In Ihren Ausführungen, Frau Künast, war sehr viel Utopie und Wunschdenken, was uns sonst immer vorgeworfen wird, enthalten. Wenn in der nächsten Woche der Deutsche Bundestag dieses sogenannte Rentenversicherungs-Altersgrenzen-Anpassungsgesetz beschließt, ist letztendlich einer der letzten Meilensteine beschlossen worden, nämlich zur Umsetzung Ihrer Agenda 2010. Das, was da beschlossen wird, ist Altersarmut per Gesetz. Da brauche ich hier niemandem Angst zu machen, es ist ganz einfach so.
Später in Rente gehen heißt, Rentenkürzungen in Kauf zu nehmen, ob ich das will oder nicht. Als Erste sind betroffen die Jahrgänge 1947 bis 1964. Wenn da noch davon gesprochen wird, das soll die Rentenkassen entlasten, da muss ich Ihnen sagen, Rentenexperten haben mittlerweile ausgerechnet, das ist eine Rentenentlastung von 0,3 bis maximal 0,5 Beitragspunkten. Das steht in keinem Verhältnis zu den
Auswirkungen, die dieses Gesetz hat. Was das für Thüringer Bürger bedeutet - Folgendes sind Angaben auch aus der Einwohnerstatistik von Thüringen über die betroffenen Jahrgänge 1947 bis 1963, die schrittweise in Rente gehen. Das betrifft 643.238 Menschen. Da kommt noch der Jahrgang 1964 dazu. Das sind 38.994 Menschen. Also insgesamt sind am Anfang 682.232 Thüringer betroffen, die mit Rentenkürzungen, weil sie später in Rente gehen müssen, rechnen müssen.
Natürlich gibt es auch die Freiheit, früher in Rente gehen zu können. Das ist natürlich mit Bestrafung verbunden, nämlich mit Rentenabschlägen pro Monat, die ich früher in Rente gehe, von 0,3 Prozent. Bin ich Jahrgang 1964 und gehe mit 65 Jahren in Rente, bedeutet das einen Abschlag von 7,2 Prozent. Gehe ich mit 63 Jahren in Rente, erfolgt ein Abschlag von 14,4 Prozent.
Ein kleines Rechenbeispiel, was das finanziell ausmachen kann: Eine Frau Jahrgang 1958, ein Jahr arbeitslos, hat einen Rentenbescheid im Kontenklärungsverfahren bekommen und würde mit 65 Jahren eine Rente von 940 € bekommen. Da rechne ich noch die Rentenanpassung hoch, die dort mit genannt wurde. Geht sie früher in Rente - sie müsste mit 66 Jahren in Rente gehen - geht sie mit 65 Jahren in Rente, so fehlen ihr monatlich 34 €, das sind im Jahr rund 416 €. Geht sie mit 63 Jahren in Rente, sind das monatlich 101 €, im Jahr sind das 1.218 €. In 10 Jahren sind das mittlerweile 12.000 €.