Protokoll der Sitzung vom 21.06.2007

Lassen Sie mich die Grundzüge des Entwurfs kurz vorstellen. Da ist zunächst zu bedenken und zu beachten, das Bundesverfassungsgericht hat nicht einfach nur gesagt, das Ganze muss gesetzförmig geregelt sein, sondern sehr deutlich etliche Eckpunkte gesetzt. Die sind selbstverständlich zu beachten und, ich denke, der Regierungsentwurf wird dieser Sache auch wirklich gerecht.

Das Zweite ist dann die Einarbeitung der durch vorhandene einfach-gesetzliche Normen vorhandenen Regelwerke, vor allen Dingen aus dem Jugendgerichtsgesetz. Völkerrechtliche Vorgaben sind dann ebenso zu beachten wie internationale Vollzugsstandards und rechtliche Standards mit Menschenrechtsbezug. Wir haben uns große Mühe gegeben und ich hoffe, das wird die Beratung auch zeigen, das Letztere mit Erfolg, um einen humanen, zeitgemäßen und ganz konsequent am Erziehungsgedanken ausgerichteten Jugendstrafvollzug durch ein Gesetz zu organisieren.

Erklärtes Vollzugsziel, und zwar das an erster Stelle genannte, ist es, die Gefangenen zu befähigen,

künftig ein Leben ohne Straftaten in eigener sozialer Verantwortung führen zu können. Das ist ein Grundgedanke, an dem sich das gesamte Gesetz immer wieder ausrichtet. Gleichermaßen hat aber auch der Jugendstrafvollzug die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten desselben Straftäters zu schützen, wie auch ein Stück Prävention zu üben. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, die nach Jugendstrafrecht verurteilten Menschen sind noch jung, sie sind Jugendliche oder Heranwachsende, aber sie sind leider keine unbeschriebenen Blätter. Je nachdem, um was für eine Straftat es sich handelt, haben sie in aller Regel schon einige Strafverfahren hinter sich, ohne dass es zu einer Gefängnisstrafe oder zu einer vollstreckenden Freiheitsstrafe gekommen ist; es gibt auch andere kleinere, Arrest und Ähnliches. Es sind meistens Dauerbesucher der Gerichte, zwei-, drei-, viermal; bei ganz schlimmen Straftaten wie Mord genügt einmal, aber, wie gesagt, keine unbeschriebenen Blätter, meistens junge Leute, die aus Erziehungsprozessen ausgebrochen waren oder sind oder in solche nicht recht reingeführt werden konnten, gelegentlich auch solche - und das ist die geringere Zahl -, die einmal kräftig danebengelangt haben, aber die kommen in aller Regel nicht sofort in den Vollzug.

Wir haben heute die erste Beratung. Es ist völlig unangemessen, Ihnen die 114 Einzelvorschriften des Gesetzes im Einzelnen vorzustellen, sondern ich möchte mich auf einige wenige Punkte beschränken. Wer es genauer lesen will, die Homepage des Thüringer Justizministeriums steht mit Volltext zur Verfügung, ansonsten haben Sie das ja auch.

Zuallererst, ich sagte es ja eben schon, der erzieherische Gedanke im Vollzug: Wir wollen die Gefangenen in ihrer Entwicklung und ihrer Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung unterstützen. Das ist milde ausgedrückt. Eine ganze Reihe müssen wir dazu erst mal erziehen und wenn man dann das Wort „resozialisieren“ verwendet, ist es ein Euphemismus; oft genug müssen wir erst einmal sozialisieren, weil noch nie eine vernünftige Einordnung in dem jungen Leben stattgefunden hat. Deswegen haben umgekehrt aber auch die Strafgefangenen die Pflicht, an der Erfüllung dieser Ziele mitzuwirken und die Verantwortung nicht zuletzt auch für die begangenen Straftaten zu übernehmen. Das ist ein psychologischer Prozess. Trotzdem muss man schon dafür sorgen, dass man sich dieser Pflicht nicht einfach durch Neinsagen entziehen kann.

2. Zum Erziehungskonzept und zum Verwahrungskonzept und zum Sozialisierungskonzept gehört einerseits, dass die Strafgefangenen zur Ruhezeit einzeln untergebracht sind. Das ist ein Grundsatz, den wollen wir festschreiben. Das ist wichtig, weil jeder

Gefangene, jeder Mensch ohnehin eine angemessene Rückzugsmöglichkeit haben muss und weil Einzelunterbringung die Gewalt in Anstalten einzudämmen hilft. Es wird sie nicht beseitigen, es wird aber helfen, sie einzudämmen. Resozialisierung setzt voraus, dass die Gefangenen möglichst umfassend davor geschützt sind, sich wechselseitig auch noch weitere Untaten anzutun.

Tagsüber ist ein ganz anderes Konzept vorgesehen. Die Strafgefangenen sollen ja zum geordneten Umgang auch mit ihren Mitmenschen befähigt werden. Das heißt, das bekommt man nicht durch Einzelhaft und durch Vereinzelung hin, sondern tagsüber steht die Gemeinschaftlichkeit im Vordergrund. Gemeinschaftlichkeit findet nicht nur statt beim Lernen und beim Sport, sondern vor allen Dingen auch in Wohngruppen. Geeignete Gefangene werden regelmäßig in Wohngruppen untergebracht. Wohngruppen sind nach dem Konzept des Gesetzes ein wesentliches Instrument des Erziehungsvollzugs. Wohngruppen ermöglichen den Aufbau und die Pflege sozialer Kontakte und unterstützen die Einübung sozialadäquaten Verhaltens. Das beginnt mit der Aufgabenverteilung innerhalb der Wohngruppe, wer macht hier was oder wer darf sich vor welcher Arbeit nicht drücken. Während der ganzen Zeit werden die Gefangenen selbstverständlich nicht sich selbst überlassen, sondern durchgehend persönlich betreut, nicht dass da jeweils immer einer gleich danebenstünde, aber doch so, dass ständige Beobachtung, wenn es dann laut wird oder Ähnliches, gewährleistet ist.

Der Jugendstrafvollzug will ferner alle Erziehungs- und Fördermaßnahmen speziell auf die jungen Gefangenen zuschneiden. Neu ist, dass der Gesetzentwurf eine Sozialtherapeutische Abteilung vorsieht. Bisher kennen wir eine solche nur im Erwachsenenstrafvollzug, im Jugendstrafvollzug in Thüringen bisher nicht. Wir werden eine solche aufbauen.

Aber was passiert mit einem Gefangenen, wenn die Haftzeit zu Ende ist und er wieder in die Freiheit entlassen wird? Was ist dann mit seinem sozialen Umfeld? Der Entwurf geht von der Idee aus, dass die Bindung der Gefangenen an Personen außerhalb der Anstalt wichtig ist, wenn sie - diese Personen - der Wiedereingliederung dienen und schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenwirken, also nicht zurück in die alte kriminalisierende Clique, aber doch zurück in eine Gesellschaft mit Kontakten. Diese Außenkontakte werden gepflegt. Vorgesehen ist eine Besuchszeit von monatlich vier Stunden. Zum Vergleich: In Thüringen haben wir für Jugendliche derzeit im Durchschnitt eine Besuchszeit von drei Stunden und das ist schon erheblich mehr, als die Verwaltungsvorschriften vorsehen. Wenn die eigenen Kinder von Gefangenen - auch daran muss man den

ken - zu Besuch kommen, dann werden diese Zeiten auf die Besuchszeiten der vier Stunden nicht angerechnet.

Ein weiterer Eckpunkt ist die schulische und die berufliche Aus- und Weiterbildung. Darunter sind nicht unbedingt vollständige Lehren oder gar Hochschulabschlüsse zu verstehen. Allein schon die Dauer des Aufenthalts von durchschnittlich etwas weniger als 13 Monaten zeigt, das wird man während der Inhaftierung gar nicht leisten können, aber man kann doch innerhalb dieser Zeit anfangen und Gefangenen zunächst schulische Kenntnisse vermitteln, falls sie die nicht haben - und viele haben sie leider nicht -, solche Kenntnisse, die überhaupt zu einem Bildungsabschluss geordneter Art hinführen. Man kann aber auch kleinere Module anbieten - und auch das wird geschehen -, abgeschlossene Ausbildungsmodule, zeitlich begrenzte Fördermaßnahmen und damit auch inhaltlich begrenzte Fördermaßnahmen. Aber nun gibt es noch etwas Neues. Mit dem Entwurf wird erstmals der Versuch unternommen, eine Möglichkeit zu schaffen, dass Gefangene eine begonnene Ausbildungsmaßnahme auch nach ihrer Haftzeit als sozusagen „Gäste“ in der Strafanstalt zu Ende führen können. Das wird nicht auf Jahre gehen, aber doch so, dass man nicht sagt, jetzt fehlen noch vier Wochen und jetzt bist du draußen, jetzt geht es nicht mehr.

Ein weiterer wesentlicher Punkt in der Gesetzesform ist die Ausgestaltung der Freizeit. Es ist immer wieder festzustellen in Strafprozessen, dass Jugendliche oft aus Langeweile, aus der Unfähigkeit, in ihrer eigenen freien Zeit Sinnvolles anzufangen, so langsam in die Straffälligkeit reinrutschen.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, Die Links- partei.PDS: Wenn sie keine Arbeit ha- ben, bleibt ihnen doch gar nichts an- deres übrig.)

Wenn der Mensch nur von Arbeit bestünde, dann wäre es vielleicht etwas einfacher, aber des Menschen Leben ist mit der Arbeit,

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Merkwürdige Auffassung!)

mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit füllt sich das Menschenleben nicht aus.

Die Gefangenen sollen deswegen sinnvollen Umgang mit ihrer Freizeit lernen dürfen, sie werden auch dazu angehalten. Dazu dienen dann auch strukturierte Freizeitangebote. Das wird von außen manchmal so ein bisschen belächelt oder auch gar bespöttelt nach der Melodie „so schöne Sportplätze ha

ben wir im Verein nicht mal, dort sind sie“ - nein, wir halten solche Sportanlagen deswegen vor, weil ermöglicht werden muss und soll, dass Gefangene gerade im Sport, im Gruppensport und Ähnlichem, lernen - das ist auch eine Trainierungsmaßnahme -, wie sie mit ihrer Freizeit umgehen können und wie nicht. Es wird aber nicht nur Sport, es wird auch anderes angeboten.

Die Gefangenen müssen im Vollzug auch von außen unterstützt werden. Hier schließt sich der Kreis wieder zu der Frage: Was ist denn, wenn die Gefangenen aus der Jugendstrafanstalt wieder herauskommen? Familie, Jugendfürsorge, ja Gesellschaft insgesamt können sich nicht einfach so verhalten, ach, der junge Mann sitzt jetzt im Jugendstrafvollzug, den kennen wir nicht mehr, wir kümmern uns nicht mehr um ihn. Wir wollen organisieren, dass eine möglichst enge und konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Anstaltsleitung einerseits und den Familien und den außervollzuglichen Stellen organisierbar wird. Wir möchten gern dazu Netzwerke aufbauen, damit den Gefangenen der Übergang aus dem geregelten Gefängnisalltag - denn der ist streng in Zeitabschnitte geordnet - in ein selbstverantwortetes freies Leben erleichtert wird und für Kontinuität in ihren Kontakten und in ihrer Betreuung gesorgt ist. Heute fahren wir solche Konzepte schon, aber wir haben dafür, wie gesagt, eben noch keine gesetzliche, sondern nur eine Verwaltungsvorschriftsgrundlage. Dies lässt sich verbessern von den formalen Seiten her, es lässt sich ausbauen von den inhaltlichen Seiten her. Dazu gehört dann auch, dass Entlassungsvorbereitungen so früh wie möglich einsetzen, damit die Nachbetreuung zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft führen wird.

Dann noch etwas ganz anderes. Oft genug werden Justizminister der Länder, werden die Strafvollzugsanstalten gefragt, insbesondere von Soziologen und Kriminologen: Wirken denn die Konzepte, die dort organisiert werden, und was passiert hinterher und wie geht das weiter? Bisher haben wir keine gesetzliche Grundlage dafür, dass wir insoweit evaluieren oder gar wirklich erforschen können. Wir möchten aber evaluieren, selbstverständlich unter Wahrung des persönlichen Datenschutzes, aber doch so, dass wir Erkenntnisse gewinnen im Laufe der Zeit und dann immer wieder nachbessern und nachsteuern können: War diese Maßnahme sinnvoll, war sie so sinnvoll, ist sie vielleicht anders sinnvoll, muss sie intensiviert werden, muss sie gewechselt werden und Ähnliches mehr. Das wird also eine ständige Begleitung sein, ein Prozess ständigen evaluierenden Begleitens und dann, wenn es zu wirklich neuen Erkenntnissen kommt, eben diese auch umzusetzen.

Natürlich werden Sie sich jetzt eines fragen, wie sieht es denn mit den Kosten aus. Der Jugendstrafvoll

zug, so wie er im Regierungsentwurf als Gesetz strukturiert ist, wird mehr kosten als wir bisher ausgeben. Sie sind niedrig und wir werden auch nicht an die Spitze der Kosten der Länder geraten, aber wir müssen schon davon ausgehen, es wird teurer werden, weil wir insbesondere die Fachdienste - Sozialarbeit und Ähnliches - personell verstärken wollen und müssen. Schon heute betreut Thüringen Jugendstrafgefangene über den gültigen Mindeststandard der Länder hinaus auf höherem Niveau, aber wir möchten dieses ausbauen, um die Chance der Resozialisierung zu verbessern. Umgekehrt, es wird auch eine leichte Kosteneinsparung dann geben, wenn wir denn endlich - und das ist im Werden und gut im Werden - eine neue Jugendstrafanstalt in Rudisleben betreiben können. Wenn der Neubau betriebsfertig ist, dann können wir Ichtershausen und die Außenstelle Weimar insofern anderen Zwecken zuführen oder aufgeben. Das muss man noch sehen. Jedenfalls müssen wir dann nicht mehr Jugendstrafvollzug an zwei Orten vollziehen und dadurch werden schon einige Kosten eingespart. Wir haben nämlich - und das ist nicht so häufig der Fall, ich glaube, in der Bundesrepublik fast einmalig - das große Glück, einerseits ein Jugendstrafvollzugsgesetz schaffen zu dürfen und andererseits daneben eine neue Jugendstrafanstalt bauen zu können und dann kann man das eine, und das geschieht natürlich auch, auf das andere bestens aufeinander abstimmen.

Für besorgte Gemüter: Was geschieht in der Zeit, bis Rudisleben fertig ist? Was ist in Ichtershausen? Was ist in Weimar? Ist das denn nicht alles auf einmal ungesetzlich, wenn wir ein neues Gesetz machen? Es ist nicht ungesetzlich. Nur über eines muss man sich im Klaren sein: Die Einzelunterbringung bei Nacht werden wir nicht durchgehend gewährleisten können, weil wir die baulichen Voraussetzungen nicht haben. Wenn der Druck allerdings noch größer wird, dann müssen wir uns an dieser Stelle Weiteres einfallen lassen. Allerdings ist es auch so, dass in einem Haftraum derzeit nie mehr als zwei Gefangene untergebracht werden, also andere Zustände, als wir sie in den Altanstalten im Erwachsenenstrafvollzug kennen.

Nun haben wir nicht nur einen Gesetzentwurf heute in der ersten Lesung, sondern derer zwei, und zwar auch einen Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS. Die Tatsache, dass auch die Linkspartei.PDS heute ihren Gesetzentwurf in erster Lesung hier eingebracht hat, zeigt zunächst erst einmal ein erfreuliches Interesse an einem schwierigen Thema. Das ist wirklich anzuerkennen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Allerdings, und jetzt kommt ein grundlegender Unterschied, es scheint so beim ersten Durchlesen,

mehr habe ich noch nicht gemacht, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung und der Entwurf der Linkspartei.PDS von ganz unterschiedlichen Bildern ausgehen:

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: In der Tat.)

Was sind das für Menschen, die im Jugendstrafvollzug einsitzen?

Ich möchte noch einmal betonen, Jugendstrafvollzug durch Freiheitsentzug wird erst gemacht, wenn wirklich schwere Straftaten oder eine Serie mittelschwerer Straftaten vorliegen. Das sind keine unbeschriebenen Blätter, ich sagte das eben schon, das sind junge Menschen, bei denen etliche Warnschüsse verhallt sind, die immer noch nicht den Weg zurückgefunden haben, warum auch immer lasse ich ausdrücklich offen, die also normale „Zuchtmittel“ von Verwarnung bis Arrest nicht in der Weise erreicht haben, dass sie von strafbaren Taten nun wirklich abgelassen haben. Das Zweite, das möchte ich auch noch einmal betonen, es sind Menschen, die nach Jugendstrafrecht verurteilt worden sind. Das sind Jugendliche, die ihre Straftat in der Zeit bis zum vollendeten 18. Lebensjahr begangen haben, und Heranwachsende, die ihre Straftat in der Zeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres begangen haben. Das heißt mit anderen Worten, erst dann kommt der Prozess, erst dann kommt die gerichtliche Entscheidung, also erst später. Mit anderen Worten, die Verurteilung, die zum Auftritt von Strafhaft führt, trifft in aller Regel in eine Zeit, bis auf ganz frühe Fälle, in der das 18. Lebensjahr überschritten ist. Auf anderen Feldern ist man dann erwachsen. Warum macht man gleichwohl noch Jugendstrafrecht für Heranwachsende: weil man noch die Hoffnung hat, da sei noch Bildungsfähigkeit. Aber es ist in der Regel eben nicht so, dass man im Schulalter ins Gefängnis kommt. Die Gefängnisinsassen sind älter.

Lassen Sie mich das aber mit den kurzen Worten bewenden für heute. Wir stehen am Beginn und nicht am Ende der Debatte um gesetzliche Regelungen des Jugendstrafvollzugs in Thüringen. Ich bitte Sie, beide Entwürfe der parlamentarischen Behandlung zuzuführen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wünscht die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung? Es wird nicht gewünscht. Damit eröffne ich die Aussprache zu beiden Gesetzentwürfen und erteile das Wort dem Abgeordneten Höhn, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir zunächst eine kurze Bemerkung zu dem Zwischenruf des Abgeordneten Bärwolff. Ich glaube, Sie sollten sich vorher die Wirkung Ihrer Worte überlegen, wenn Sie arbeitslose Jugendliche in einen Generalverdacht hinsichtlich krimineller Karrieren stellen.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, das ist unangemessen, unangebracht. Etwas mehr nachdenken, bevor man solche Zwischenrufe macht, wäre angebracht. Zur Sache.

Herr Abgeordneter Höhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bärwolff?

Nein, gestatte ich nicht.

Sie wird nicht gestattet, Herr Abgeordneter Bärwolff.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir befinden uns ja momentan in einer wahrhaft historischen Debatte. Da werden manche aufschauen, wieso historisch? Es ist ziemlich genau 30 Jahre her, als in der Altbundesrepublik mit Wirkung zum 01.01.1977 ein Strafvollzugsgesetz in Kraft getreten ist, dem es aber an einer ganz entscheidenden Stelle mangelte; es gab keine Regelungen, keine speziellen Regelungen für den Jugendstrafvollzug. Wenn die Landesregierung in ihrem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf in die Begründung bzw. in das Regelungsbedürfnis hineinformuliert, dass die bisherigen Regelungen unzureichend, lückenhaft und über verschiedene Gesetze verstreut und damit in der Anwendung schwierig sind, dann ist das sicherlich ein bezeichnendes Bild. Man muss allerdings feststellen, dass es Bewegung auf diesem Gebiet nur deshalb gegeben hat, weil das Bundesverfassungsgericht im Mai 2006 damals dem Gesetzgeber, damals war der Bund zuständig, auferlegt hat, nun endlich für ein eigenes Jugendstrafvollzugsgesetz zu sorgen und das auch, zum Glück muss ich sagen, mit einer Frist zum Ende dieses Jahres versehen hat.

Nun ist die Regelungskompetenz auf diesem Gebiet im letzten Jahr seit September bei den Ländern durch die Föderalismusreform. Wie insgesamt das Thema Strafvollzug zur Länderkompetenz werden

konnte, so richtig konnte sich das damals niemand erklären, gewollt hat es hinterher offensichtlich auch niemand. Fakt war, es stand in den entsprechenden Gesetzentwürfen drin. Jedoch Föderalismusreform hin, Länderkompetenz her, es besteht durchaus eine Notwendigkeit, auf diesem Gebiet zu einheitlichen Regelungen zu kommen, nämlich wegen des Gebots der Wahrung der Rechtseinheit in Deutschland. Deshalb gibt es auch von meiner Seite keine Kritik an dem Versuch mehrerer Länder - einmal waren es neun, zuletzt waren es 10 -, sich hier an einer einheitlichen Regelung zu versuchen. Wenn es inhaltliche - und das werde ich im Folgenden noch tun - Kritik an diesem Gesetzentwurf gibt, dann muss man auch fairerweise konstatieren, dass diese Kritik nicht entlang von Parteilinien zu führen ist, weil auch Länder beider Couleur beteiligt waren; für die Eingeweihten unter der Bezeichnung A- und B-Länder hinlänglich bekannt.

Ich sage es ganz offen, Herr Minister, meine Damen und Herren, ich hätte mir, was die Grundintention dieses Gesetzentwurfs betrifft, einen liberaleren, einen offeneren, ja ich möchte sogar sagen, einen moderneren Gesetzentwurf gewünscht. Das Primat der Resozialisierung jugendlicher Gefangener steht nach meiner Auffassung nicht so im Mittelpunkt als Vollzugsziel, wie ich mir das gewünscht hätte. Der Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten, das ist ja eines der wesentlichen Vollzugsziele, durch bloße Einschlusskonzepte genügen eben nicht. Wenn ich in § 13 Ihres Gesetzentwurfs, Herr Minister, hineinschaue, wo nicht der offene Vollzug als solcher präferiert wird, sondern Sie stellen den offenen und den geschlossenen Vollzug sozusagen nebeneinander, Sie verzichten an dieser Stelle auf ein sogenanntes Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen offenem und geschlossenem Vollzug. Dass es andere Ansätze gibt, haben andere Länder, andere Gesetzentwürfe gezeigt. Der Schutz der Allgemeinheit kann nämlich auch durch Wiedereingliederung und Integration, also schlicht durch Resozialisierung, erreicht werden. Dabei ist der geschlossene Vollzug die Ausnahme.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das wünsche ich mir, dass das in unseren Gesetzentwurf für Thüringen aufgenommen wird.

Es gibt in der Tat - Sie haben das erwähnt, Herr Minister, ich habe da auch eine Zwischenbemerkung gemacht - einen grundsätzlichen Unterschied im Ansatz, in der Philosophie von Jugendstrafvollzug in Ihrem Entwurf und - lassen Sie mich das an dieser Stelle positiv vermerken - in dem Entwurf der Linkspartei.PDS-Fraktion.

Ich will zwei Felder herausgreifen, wo ich exemplarisch einige inhaltliche Kritikpunkte darlegen möch

te. In § 4 schreiben Sie die förmliche Verpflichtung des Gefangenen an der Erreichung des Vollzugsziels hinein. Dazu muss man wissen, dass im bisherigen Strafvollzugsgesetz lediglich die Bereitschaft zu fördern ist, an den Vollzugszielen - und Vollzugsziel, ich darf erinnern, ist eben Resozialisierung - mitzuwirken. Es ist ganz einfach aus meiner Sicht und offensichtlich auch aus Sicht der Kollegen der Linkspartei.PDS eine Frage der Motivation, wenn hier ein unbedingter Zwang dahintersteht - und ich empfinde das, dass das dem Resozialisierungsanspruch entgegensteht -, weil es durchaus eine gewisse Angst vor disziplinarischen Maßnahmen gibt. Diese disziplinarischen Maßnahmen wiederum sollten wirklich nur bei gescheiterter Konfliktbewältigung zum Einsatz kommen.