Protokoll der Sitzung vom 21.09.2007

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Abgeordnete Wolf zu Wort gemeldet.

Herr Panse, Sie haben geschafft, was wenige schaffen, Sie machen mich unglaublich wütend. Sich hier hinzustellen und die Anmaßung zu besitzen, einer Frau vorzuwerfen, dass sie einen Termin nicht wahrnehmen konnte, weil sie ein Kind bekommen hat, ist von einer so unglaublichen Geschmacklosigkeit, dass es einfach nicht hinnehmbar ist

(Beifall DIE LINKE, SPD)

und dass das hier so auch nicht stehen bleiben kann. Sie haben sich hier gerade für mich in meinen Augen nicht nur als Sozialpolitiker, sondern auch als Mensch einfach disqualifiziert und ich erwarte, dass Sie sich entschuldigen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Panse.

Frau Kollegin Wolf, ich muss mich nicht entschuldigen, weil, wenn Sie das Protokoll nachlesen werden, werden Sie feststellen, dass ich genau dies nicht gesagt habe. Ich habe darauf aufmerksam gemacht und es wäre schön gewesen, wenn wir das gemeinsam bei der Anhörung hätten hören können, dass das bei der Anhörung von Experten gesagt wurde, dass es verschiedene Gründe gibt, warum Vorsorgeuntersuchungen nicht zu diesem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden. Sie wissen das hoffentlich als junge Mutter genauso wie ich als junger Vater auch weiß, wann und zu welchem Zeitpunkt man an die Vorsorgeuntersuchung momentan erinnert wird. Sie haben einmal die Übersicht bekommen. Insofern ist es sehr oft leider so, dass der Termin der eigentlichen Vorsorgeuntersuchung bereits verstrichen ist, bevor Eltern diesen in Anspruch nehmen. Lesen Sie das bitte im Protokoll nach. Lesen Sie es vor allem insbesondere in dem Protokoll der Anhörung des Sozialausschusses nach, denn dort ist es uns so in dieser Form, wie ich es jetzt gerade skizziert habe, sehr deutlich gesagt worden. Es tut mir leid, dass Sie das persönlich in Ihrer Ehre als Mutter gekränkt hat. Ich habe für mich als Vater gesagt, ich achte sehr wohl darauf, dass meine Kinder die Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Aber ich habe auch darauf aufmerksam gemacht, wo die momentanen 10 bis 30 Prozent der Fälle herkommen und dass es eben keine Böswilligkeit per se ist, die wir den Eltern unterstellen können, sondern dass es dazu verschiedene andere Faktoren gibt. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie wäre besser dabei gewesen, haben Sie ge- sagt.)

Mir liegen jetzt seitens der Abgeordneten keine weiteren Wortmeldungen... Frau Abgeordnete Jung von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte für unsere Fraktion noch etwas sehr deutlich machen. Wir hatten im Ausschuss wirklich zu dem Thema einen sehr großen Konsens mit der Zielrichtung, den Kinderschutz in Thüringen gemeinsam in politischer Verantwortung nach vorn zu rücken. Wir haben in unserer Fraktion über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion diskutiert. Wir sind mit dem Änderungsantrag in einigen Punkten nicht einverstanden; das hat Herr Bärwolff gesagt. Trotzdem haben wir die Empfehlung ausgesprochen, eben wegen dieses politischen Konsenses, diesem Antrag heute zuzustimmen. Ich will sehr deutlich sagen, wir sind auch dafür, dass vor allen Dingen in Punkt 2 noch einmal darüber diskutiert wird - und das kann in einem Gesetzgebungsverfahren natürlich wieder passieren -, dass der öffentliche Gesundheitsdienst, die Gesundheitsämter in viel stärkerer Verantwortung einbezogen werden bei Meldungen, alles was in Punkt 2 im Anstrich 5 im CDU-Antrag dargestellt ist. Worüber wir auch diskutieren müssen - und das will ich ganz deutlich sagen, weil da für mich zum Beispiel noch ein Widerspruch besteht -, ist, wenn ich von Zeitverkürzungen rede, um die Jugendämter einzuschalten, dann muss ich natürlich auch sehr deutlich sagen, nach zweimaliger Aufforderung kann das auch ein sehr langer Zeitraum sein, weil dann will man ja erst in dem Antrag reagieren. Ich denke, darüber muss man auch reden. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass wir einen Gesetzentwurf wollen, einen eigenen Gesetzentwurf, und wenn hier die Landesregierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf zur Regelung verschiedener Dinge einzubringen, dann glaube ich schon, dass das der richtige Weg ist. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens können wir uns dann über viele Dinge noch unterhalten. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt gibt es wirklich keine Redemeldungen mehr seitens der Abgeordneten und für die Landesregierung Minister Dr. Zeh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich meinem Kollegen Panse beitreten. Es war nicht missverständlich, Frau Wolf. Wenn das bei Ihnen missverständlich angekommen ist, dann, glaube ich, sollten Sie wirklich noch einmal die Protokolle nachlesen.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das werde ich tun.)

Ich möchte diese Aussage von Herrn Panse auch deutlich unterstützen. Es geht überhaupt nicht darum, wenn jemand aus einem persönlichen Grund, der obendrein erfreulich ist - und wenn viele diese Gründe hätten, mal nicht da zu sein, wäre das sehr nützlich -, dies als Vorwurf zu formulieren. Worum es aber geht, ist, wenn jemand in einer Veranstaltung nicht dabei war und dann aber Schlussfolgerungen zieht, die eine Schärfe in die Debatte bringen, die bis zu dem Zeitpunkt nicht stattgefunden hat, dann kann man das durchaus kritisch anmerken und dann unterstütze ich Herrn Panse ausdrücklich.

(Beifall CDU)

Es gibt nämlich Themen, ich könnte auch sagen Vorwürfe, die prallen auch an mir ab. Aber an dieser Stelle bin ich allergisch, wenn Sie sagen, Frau Ehrlich-Strahthausen, Kinderschutz wird Haushaltszwängen untergeordnet, dann behaupte ich, das ist eine boshafte Unterstellung. Sie ist falsch und ich weise sie ausdrücklich zurück.

(Beifall CDU)

Sie haben gesagt, es muss Tabuthemen geben. Nein, Kinderschutz ist kein Tabuthema. Ich glaube, Sie meinten, es darf kein Tabu bei Geldkürzungen geben. Es geht nicht darum, welche Menge Geld wir irgendwo hineinpumpen, sondern es geht um die Zielgenauigkeit des Einsatzes. Es ist einfach fantasielos, mehr Geld zu fordern nach den Motto „Noch eine Schippe mehr und es wäre dann gut für die Sache“. Ich denke, wir haben die Aufgabe immer wieder, dass wir überprüfen müssen, ob die Instrumente, die wir haben, noch hilfreich sind, ob sie zielgenau sind und ob sie dem Anliegen, das wir wollen, das wir gemeinsam wollen, auch noch dienen. Da haben wir eben gemerkt, diese Instrumente, die wir haben, sind nicht mehr zielgenau. Wir müssen sie umorientieren, umordnen. Deswegen haben wir in der Landesregierung einen Katalog von Punkten aufgestellt; das waren am Anfang 17, am Ende waren es dann tatsächlich 19, Herr Panse. Das lag daran, weil die thematische Zuordnung neu formuliert worden ist. Ich will ausdrücklich sagen, Herr Bärwolff, dieses Programm ist vor den Ereignissen von Sömmerda, Thörey und Erfurt beschlossen worden, nicht danach. Es war nicht die Reaktion auf Sömmerda, sondern wir haben dies, weil wir die Thematik ernst nehmen, immer schon ernst genommen haben, auf den Weg gebracht im Kabinett.

Es geht auch darum, das ist uns immer bewusst, dass die Frage des Kinderschutzes und das Wohl des Kindes zu den vordringlichsten Aufgaben der Ge

sellschaft gehören. Dieses ist, wenn Sie so wollen, sogar eine naturgegebene Aufgabe, denn es geht um unsere Zukunft und die ist bei den Kindern. Deshalb gibt es in Thüringen ein engmaschiges Netz von vielfältigen Hilfsangeboten für Kinder und für Familien. Ich behaupte sogar, in kaum einem Bereich gibt es so viele Möglichkeiten der Beratung und Hilfe wie im Bereich des Kinderschutzes. Obwohl, das sage ich noch mal ausdrücklich, Herr Bärwolff, der Kinderschutz eine originäre Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte ist, hat die Landesregierung seit vielen Jahren zusammen mit den zuständigen Stellen in den Landkreisen und kreisfreien Städten ein breites Spektrum von Hilfe angeboten bzw. von Unterstützungsmöglichkeiten aufgebaut. Herr Bärwolff, dazu gehört es eben nicht, dass man sich um die Öffnungszeiten von Sonneberg Gedanken macht. Das ist nun eine Sache, die man vor Ort entscheiden muss. Offensichtlich hat man vor Ort so entschieden. Ich habe keine Veranlassung, das zu kritisieren oder dies gut zu finden. Das ist Sache, die einzig und allein vor Ort entschieden werden muss aus Kenntnis der Situation vor Ort.

Weil, Frau Ehrlich-Strathausen - jetzt ist sie rausgegangen -, behauptet worden ist, Kinderschutz wäre den Haushaltszwängen untergeordnet; ich habe hier in dem Bericht, den ich abgegeben habe, eine Fülle von Unterstützungsmaßnahmen dargestellt. Ich hätte sie nicht noch mal darstellen brauchen. Ich will aber, weil diese Behauptung so im Raum steht, ausdrücklich diese Liste Ihnen hier nicht ersparen, was es an Hilfsangeboten im Bereich des Kinderschutzes gibt; zuvörderst und von Amts wegen natürlich sind es die Jugendämter, die Gesundheitsämter, die Jugendgerichtsbarkeit, aber darüber hinaus gibt es noch viele anderweitige Maßnahmen der Unterstützung. Es gibt die Thüringer Stiftung „Hilfe für schwangere Frauen und Familien in Not“, die von der Landesregierung umfänglich finanziert wird. Es gibt die Möglichkeit der anonymen Entbindungen, die Kosten werden von dieser Stiftung „Hilfe für schwangere Frauen und Familien in Not“ übernommen. Es gibt die Schwangerschaftsberatungsstellen, es gibt die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, es gibt die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, es gibt die ambulanten Hilfen zur Erziehung, es gibt die Kinderschutzdienste, es gibt die Heime der Erziehungshilfe, es gibt Mutter-Kind-Heime, es gibt Frühförderstellen, es gibt auch Frauenhäuser, die vor Ort Interventionsberatung anbieten, es gibt Schuldnerberatungsstellen, es gibt Telefonseelsorge, Kinder- und Jugendsorgentelefone sowie die Täterberatungsstelle in Weimar. Im Aufbau befindet sich die entwicklungspsychologische Beratung für Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern. Sie verfolgt das Ziel, Warnzeichen so früh wie möglich zu erkennen und späteren Entwicklungsstörungen und Verhaltensproblemen vorzubeugen.

Wir bilden gerade Familienhebammen aus. Darüber hinaus gibt es noch Aktivitäten aus dem Gesundheitsbereich, ich möchte Sie benennen: Das ist die Unterstützung der Kinderschutzambulanz an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, es gibt die von der Landesärztekammer Thüringen eingerichtete interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die sich mit der Problematik Gewalt gegen Kinder befasst, es gibt den von meinem Hause zusammen mit der Landesärztekammer Thüringen und der Techniker Krankenkasse herausgegebenen Leitfaden „Gewalt gegen Kinder“, der in Kürze neu erscheinen wird. Dazu gehört auch natürlich die Vorsorgeuntersuchung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen aus dieser Aufzählung, dass es in Thüringen wirklich in diesem Bereich so viel wie in kaum einem anderen Bereich Hilfsangebote gibt. Deshalb ist - ich wiederhole es noch einmal - der Vorwurf, hier wäre Kinderschutz den Haushaltszwängen untergeordnet, boshaft, er ist falsch und ich weise ihn noch einmal ausdrücklich zurück.

(Beifall CDU)

Wir haben, um diesem Anliegen der Hilfe gerecht zu werden, natürlich noch einmal überprüft, wie sind denn die Instrumente, die vielen, die ich aufgelistet habe und nebeneinander stehen. Es ist übrigens kein bunter Strauß, der zufällig zusammengewürfelt wurde, sondern die Maßnahmen sind natürlich aufeinander abgestimmt. Aber gerade um diese Frage der Abstimmung geht es natürlich immer wieder neu. Wir müssen uns fragen, ob die Hilfsangebote auch so aufeinander abgestimmt arbeiten, wie sie eigentlich arbeiten sollten. Deshalb haben wir immer gesagt, es muss ein Netzwerk derer geben, die in diesem Bereich arbeiten. Es muss möglich sein, dass zwischen den einzelnen Hilfesystemen auch Informationswege bestehen und Abstimmungen gegeben sind, damit die Hilfe auch dort ankommt, wo sie nötig ist. Hier haben wir festgestellt, es gibt ein Problem gerade dort, wo es um die Früherkennung geht. Die Frage steht immer wieder neu, dem müssen wir uns stellen: Wie kann ich es möglich machen, dass sich beispielsweise in Sömmerda, wo ich im Vorfeld nicht erkennen konnte, dass es eine Problemfamilie ist, oder in anderen Bereichen eben auch, wo ich es nicht erkennen kann, wie kann ich eine Früherkennung der Problemfälle organisieren? Dazu ist eine Möglichkeit die, die Herr Panse auch hier noch einmal dargestellt hat und die in diesem Antrag, den die CDU-Fraktion hier gestellt hat, noch einmal zum Ausdruck kommt, nämlich die Voruntersuchung U 1 bis U 10 in den Blick zu nehmen.

Herr Bärwolff hat hier die Mütterberatungen ins Gespräch gebracht, hat mehr Verbindlichkeiten festgelegt. Wir haben einen 19-Punkte-Katalog, ich glau

be der deckt mehr ab, als das, was Mütterberatung früher war. Mein Zwischenruf „auch Väterberatung“ war nicht ganz unabsichtlich, Herr Bärwolff. Sie werfen der Union immer vor, wir hätten ein altes, antiquiertes, verstaubtes Familienbild. Gerade die DDR hat nämlich, wenn Sie mal nachschauen und die einzelnen Teile mal durchschauen, ein mehr als antiquiertes Familienbild, nämlich die klassische Einteilung: Mutter-Vater-Kind war das Familienbild der DDR. Das können Sie nämlich auch an der Stelle ablesen, wo Sie diese Begrifflichkeit „Mutter“ und „Mütterberatung“ ins Spiel gebracht haben. Aber ich nehme an, Sie haben das nicht ganz unabsichtlich gemacht. Sie wollen ein „positiv“ - ich gebe zu, das ist ein positiv besetzter Begriff - in das Gespräch bringen. Ich kann dem entgegenhalten: Alles, was dort geleistet wird, wird über die vielfältigen Angebote, die wir haben - ich habe die Liste eben gerade vorgestellt -, in umfänglichster Form auch realisiert. Wir brauchen keine neue Mütterberatung, so wie sie damals a lá DDR aufgebaut wurde, wo ich zugegebenermaßen sagen muss, sie war gut. Das hat nichts damit zu tun, dass ich das disqualifizieren möchte, aber wir haben neue Angebote.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen. Bei aller staatlichen Hilfe bleibt es so, dass die Pflege und Erziehung der Kinder zuerst eine Sache der Eltern ist. Dies ist, wie es in Artikel 6 des Grundgesetzes heißt: „ … das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“.

Auch das will ich an dieser Stelle ausdrücklich festhalten, nahezu alle Eltern kümmern sich mit Liebe und großer Hingabe um ihre Kinder. Es gibt immer wieder Fälle, wo die Eltern nicht bzw. nicht vollständig imstande sind, ihre Erziehungsverantwortung auch wirklich wahrzunehmen. Wenn das der Fall ist, erst dann ist die Hilfe durch die örtlichen Jugendämter und die Gesundheitsdienste möglich und nötig. Die Mitarbeiter dieser Ämter leisten ebenfalls einen hervorragenden Beitrag zum Kinderschutz. Ich möchte ausdrücklich an dieser Stelle den Jugendämtern und Gesundheitsämtern ein herzliches Dankeschön aussprechen. Sie sind in der letzten Zeit ungerecht ins Fadenkreuz der Kritik geraten. Aber bei dieser Arbeit ist es natürlich nicht möglich, dass wir die Eltern - und das ist auch nicht wünschenswert - sozusagen rund um die Uhr kontrollieren und begleiten, sondern wir können nur Hilfe anbieten und um ihre Nutzung werben. Wir können nur im Krisenfall eingreifen. Ich sage ausdrücklich, wenn jemand behauptet, er hätte den Stein des Weisen gefunden in dieser Frage, der irrt. Es gibt keinen Königsweg beim Kinderschutz. Notwendig ist immer ein Bündel von staatlichen und nichtstaatlichen Maßnahmen. Selbst die Vorsorgeuntersuchung ist kein 100-prozentiger Schutz, dass wir in Zukunft keine Fälle von

Kindstötungen mehr haben. Insoweit begrüße ich es, dass der Antrag der CDU-Fraktion nicht nur auf eine singuläre Maßnahme abzielt, sondern ganz bewusst von einem Maßnahmebündel zur Stärkung des Kindeswohls spricht.

Ein wichtiger Bestandteil dieses Maßnahmebündels ist die Frage der Früherkennungsuntersuchung. Ich will hier nicht die ganze Begründung noch einmal wiederholen für diese Maßnahmen. Sie wissen, dass wir es verbindlicher haben wollten. Wir haben entsprechend im Bundesrat uns auch Vorschlägen angeschlossen, die es möglich machen, dass die Frühuntersuchungen verbindlicher werden. Aber es gibt verfassungsrechtliche Hürden. Die Bundesregierung war nicht bereit, diese Hürden auch zu beseitigen. Deshalb ist es unser Ziel, die Vorsorgeuntersuchung verbindlicher zu machen, als sie bisher war. Dabei ist es meines Erachtens ein Streit um des Kaisers Bart, ob nun die Jugendämter oder die Gesundheitsämter die ersten Ansprechpartner sind.

Im Übrigen: In Schleswig-Holstein sind die Jugendämter erster Ansprechpartner der zentralen Stelle. Die Länder, das heißt die Fachebenen der Länder, haben zurzeit eine sehr ausführliche Debatte, wie die Frage der Wertung, der Wichtung dieser beiden Institutionen, ob Jugendamt oder Gesundheitsamt, der erste Ansprechpartner sein sollte. Dies ist von den Fachleuten noch nicht entschieden. Ich könnte sagen, sie sind zurzeit gleichwertig nebeneinander. Es gibt, auch das will ich sagen, zu diesem Thema ein Ländertreffen der Fachebene am 28.09.2007. Dort wird genau über diese Frage debattiert. Ich würde gern die Ergebnisse der Fachebene in dieser Frage abwarten wollen.

Ich möchte als Letztes sagen, dass ich ausdrücklich den Antrag der CDU für eine höhere Verbindlichkeit der Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen unterstütze. Dies ist genau der richtige Weg. Der CDU-Antrag berücksichtigt bereits gemachte Erfahrungen in anderen Ländern und diese Vorschläge haben bereits große Zustimmung von Wissenschaftlern und Praktikern erfahren. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Herr Minister Zeh, Frau Abgeordnete Ehrlich-Strathausen würde Ihnen gern eine Frage stellen. Sie hat das vorher signalisiert in nonverbaler Form und ich habe sie auch verstanden. Gestatten Sie die Anfrage? Frau Abgeordnete Ehrlich-Strathausen.

Ja, ich wollte Ihre Rede jetzt nicht unterbrechen, sondern am Schluss nachfragen. Danke sehr. Meine Frage nach Ihrer eingegangenen Äußerung: Bezeichnen Sie denn Abgeordnete als nicht kompetent genug, zu einem wichtigen Thema wie heute z.B. Kinderschutz hier im Plenum zu reden und auch emotional zu reden? Sie bezeichnen das als „Schärfe reinbringen“. Ich sage dazu auch, emotional zu reden, wenn Sie, aus welchen Gründen auch immer, bei einer Anhörung einmal nicht anwesend sein konnten. Also ich empfinde das so, nicht kompetent genug zu sein, zu einem Thema, was alle hier betrifft, wozu auch jeder sprechen kann, zu reden. Bezeichnen Sie Abgeordnete in dem Fall als nicht kompetent genug?

Frau Ehrlich-Strathausen, ausdrücklich nicht. Ich spreche Ihnen nicht die Kompetenz ab. Im Gegenteil, ich habe gesagt, dass es sehr erfreulich ist, dass Sie wegen diesem Anliegen nicht da waren und ich würde mir wünschen, wenn vielleicht der eine oder andere den gleichen Grund hat, mal nicht da zu sein.

(Beifall CDU)

Ich meine nur, dass in dieser Frage bis zu dem Zeitpunkt große Einigkeit bestand, dass wir dieses Thema gemeinsam anpacken. Deshalb meine ich nach wie vor, und dabei bleibe ich auch an dieser Stelle, wenn Sie den Vorwurf in dieser Form aufrechterhalten, dass wir die Fragen des Kinderschutzes den Haushaltszwängen unterordnen, dann muss ich das zurückweisen. Damit haben Sie eine Schärfe in die Debatte gebracht, die ich so einfach nicht stehen lassen kann. Und das ist der einzige Grund. Ich will nicht Ihre Kompetenz absprechen. Sie haben gerade jetzt viele Möglichkeiten, Ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Ich finde den Anlass auch schön, dass habe ich ausdrücklich gesagt.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Redemeldung, für die Fraktion DIE LINKE Abgeordneter Bärwolff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich freue mich ganz ausdrücklich, dass wir dieses Thema heute hier derart intensiv behandeln und eine intensive Aussprache dazu führen. Herr Zeh, ich möchte Sie nur auf den Umstand aufmerksam machen, dass das

Innenministerium im Jahr 2006 eine Drucksache veröffentlicht hat, in der sich das Innenministerium gelobt und gerühmt hat, dass sie die kommunalbelastenden Standards reduziert. Unter den kommunalbelastenden Standards war beispielsweise damals auch die Förderung der Kinderschutzdienste. Im Jahr 2006 wurde mit einer Richtlinie des Sozialministeriums die Finanzierung bzw. die Förderung der Kinderschutzdienste von zwei Vollzeitbeschäftigteneinheiten auf 1,5 VbE reduziert, das ist eine klare Kürzung unter den kommunalbelastenden Standards; so viel dazu.

Ich möchte auch ganz kritisch anmerken, ohne hier Schärfe reinzubringen, dass ich es schon für schwierig halte, dass im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs die Kinderschutzdienste in den KFA übergehen und dass jetzt extra im Jugendhilfeausschuss eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, damit die Richtlinien der örtlichen Jugendförderung um die Kinderschutzdienste erweitert werden, nur - und das finde ich sehr traurig und da würde ich mir andere Wege wünschen - damit die Kinderschutzdienste weiter Bestand haben können. Ich wäre eher dafür, die Richtlinie für die örtliche Jugendförderung weiter vorzuhalten für die Aufgaben der Jugendarbeit und die Kinderschutzdienste - eben wie es auch von der SPD und von uns gefordert wurde - in einem extra Gesetz zu verankern. Ich denke, das ist ein sinnvollerer Weg, und das ist eben nicht die Sicherung der Kinderschutzdienste durch die Hintertür, sondern wir fordern die Sicherung der Kinderschutzdienste durch die Vordertür, wenn Sie so wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Eine zweite Sache: Ich verstehe gar nicht, warum Sie das auf diese Art und Weise durch die Hintertür machen müssen durch die örtliche Jugendförderung. Sagen Sie doch ganz einfach, wir binden die 525.000 €, die wir den Kinderschutzdiensten geben, gesetzlich mit einer Zweckbindung. So einfach ist das. Ich denke, da gibt es nichts, weshalb man sich verstecken muss.

Die nächste Sache ist - und da spielen Finanzen auch eine ganz große Rolle - die Frage, wie sind diejenigen, die alltäglich mit Kindern umgehen, qualifiziert. Das geht bei den Lehrern in der Schule, bei den Polizisten, bei Kindergärtnerinnen los, das geht aber auch über die Ärzte und diejenigen, die die Vorsorgeuntersuchung machen. Da braucht man Fortbildung, da braucht man qualitativ hochwertige Fortbildung auch für die Familienhebammen, die müssen finanziert werden. Von daher kann ich das, was die Kollegin Ehrlich-Strathausen angesprochen hat, durchaus unterstützen. Ich denke, gerade wenn wir bei Unterstützungsleistungen sind, natürlich haben Eltern die Pflicht, ihre Kinder zu pflegen, zu erziehen - das spricht ihnen gar keiner ab -, aber es gibt

Eltern, die sind dazu objektiv nicht in der Lage. Diesen Eltern ist kein Vorwurf zu machen, diesen Eltern ist zu helfen, diesen Eltern sind Unterstützungsangebote angedeihen zu lassen, und da, denke ich, ist das Beispiel der Mütterberatung, die natürlich auch für Väter offen steht - es sagt ja keiner, dass die Mütterberatung ein Zeichen hat „Für Männer geschlossen“ -, genau der richtige Weg oder einer der Wege. Für diese Maßnahmen brauchen wir unbedingt finanzielle Mittel, und ich bitte Sie höflich, auch in den Haushaltsberatungen darauf einzugehen. Kinderschutz kann nicht freiwillig sein, Kinderschutz, das ist eine Pflichtleistung aus sich heraus. Das ist ein Selbstzweck, um Kinder und Eltern zu schützen. Ich würde Sie wirklich bitten, in den Haushaltsberatungen dazu auch Stellung zu nehmen und die entsprechenden Mittel einzustellen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Landesregierung Minister Dr. Zeh, bitte.