Protokoll der Sitzung vom 12.10.2007

(Beifall CDU)

zusammengesetzt und versucht hätten, ein vernünftiges Konzept aus diesem großen Wust zu machen, wäre das überhaupt nichts geworden. Dazu stehe ich nach wie vor.

(Beifall CDU)

Nur gemeinsam mit den Leuten vor Ort ist es uns gelungen, die Vorbehalte, die da waren - und es ist

eine Tatsache, die Plenterwälder sollten mit rein in den Nationalpark, die sollten verschwinden.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD)

Frau Becker, ich habe die Gespräche geführt. Sie saßen immer im Publikum und haben gegen uns geschossen, nur gegen uns geschossen.

(Beifall CDU)

Ich muss sagen, es ist schade, dass Frau Dr. Klaus nicht mehr da ist, die könnte sicher etwas anderes dazu sagen.

Aber das ist alles Geschichte. Ich meine, man muss ganz einfach auch anerkennen, dass die Meinungen sich ändern und dass sich der eine oder andere mal überlegt, ob er das, was er damals für vielleicht verkehrt empfunden hat, heute als richtig empfindet oder andersrum. Ich habe kein Problem damit, zu sagen, dass ich zu der großen Variante, dieser überdimensionierten Variante, nein gesagt habe und wir uns Schritt für Schritt langsam an das angenähert haben, was dann herausgekommen und was vernünftig ist.

Sie wissen auch, das wird immer wieder vergessen zu sagen, dass wir eine ganze Reihe an Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen von Flächen, die bei den Infrastrukturmaßnahmen in Thüringen angefallen waren, in den Hainich umgelenkt haben, was auch bei vielen auf Kritik gestoßen ist, weil es eigentlich anders vorgesehen war. Aber die Eigentumsverhältnisse im Hainich waren eben anders. Da bin ich bei den Fichten. Der Bund hatte nun mal eine große Fläche da drinnen und der Bund war eben nicht bereit, nicht mehr einzuschlagen, sondern hat nach wie vor sein Holz rausgeholt. Wir waren froh, dass er die Fichten herausgeholt hat. Viel zu wenig von den Fichten haben wir rausgeräumt. Wir hätten sie alle herausholen sollen, weil die Fichten, so wie es Herr Kummer gesagt hat, dort gar nicht hingehören. Das ist das eine.

Das Nächste, der Baumkronenpfad. Frau Becker, ja, ich gebe das zu, ich war nicht begeistert von diesem Baumkronenpfad, aber das hatte eine ganz andere Ursache. Ich wusste natürlich, was der uns bringen wird. Aber ist es nicht irgendwo ein bisschen verwunderlich, wenn man mit der Abteilung Naturschutz sich herumschlägt, die einem kleinen Dammwildhalter in Thüringen verbieten, Betonpfähle zu nehmen, um sein Wildgehege zu errichten, und dieselben Leute, die dem das verbieten, 14 Tage später kommen und sagen, jetzt machen wir im Hainich riesige große Betonpfähle hinein? Das kann doch nicht wahr sein. So schnell kann man doch gar nicht umdenken wollen. Das bekomme ich ganz

einfach nicht auf die Reihe. Ich bin froh, dass wir es gemacht haben. Ich bin froh, dass es so geworden ist, und jetzt werden wir auch die nächsten Schritte dementsprechend weiter durchführen.

Natürlich brauchen wir ein Infrastrukturkonzept, ein richtiges Verkehrskonzept. Parkplätze - wenn ich das schon höre, Frau Becker. Wenn ich so dagegen gewesen wäre, wie Sie das hier dargestellt haben, da wäre der Parkplatz jetzt noch nicht.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD)

Es gibt auch schon andere Vorstellungen, wie wir das weiter machen wollen. Wir müssen etwas machen, damit es uns nicht so geht wie an der Müritz, wo schon die ersten warnenden Hände gehoben werden und gesagt wird, das Konzept für die Infrastruktur, was wir haben, reicht nicht mehr aus, um den Besucherstrom so zu lenken und zu leiten, dass unser Konzept zum Naturschutz auch noch aufgehen kann. Also muss man das vernünftig und ordentlich machen.

Was den Kellerwald betrifft: Rot-Grün hat es in Hessen nicht geschafft, den Kellerwald als solchen im Gesetz zu verankern und einen Nationalpark daraus zu machen. Es war dann erst die CDU unter Herrn Koch, die es geschafft hat. Man darf auch nicht vergessen, Hessen ist ein bisschen reicher als wir, Hessen ist ein Geberland und kein Nehmerland. Hessen kann es sich erlauben, mal so round-about 10 Mio. € in die Hand zu nehmen und da etwas hinzustellen.

Noch etwas zu den Subventionen: Es ist komisch, wenn die Landwirtschaft Förderung bekommt, heißt das, das sind Subventionen. Wenn ich hier ein Konzept auf den Tisch gelegt bekomme, bei dem die Betreiberkosten jedes Jahr zwischen 500.000 und 700.000 € gefördert werden sollen, dann ist das für mich keine Förderung mehr, sondern dann ist das wirklich eine Subvention. Dann ist es eine Subvention und das ist eben leider bei diesem Konzept, was der Landrat mir vorgelegt hat, nach wie vor der Fall gewesen. Er hat es ja nicht hinbekommen. Das war doch von vornherein abzusehen, dass das nicht klappen wird, die 12 Beschäftigten aus der Verwaltung des Landratsamtes dort als Bedienstete in das Nationalparkhaus zu setzen und mit denen auch die Betreiberkosten letzten Endes abzudecken. Das war doch von vornherein klar, dass das nicht geht. Ansonsten war das Konzept nicht schlecht, nur dass eben noch 4 Mio. € fehlten. Die 4 Mio. € sollte das Land geben, wohl wissend dass wir immer gesagt haben, so viel Geld haben wir nicht und so viel Geld werden wir auch jetzt nicht haben, sondern wir werden alle die einspannen, die dazu notwendig sind, um dort etwas Vernünftiges in diese Richtung auch

aufzubauen. Anders geht es nicht. Dass wir bisher schon die Kommunen eingebunden haben, das habe ich auch an den Zahlen deutlich gemacht, die bisher in den einzelnen Kommunen an finanziellen Zuwendungen über LEADER, über die Dorferneuerung, über andere Mittel in diese Richtung geflossen sind. Wir werden uns weiter darum kümmern, dass das auch dementsprechend weitergeht und die Kommunen nach wie vor nicht vergessen werden, sondern mit eingefügt werden und mit ihnen gesprochen wird. Sie müssen aber alle wollen. Da muss man auch mal seinen eigenen Schweinehund - Entschuldigung, wenn ich das so sage - über Bord werfen, sich für diese gemeinsame Sache an einen Tisch setzen, um dann gemeinsam etwas daraus zu machen.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann beende ich die Aussprache. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, oder erhebt sich Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch, also ist das Berichtsersuchen erfüllt.

Ich beende diesen Tagesordnungspunkt und rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf

Gesetzliche Mindeststandards für Leiharbeitnehmer verbes- sern Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/3336 -

Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort Abgeordneter Leukefeld, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, keine Frage, gegen die ausufernde Leiharbeit mit ihren negativen Begleitumständen muss etwas getan werden. Wir teilen hier die Bedenken der SPD-Fraktion, die von einer Hintertür für Lohndumping und Einschnitte in Arbeitnehmerrechte ausgeht, wie es in ihrer Antragsbegründung formuliert ist. Außerdem gilt es, sich der Tatsache zu stellen: Ein großer Teil der neu entstandenen Arbeitsplätze, mit denen gerade von der CDU immer wieder auf den Wirtschaftsaufschwung hingewiesen wird, sind unsicher, sind prekär. Insgesamt handelt es sich inzwischen bei mehr als einem Drittel aller Beschäftigungsverhältnisse in Thüringen um sogenannte Nichtstandardbeschäftigungsverhältnisse, nachzulesen im aktuellen IAB-Betriebspanel, herausgegeben vom Wirtschafts

ministerium. Diese Beschäftigungsverhältnisse sind gekennzeichnet durch Besonderheiten bei der Versicherungspflicht, der Beschäftigungsdauer und beim Beschäftigungsumfang. Zu ihnen zählt die Leiharbeit, die in Sachsen-Anhalt und Thüringen - da gibt es nur eine Gesamtzahl - allein von 2002 bis 2005 um 36 Prozent gestiegen ist, wie die Antwort auf unsere Große Anfrage „Arbeit und Entlohnung“ deutlich macht.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die längst übliche Praxis, dass Unternehmen Tochterfirmen gründen, die Mitglied in einem Arbeitgeberverband der Zeitarbeit werden. Dann entleihen die Mutterunternehmen von diesen Firmen wiederum Beschäftigte, die aber nach den ungünstigeren Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche entlohnt werden.

Als Ergebnis vieler Gespräche, die wir mit Gewerkschaftern und Betriebsräten geführt haben, ist für Leiharbeiter in Thüringen von einem Lohn von etwa 5,50 € auszugehen. Es handelt sich also eindeutig um einen Niedriglohnsektor. Zur Wahrheit gehört aber auch die Tatsache, dass die Zunahme von Leiharbeit als einer Form unsicherer Beschäftigung mit erheblich reduzierter sozialer Absicherung bei Löhnen und bei Arbeitsbedingungen einst von SPD und Grünen in der Bundesregierung ganz bewusst in die Wege geleitet und im Bundestag im Dezember 2002 beschlossen wurde. Diese Entwicklung ist Ergebnis des novellierten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Rahmen des Gesetzespakets von Hartz I und es war von den Grünen und der SPD so gewollt. Gut finde ich, dass zumindest die SPD in Thüringen diesen Fehler inzwischen einsieht, und es ist zu wünschen, dass man Druck darauf ausübt, Mindeststandards einzuführen.

Ganz anders die heutige Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD. Sie sieht bis heute - nachzulesen in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE in Drucksache 16/6221 -, ich darf zitieren, „positive Effekte der Reform der Arbeitnehmerüberlassungen“. Problematisch ist das angesichts des Eingeständnisses der Bundesregierung in der gleichen Drucksache, sie habe sehr wohl Tendenzen ausgemacht, „Stammpersonal durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen“, um sie zu ungünstigeren Tarifbedingungen beschäftigen zu können. Aber das Problem wird durch die Regierung kleingeredet und wir wissen ja alle, dass der Bundesarbeitsminister von der SPD gestellt wird. Hier müssen Sie sich schon einmal entscheiden, wofür Sie nun eigentlich sind. Ich denke, auf beiden Hochzeiten zu tanzen, das geht nun wirklich nicht.

(Beifall DIE LINKE)

In der CDU wird immer noch das Hohelied der notwendigen Flexibilisierung gesungen. Tatsache ist allerdings, dass es mit der Ausweitung der Zeitarbeit nicht gelungen ist, den Arbeitsmarkt spürbar zu entlasten. Im Gegenteil, negative Auswirkungen auf das Lohnniveau - ich sprach schon davon - sind unübersehbar und davon wird in dem vorliegenden Antrag zu Recht gesprochen. Dazu will ich eine Zahl nennen: 15 Prozent der Leiharbeiter in Vollzeit erhalten ergänzend Hartz IV. Ich will auch die Zahl insgesamt noch einmal nennen, 50.000 vollbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten solche Löhne, dass sie Aufstocker in Hartz IV sind hier im Land Thüringen.

Unsere Fraktion sieht sich in ihrer kritischen Position durch den Vortrag eines namhaften Experten - ich spreche von Prof. Dörre von der Friedrich-SchillerUniversität in Jena -, den er vor wenigen Wochen hier in diesem Haus gehalten hat, bestätigt. Er hat insbesondere die Behauptung, unsichere Beschäftigung sei ein Sprungbrett in den stabilen Arbeitsmarkt, mit seinen Forschungsergebnissen widerlegt. Der Begriff „Sprungbrett“ kommt auch im Antrag der SPD vor. Verabschieden Sie sich davon, das ist schlichtweg ein Mythos. Mehr noch, Prof. Dörre sieht in der Zunahme unsicherer Beschäftigung, wie der Leiharbeit, nicht nur einen disziplinierenden Druck von unten in den Unternehmen, er warnt direkt vor einem „Trend zur Produktion gefügig Beschäftigter“. Das lässt, glaube ich, tief blicken.

Sehr interessant sind diese Signale aus der EUKommission. „Brüssel macht Druck auf Zeitarbeit“, hat die „Thüringer Allgemeine“ am 18.09.2007 getitelt. Mit Blick auf die Leiharbeit wird von Sozialkommissar Vladimir Spidla das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ eingefordert. Diese Forderung ist mutig, leider findet die sich nicht im Antrag der SPD. Die von Spidla darüber hinaus ins Spiel gebrachte SechsWochen-Grenze ist vom thüringischen SPD-Vorsitzenden, also von Ihnen, Herr Matschie, gleich in Zweifel gezogen worden. Ich frage mich: Warum eigentlich? Da muss man ja nicht so mutlos sein, das ist doch eine Zielmarge.

Ich möchte zusammenfassen: Der vorliegende Antrag ist nicht der ganz große Wurf, aber er beinhaltet richtige Schritte in die richtige Richtung. Als Bundesratsinitiative stellt das einen durchsetzbaren Kompromiss dar und deswegen werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Danke schön.

Das Wort hat der Abgeordnete Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Bezug auf das, was Kollegin Leukefeld gerade zu den Folgen der gesetzlichen Regelungen zur Leiharbeit hier dargestellt hat, kann ich nur sagen, dass das auch die Beobachtungen sind, die wir gemacht haben. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Ich will das insgesamt hier auch nicht wiederholen. Wo ich allerdings noch ein paar Unterschiede aufzeigen möchte, ist zu der Frage der Zielstellungen, die damals mit den Regelungen der sogenannten Hartz-I-Gesetze gekommen sind.

Leiharbeit hatte, bevor es zu diesen Öffnungen im Gesetz kam, eigentlich die Aufgabe, für die Betriebe auf der einen Seite sehr spontan und flexibel auf Produktionsspitzen reagieren zu können und auf der anderen Seite in bestimmten betrieblichen Situationen, wie z.B. wenn bestimmte Produktionsstrecken schnell repariert werden mussten, wenn es darum ging, bestimmtes Fachpersonal dorthin zu bekommen, das man im Betrieb nicht immer brauchte, dann reagieren zu können. Das war die Situation, warum Leiharbeit eigentlich in Deutschland entstanden ist innerhalb des Arbeitssystems. Dann ist vonseiten der Wirtschaft Druck gemacht worden und es ist gesagt worden, mit einer Flexibilisierung im Bereich der Leiharbeit werden wir es hinbekommen, dass wir viel schneller Menschen in reguläre Arbeit und sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bekommen werden. Wir haben also zu große Fesseln, aber die Zielstellung, warum man Leiharbeit macht, die ist auch zum damaligen Zeitpunkt eigentlich nicht infrage gestellt worden. Die Zielstellung, Produktionsspitzen abzufangen und auf bestimmte betriebliche, begrenzte Situationen zu reagieren, ist nie infrage gestellt worden. Ich sage jetzt mal, auf Wunsch und Druck aus den Unternehmen, aus den Wirtschaftsverbänden hat sich die rot-grüne Koalition im Rahmen der Reform des Arbeitsmarkts dazu entschieden, diese angeblichen Fesseln, diese Beschränkungen für Leiharbeit aufzuweichen. Dann, muss man sagen, ist genau an der Stelle etwas eingetreten, was wieder zeigt, wie wichtig es ist, dass man klare Regeln macht und dass man sich auf solche Versprechungen nicht immer verlassen kann. Wir haben an der Stelle dann feststellen müssen, Sie haben es in Zahlen beschrieben, dass wir auf der einen Seite eine deutliche Ausweitung der Leiharbeit gehabt haben, dass Leiharbeit nicht nur zum vorübergehenden Auffang von Produktionsspitzen, sondern als Personalmanagementsystem eingeführt worden ist, und wir müssen auch feststellen, dass genau über den Weg, den Sie auch beschrieben haben, dass nämlich die großen Unternehmen sicher selber Zeitarbeitsfirmen gegründet haben, um die Tarifverträge, denen sie sonst unterworfen wären, zu umgehen, sie dann tätig geworden sind, diese Möglich

keiten aus dem Gesetz zu nutzen. Da die Zielstellung, die wir damals wollten, nicht eingetroffen ist, haben wir gesagt, wir müssen einfach darauf reagieren und müssen diese Begrenzung wieder herstellen. Das ist auch der Sinn und Zweck, warum wir heute diesen Antrag gestellt haben.

Ich möchte aber noch mal einen Aspekt anführen, der auch mehr auf die Situation der Beschäftigten in den Betrieben eingeht. Leiharbeiter verdienen nicht nur weniger - wir haben es auch in der Begründung geschrieben, Sie haben auch darauf hingewiesen, es sind um die 2 € weniger pro Stunde, die ein Leiharbeitnehmer in dem Leihunternehmen im Verhältnis zu dem Beschäftigten in der Stammbelegschaft bekommt -, sie leben auch in permanenter Unsicherheit. Sie wissen nicht, wie lange sie an einem Arbeitsort bleiben können. Sie müssen immer um ihr Arbeitsverhältnis fürchten und - das ist auch ein wichtiger Aspekt, darauf hat die IG-Metall-Zeitung jetzt noch mal hingewiesen - sie fühlen sich häufig als unliebsame Konkurrenten an ihren Einsatzorten. Der Kollege, der daneben als Stammbelegschaft arbeitet, fühlt sich immer bedroht, dass die Leiharbeitnehmer ihn aus diesem Beschäftigungsverhältnis verdrängen könnten.

Von ihnen wird ein enormes fachliches Wissen und Anpassungsvermögen verlangt. Sie müssen damit rechnen, dass sie in der nächsten Woche oder im Laufe einer Woche schon in einer anderen Firma unter anderen Bedingungen arbeiten müssen. Das führt zu etwas, was wir auch feststellen müssen: Die Zahl der Arbeitsunfälle pro 1.000 Beschäftigte liegt bei diesen Leiharbeitskräften bei 48, während sie bei den regulären Beschäftigten nur bei 37 liegt. Es wird also auch an der Stelle sehr viel von den Leiharbeitnehmern verlangt. Das gesamte Arbeitsverhältnis ist also von hoher persönlicher Belastung, von Gesundheitsrisiken und von Unsicherheit gekennzeichnet.

Solche Arbeitsbedingungen, so wie sie bei Leiharbeit oftmals vorherrschen, sind auch familienunfreundlich. Ich habe auch gestern in der Diskussion „Mindestlohn“ schon einmal darauf hingewiesen, wir wissen, dass sich junge Menschen nur dann für die Gründung von Familien entscheiden, wenn zumindest mittelfristige Planungssicherheit oder ein auskömmliches Einkommen vorhanden ist. All das gilt nicht für die Leiharbeit unter den jetzigen Bedingungen. Stattdessen haben die Unternehmen seit der Lockerung der gesetzlichen Bedingungen, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, bewiesen, dass sie damit sozial- und wirtschaftspolitisch nicht verantwortungsvoll umgehen können. Wir stellen auch eine zunehmende Hire-und-fire-Mentalität fest. Sie sorgt für Wettbewerbsverzerrungen bei all den Firmen, die sich den Grundsätzen sozialer Marktwirtschaft verpflichtet

fühlen. Deshalb ist es aus unserer Sicht erforderlich, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen zugunsten der Arbeitnehmer und zur Wiederherstellung klarer Wettbewerbsregelungen geändert werden.

Wir wollen mit dem vorliegenden Antrag a) mindestens einen Lohn auf der Basis des mit dem DGB abgeschlossenen Tarifvertrags, der auch nur unter Zähneknirschen der Gewerkschaften zustande gekommen ist und wo auch nicht DGB-Gewerkschaften wieder mal versucht haben, schnell bereit zu sein, einen Dumpinglohnvertrag zu unterschreiben und damit auch der DGB auf der Arbeitnehmerseite unter Druck gesetzt worden ist. Wir wollen c) eine Begrenzung der Verleihzeit auf längstens zwölf Monate und eine Begrenzung des Anteils der Leiharbeitnehmer in einem Betrieb. Auch da haben wir in unserem Antrag an dem Beispiel Siemens hingewiesen, was für Blüten das mittlerweile treibt mit über 30 Prozent Anteil der Leiharbeit an der Stammbelegschaft. Und wir wollen - auch ein wichtiger Punkt für uns - die Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte in den Entleihfirmen auf die Zeitarbeitnehmer ausdehnen. So sollen nicht mehr die Personal/Betriebsräte über das Ob von Leiharbeit, sondern auch über das Wie mitbestimmen dürfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Antrag muss im Zusammenhang mit unserem Antrag von gestern auf Einführung eines Mindestlohns gesehen werden. Er greift zudem auf, dass der EU-Sozialkomissar Vladimir Spidla noch für das laufende Jahr angekündigt hat, dass die Europäische Union die Bedingungen für Zeitarbeiter ebenfalls verbessern will. Noch unter laufender portugiesischer Ratspräsidentschaft sollen Regelungen getroffen werden, um das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu gewährleisten. Unser Antrag beinhaltet zunächst die unbedingt erforderlichen Mindestforderungen, um möglichst kurzfristig auf nationaler Ebene den Missbrauch der gesetzlichen Möglichkeiten einzudämmen. So wünschenswert künftige europäische Regelungen auch sind, noch wichtiger ist es aus unserer Sicht, bereits jetzt zu handeln. Wir brauchen schnell faire Arbeitsbedingungen und - genauso wichtig - wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Das Wort hat Abgeordneter Kretschmer, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin froh, dass durch die Kollegen der SPD-Fraktion mit diesem Antrag, der ja im Fokus auf eine Branche

gerichtet worden ist, die einerseits mit boomenden Wachstumsraten in der Öffentlichkeit und im Bewusstsein ist, im Übrigen sozialversicherungspflichtige Verhältnisse schafft, Herr Kollege Pilger, andererseits aber auch durch teilweise Unkenntnis und auch durch schwarze Schafe in Verruf gekommen ist bzw. teilweise im Verruf steht. Ich will das ganz deutlich sagen, das ist wie überall im Leben. Sie brauchen eins, zwei schwarze Schafe - manchmal sind es auch zehn - und damit geht natürlich eine ganze Branche, ein ganzer Stand möglicherweise einen schweren Gang.

Deshalb will ich für meine Fraktion gleich sagen, wir werden am Ende für die Überweisung des Antrags an den Wirtschaftsausschuss stimmen und wir würden im Wirtschaftsausschuss gern eine Anhörung beantragen, bei der die Akteure dieser Branche zu Wort kommen, damit man sich verlässlich ein Bild machen und aus der Phase dieser Gemengelage herauskommen kann.

Das fängt schon damit an, Herr Kollege Pilger, dass die Begriffe - auch in Ihrem Antrag interessanterweise - „Leiharbeit“, „Zeitarbeit“, „Arbeitnehmerüberlassung“ nicht exakt gefasst sind und zum Teil von unterschiedlichen Inhalten besetzt werden. Ich sage mal so, Leiharbeit hört sich so an, als ob man sich etwas unentgeltlich ausleihen kann; das ist natürlich nicht so. Und Zeitarbeit bringt die Vermischung mit befristeten Arbeitszeitverhältnissen, genau das ist es nicht, sondern die haben richtige Arbeitszeitverhältnisse. Der Verleiher trägt das Arbeitnehmerrisiko mit allen Rechten und Pflichten. Deshalb ist es uns schon wichtig, dass wir einerseits diese Flexibilisierungsbedürfnisse der Entleiher mit den Schutzinteressen der Arbeitnehmer verbinden und deutlich sagen, das ist eine Zeitarbeitsbranche, die ihre Berechtigung hat und die natürlich - genau wie mit der Konjunktur - auch Ansprüche stellt an die Geschäftsentwicklung, die etwas damit zu tun hat, dass Facharbeiter gebraucht werden, vielleicht auch nur kurzfristig oder längerfristig. Deshalb hat sie also nach unserem Dafürhalten auch die Berechtigung.

Wir hatten mit den Kollegen meines Facharbeitskreises in dieser Woche das Gespräch mit dem Interessenverband der deutschen Zeitarbeitsunternehmen, also einer Dachorganisation. Die dortigen Ausführungen haben uns sehr interessiert und angesprochen. Mit 1,7 Prozent liegt der Beschäftigtenanteil der Leiharbeit in Deutschland weit unter dem in Europa. Zum Beispiel liegt der Beschäftigtenanteil in Großbritannien bei 3,7 Prozent oder in den Niederlanden bei 4,5 Prozent. Dann kommt dazu, Herr Kollege Pilger, und ich habe es gestern auch schon bei der von Ihnen zu Recht genannten Verquickung der Diskussion zum Mindestlohn gesagt, eine der wenigen Länder hat reguläre Arbeitsver

hältnisse, der Verleiher also Arbeitnehmerrisiko und die Anstellung der Belegschaft in der Leiharbeitsfirma ist dann eine mit allen Rechten und Pflichten, mit Urlaubsansprüchen, Weihnachtsgeld und Betriebsrat gebildet, sogar zwei freigestellt von der Firma, zu der ich gleich vielleicht auch noch etwas sagen kann, und sogar, meine Damen und Herren, von der von mir aus jetzt rechten Seite, mit einem gesicherten Einkommen über die gesamte Zeit der Anstellung. Der spannende Unterschied zum Beispiel zu der Leiharbeit in Großbritannien ist, sie kriegen nur Geld, wenn sie in der Arbeit sind. Die Frage für den Leiharbeiter ist es ja oder für den, der in dieser Firma beschäftigt ist: Was passiert denn, wenn im Augenblick durch die Konjunktur oder durch die Situation in der Branche keine Arbeit da ist? Dann ist der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin normalerweise daheim und bekommt in England kein Geld. Das ist klar, das sagen die dort. Ich sage einmal hier, er bekommt auch weiterhin sein Einkommen. Man kann nun über den angestrebten Mindestlohn der Branche streiten, aber 6,22 € als Mindestlohn in Ost- und Mitteldeutschland und zu wissen, es kommt jeden Monat, egal, ob ich in Beschäftigung bin oder nicht, ist also auch schon ein Stückchen soziale Sicherheit, die man einfach nicht so wegwischen kann. Ich habe auch deutlich gemacht, wir müssen hinschauen, mit welchen wir es zu tun haben. Es ist von beiden Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden, wenn man mal befragt, wer die Kunden der Zeitarbeitsbranche sind, aus welcher Motivation heraus sie denn Arbeitnehmerüberlassungen nehmen, also Zeitarbeitskräfte nehmen, da sagt ein großer Block, um die 50 Prozent: weil ich in meinem Unternehmen Personal dann habe, wenn ich es brauche. So ein bisschen hat das etwas mit Kündigungsschutz zu tun, wie sie eigene Belegschaften aufbauen können und wie sie flexibel auch auf Spitzen reagieren können. 10 Prozent sagen - es ist eine aktuelle EmnidUmfrage, aus der ich jetzt zitiere: Das Unternehmen kann die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Das ist die Frage Fachkräfte, die dahinter steht. Das will ich der guten Ordnung halber auch sagen, 30 Prozent sagen: Ich kann im Unternehmen Kosten sparen. Nun ist das ja per se nichts Schlechtes. Schlecht finde ich nur - und das muss man auch so deutlich sagen -, wenn dieses Instrumentarium nach meinem Dafürhalten im Grundsatz missbraucht wird, um geltende Tarifverträge einfach auszuhebeln, um Belegschaften auszukehren. Aber Sie kennen diese, Herr Blechschmidt, Missbrauchstatbestände immer mal wieder. Ich erinnere, es gab von der Arbeitsverwaltung die Einstellungszuschläge für Frauen beispielsweise aus der Arbeit heraus. Ich habe das selber erlebt, dass Unternehmer mit der Belegschaft zum Arbeitsamt gefahren sind im Bus und haben gesagt, ihr seid jetzt gekündigt und dann geht rein, ich stelle euch wieder ein. Es ist dann ein Reflex darauf, dass die entsprechenden Regeln auch geändert worden sind, dass