(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Ha, ha, wir erhöhen nur die Steuer und schon funktioniert alles.)
Natürlich muss man Geld umverteilen. Ja, aber Sie tragen es doch immer auf dem Rücken von denen aus, denen Sie es erstens nicht ermöglichen, das Geld mit ihrer Hände Arbeit zu verdienen. Und zweitens, dass Niedriglöhne gezahlt werden, wollen Sie durch staatliche Mittel deckeln, nämlich durch Kombilohn. Deswegen sind Sie gegen Mindestlohn und die anderen hängen Sie einfach ab, die werden schon irgendwie sehen, wie sie klarkommen und dann beklagen Sie sich über Schwarzarbeit. Das ist doch wie Katze und Schwanz und, Herr Seela, da muss man weiter diskutieren, aber man muss es dort nehmen, wo das Geld ist und das ist da.
Ich sage Ihnen nur einmal, allein die Finanztransaktionen, Einführung der Tobin-Steuer, das wären doch alles ganz solide Dinge, ja, da sind Sie dagegen.
Dass es dort einen grundsätzlichen Unterschied gibt, das ist schon klar, Sie wollen die stärken, die das Geld haben und hoffen immer noch, dass die dann in Arbeit investieren und dass die Arbeitsplätze schaffen. Genau das wird nicht passieren, das zeigen alle Statistiken.
Mir liegen seitens der Abgeordneten keine weiteren Redeanmeldungen vor. Für die Landesregierung Minister Reinholz, bitte.
Frau Leukefeld. Ich habe schon viel Unsinn gehört, aber das war wirklich die Spitze dessen, was mir je zugemutet worden ist.
Meine Damen und Herren, Preissteigerungen bei den Lebenshaltungskosten sind aktuell und bundesweit im Moment Gegenstand von Diskussionen in der Öffentlichkeit, aber natürlich auch in den Medien. Es ist für mich deshalb durchaus nachvollziehbar und auch verständlich, wenn von verschiedenen Seiten die Forderung nach einer Überprüfung der Regelsätze von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe erhoben wird. Der Regelsatz soll das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum abdecken. Das hängt nun einmal mit den Lebenshaltungskosten, wie wir alle wissen, direkt zusammen, auch wenn es nicht nur um Milch- und um Fleischpreise geht, sondern viele verschiedene Komponenten hier eine Rolle spielen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, die Höhe der Regelsätze für das Arbeitslosengeld II ist ausschließlich bundesgesetzlich geregelt. Der Gesetzgeber hat zudem in § 20 Abs. 4 SGB II eine jährliche Anpassung vorgesehen, die sich an der Erhöhung des Rentenwertes orientiert. Darüber hinaus wird die Höhe der Regelsätze an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten gekoppelt, die in der vom Statistischen Bundesamt im fünfjährigen Turnus erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, der sogenannten EVS, abgebildet ist. Für den Bereich der Sozialhilfe werden die Regelsätze, wie wir alle wissen, im Gegensatz zum Arbeitslosengeld II durch eine Landesverordnung bestimmt. Auch hier orientiert sich die Bestimmung an der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. In die Regelungen zum ALG II und Sozialhilfe ist also bereits ein Anpassungsmechanismus analog der Rentenentwicklung eingebaut. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist also nicht die generelle Frage, ob man einen Anpassungsmechanismus will oder nicht, es geht eher um den Weg der Anpassung. Ein solcher Mechanismus existiert und er greift auch. In Thüringen zum Beispiel wurde erst zum 01.01.2007 eine Erhöhung der Regelsätze der Sozialhilfe um rund 4,23 Prozent sowie zum 01.07.2007 eine Erhöhung um 0,54 Prozent vorgenommen. Das Erste war die Anpassung an den SGB-II-Regelsatz, das Zweite die Erhöhung im Zuge der Kopplung an den Rentenfaktor.
Vielmehr, meine Damen und Herren, stellt sich die Frage, ob es angesichts der genannten Preiserhöhungen einen darüber hinausgehenden Anpassungsbedarf gibt und man neue Regeln für die Anpassung für nötig hält, oder auch, ob der Turnus der EVS zu lang ist, um zeitgemäße Ergebnisse zu erhalten. Die letzte Anmerkung, meine Damen und Herren, bezieht sich insbesondere auf den Alternativantrag der Fraktion, der, Frau Leukefeld, aus meiner Sicht schon ein
Alternativantrag ist. Seitens des Bundes als auch der Länder wird die Frage der Anpassungs- und Erhöhungsnotwendigkeit aktuell sehr intensiv diskutiert. Dabei wird man sicherlich auch prüfen, ob die 5jährige EVS das richtige Instrument ist.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüft derzeit, wie sich die Preisentwicklungen in 2006 und 2007 für Empfänger von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II ausgewirkt haben und sich in den kommenden Monaten auswirken werden. Für 2008 soll dann eine Prognose erstellt werden. Bei dieser Prüfung wird es vor allem um die Auswirkungen der Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln gehen, die es in den letzten Monaten, wie wir alle wissen, ja unstreitbar gegeben hat. Dennoch sollte meines Erachtens nicht außer Acht gelassen werden, dass Hilfeempfänger zusätzlich zum Regelsatz beim Arbeitslosengeld II auch die Kosten für eine angemessene Unterkunft und Heizung vom Leistungsträger vollständig erhalten.
So viel, Frau Leukefeld, zu Ihrer Aussage, dass die Menschen ausschließlich vom Regelsatz leben müssen. Hinzu kommen auch noch Gebührenbefreiungen und Gebührenermäßigungen, z.B. für Fernsehen und für Rundfunk, sowie Sonderleistungen bei Umzug oder bei der Geburt eines Kindes. Weiterhin ist zum Beispiel zu berücksichtigen, dass eine weitere Erhöhung der Regelsätze nicht zu einer Schlechterstellung bzw. weiteren Aufstockung der Transferleistungen im Bereich der Geringverdiener am Arbeitsmarkt führen darf. Darüber hinaus sollen durch das Bundesarbeitsministerium die Konsequenzen abgeschätzt werden, die sich aus einer eventuellen Neuausrichtung der Anpassungskriterien, z.B. am Verbraucherindex, ergeben. Gleichzeitig wird noch einmal intensiv geprüft werden müssen, ob die Leistungen für Kinder und für Jugendliche bedarfsdeckend ausgestaltet sind. Da geht es zum Beispiel, wir haben es eben schon miteinander diskutiert, um Aufwendungen für die Mittagsverpflegung in Ganztagseinrichtungen oder auch um Schulmaterialien, letztlich also um die Frage, ob die Teilhabe an Bildung für junge Leute ausreichend gewährleistet ist. Ich teile im Übrigen die Auffassung, dass man vorrangig für die Kinder mehr tun soll, um ihre spätere berufliche Perspektive dadurch zu verbessern.
Insofern ist gerade die vorgesehene Überprüfung dieser Leistungen im SGB II sehr sinnvoll und auch notwendig. Deshalb könnte es durchaus auch zielführender sein, Sonderbedarfe für Kinder zu verbessern, anstatt Regelsätze generell zu erhöhen. Es müsste dann sichergestellt werden, dass die Leistungen natürlich auch da ankommen, wo sie hin sollen. Solche Leistungen für Schule und Ausbildung kommen letztlich nicht nur dem Einzelnen, sondern im Endeffekt auch der Wirtschaft und der Gesell
schaft insgesamt zugute, zum Beispiel in Form einer besseren Fachkräfteverfügbarkeit, über die wir ja auch zurzeit ausführlich diskutieren.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat angekündigt, Ende November dieses Jahres seine Ergebnisse zur Höhe der Regelsätze und zur Notwendigkeit von Mehrbedarfsregelungen vorzulegen. So ist es letzte Woche beim SGB-II-Bundeskongress nochmals gesagt worden, an dem sich das TMWTA auch beteiligt hat. Auch in der Abstimmung zwischen den Ländern wurde deutlich, dass man jetzt keine isolierten Initiativen ergreifen will, sondern man sich zwischen Bund und Ländern nach Vorlage der Prüfergebnisse erst einmal abstimmen sollte. Das weitere Vorgehen in dieser Frage kann deshalb vernünftigerweise auch erst dann festgelegt werden.
Es macht deshalb keinen Sinn, Prüfergebnissen bereits jetzt vorzugreifen und die Bundesratsinitiative zur Erhöhung der Regelsätze zu starten. Für eine solche Schnellschussaktion, meine Damen und Herren, finden Sie mit Sicherheit keine Mehrheit. Thüringen wird deshalb die von der Fraktion DIE LINKE beantragte Bundesratsinitiative nicht ergreifen, sondern im bereits begonnenen Abstimmungsverfahren zu den Regelsätzen verbleiben.
Ich möchte nochmals kurz auf den Alternativantrag der Fraktion der CDU zurückkommen: Die EVS, sowohl Turnus als auch die sehr differenzierten Kriterien, müssen bei der Prüfung natürlich auch betrachtet werden. Insofern ist es durchaus eine Überlegung wert, ob man nicht mit wenigeren und einfacheren Kriterien eventuell eine schnellere Prüfung und Bemessung der Regelsätze hinbekommen kann. Ich glaube nicht, dass man das gesamte Gesetz über die Statistik der Wirtschaftsrechnung privater Haushalte, auf der die EVS basiert, ändern wird, es gehört aber vom Grundsatz mit in die Prüfung der Systematik der Berechnung der Regelsätze. Insofern kann ich nur nochmals betonen: Die notwendigen Prüfungen laufen bereits. Die Haltung der Thüringer Landesregierung kann erst fixiert werden, wenn die Ergebnisse dieser Prüfungen vorliegen und vor allen Dingen auch ausgewertet sind. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Seela hat die Frage gestellt, wie die Vorstellungen der Fraktion DIE LINKE finanziert
werden sollen. Und als Frau Leukefeld das böse Wort „Umverteilung“ in den Mund genommen hat, hat nicht nur die Finanzministerin reagiert, als sei „Umverteilung böse“.
Dazu muss ich eine Anmerkung machen, weil ich denke, dass diese Reaktion in keinster Weise sachgerecht ist: Sie müssten mir erklären, meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktion, warum Sie vor diesem Wort „Umverteilung“ so eine Angst und so eine Sorge haben. Sie müssten mir ein Land in der Welt zeigen, welches den Anspruch erhebt, die staatliche Finanzierung ohne Umverteilung hinzubekommen.
Zeigen Sie mir ein modernes Land in der Welt, das ohne Umverteilung hinkommt. Ich behaupte, dass in Deutschland in den letzten Jahren die Umverteilung von unten nach oben stattgefunden hat,
und, ich glaube, viele Menschen empfinden das genauso. Sie leugnen das. Selbst wenn sich eine Bundesregierung ausdrücklich als Laissez-faire-Regierung verstehen würde, sie also nichts Aktives in der Steuerpolitik unternehmen würde, würde sie umverteilen. Sie würde umverteilen von unten nach oben, weil die, die schon Besitz und Vermögen haben, über ihre Fähigkeiten, Einkommen aus Vermietungen, aus Zinsen beispielsweise zu erzielen, natürlich ihren Reichtum und ihr Vermögen steigern und damit andererseits Armut zunimmt.
Ich kann nicht verstehen, Frau Finanzministerin, wie man diese elementaren Zusammenhänge leugnen kann. Wenn man einmal das zugibt, ich denke, man muss das zugeben, dass natürlich jede auch Nichtregulation in dem Sinne Regulation ist, indem es Begünstigte und Verlierer gibt, wenn man einmal so weit ist, dann muss man, wenn man sich konkret Deutschland nach der Wende ansieht, feststellen, dass die Umverteilung eine Richtung hatte, die dazu geführt hat, dass wir auf der einen Seite eklatante Armut haben und auf der anderen Seite einen wachsenden Reichtum. Wir lesen darüber. Es ist doch nicht so, dass wir über Reichtum nichts lesen, sondern wir lesen darüber.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung, weil es nicht nur um Umverteilung geht. Es geht natürlich auch um die Frage, wie ist ein Gemeinwesen insgesamt in seinen staatlichen Ebenen finanziert. Wir hatten, Frau Ministerin, bezogen auf die Thüringer Auswirkungen von Steuerpolitik darüber immer gesprochen. Wir haben fest
gestellt, dass die Senkung des Spitzensteuersatzes für Thüringen reale Auswirkungen hatte, nämlich in etwa über die Ausgleichsmechanismen im Länderfinanzausgleich 100 Mio. € weniger zur Verfügung standen. Das heißt, Steuerpolitik hat was damit zu tun, wie leistungsfähig öffentliche Hand ist.
Wir haben in Deutschland an vielen Stellen die Folgen von Privatisierungspolitik vor Augen. Zum einen sind viele Beschäftigungsverhältnisse prekär geworden, nicht wenige davon stocken wir über staatliche Hilfen wieder auf, damit die Menschen überleben können, während auf der anderen Seite die Zuschüsse in diese privatisierten Bereiche nicht gesunken, sondern in vielen Bereichen gestiegen sind. Das heißt, wir müssen mehr aus dem allgemeinen Aufkommen erbringen - ich will nur mit Thüringenbezug an das Stichwort Maßregelvollzug erinnern.
Ein weiteres Beispiel, meine Damen und Herren, hat uns der Rechnungshof in den letzten Tagen wieder vor Augen geführt, das sind hier in Thüringen auch die Großbauten. Es ist doch nun mal Fakt - und da kann man Bilanz ziehen -, dass Investitionen in Thüringen sich nicht allerorten gerechnet haben. Im Gegenteil, wir stehen noch 20 Jahre in der Verpflichtung abzufinanzieren und der Ertrag für das Land ist gemessen an den Ausgaben wieder aus dem Topf des Gemeinwesens offensichtlich geringer als erwartet. Beim Beispiel Flughafen wissen wir doch, wovon wir reden. Auch das führt dazu, dass wir letztlich in Thüringen einen hohen Schuldenstand haben, einen hohen Zinsstand haben, der Spielräume einengt, Menschen, die betroffen sind, die unsere Hilfe bräuchten, Geld zukommen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass sich für den Bundeshaushalt ähnlich viele Beispiele finden lassen. Ich will jetzt hier keine Debatte über den Militärhaushalt des Bundestages oder der Bundesrepublik Deutschland beginnen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, Umverteilung hat was damit zu tun und es hat damit zu tun, wie Politik insgesamt in diesem Land die Lasten verteilt. Sind sie eher gerecht verteilt oder sind sie eher ungerecht verteilt? Hier ist in den letzten Jahren eine eindeutige Schieflage zulasten der kleinen und mittleren Einkommen erfolgt. Wir bitten Sie und fordern Sie auf, davon Abstand zu nehmen und in eine andere Richtung zu gehen. Danke schön.
Es gibt jetzt keine weiteren Redewünsche mehr. Ich schließe die Aussprache. Es ist bei keinem der bei
den Anträge die Ausschussüberweisung beantragt worden. Ist das korrekt so? Ja. Dann stimmen wir zunächst ab über den Antrag der Fraktion DIE LINKE.
Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über den Alternativantrag der Fraktion der CDU. Wer diesem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Danke schön. Die Stimmenthaltungen. Es gibt eine große Zahl von zustimmenden Voten. Es gibt einige Enthaltungen und einige Gegenstimmen. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden.
Initiative gegen Kinderarmut Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/3393 - dazu: Alternativantrag der Frak- tion DIE LINKE - Drucksache 4/3429 -
Keine der beiden beantragenden Fraktionen hat das Wort zur Begründung gewünscht. Das ist also richtig so und die Landesregierung hat angekündigt, dass sie zu Nummer 1 des Antrags der Fraktion der SPD den Bericht sofort geben möchte. Für diesen Bericht bitte ich Minister Dr. Zeh nach vorn.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, gestatten Sie mir, bevor ich das Berichtsersuchen erfülle, noch vier grundsätzliche Vorbemerkungen:
Erstens: Das Wohlergehen unserer Kinder ist nicht in erster Linie eine Frage des Geldes. Nicht jedes Kind, welches in geringen materiellen Verhältnissen lebt, ist automatisch in einer schlechten Situation. Nicht jedes Kind, welches in finanziell gut gestellten Verhältnissen lebt, ist automatisch in einer guten Situation.