Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Danke, Frau Präsidentin. Herr Gumprecht, Sie hatten am Anfang Ihrer Ausführungen einen ziemlich umfangreichen Katalog über die Berufsanforderungen bzw. die Tätigkeiten, die diese Pflegehelfer machen sollen, aufgezählt. Was mich interessiert: Wo haben Sie diese Aufzählung her, diesen Katalog? Haben Sie zitiert oder wo ist die Quelle?

Die Quelle kann ich Ihnen ganz konkret zeigen, Herr Kubitzki, das ist nicht nur die eines Einzelnen und meine persönliche, sondern es ist die Berufsbeschreibung, die vom Verband der Pflegeberufe mit abgesegnet wurde. Wir könnten dort nachschauen.

Danke. Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Für die Landesregierung hat das Wort Minister Dr. Zeh.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ausdrücklich herzlichen Dank, Herr Gumprecht, Sie haben einiges klargestellt und deshalb ist es gut, dass Sie dies hier an dieser Stelle noch mal so deutlich gemacht haben aus Sicht der CDU-Fraktion. Herr Kubitzki, Sie haben gesagt, es könnte ein Beitrag zur besseren Qualität der Pflege in Thüringen gewesen sein. Ich sage, es ist ein Beitrag zur besseren Qualität der Pflege in Thüringen. Auch an Sie gerichtet, Herr Eckardt, es ist nicht nur gut gemeint, es ist auch gut. Ich begründe das in einigen Punkten, die Sie angesprochen haben.

Ich möchte mich zunächst bei den Abgeordneten für die Aufnahme dieses Punkts auf die heutige Tagesordnung bedanken. Das hat nichts mit Durchpeitschen zu tun, sondern der Ausschuss hat abschließend getagt, er hat die Beschlussempfehlung gefasst, warum soll man es dann nicht auf die Tagesordnung nehmen. Wir wissen, dass in der nächsten Plenardebatte eine sehr umfangreiche Tagesordnung auf uns zukommen wird, insofern ist es einfach nur auch eine Frage der Rationalität, die man hier vernünftigerweise mitgetragen hat. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der CDU-Fraktion. Der Gesetzentwurf ist ausführlich und sorgfältig im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit bearbeitet worden. Ich war selbst leider nicht mit dabei, mein Staatssekretär war dabei, aber ich habe mir sagen lassen, dass alle Fragen zumindest beantwortet worden sind, wenn es auch zu manchem noch unterschiedliche Auffassungen gegeben hat oder geben kann.

Das Helfergesetz dient im Wesentlichen zwei Punkten. Man kann es um den dritten Punkt ergänzen, den Herr Gumprecht hier noch angeführt hat, nämlich die Frage des Images der Helferberufe. Ich will jedenfalls sagen, es geht erstens um die bessere Anerkennung der Helferberufe in der Pflege und zweitens dient es der Sicherstellung der Ausbildung unter Berücksichtigung höherer beruflicher Anforderungen an die Pflegehelfer.

Wir wissen, dass sich aufgrund der demographischen Entwicklung die Anforderungen an die Pflege sowohl quantitativ als auch qualitativ erhöhen werden. Wir werden also zukünftig auch in Thüringen mehr und besser ausgebildete Pfleger und demzufolge auch ausgebildete Helfer brauchen, denn - das hatten ja viele übereinstimmend schon gesagt, auch Herr Kubitzki ausdrücklich - eine gute Ausbildung auch der Helfer in der Kranken- und Altenpflege ist ebenso wichtig wie die gute Ausbildung der Pflegefachkräfte. Nur so können wir eine hohe Pflegequalität errei

chen, die letztlich einen menschenwürdigen Umgang mit den zu Pflegenden ermöglicht. Nun hatte Herr Kubitzki hier geargwöhnt, das könnte der Einstieg in die Verdrängung der Pflegefachkräfte sein. Aber was ist denn dann die Konsequenz Ihrer Überlegung? Das vermag ich nicht zu erschließen. Wenn das etwa heißen soll, dass wir keine bessere Ausbildung haben sollten - das doch wohl nicht. Also ist es erst einmal grundsätzlich vernünftig, eine bessere Ausbildung auch der Pflegehelfer zu haben. Die anderen Fragen, die Sie dazu noch haben, müssen wir dann diskutieren, wenn es zu einem anderen Gesetz kommt, wo Sie dann eventuell Ihre Befürchtungen noch einmal artikulieren können, aber hier in dem Zusammenhang ist meiner Ansicht nach überhaupt nichts zu suchen. Bessere Ausbildung ist wichtig, wir brauchen die bessere Qualität auch in der Ausbildung. Deshalb, glaube ich, können wir dies mit gutem Gewissen auch so verabschieden.

Herr Eckardt, Sie haben gesagt, dass die Stundenzahl nicht festgelegt worden wäre. Das kann man natürlich auch in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung mit vereinbaren. Dort kann man über die Voraussetzungen zur Prüfungszulassung einige Festlegungen treffen, was übrigens auch für die Demenzerkrankung gilt. Wenn Sie nachschauen in dem entsprechenden Paragraphen, dieser ist nicht abschließend formuliert, es ist eine Aufzählung von einigen Möglichkeiten. Man kann bei der Frage der zu schaffenden Ausbildungs- und Prüfungsordnung auch die Frage der Demenz mit regeln, dem steht überhaupt nichts entgegen.

Ich will noch einmal das aufgreifen, was Kollege Gumprecht gesagt hat. Das ist mir auch noch einmal ganz wichtig, dass wir nicht müde werden, dafür zu werben, dass wir in Zukunft sicherstellen, dass genügend junge Leute einen Pflegeberuf überhaupt ergreifen. Denn das ist meines Erachtens schon ein großes Problem, dass es dort sehr viele Vorbehalte gibt, gerade auch bei jüngeren Leuten. Ich denke, es ist wichtig, dass der Pflegeberuf in der Gesellschaft ein höheres Ansehen genießen muss. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir das Image der Pflege auch weiterhin verbessern. Die Pflegehelfer brauchen neben einer angepassten geregelten Ausbildung auch eine staatliche Anerkennung ihres Berufsabschlusses. Das ist entscheidend, um auch das Image dieses Berufs zu verbessern. Dieses Helfergesetz schafft hierfür bei uns in Thüringen die entsprechenden Voraussetzungen.

Es wurde darüber nachgedacht, welche Zugangsvoraussetzungen in diesem Gesetz sind. Natürlich, durch dieses Gesetz finden auch Hauptschulabgänger den Weg in eine Pflegeausbildung und zunächst erst einmal zum Pflegehelfer. Wenn sie diesen ersten Ausbildungsschritt erfolgreich absolviert haben, ha

ben sie die Möglichkeit, dann eine verkürzte Ausbildung zur Pflegefachkraft anzustreben. Für die dann sicherlich Besten, die es dann gibt, kann sich sogar der Weg bis in ein pflegewissenschaftliches Fachhochschulstudium eröffnen. Dies zum Stichwort „Durchlässigkeit der beruflichen Bildung“. Die berufliche Qualifizierung in einem Pflegeberuf muss auch denen möglich sein - Herr Eckardt, das will ich noch einmal ausdrücklich in Ihre Richtung sagen -, die bereits als ungelernte Hilfskräfte in der Pflege tätig sind, und solchen, die sich erst später zur Kranken- und Altenpflege berufen fühlen. In dem Zusammenhang wird in dem Thüringer Helfergesetz die Möglichkeit eröffnet, dass diesen Personen die Möglichkeit der berufsbegleitenden Ausbildung im Helferberuf oder einer externen Prüfung gegeben wird, um damit einen staatlich anerkannten Berufsabschluss am Ende zu erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin ganz sicher, dass das neue Gesetz ein wichtiger Baustein dafür sein wird, dass die positive Entwicklung in der Pflege, wie der Medizinische Dienst der Krankenkassen dem Land Thüringen in seinem bundesweiten Bericht über die Qualität der Pflege erst kürzlich bescheinigt hat, so weitergeführt werden kann. Ich bitte Sie, dieses Gesetz heute zu beschließen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Abgeordneter Kubitzki, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Panse, fachliche Unkenntnis kann ich ja an dieser Stellenicht auf mir sitzen lassen. Deshalb muss ich jetzt auch noch einmal auf das, was Herr Gumprecht gesagt hat, eingehen und natürlich auch dem Herrn Minister noch einmal eine Frage stellen, die er nämlich nicht beantwortet hat. Als Erstes, Herr Gumprecht, was diesen Katalog betrifft: Wissen Sie, Berufsbilder können Verbände beschreiben und definieren, wie sie das wollen. Was diejenigen dürfen, legen nicht Berufsbeschreibungen irgendwelcher Verbände fest, sondern was jemand in der Pflege darf und nicht darf, das legen zum Beispiel die Rahmenverträge ganz konkret zwischen den Kostenträgern und den Leistungsanbietern fest und das legt der Prüfkatalog des Medizinischen Dienstes fest. Der legt fest, wer was machen darf. Und wenn Sie hier vorlesen, die dürfen Verbände wechseln, dann ist das schlichtweg falsch. Das kann in der Berufsbeschreibung drinstehen, sie dürfen es nicht. Herr Gumprecht, Sie sprachen immer von „zusätzlich“; auch bei Ihnen,

Herr Minister, wurde deutlich, wir bilden jetzt Pflegehelfer aus und es wird alles besser in der Pflege, wir haben zusätzliche Kräfte und dergleichen mehr. Das wird nicht so sein. Die werden nicht in der Lage sein, zusätzlich etwas zu machen, weil kein Mensch, kein Kostenträger diese zusätzlichen Leistungen bezahlt. Das wird der Punkt sein, weil es heute schon in der Regel üblich ist. Das mag vielleicht in stationären Einrichtungen teilweise noch machbar sein, dass ich zwei Leute einsetzen kann bei einem zu Pflegenden. Aber ich sage Ihnen, durchweg ist dafür kein Geld da und das wird nicht vergütet. Aus diesem Grund wird es bei Pflegehelfern so sein, entweder sie handeln selbstständig oder sie können gar nicht handeln. Das ist das Problem, was wir hier beachten müssen. Da kann uns nicht suggeriert werden, es wird jetzt ein Schwarm von Pflegehelfern auf uns zukommen und alles wird in der Pflege besser. Das ist falsch und das ist Vorspiegelung falscher Tatsachen, das muss ich an dieser Stelle hier sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Und dann, Herr Minister, wir bieten jungen Leuten eine Perspektive mit der Pflege. Ich habe Ihnen eingangs gesagt, Sie erwecken zu hohe Erwartungshaltungen mit dieser Ausbildung. Klar ist das eine Perspektive, aber eine Perspektive ist es doch, wenn die Leute nach dieser einjährigen Ausbildung auch eingesetzt werden können. Da sehe ich Probleme auf uns zukommen, dass nämlich diese Erwartungshaltung nicht erfüllt werden kann aus den Gründen, die ich jetzt hier geschildert habe.

Zu den Zugangsvoraussetzungen - jawohl, da muss ich Ihnen recht geben: Bäcker, nichts geworden, da mache ich ein Jahr Ausbildung, dann gehe ich in die Pflege - Pflege, letzter Ausweg. Das hat doch nichts mit Berufsmotivation zu tun, sondern in der Pflege muss man auch Idealismus mitbringen. Kann sein, dass ein Lehrling, der Bäcker gelernt hat, vielleicht ein guter Pfleger ist. Aber ich kann das doch von den Zugangsvoraussetzungen nicht so sagen und nicht so tun, Pflege - letzter Ausweg. Das suggeriert ebenfalls Ihr Gesetz.

Herr Minister, was Sie mir nicht beantwortet haben, ist, wir werden Pflegehelfer in zwei Kategorien haben, in zwei Klassen, nämlich dreijährig ausgebildete Familienpfleger, die den Status eines Pflegehelfers haben und - das kann niemand leugnen, die sind nur Pflegehelfer und keine Pflegefachkräfte - wir werden Pflegehelfer haben mit der einjährigen Ausbildung, die Sie jetzt vorsehen. Erklären Sie doch mal hier dem Hohen Haus, wie das zusammenwirken soll. Sind das dann Pflegehelfer erster Klasse und die anderen Pflegehelfer zweiter Klasse oder wie soll das werden? Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Abgestimmt wird direkt über den Gesetzentwurf der Landesregierung in zweiter Beratung, da die Beschlussempfehlung die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs empfiehlt.

Wer für diesen Gesetzentwurf der Landesregierung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke schön. Stimmenthaltungen? Danke schön. Das ist eine mehrheitliche Zustimmung.

Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf ist, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Danke schön. Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf Tagesordnungspunkt 4

Thüringer Bibliotheksgesetz (THÜRBIBG) Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE und der SPD - Drucksache 4/3503 - Neufassung - ERSTE BERATUNG

Das Wort zur Begründung wünscht die Fraktion DIE LINKE, Abgeordnete Dr. Klaubert hat das Wort.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren Abgeordneten, nach langen Geburtswehen liegt er vor - der Entwurf des Gesetzes über die Thüringer Bibliotheken. Eingereicht haben ihn, es ist angesagt worden, die Fraktionen DIE LINKE und die SPD. Ich merke an, die Autoren des Gesetzentwurfs sind beide Fraktionen nicht. Wir haben uns lediglich darauf verständigt, endlich die Initiative des Bibliotheksverbandes aufzugreifen, die Thüringer Bibliotheken durch ein Gesetz zu schützen. Die regierungstragende Fraktion konnte oder wollte sich dieser Initiative bisher noch nicht anschließen. Uns ist zu Ohren gekommen, es gäbe durchaus Befürworter des Gesetzes, aber sie haben sich in der Fraktion noch nicht durchsetzen können. Demzufolge möchte ich den Gesetzentwurf in der Hoffnung begründen, dass unsere guten Argumente die zögerlichen CDUAbgeordneten überzeugen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Manchmal ist es gut, wenn man an den Beginn einer Argumentationskette ein Zitat setzt. Ein solches

möchte ich präsentieren, weil es mir so gefallen hat: „Mit Karl Marx Lesen lernen, ist allemal besser als mit ‚Dallas’ Analphabet zu werden.“

(Beifall DIE LINKE)

Der Autor wird von mir in der Regel weniger zitiert und wenn, dann in äußerst kritischer Auseinandersetzung. Es ist Hans-Olaf Henkel, der frühere Präsident des Bundesverbandes der Industrie. Nun nehme ich an, dass gerade er durchaus in der Lage ist, in seiner Privatbibliothek alle Bücher zu finden, die für sein geistiges Wohlbefinden vonnöten sind. In seiner Bibliothek findet er sicher auch ausgewählte Werke des auf Platz 3 der ZDF-Show rangierenden Karl Marx. Doch für uns als verantwortliche Politikerinnen und Politiker steht die Aufgabe, diesen Zugang auch für die zu organisieren, die die öffentliche Bibliothek brauchen, um nicht Analphabet zu werden. Vor diesem Hintergrund begründet sich der Anspruch nach einem Thüringer Bibliotheksgesetz. Die wichtigsten Gründe dafür sind:

1. Die finanzielle Ausstattung der Bibliotheken schrumpft seit Jahren. Sind anfänglich noch bedeutende Mittel in den Umbau und in die Veränderungen der Thüringer Bibliotheken geflossen, wird die Situation in den Kommunen immer dramatischer. Das Land hat sich mit der Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs aus seiner Verantwortung herausgemogelt. Das Ende der möglichen Zusammenlegungen und Schließungen von kleineren Bibliotheken kann nur noch durch ein Schutzgesetz gestoppt werden. Wer die Bibliotheken in der Fläche erhalten möchte, muss dazu die politischen Weichen stellen.

(Beifall DIE LINKE)

2. Thüringen als Land der Dichter und Denker und Wiege der Weimarer Klassik steht es gut zu Gesicht, beispielgebend für andere Länder ein Bibliotheksgesetz auf den Weg zu bringen. Die Forderung wird inzwischen an sehr vielen Stellen erhoben, regierungsseitig aber immer wieder abgelehnt. Selbst Parteien, die in der Opposition ein Bibliotheksgesetz forderten, haben diese Konsequenz in der Regierung nicht durchgehalten. Thüringen hätte die beispielhafte Chance, wegweisende Politik für ganz Deutschland zu gestalten. Das wäre „Top Thüringen“.

3. Der Bundespräsident Horst Köhler sprach in seiner Festrede zur Wiedereröffnung der Anna Amalia Bibliothek am 24. Oktober in Weimar von der Kulturnation Deutschland und seinen Bibliotheken als ganz besonderen Orten, die es für die nachkommende Generation zu bewahren gilt, und sie seien das Gedächtnis der Menschheit. Er sagte auch, in Thüringen schlüge das kulturelle Herz Deutschlands. Herr Schwäblein als kulturpolitischer Sprecher seiner

Fraktion hat genau an diesem 24. Oktober angekündigt, dass er große Hoffnung habe, dass seiner Intention, ein Thüringer Bibliotheksgesetz auf den Weg zu bringen, seine Fraktion folgen möge. Jede Fraktion tut gut daran, ihre kulturpolitischen Sprecher nicht im Regen stehen zu lassen.

(Beifall DIE LINKE)

Weitere Gründe für ein Bibliotheksgesetz ließen sich anführen, ich möchte aber der Debatte nicht vorweggreifen, sondern mit einem weiteren Zitat schließen, welches weniger mit Karl Marx oder mit Olaf Henkel zu tun hat, sondern direkt auf öffentliche Bibliotheken bezogen ist. Wilhelm Hauff hinterließ der Nachwelt den bemerkenswerten Satz: „Die Leihbibliotheken studiere, wer den Geist des Volkes kennenlernen will.“ Insofern wird die Behandlung unseres Gesetzentwurfs auch zum Gradmesser für den Geist unseres Volkes.

(Beifall DIE LINKE)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Abgeordneten Döring, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „weniges wird in der kulturellen Welt als eine so große Katastrophe erlebt, wie der Brand einer Bibliothek“, mit diesen Worten hat Bundespräsident Köhler vor wenigen Wochen treffend umschrieben, was in vielen Menschen innerlich vorging, was sie umgetrieben und bewegt hat, als sie von der verheerenden Feuerkatastrophe in der Anna Amalia Bibliothek erfuhren. Auch wenn die bauliche Hülle der Bibliothek nun wieder steht und auf den ersten Blick fast unversehrt erscheint, auch wenn viele Bücher und andere Schriften vor den Flammen gerettet werden konnten, ist doch vieles, was uns in mehrerer Hinsicht unersetzlich erscheint, in jener Brandnacht unwiederbringlich verloren gegangen. Der Brand der Anna Amalia Bibliothek war daher wie ein Fanal. Er hat viele Menschen wachgerüttelt, ihnen drastisch vor Augen geführt, welchen kulturellen Schatz unsere Bibliotheken bergen, aber auch, wie verletzlich und leider oftmals auch schutzlos diese Speicherstätten des Wissens, der Kultur und Bildung sind.

Meine Damen und Herren, das große Feuer hat uns wieder ins Bewusstsein gerufen, wie gefährdet die Lage der Bibliotheken in Deutschland inzwischen ist. Da fehlt es überall an Personal und an den nötigen Finanzmitteln. Da müssen immer mehr Bibliotheken im ländlichen Raum und in den Kleinstädten schließen. Da werden oftmals seit Jahren bauliche

Mindeststandards nicht eingehalten oder es mangelt sogar an den primitivsten Vorkehrungen des Brandschutzes. Das gilt für alle Bundesländer. Das gilt ganz besonders aber für Thüringen. Seit 1990 hat es im Thüringer Bibliothekswesen einen regelrechten Schwelbrand gegeben, der sich von vielen unbemerkt immer stärker in der Fläche ausgebreitet hat und dem eine Einrichtung nach der anderen zum Opfer gefallen ist.

Hatten wir 1990 in Thüringen noch über 1.200 öffentliche Bibliotheken, so sind es jetzt gerade einmal noch 280. Also drei Viertel der Einrichtungen sind in knapp eineinhalb Jahrzehnten geschlossen worden. Von diesen 280 überhaupt noch vorhandenen Bibliothekseinrichtungen werden lediglich noch 80 hauptamtlich betreut. Alle übrigen Büchereien stehen in ehrenamtlicher Obhut und sind nur wenige Stunden in der Woche geöffnet. Die Situation des Thüringer Bibliothekswesens lässt sich also ohne Weiteres als höchst prekär bezeichnen.

Parallel zu der beschriebenen Entwicklung ist die Landesförderung für öffentliche Bibliotheken immer stärker zurückgestrichen worden. Allein in den Jahren 2002 bis 2007 haben die Bibliotheken eine Halbierung der Landesmittel von 728.000 € auf jetzt nur noch 350.000 € hinnehmen müssen. Damit des Schlechten nicht genug. Für die Haushaltsjahre 2008/2009 ist ja sogar die faktische Streichung dieser wenigen noch verbliebenen Mittel geplant; denn die bisherige Landesförderung für Bibliotheken soll fortan in die im Gesamtvolumen noch viel zu geringe und mit keiner Zweckbindung ausgestattete KFA-Schlüsselmasse ein- und damit vollends untergehen. Die CDU hat hier angekündigt, Veränderungen vorzunehmen. Ich bin sehr gespannt und wir werden das auch sehr kritisch begleiten. Was das für die ohnehin materiell äußerst schwierige Lage der Bibliotheken vor Ort bedeuten würde, das dürfte hier allen im Landtag klar sein.

Meine Damen und Herren, so sieht in ungeschminkten Worten die derzeitige Situation des Thüringer Bibliothekswesens aus. Wenn wir es wenigstens noch in seiner jetzigen Struktur erhalten wollen, von einem Ausbau will ich ja gar nicht reden, dann bedarf es dringend einer kultur- und finanzpolitischen Intervention. Der von den beiden Oppositionsfraktionen gemeinsam vorgelegte Gesetzentwurf bietet dem Landtag eine solche Handlungsoption, er setzt bewusst das nötige Stoppzeichen, um den anhaltenden Niedergang der Finanzierung öffentlicher Bibliotheken aufzuhalten. So ist in § 9 des Gesetzentwurfs ausdrücklich festgeschrieben, dass die Träger der öffentlichen Bibliotheken auch deren Finanzierung zu leisten haben und dass das Land dabei durch einen ehrlichen Zuschuss unterstützend wirkt. Natürlich lässt sich durch eine solche Bestimmung eine

weitere Aufgabe von Bibliotheksstandorten nicht ausschließen. Es dürfte jedoch den Kommunen, insbesondere aber auch dem Land, künftig deutlich schwerer fallen, die materiellen Grundlagen des Thüringer Bibliothekswesens immer mehr zu beschneiden. Das ist die primäre Zielstellung unseres gemeinsamen Gesetzentwurfs.

Er unternimmt aber auch den Versuch, die bisher in Thüringen vorhandenen bibliotheksrelevanten Rechtsnormen - zumeist sind das Verordnungen - in einer zusammenhängenden gesetzlichen Regelung zusammenzufassen und zu vereinheitlichen. Auch aus rechtssystematischer Sicht und um dem Bibliotheksrecht in Thüringen endlich einen anderen, höheren juristischen Stellenwert zu geben, erscheint daher ein Bibliotheksgesetz für den Freistaat erforderlich. Der Landtag würde mit der Verabschiedung eines solchen Gesetzeswerks zudem lediglich das nachvollziehen, was im europäischen Vergleich längst Standard ist. Zwei Drittel aller 25 EU-Länder haben nämlich bereits und teilweise schon seit langem Bibliotheksgesetze. Die Tatsache, dass Deutschland - respektive die verfassungsgemäß für das Bibliothekswesen zuständigen Bundesländer - den Weg zu einem eigenständigen Bibliotheksgesetz noch immer nicht beschritten hat, ist deshalb wenig rühmlich. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir Gelegenheit, zumindest für Thüringen ein bundesweit sichtbares Zeichen zu setzen.