Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

So etwa, denke ich, kann man die Motivation von Bürgerinnen und Bürgern in aller Kürze darstellen, die das Mittel Bürgerbegehren und Bürgerentscheid bisher nutzten oder es zumindest versuchten. Dieses Mitmachen macht Arbeit. Es bedeutet, sich in Gruppenarbeit einbinden zu lassen und seine bisherige Meinung möglicherweise zu modifizieren. Diese Art des Einbringens in politische und demokratische Prozesse bedeutet aber auch, sich mit konträren Meinungen auseinanderzusetzen, in der Öffentlichkeit seine Meinung vorzutragen, für seine Auffassung zu werben. Aussichtsreichere Möglichkeiten für diese Art der direkten Meinungsbildung über kommunale Sachverhalte wollen den Freistaat Thüringen verändern, wird auch die Thüringer verändern, positiv. Wer den geflügelten Spruch „Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen“ oder die Meckerei „Da kann ich doch nichts ändern“ im Munde führt, der muss sich entscheiden, weiter zu meckern oder mitzutun. Die Chancen für Gemeinde- und Stadtrat erhöhen sich, Bürger beim Wort zu nehmen. Wir werden einen Zuwachs an politischem Denken in Thüringen erhalten und das ist gut so. Dass die CDU-Fraktion unser Angebot, gemeinsam über ein Gesetz diese Verbesserungen für die Thüringer Demokratie zu erlangen, ausgeschlagen hat, hat bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Kopfschütteln hervorgerufen. Nun werden sich die Thüringer ihr Recht auf der Straße holen, weil die da oben nicht wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, da haben Sie sich einen Bärendienst erwiesen. Zeit für das Mitmachen hatten Sie genug. Seit 2004 hat das Bündnis für mehr Demokratie an einem Entwurf für ein neues Gesetz zum Ausbau der direkten Demokratie in Thüringer Kommunen gearbeitet. Auch die CDU war herzlich eingeladen. Im November 2005 haben wir den Gesetzentwurf gemeinsam ins Plenum eingebracht; strittige Punkte, die vor allem von Kommunalpraktikern aufgebracht wurden, wurden beachtet. Das Bündnis hat somit Vorbehalte ernst genommen und ist darauf eingegangen. Trotzdem hat die CDU nicht einmal einer mündlichen Anhörung zugestimmt, im Gegenteil, Sie erinnern sich gut, wir mussten Minderheitsrechte als Fraktion geltend machen, um überhaupt eigene Anzuhörende zugelassen zu bekommen. Herr Innenminister Dr. Gasser hat dem Innenausschuss ebenfalls sehr deutlich gemacht, dass er sich bei diesem Thema in keinster Weise von der Realität anderer Bundesländer beeindrucken lässt, und sich als - gestatten Sie mir den Begriff, Herr Dr. Gasser - Betonkopf geoutet. Dabei haben wir nach 20 Jahren der politischen Wende auch in Thüringen einen Anspruch darauf, als Bürger von der Landesregierung ernst genommen zu werden. Wer so viel Angst vor den eigenen Bürgern hat, wie die Thüringer Landesregierung, der braucht sich nicht zu wundern, dass diese nicht mehr zur Wahl gehen wollen.

Das Bündnis für mehr Demokratie hat mit dem Start des Volksbegehrens bewiesen, dass es den Wunsch unserer Thüringer Bürger nach einer besseren Mitbestimmung getroffen hat. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Frau Prof. Schipanski zu danken, dass sie es ermöglichte, dass wir ab dem 20. März 2008 mit der Sammlung beginnen können. Ich rufe von dieser Stelle aus alle Thüringerinnen und Thüringer auf: Zeigen Sie mit Ihrer Unterschrift, dass Sie selbstbewusst in Ihrer Gemeinde Entscheidungen mit treffen wollen. Zeigen Sie, dass Sie gewillt sind, wie Ihre Nachbarn im Süden, Ihre eigenen Angelegenheiten auch in ihre eigenen Hände zu nehmen!

Lassen Sie mich zum Schluss ein Zitat des Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern anführen: „Die inzwischen bundesweit eingeführten Möglichkeiten einer aktiven Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene stellen dennoch keinen Standortnachteil für Bayern dar.“ In diesem Sinne sollte es auch für Thüringen gelten. Danke schön.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Walsmann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn ein Volksbegehren zugelassen und bekannt gemacht ist, dann ist es eine natürliche Abfolge, dass die Sammlung für die erforderlichen Unterschriften alsbald startet. Insofern erkenne ich nicht die besondere Aktualität, die diesem Thema heute innewohnen soll. Gleichwohl verschließt sich meine Fraktion nicht der Erörterung. Ich selbst habe bereits in einer Diskussionsrunde dazu auf Einladung der SPD-Fraktion, von Ihnen, Frau Taubert, teilgenommen. Also verstehe ich das heute als einen Wideraufguss der dazugehörigen Polemik oder wie sonst. Es geht bei diesem Volksbegehren eben nicht nur um Änderungen der einschlägigen Bestimmungen der Thüringer Kommunalordnung, sondern um eine durchaus sehr weitgehende Umgestaltung dieses Instruments. Ich möchte das kurz ins Gedächtnis rufen, denn viele wissen gar nicht, worüber im Moment gerade gesprochen wird. Es geht erstens darum, die Quoren für Bürgeranträge, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide sollen deutlich gesenkt und Ausschlussgründe deutlich reduziert werden. Diese Instrumente sollen nach unten bis auf die Ebene der Ortschaften, der Ortschaftsräte und nach oben auf die Landkreise ausgedehnt werden und aus dem Bürgerantrag soll ein Einwohnerantrag werden, der nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit abhebt.

Es ist meines Erachtens schon wichtig, dass diese Vielzahl von Maßnahmen wirklich als Bündel insgesamt noch einmal betrachtet wird, denn die Verhältnisse zu den gewählten Vertretungsorganen nach Ortschafts-, Gemeinde- und Kreisebene und den Bürgerinnen und Bürgern würden durch dieses Gesetz schon sehr weitgehend verschoben. Das kann man wollen, man kann und muss es aus meiner Sicht aber auch an manchen Stellen kritisch hinterfragen, wenn wir die Repräsentativorgane als wesentliche Institution unseres Gemeinwesens nicht entleeren wollen.

Die Frage nach niedrigeren Hürden für Bürgerentscheide und Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene muss in erster Linie aber auf dieser Ebene beantwortet werden. Für meine Fraktion sind die bisher skeptisch ablehnenden Reaktionen der kommunalen Spitzenverbände nicht so leicht vom Tisch zu wischen. Ich darf Sie nur an die Stellungnahmen aus der Anhörung zu dem im Landtag bereits beratenen zielgleichen Gesetzentwurf der Opposition noch einmal erinnern. Ich will das nicht weiter vertiefen, aber der Gemeinde- und Städtebund sah zum Beispiel - so wörtlich - „keine vorrangige Notwendigkeit für den Ausbau der direktdemokratischen Elemente“ und verwies dabei auf die - so wörtlich - „grundsätzlichen Wertentscheidungen des Verfassungsgebers zu einer repräsentativen Demokratie und der bereits

vorhandenen Möglichkeiten der Bürger auf kommunaler Ebene ehrenamtlich oder hauptamtlich aktiv zu werden“. In ähnlicher Weise argumentierte der Landkreistag.

Natürlich hat der Ausbau der direktdemokratischen Elemente und Verfahren Rückwirkungen auf die Stellung der gewählten Volksvertreter auf der kommunalen Ebene. Wir können und wollen diese Voten der Spitzenvertretungen nicht ignorieren, denn in den Thüringer Kommunen wird - da sind wir uns, denke ich, alle einig - eine politisch unverzichtbare Arbeit geleistet. Die Bürgerinnen und Bürger engagieren sich, und das über viele Jahre in Kontinuität. Die über 12.000 kommunalen Mandatsträger sind die ersten Ansprechpartner vor Ort. Diese leisten eine sehr, sehr wichtige Arbeit. Ich finde es überhaupt nicht leicht zu nehmen und sogar unverantwortlich, wenn immer wieder betont wird, dass auf dieser Ebene nicht genügend Demokratie herrschen würde.

Meine Damen und Herren, auf lange Frist betrachte ich es als von deutlichem Vorteil, wenn grundsätzliche Entscheidungen, unabhängig auch von augenblicklichen Stimmungslagen, in gewählten Gremien getroffen werden. Wir wollen trotzdem als CDU den Verlauf des Volksbegehrens und die weitere Diskussion in der kommunalen Familie mit Offenheit und Interesse begleiten. Wir sollten unsere Energie aber auch darauf verwenden, das Ansehen und die Entscheidungskompetenz der kommunalen Vertretungsorgane zu stärken und dafür zu werben, dass viele Bürger sich für die kommunalpolitischen Mandate nächstes Jahr zur Kommunalwahl bewerben, statt die Entscheidungsprozesse auf alle möglichen Nebentribünen zu verlagern.

Die Problematik des Themas liegt nicht darin, dass Veränderungen an den Instrumenten direkter Demokratie an sich zur Debatte stehen. Das kann man durchaus auch, manches sogar im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutieren. Auch bei der Höhe einzelner Hürden, um das zum Schluss zu sagen, gibt es natürlich nicht nur eine einzige zwingend allein richtige Lösung. Entscheidend ist, dass am Ende ein ausgewogenes System an Motivation und Verantwortung der gewählten Bürger einerseits und Einbeziehung aller anderen Bürger bei bestimmten Entscheidungen andererseits besteht. Einer nochmaligen vertieften Diskussion darüber, ob hier noch Verbesserungen möglich sind, verschließen wir uns nicht.

Letzter Satz: Die eigentliche Problematik liegt immer wieder in einem polemisch-propagandistischen Ansatz einerseits und Detailfragen andererseits. Danke schön.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zum zweiten Mal steht Thüringen vor einem Volksbegehren, dessen Hauptanliegen der Ausbau und die Verbesserung direkter Demokratie ist. Damals ging es um Volksbegehren und Volksentscheid auf Landesebene, diesmal um die kommunale Ebene. 12.862 Bürgerinnen und Bürger haben schon den Zulassungsantrag zu diesem Volksbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützt. Am 20. März geht es los mit der großen Sammlung für das Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“.

(Beifall DIE LINKE)

Mehr als 20.000 Unterschriften müssen bis 19. Juli gesammelt werden. Das sind mehr als 1.600 Unterschriften pro Tag. Wir als Fraktion und die Partei DIE LINKE werden alles Mögliche dazu beitragen, dass das nun anstehende Volksbegehren ebenfalls ein Erfolg wird.

Es ist nicht nur der Akt des Unterschreibens allein, der die direkte Demokratie so wertvoll macht. Ebenso wichtig ist der Diskussionsprozess vor, während und nach dem Volksbegehren oder dem Volksentscheid. Das Anfachen des politischen Interesses und Engagements der Bürger, das Praktizieren lebendiger Demokratie durch gemeinsame politische Kommunikation, Verfahren direkter Demokratie sind immer auch große, intensive politische Bildungs- und Diskussionsveranstaltungen. Der Thüringen-Monitor sagt jedes Jahr aufs Neue aus, wie begehrt das unter der Bevölkerung ist. Die Erfahrung zeigt, dort, wo Bürgerinnen und Bürger die Chance haben, tatsächlich mitzuwirken und mitzuentscheiden, machen sie sich sehr ernsthaft und in sehr kreativer Art und Weise daran, sich mit den zur Debatte stehenden Sachthemen auseinanderzusetzen und sich eine fundierte Meinung zu bilden, so wie es die Aufgabe mündiger Bürger nun einmal ist.

Durch die erreichten Gesetzesreformen 2003, die ohne Volksbegehren überhaupt nicht stattgefunden hätten, sind die Bedingungen für ein erfolgreiches Volksbegehren 2008 erheblich verbessert worden. Für den Erfolg wird es auf das Engagement jedes einzelnen Bürgers ankommen. Deswegen möchte auch ich alle aufrufen: Beteiligen Sie sich am Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“. Denn es gilt noch einmal zu beweisen, auch die Demokratie in Thüringen lebt von engagierten und mündigen Bürgern, von Menschen, die sich

einmischen, von Menschen, die versuchen, mit ihren Vorstellungen Gesellschaft zu gestalten.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Bürger in Thüringen auch diesmal eindrucksvoll signalisieren werden, lebendige Demokratie ist Bürgerdemokratie, nicht Regierungsdemokratie, nicht Parteiendemokratie oder auch nicht Elitendemokratie. Denn eines wird bei unverstellter Sicht auf die Dinge klar: Die Bürger haben die Nase voll vom rein repräsentativen Polittheater. Die Notwendigkeit für direkte Demokratie wächst, wenn Bürgerinnen und Bürger sehen müssen und bei immer mehr Gelegenheiten erleben müssen, dass ihre gewählten Vertreter und die selbst ernannten Eliten politisch und auch moralisch versagen.

Frau Walsmann, die Stellung der Gewählten wird nicht beeinträchtigt durch direkte Demokratie, aber gegebenenfalls wird ihr Handeln dadurch beeinflusst, und zwar zum Besseren.

(Beifall DIE LINKE)

Die Bürgerinnen und Bürger warten darauf, ihre Lebensumstände vor ihrer Haustür in der Kommune direkt zu beeinflussen, direkt mitzuentscheiden. Doch bisher sind in Thüringen die Hürden einfach so hoch, dass auch das größte Engagement fast nie zum Ziel führt. Setzt man die Zahl der Bürgerbegehren in Thüringen ins Verhältnis zur Zahl der Thüringer Kommunen, dann findet in einer Kommune alle 500 Jahre ein Bürgerbegehren statt. Direkte Demokratie existiert in Thüringen im Grunde genommen auf kommunaler Ebene nicht wirklich. Sie ist eine Fiktion, Frau Walsmann, egal, was irgendwo geschrieben steht. Thüringen ist das Schlusslicht in Deutschland, das wissen wir in dieser Angelegenheit auch. Der Ministerpräsident müsste seine eigenen Erklärungen ernst nehmen. Ich zitiere seine Regierungserklärung von heute Morgen: „Auf der anderen Seite ist es eine gute Nachricht, dass bei den Thüringern die Bereitschaft, sich politisch und bürgerschaftlich einzubringen, unverändert hoch ist. Hier steckt eine Menge Potenzial, das wir mobilisieren und nutzen müssen, denn leider bleibt tatsächlich ihr Engagement weit hinter der theoretischen Bereitschaft zurück.“

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Abgeordneter Hahnemann.

Man muss den Bürgerinnen und Bürgern einfach nur die Möglichkeit dazu geben. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Ich erteile Herrn Minister Gasser das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zu der von der Fraktion der SPD beantragten Aktuellen Stunde zum Start des Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ äußere ich mich für die Landesregierung wie folgt:

Der Verein „Mehr Demokratie in Thüringen“ beabsichtigt ein Volksbegehren gemäß Artikel 82 unserer Verfassung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung, Gesetz für mehr Demokratie in Thüringer Kommunen, durchzuführen. Der Entwurf sieht insbesondere Änderungen in den in §§ 16 und 17 der Kommunalordnung bislang vorgesehenen Quoren für Bürgerbegehren sowie Bürgerentscheide vor und will darüber hinaus den Negativkatalog in § 17 Abs. 2 reduzieren, das heißt Mitwirkungsrechte der Bürger beispielsweise bei Bauleitplanung und Kreditaufnahmen erweitern. Man muss sich das eben mal etwas genauer anschauen.

Die Präsidentin des Landtags hat die Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung des Volksbegehrens festgestellt. Der Antrag wurde am 23.01.2008 dem Gesetz- und Verordnungsblatt mit dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf einschließlich Begründung bekannt gemacht. Die Initiatoren hatten sich für eine freie Sammlung der Unterschriften entschieden, das heißt, das Volksbegehren kommt zustande, wenn ihm innerhalb von vier Monaten mindestens 10 Prozent der Stimmberechtigten zustimmen. Die Stimmabgabe erfolgt durch Eintragung in Unterschriftsbögen. Nach Ablauf der Sammlungsfrist sind die Bögen durch die Vertrauensperson unverzüglich den Meldebehörden vorzulegen. Diese prüfen das Stimmrecht der Unterschriftsleistenden. Die Feststellung über das Zustandekommen nach Ablauf der Sammlungsfrist obliegt wiederum der Frau Landtagspräsidentin. Weitere Einzelheiten zum Verfahren bitte ich der hierzu erlassenen Rechtsverordnung vom 29.06.2006 zu entnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu dem Inhalt des Gesetzentwurfs, den die Initiatoren des Volksbegehrens den Thüringern vorlegen, gestatte ich mir an dieser Stelle einen Hinweis vorab. Unsere Verfassung hat eine Grundsatzentscheidung für das Repräsentationsprinzip getroffen, das dem Volk eine

aus freien Wahlen hervorgegangene Vertretung sichert. Das wirkliche wesentliche Element demokratischer Teilhabe, Herr Dr. Hahnemann, auf kommunaler Ebene sind daher die Kommunalwahlen, bei denen unsere Bürger auf politische Prozesse aktiv Einfluss nehmen können. Diese Grundsatzentscheidung ist immer im Auge zu behalten, wenn Handeln und Entscheidungsfreiheit der gewählten Organe zugunsten direkt demokratischer Elemente weiter eingeschränkt werden sollen. Ich kann es auch nicht so ganz unter einem Gesichtspunkt verstehen. Über das Volksbegehren sollten deshalb die Kommunalwahlen im nächsten Jahr - das muss man auch berücksichtigen - nicht vergessen werden, bei denen immerhin rund 11.000 kommunale Mandate in den Gemeinde- und Stadträten sowie in den Kreistagen neu zu besetzen sind. Ich hoffe und wünsche, die Bürger stellen sich mit großem Engagement als Kandidaten für diese Mandate zur Verfügung und übernehmen so nicht nur punktuell bei Volks- und Bürgerbegehren, sondern kontinuierlich über die gesamte Länge einer Wahlperiode persönlich Verantwortung für die politische Gestaltung im Land und in ihren Gemeinden.

Aber unabhängig von der Grundsatzentscheidung des Verfassungsgebers im Freistaat Thüringen stellt sich die Frage nach dem Bedarf an noch mehr direkter Demokratie. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich bitte eines klarstellen: An der jetzigen gesetzlichen Ausgestaltung allein kann der geringe Gebrauch bestehender Möglichkeiten der direkten Demokratie eigentlich nicht liegen. Die Mehrheit der Bürger ist nur bei besonders strittigen Themen, also solchen, die ihr tägliches Leben berühren, bereit, sich an Bürgerbegehren zu beteiligen. Erfahrungsgemäß haben direktdemokratische Instrumente umso weniger Bedeutung je kleiner eine Gemeinde ist. Der Grund ist einfach: In kleinen Gemeinden bestehen in der Regel andere Möglichkeiten des politischen Diskurses und Thüringen hat viele kleine Gemeinden. Die Hürden in Thüringen sind, das muss man auch mal klarstellen, entgegen der Behauptung der Initiatoren, auch nicht die höchsten in Deutschland. So verlangen die meisten Länder beim Bürgerentscheid mindestens 25 vom Hundert der Stimmen oder Stimmberechtigten, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland sind sogar 30 vom Hundert notwendig. In Thüringen werden dagegen nur 20 bis 25 vom Hundert, gestaffelt nach der Zahl der abstimmungsberechtigten Bürger - also nach Gemeindegröße - benötigt. Auch beim Bürgerbegehren sind in Thüringen die Stimmzahlen von 17 bis 13 vom Hundert je nach Anzahl der abstimmungsberechtigten Bürger gestaffelt. In Rheinland-Pfalz und im Saarland werden dagegen einheitlich mindestens 15 vom Hundert der Stimmen gefordert. Aber über die richtige Höhe der Quoren lässt sich bekanntlich immer streiten.

Dies gilt auch für die Vorschläge des Gesetzentwurfs. Der Gesetzentwurf suggeriert in seiner Begründung, er orientiere sich an den bewährten bayerischen Regelungen. Das trifft aber in wesentlichen Bereichen nicht zu, er enthält einige erheblich stärkere Einschnitte zulasten der kommunalen Vertretungsorgane als in Bayern. So liegt das Quorum im Gesetzentwurf beim Bürgerbegehren bei Gemeinden bis zu 30.000 Bürgern mit 7 vom Hundert der Stimmberechtigten im Vergleich zu den gestaffelten Quoren in Bayern mit 10 bis 8 vom Hundert bei 10.000 bis 30.000 Einwohnern deutlich niedriger. Entsprechende Abweichungen gibt es auch beim Bürgerentscheid und Bürgerantrag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Tatsache aber ist, die Initiatoren haben die erste Hürde für die Durchführung des Volksbegehrens genommen. Das Volksbegehren wird am 20. März starten. Nunmehr ist es Sache der Bürger, sich zu dem mit dem Gesetzentwurf verfolgten Anliegen zu positionieren. Die Landesregierung und das Innenministerium werden dies „sine ira et studio“ begleiten. Eine kurze Anmerkung: Frau Taubert - jetzt hätte ich fast wieder Frau Dr. Taubert gesagt -, der „Betonkopf“ meldet sich jetzt bei Ihnen direkt. Das war eine Bezeichnung, die ich nicht besonders freundlich empfinde, weil ich schlicht und ergreifend eine andere Meinung dargelegt habe und das ist auch hier noch zulässig. Es gilt auch hier noch Artikel 5 Grundgesetz die Meinungsäußerungsfreiheit. Ich sage ja auch nicht zu Ihnen z.B., Sie haben das Prinzip der repräsentativen Demokratie einfach noch nicht verstanden. Streichen Sie das im Geiste.

Und, Herr Dr. Hahnemann, diese Bezeichnung „repräsentatives Polittheater“, wenn ich das richtig verstanden habe, macht mich schon etwas nachdenklich. Wofür ich einstehe und plädiere, ist schlicht und ergreifend Stabilität in einer Demokratie. Ich weiß nicht, ich will Ihnen das nicht persönlich unterstellen, aber ich meine, bei dem einen oder anderen in Ihren Reihen dürfte der Wille nach einer ideologisch unterlegten Kadersteuerung schon eine Rolle spielen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aktuelle Stunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 5 a

Gesetz zur Änderung und Aufhe- bung von Vorschriften zum Wald, zur Fischerei und zu den Waldge- nossenschaften Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 4/3834 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Bitte, Abgeordneter Primas.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU-Fraktion legt ein Artikelgesetz vor, das zum Ziel hat, offenkundige Probleme in waldgesetzlichen Regelungen zu lösen. Darüber hinaus haben wir uns entschlossen, Vollzugs- und Verwaltungsdefizite zu beheben und noch den einen oder anderen Akzent im Sinne unserer Bürger bzw. Verbände zu setzen.

Worum handelt es sich? Fangen wir beim Waldgenossenschaftsgesetz an: Als wir 1999 noch in der Großen Koalition das Thüringer Waldgenossenschaftsgesetz beschlossen haben, war nicht abzusehen, dass im Vollzug gravierende Probleme besonders in den Fällen auftreten, wo Grund und Boden gemeindliches Eigentum ist. Dies führte zu jahrelangen, teilweise sehr emotionalen Diskussionen der Betroffenen mit den politischen Institutionen, den Verbänden und Behörden. Wir glauben, dass es an der Zeit ist, auf der Basis einer Konsensfindung zwischen den überwiegend privaten Nutzungsberechtigten und den körperschaftlichen Grundeigentümern die Probleme zu lösen. Die Regelungen zu den Gemeinschaftswaldungen haben in Thüringen aufgrund der historischen Verhältnisse besondere Bedeutung. Die Thüringer Waldgenossenschaften, bei denen es sich noch vor einigen Jahren nach aktualisierten forstbehördlichen Erhebungen um etwa 400 derartige Gemeinschaftsforsten mit etwa 29.000 ha Waldfläche und etwa 20.000 Personen als Miteigentümer handelte, sind solche Vereinigungen, die von den Bestimmungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch erfasst werden. Es handelt sich dabei um eine Rechtsmaterie, die auch weiterhin als Landesrecht fortgilt und die durch landesgesetzliche Neuregelungen weiterentwickelt werden kann. Diese traditionellen, vielfach jahrhundertealten Gemeinschaften sind eine wertvolle Säule der regionalen Waldbesitzstruktur, da sie als größere Privatwaldeinheit, im Einzelfall bis zu 900 ha, eine adäquate

Waldbewirtschaftung gewährleisten.

Schon 1993 hat sich der Thüringer Landtag dafür entschieden, die in Thüringen bestehenden altrechtlichen Gemeinschaften, wie zum Beispiel Hauptgenossenschaften, Gerechtigkeitswaldungen, Interessentenwaldungen und Altwaldgenossenschaften zu erhalten und zu unterstützen. Ein vergleichbares politisches Engagement im Sinne des Gemeinschaftswalds hat es weder in Sachsen noch in SachsenAnhalt und schon gar nicht in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern gegeben.

Am 16. April 1999 verabschiedete der Thüringer Landtag das von allen Beteiligten dringend benötigte Thüringer Waldgenossenschaftsgesetz. Von Anfang an war klar, dass es zwischen dem Thüringer Waldgesetz und dem Thüringer Waldgenossenschaftsgesetz einen unmittelbaren Zusammenhang gibt. Hier wollen wir nun anknüpfen, indem das Waldgenossenschaftsgesetz in das Thüringer Waldgesetz integriert wird. Darüber hinaus leisten wir noch einen Beitrag zur Deregulierung, indem ein ganzes Landesgesetz entfällt.

Von den oben erwähnten, meine Damen und Herren, rund 400 Gemeinschaftsforsten als altrechtliche Gemeinschaften bestehen etwa 100 Nutzungsgemeinschaften mit vorwiegend kommunalem Grund und Boden. Ich möchte daran erinnern, dass im Rahmen des Anerkennungsverfahrens eine Waldgenossenschaft einen aktuellen Grundbuchauszug sowie

(Glocke der Präsidentin)

einen nach der Thüringer Forstordnung von 1930...