Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Es einfach so hinzustellen, es ist ja alles erledigt, es ist ja alles abgearbeitet und dann mit ein paar billigen Kritiken zu kommen und zu sagen, das ist noch nichts und das ist noch nichts, aber wir brauchen nicht mehr darüber zu reden, das finde ich schon ein bisschen fatal. Das wird auch den Menschen im ländlichen Raum überhaupt nicht gerecht. Das muss man auch mal sagen. Wahrscheinlich haben einige noch nicht begriffen, dass der ländliche Raum in Thüringen Lebens- und Erholungsraum, Wohn- und Arbeitsort für einen großen Teil der Bevölkerung unseres Freistaats ist. Rund 90 Prozent der Fläche Thüringens gehört zum ländlichen Raum. Vier von fünf Thüringern leben auf dem Lande. Das muss man doch mal sagen dürfen - oder nicht? Aber anscheinend haben das einige noch nicht bis zum Letzten verinnerlicht.

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

Die demographische Entwicklung mit ihren Konsequenzen, die Globalisierung der Märkte, die nach wie vor unbefriedigende Arbeitsplatzsituation trotz wirtschaftlichen Aufschwungs sind Herausforderung bei der Entwicklung der ländlichen Räume. Den Bevölkerungsverlust zu stoppen, gelingt nur über zukunftsfähige und gut bezahlte Arbeitsplätze und die Erhaltung und Entwicklung lebenswerter Dörfer. Zu einem starken ländlichen Raum gehören daher wettbewerbsfähige Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, der Ernährungswirtschaft, aber auch aller anderen Branchen, die im ländlichen Raum ihr Auskommen haben und dort angesiedelt sind. Eine moderne, bedarfsgerechte Infrastruktur, die künftigen Anforderungen Rechnung trägt, ist eine weitere Voraussetzung. Für die Menschen im ländlichen Raum sind ebenso der Schutz der Umwelt, der Landschaft und natürlich gute Arbeits- und Lebensbedingungen von Bedeutung.

Die Europäische Union, die Bundes- und Landesregierung haben das gemeinsame Ziel, die ländlichen Räume als wichtige und gleichwertige Lebens- und Wirtschafts-, Natur- und Kulturräume zu sichern. Mit dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums sind die inhaltlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die neue Förderperiode bis 2013 gesetzt. Unser Entwicklungsprogramm „Förderinitiative ländliche Entwicklung in Thüringen“, kurz FILET genannt, berücksichtigt sowohl die europäischen als auch die nationalen Rahmenbedingungen. Mit der Förderinitiative verfügt das Ministerium über ein Gesamtbudget von öffentlichen Mitteln in Höhe von 895 Mio. €. Die Europäische Union steuert davon rund 693 Mio.

€ aus dem Europäischen Landwirtschafsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums bei. Mit diesen Geldern sollen bis zum Jahre 2013 Investitionen in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben unterstützt und Arbeitsplätze erhalten werden. Wir konzentrieren uns dabei stärker als bisher auf die Unternehmen, die durch ihre Entwicklung nachgewiesen haben, dass sie auch zukünftige Arbeitsplätze sichern oder schaffen.

Bei der Verbesserung der Lebensqualität sind integrierte ländliche Entwicklungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung. Deren Kernstück ist nach wie vor die Dorferneuerung als eines der wichtigsten und nachhaltigsten Investitionsprogramme im ländlichen Raum. Mit Hilfe ihrer Maßnahmen wird künftig verstärkt die Innenentwicklung der Dörfer unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung unterstützt. Problemen, die aus Leerstand, Verfall und schleichender Entvölkerung resultieren, wird mit Unterstützung der Dorferneuerung entgegengewirkt. Deswegen halten wir nach wie vor an der Dorferneuerung fest. Da können wir nicht auf alles aufspringen, was der eine oder der andere da mal herausfindet oder sagt. Wir haben uns ja schon darüber verständigt, wie das entstanden ist.

Ein neuer Ansatz in der Förderinitiative ist die Kombination der ELER-Mittel mit den Finanzmitteln der Städtebauförderung. Dazu wurden 40 Mio. € aus dem ELER zur Verfügung gestellt, die mit nationalen Mitteln der Städtebauförderung kofinanziert werden. Vorgesehen ist deren Einsatz in Kleinst- und kleinstädtisch geprägten ländlichen Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern, um auch dort Impulse für langfristige Wachstumseffekte zu erzeugen. Sie dienen der Verstärkung der Aktivitäten der Städte und Gemeinden bei der Beseitigung der negativen Folgen der demographisch bedingten Strukturveränderungen und der Stärkung ihrer Funktion durch Vorhaltung bedarfsgerechter Infrastrukturen für den ländlichen Raum. Mit den neuen Städtebauförderprogrammen und -initiativen soll die erfolgreiche Städtebauförderung der letzten 15 Jahre fortgesetzt und weiterhin ein aktiver Beitrag zur Förderung des ländlichen Raumes geleistet werden. Es gibt eine Verzahnung aller Instrumente der integrierten Entwicklung mit den LEADER-Methoden, einen innovativen Entwicklungsansatz, bei der Eigeninitiative, Kooperation und Innovation im Mittelpunkt stehen. Regionale Aktionsgruppen mit ihren öffentlichen und privaten Akteuren erhalten die Chance, ihre Entwicklungsstrategien zielstrebig in konkrete Projekte umzusetzen. In den Gebieten mit natürlichen Standortnachteilen gelten die Ausgleichszulagen dem Fortbestand der landwirtschaftlichen Bodennutzung und dem Erhalt nachhaltiger Wirtschaftsformen. Die neuen Agrarumweltmaßnahmen im Rahmen des Programms zur Förderung von umweltge

rechter Landwirtschaft, Erhaltung der Kulturlandschaft, Naturschutz und Landschaftspflege knüpfen an die bisher erfolgreichen Maßnahmen an. Insgesamt ist das neue KULAP noch problem- und zielorientierter als bisher ausgerichtet, insbesondere hinsichtlich einer naturschutzgerechten Bewirtschaftung wertvoller Grünlandbiotope.

Neu hinzugekommen sind landwirtschaftliche Maßnahmen des Gewässerschutzes zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Die Diversifizierung der Agrar- und Forstwirtschaft ist ein weiterer Schwerpunkt. Mit dem neuen Programm „Entwicklung von Natur und Landschaft“ stehen erstmals auch Fördermittel für investive Maßnahmen im Bereich des Naturschutzes zur Verfügung. Vielfältige Aktionen und Investitionen sollen vorrangig in den nationalen Naturlandschaften und den NATURA 2000-Gebieten stattfinden und dort ganz gezielt die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Entwicklung der Thüringer Kultur- und Naturlandschaft fördern.

Im Bereich der Forstwirtschaft gilt es, zum einen mit Investitionen die forstwirtschaftliche Infrastruktur und Technik, die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Forstbetriebe und Zusammenschlüsse zu fördern und zum anderen die Wälder durch waldbauliche Maßnahmen zu stabilisieren und ökologisch aufzuwerten. Das umfasst auch spezielle Waldumbauprogramme.

Mit dem Bundes- und Landeshaushalt sind die erforderlichen Kofinanzierungen eingestellt, um die von der Europäischen Union für Thüringen bereitgestellten Mittel abrufen zu können einschließlich der privaten Anteile. Es ist ein Gesamtinvestitionsvolumen von ca. 1,7 Mrd. € und damit ein neuer Entwicklungsschub im ländlichen Raum zu erwarten. Darüber hinaus kommen auch Mittel aus dem Strukturfondsprogramm zum Einsatz, die sich ebenfalls im ländlichen Raum auswirken, beispielsweise bei der Schaffung und Sicherung von wettbewerbsfähigen Dauerarbeitsplätzen in der gewerblichen Wirtschaft. Mit den Finanzmitteln aus der Förderinitiative „Ländliche Entwicklung in Thüringen“ knüpfen wir an bewährte Maßnahmen aus vorhergehenden Förderperioden an. Die europäischen Finanzierungsinstrumente für den ländlichen Raum waren bisher in der europäischen Ausrichtung Garantiefonds-Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung und Abteilung Garantie. Für die vorherige Periode standen insgesamt aus diesen zwei Fonds 812 Mio. € für den ländlichen Raum zur Verfügung. Von dem geplanten Ausgabevolumen des EAGFL, Abteilung Ausrichtung sind rund 99 Prozent bewilligt, was 561 Mio. € entspricht. Bis zum Jahresende 2007 waren davon 95 Prozent ausgezahlt. Bezogen auf die Finanzmittel des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, beträgt der pro

zentuale Anteil für landwirtschaftliche Betriebe 28 Prozent. Für Maßnahmen der Dorferneuerung zur Stärkung und Erhaltung des ländlichen Raums erhielten 39 Prozent eine dementsprechende Förderung. Danach folgten Maßnahmen der Flurbereinigung mit knapp 10 Prozent sowie Maßnahmen der Verbesserung der Verarbeitung und Vermarktung, forstwirtschaftliche Maßnahmen sowie der ländliche Wegebau. Spätestens bis zum Jahresende 2008 müssen die bereits bewilligten Finanzmittel auch ausgezahlt werden, dann ist die Periode 2000 bis 2006 abgeschlossen. Ich denke, das schaffen wir auch, denn wir befinden uns auf einem guten Weg dahin. Trotz der erheblichen finanziellen Einschränkungen gegenüber den Vorjahren verfügt Thüringen wieder über sehr gute Mittel und zielgerichtete und effektive Förderprogramme, mit deren Hilfe eine zukunftsfähige und nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume in Thüringen fortgeführt werden kann. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Förderinitiative Ländliche Entwicklung zwar ein wesentlicher Baustein, aber nur ein Baustein der ländlichen Entwicklung sein kann. Die Finanzmittel für den ländlichen Raum aus der Förderinitiative können nicht alle wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Bedürfnisse im ländlichen Raum finanzieren, sie können jedoch wichtige Impulse geben und damit die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums unterstützen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich beende damit den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den zweiten Teil auf... Bitte, Herr Höhn.

Frau Präsidentin, ich hätte einen Antrag zur Geschäftsordnung.

Ja, bitte.

Da das jetzt anstehende Thema „Polizeistrukturreform OPTOPOL“ eines der wichtigsten Vorhaben der Landesregierung darstellt und dafür sogar der Thüringer Landtag Kompetenzen an die Landesregierung übertragen hat, stelle ich den Antrag nach § 34 Abs. 1 Geschäftsordnung auf unverzügliche Herbeirufung des Ministerpräsidenten zu diesem Thema.

Also, ich muss jetzt erst mal sagen, warum Ministerpräsident. Wir haben den zuständigen Staatssekretär hier. Einen Innenminister gibt es im Moment nicht.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Eben, genau deshalb.)

Die Vertretung für den Innenminister hat entweder Ministerin Diezel oder Minister Schliemann.

(Unruhe SPD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Es hat doch schon funktioniert. Ich ziehe den Antrag zurück, Frau Präsidentin.)

Damit rufe ich jetzt den zweiten Teil der Aktuellen Stunde auf

b) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Umsetzung der Polizei- strukturreform (OPTOPOL)“ Unterrichtung durch die Prä- sidentin des Landtags - Drucksache 4/3953 -

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Matschie, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, als wir vor etwa zwei Wochen die Aktuelle Stunde beantragt haben, war klar, auch nach der Entscheidung hier im Thüringer Landtag, der Konflikt um OPTOPOL war nicht beigelegt und nicht bewältigt.

(Beifall SPD)

Der Einzige, der das Problem nicht sehen wollte, war der Ministerpräsident. Zwei Jahre lang, Herr Althaus, haben Sie diesem Konflikt tatenlos zugesehen, haben zugesehen, wie sich Innenministerium und CDUFraktion gestritten haben um dieses Thema, ohne eine Lösung zu finden. Jetzt hat Ihnen der Innenminister die Brocken vor die Füße geworfen. Herr Althaus, Sie stehen vor einem Scherbenhaufen in der Innenpolitik.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Nicht nur das, die Thüringer werden im Moment Zeuge, wie die Macht des Ministerpräsidenten zerbrö

selt. Sie werden, Herr Althaus, von den Ereignissen getrieben, Sie haben die Kontrolle verloren, die Handlungsfähigkeit dieser Landesregierung steht infrage.

(Beifall SPD)

Die CDU ist völlig zerstritten, wie wir in den Zeitungen jeden Tag jetzt nachlesen können - jeder gegen jeden, das ist das Bild, das Sie im Moment bieten. Die Fraktionsvorsitzende, Frau Lieberknecht, hatte sich in den letzten Wochen mehr Fiedler gewünscht. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Frau Groß, hat den Zeitungen ins Protokoll diktiert: „Ich bedaure sehr, dass Herr Fiedler einen weiteren Innenminister geschafft hat.“ Der Generalsekretär Mohring hat Ihre Ankündigung, Herr Ministerpräsident, zeitnah eine Lösung zu finden, sehr humoristisch konterkariert, indem er sagt: „Zeitnah heißt bei meinem Landrat 13 Jahre.“ Das sind Zustände, Herr Ministerpräsident - Sie sind ja auch CDU-Vorsitzender -, die deutlich machen, Ihnen sind längst die Zügel aus der Hand geglitten. In der Thüringer CDU und in Ihrer Landesregierung geht es drunter und drüber.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Aber ich sage auch ganz deutlich, Herr Gasser ist nicht an Herrn Fiedler gescheitert, er ist auch nicht an Herrn Mohring gescheitert, der Innenminister Gasser ist an Ihnen gescheitert, Herr Ministerpräsident; er ist gescheitert an Ihrer Führungsschwäche, an Ihrer Unfähigkeit, Probleme in diesem Land zu lösen.

(Heiterkeit CDU)

(Beifall SPD)

Die Aufgabe eines Ministerpräsidenten ist es eben nicht nur, zu repräsentieren und kreuz und quer im Land unterwegs zu sein, die Aufgabe eines Ministerpräsidenten ist es auch, in wichtigen Fragen Lösungen herbeizuführen. Es war Ihr Projekt, Herr Ministerpräsident. Sie haben die Strukturveränderungen mit Ihrer Regierungserklärung 2004 angekündigt. Sie haben damals angekündigt, 2005 einen Vorschlag auf den Tisch zu legen. Dann hat es schon ein geschlagenes Jahr länger gedauert, bis der Vorschlag kam.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Zum Thema!)

Dann lag der Vorschlag des Innenministers auf dem Tisch und seit dem nichts als Streit in der CDU zu dieser Polizeistrukturreform. Der Ministerpräsident

und CDU-Vorsitzende war nicht in der Lage, diesen Konflikt aufzulösen.

(Beifall SPD)

Die heutigen Meldungen über die Kameras im Innenministerium zeigen nur einmal mehr, wie der Zustand in den Thüringer Ministerien heute ist. Es ist bezeichnend, was hier durch die Medien gegangen ist.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das verbitte ich mir.)

Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich, Herr Gasser war nicht der einzige Schwachpunkt in Ihrem Kabinett, Herr Ministerpräsident. Sie werden es auch verfolgt haben, seit Monaten wird in den Thüringer Medien über eine Kabinettsumbildung spekuliert.

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Ja, spekuliert.)

Man darf ja mal die Frage stellen: Warum eigentlich? Ich will es Ihnen sagen: Weil dieser Landesregierung niemand im Land mehr zutraut, dass sie noch Probleme lösen kann.

(Heiterkeit CDU)