Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: In Köln bekämen Sie jetzt Hausverbot.)

Beim Parfüm ist es der unangenehme Geruch und in der Politik die Scheinheiligkeit und Heuchelei, die die Menschen aufregt. Mit einer Selbstverständlichkeit, die sich aus Arroganz und Selbstherrlichkeit speist, wird aus Verordnungen und Verträgen zitiert, um ministerielles Handeln zu legitimieren. Es ist geradezu eine Verhöhnung der Gewerkschafter, wenn ihnen gesagt wird: Klar sind wir für Ihre Interessenvertretung und na klar sind wir für eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit und selbstverständlich kann auch ein Antrag nach Thüringer Urlaubsverordnung zur Gewährung von Sonderurlaub zur Teilnahme am Gewerkschaftstag gestellt und laut Verordnung könnte diesem sogar entsprochen werden - aber leider geht das nicht. Und gerade an diesem Tag gibt es so zwingende dienstliche Verpflichtungen, die dem entgegenstehen. Diese dienstlichen Verpflichtungen und die daraus resultierende Unabkömmlichkeit treffen ganz zufällig offensichtlich auf alle 36 Antragsteller gleichermaßen zu. Alle 36 konnten also nicht freigestellt werden, um am Landesgewerkschaftstag des BTB am 29.10. in Leinefelde teilnehmen zu können. Das man diese Gewerkschafter dann doch dort traf und alle Urlaub nehmen mussten, der ja auch genehmigt werden muss, ist also konkretes Ergebnis - Scheinheiligkeit als Prinzip. Die Landesregierung zeigt in diesem konkreten Fall einmal mehr, was sie von gewerkschaftlicher Interessenvertretung und von der Wahrnehmung demokratischer Grundrechte versteht.

Noch perfider aber kommt ein Schreiben des Herrn Machts aus dem Kultusministerium daher, um eine Demonstration vor dem Kultusministerium zu verhindern. Ausgerechnet in der PISA-Jubel-Woche, kurz vor dem 3. Mitteldeutschen Bildungskongress, werden alle Schulämter und Schulleiter angewiesen, Anträge auf Arbeitsbefreiung und Sonderurlaub nach selbiger Thüringer Urlaubsverordnung abzulehnen und damit die Demonstration möglichst zu verhindern. Schlimmer noch - selbst den Schulleitern wird mit Konsequenzen gedroht, sie sollen kontrolliert werden, wie sie diesen Erlass umsetzen. Die Eigenverantwortliche Schule lässt grüßen. Ängste schüren, Druck ausüben, einen Keil zwischen Schulleitung und Pädagogen treiben, die Zwei-Klassen-Gesellschaft in den Lehrerzimmern als „Diezelgegeben“ hinnehmen - gelebte Demokratie, meine Herren, sieht anders aus.

Die Landesregierung zieht sich auf Verträge und Verordnungen zurück, deren Urheber sie selber ist. Sie haben überall etwas eingebaut, was ihr Handeln immer wieder legitimiert. Ich sage noch einmal die Daten: 27.09. Bildungsplan, Jubelveranstaltung sollte

nicht gestört werden; 29.10. 36 Landesbedienstete dürfen nicht fahren; 12.11. Schülerstreik; 18.11. Thüringer Pädagogen werden unverhohlen und massiv eingeschüchtert. Man droht sogar mit Kürzung von Bezügen. Fazit: Eine Landesregierung, die sich vor den eigenen Bediensteten schützen muss, hat abgewirtschaftet und gehört abgelöst, egal ob mit oder ohne Ausrufen eines Jahres der Demokratie. Ihr Handeln ist Zynismus pur.

(Beifall DIE LINKE)

Mit Karenzzeit haben alle Rednerinnen und Redner die Kurve bekommen. Weitere Redeanmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Damit hat für die Landesregierung das Wort Minister Scherer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich rede ein bisschen langsamer, dass man es auch versteht. Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE nehme ich für die Landesregierung wie folgt Stellung: Die Gewährleistung demokratischer Teilhaberechte an der staatlichen Willensbildung stellt ein verfassungsrechtlich besonders schützenswertes Gut dar, dessen Bedeutung für ein demokratisches Staatswesen nicht hoch genug geschätzt werden kann. Dessen ist sich auch die Landesregierung bewusst. Sie garantiert daher die Teilhabe im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten, also auch bei der Wahrnehmung demokratischer und gewerkschaftlicher Grundrechte.

Von besonderer Bedeutung sind die in diesem Kontext besonders zu berücksichtigenden Grundrechte der Versammlungsfreiheit und der Koalitionsfreiheit, die den Freiheitsraum abstecken und die Mittel der geistigen Auseinandersetzung konkretisieren. Die Möglichkeit, sich mit anderen zu treffen, um sie von der eigenen Meinung zu politischen Fragen zu unterrichten, um ihnen Fakten zur Bildung ihrer eigenen Meinung zu unterbreiten, um sich als Zuhörer von der Meinung anderer zu informieren und um schließlich in Gemeinschaft mit anderen gegenüber Dritten, insbesondere den Staatsorganen, eine bestimmte Auffassung zum Ausdruck zu bringen, ist eine fundamentale Voraussetzung jeder freien Meinungs- und Willensbildung im Staatsvolk, so das Bundesverfassungsgericht. Für den Einzelnen bleibt neben einer eventuellen organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden vor allem eine kollektive Einflussnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, vor dem skizzierten Hintergrund der Haltung

der Landesregierung zu demokratischen und gewerkschaftlichen Grundrechten gestatten Sie bitte ein paar Anmerkungen zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Der Antrag ist zunächst einmal klarstellungsbedürftig. Festzustellen ist, dass die verfassungsrechtlich vorgegebene Unterscheidung zwischen Demonstration auf der einen und Streik auf der anderen Seite verwischt wird. Um von einem Streik im Sinne der Thüringer Verfassung zu sprechen, muss er von einer Gewerkschaft geführt werden, und zwar mit dem Ziel, tarifvertraglich regelbare Ziele zu verfolgen. Nicht hierunter fallen der sogenannte wilde Streik, der nicht von einer Gewerkschaft geführt wird, und der sogenannte politische Streik, der sich nicht gegen den Tarifpartner, sondern gegen Parlament oder Regierung richtet. Der Aufruf, um den es hier geht, kann aber nur als Aufforderung zur Teilnahme an einer Demonstration verstanden werden, denn die GEW hat nicht zum Streik, also zu einer Unterbrechung der Arbeit im Rahmen eines Arbeitskampfes aufgerufen. Vielmehr ging sie erkennbar davon aus, dass der an der Veranstaltung teilnehmende Lehrer dies der Schulleitung vorher anzeigt und für Vertretung gesorgt ist. Das ist gut so, denn, meine Damen und Herren von der LINKEN, dass das Kultusministerium die Veranstaltung am 18. November 2008 richtigerweise als Demonstration und nicht als Streik eingeordnet hat, liegt gerade im Interesse der Beschäftigten. Auch tarifbeschäftigte Lehrer dürfen sich nur an einem rechtmäßigen Streik beteiligen, der aber nur dann vorliegt, wenn alle Verständigungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Eine solche Situation war hier keinesfalls gegeben, weil sich die Verhandlungspartner am 18. November 2008 ja gerade getroffen hatten mit dem Ziel, über das Angebot der Landesregierung konstruktiv zu verhandeln. Die Teilnahme eines angestellten Lehrers an einem rechtswidrigen Streik während der Arbeitszeit hätte in jedem Fall eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten dargestellt.

Dies vorweggeschickt, darf ich Sie im Übrigen daran erinnern, dass Grundrechte nicht schrankenlos gewährt werden, wenn Sie unter dem Gesichtspunkt grundrechtlichen Verständnisses eine Diskussion über die Ereignisse vom 18. November 2008 führen wollen. Soweit Grundrechte von Lehrkräften betroffen sind, ist zu berücksichtigen, dass diese Einschränkungen unterliegen. Konkret ist bei der Bewertung der Vorgänge entscheidend, dass das Demonstrationsrecht mit der Verpflichtung, zur selben Zeit Unterricht zu erteilen, kollidiert. Wie ein solcher Kollisionsfall zu lösen ist, ergibt sich zweifelsfrei aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat bereits vor 35 Jahren entschieden, dass die Versagung der Dienstbefreiung zur Teilnahme an einer Demonstration keine Verletzung der Grundrechte des Bediensteten bewirkt, denn die Dienstbefreiung zur Teilnahme an einer Demonstration kollidiert mit

dem Recht der Eltern und Kinder auf ordnungsgemäßen Unterricht. Damit ist festzuhalten, dass das Kultusministerium den Betroffenen gegenüber lediglich auf die Rechtslage und auf mögliche Konsequenzen im Falle einer Zuwiderhandlung hingewiesen hat. Wer daraus eine Einschränkung von Grundrechten oder Drohungen gegenüber Schulleitern und Lehrern machen will, muss sich fragen lassen, ob er den Rechtsstaat verstanden hat.

(Beifall CDU)

Zum Landesgewerkschaftstag des BTB, Bund der technischen Beamten, Angestellten und Arbeiter Thüringen im dbb, ist Folgendes anzumerken: Die Landesregierung ist sich durchaus bewusst, dass auch der verfassungsrechtlich gewährleisteten Koalitionsfreiheit eine herausgehobene Bedeutung zukommt. Selbstverständlich gewährleistet sie die Wahrnehmung der Interessenvertretung aller Mitarbeiter durch die Gewerkschaften. Die Landesregierung steht für eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Interessenvertretungen zum Wohle der Beschäftigten und Beamten. Auch hier gilt aber, dass die Gewährleistung gewerkschaftlicher Grundrechte nicht im rechtsfreien Raum, sondern nur im Rahmen der gesetzlich bestehenden Möglichkeiten erfolgt. Das bedeutet in Bezug auf den Landesgewerkschaftstag, dass das, was sich aus Sicht der Fraktion DIE LINKE anscheinend zu problematisch darstellt, eine ganz simple Erklärung hat: Jedem Beschäftigten, der am Landesgewerkschaftstag teilnehmen wollte, wurde die Teilnahme auch ermöglicht. Kern der angeblichen Diskussion dürfte sein, was bereits in einer Mündlichen Anfrage thematisiert wurde: In einigen Fällen wurde den Beschäftigten Sonderurlaub nach der Thüringer Urlaubsverordnung bzw. Freistellung nach dem TVL gewährt. In anderen Fällen reichten nach meinen Informationen die Beschäftigten Urlaubsanträge oder Anträge zum Arbeitszeitausgleich ein. Für die unterschiedliche Bewilligungspraxis war schlicht und einfach ausschlaggebend, dass in einigen Fällen die Voraussetzungen für die Gewährung von Sonderurlaub bzw. für eine Freistellung auch nach Bitte der zuständigen Stelle um Ergänzung der Angaben nicht dargetan werden konnten. Eine entsprechende Bewilligung kam daher nicht in Betracht, gleichwohl wurde allen Beschäftigten, übrigens unter Inkaufnahme auch organisatorischer Schwierigkeiten beim Dienstherrn, eine Teilnahme ermöglicht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich den ersten Teil der Aktuellen

Stunde und rufe auf den zweiten Teil

b) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Beschluss der EU-Agrarminister zur Überprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik und dessen Auswirkung auf die Agrarbetriebe und den länd- lichen Raum in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 4/4642 -

Ich rufe auf die Abgeordnete Dr. Scheringer-Wright, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dem Beschluss der Agrarminister vom 20. November 2008 gäbe es so viel zu sagen. Dafür ist die Aktuelle Stunde nicht lang genug, aber meine Fraktion hat auf dieser Tagesordnung noch einen Antrag, bei dem wir das dann umfassender diskutieren können. Deshalb möchte ich mich hier auf die augenscheinlichste Widersinnigkeit bei diesem Beschluss oder - besser gesagt - bei den Beschlüssen beschränken.

Lassen Sie mich anfangen mit einem Zitat der deutschen Agrarministerin Aigner von der CSU zu dem Beschluss, den sie in Brüssel mitgetragen hat. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „Die europäische Agrarpolitik hat den Gesundheitscheck bestanden.“ So kann man es auf der Internetseite des Bundesministeriums lesen. Das erinnert mich an einen oft zitierten Ausspruch: „Operation gelungen, Patient tot“. Denn ähnlich müssen sich gerade die großen Mehrfamilienbetriebe hier im Osten Deutschlands und auch in Thüringen fühlen, wenn sie die Beschlüsse nachlesen. Freilich werden hier nicht alle Betriebe sterben, aber gerade Betriebe mit vielen Eigentümern und vielen Beschäftigten, aber auch Agrargenossenschaften mit vielen Mitgliedern werden durch die beschlossenen Modulationsregeln besonders benachteiligt. Also, bei jedem Betrieb, der mehr als 5.000 € an Direktzahlungen erhält, wird es - gestaffelt bis 2012 - insgesamt eine zusätzliche Kürzung der Direktzahlungen um 5 Prozent geben, so dass die sogenannte Basismodulation - also die Umschichtung von Direktzahlungen in Mittel der zweiten Säule - 2012 10 Prozent betragen wird. Betriebe, die mehr als 300.000 € Direktzahlungen beziehen, müssen ab nächstes Jahr eine Kürzung auf diese Zahlungen von 4 Prozent verkraften. Das ist die viel diskutierte Progression in den Kürzungen der Direktzahlungen. Davon sind in Thüringen 300 Betriebe betroffen, die 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften.

Nur zur Erinnerung: Die Direktzahlungen werden per Hektar bezahlt, unabhängig davon, wie produziert wird und wie viel Profit von diesem Hektar erwirtschaftet wird. Ja, unsere deutschen Agrarminister - Seehofer hat das gemacht, Aigner tut das auch - rühmen sich, wie schon zitiert, dass sie das Schlimmste verhütet haben mit Blick auf die Progressionsvorschläge der Agrarkommissarin. Aber man könnte es auch so umschreiben: Seehofer und Aigner sind mit ihrer Ablehnung der Progression einfach umgefallen. Umfaller aus dem christlich-konservativem Lager, Lippenbekenntnisse dieser Politiker kennt man ja in der bundesdeutschen Landwirtschaftsgeschichte zur Genüge. Oft genug müssen Verbandsspitzenleute auch in der jüngsten Agrarpolitik einräumen, dass sie aufs falsche Pferd gesetzt haben. Das war übrigens ein wörtliches Zitat und das war gesprochen worden, als es 2005 zur Einführung der Biodieselbesteuerung unter der CDU/SPD-Koalition und Seehofer gekommen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, es geht doch bei der Progression auch um etwas Prinzipielles, weil die Direktzahlung nach Hektar ausgezahlt wird, völlig unabhängig, was mit diesem Land gemacht wird, ob eine gute Fruchtfolge eingehalten wird oder nicht, ob hohe oder niedrige Erträge erwirtschaftet werden oder nicht, ob umweltverträglich produziert wird oder nicht oder ob Arbeitskräfte beschäftigt werden oder nicht. Das, meine Damen und Herren, ist nicht gerecht, ist sozial nicht gerecht. Deswegen haben wir als LINKE das immer abgelehnt.

(Beifall DIE LINKE)

Es sollte uns nicht einfach um Besitzstandswahrung gehen. Es sollte uns, wenn wir über Agrarpolitik und das Beihilfesystem diskutieren, darum gehen, eine soziale Agrarpolitik durchzusetzen, mit der Arbeitsplätze im ländlichen Raum beibehalten und gestützt werden, eine ökologische Agrarpolitik durchgesetzt wird, mit der Umweltschäden und Klimaschäden so gering wie möglich gehalten werden. Das wurde mit diesen Beschlüssen konterkariert. Diese Größenordnungsmaßnahme, also dass Kürzungen nur nach Größe erfolgen, konterkariert das erst recht.

Abgeordnete Scheringer-Wright, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat die Abgeordnete Becker, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich hätte schon gern gehabt, dass Herr Primas vielleicht zuerst geredet hätte, um mir zu erklären, warum er heute diese Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gesetzt hat. Es ist immer schön, wenn der Antragsteller uns dann vielleicht auch mal begründet, warum das so ist. Denn wir waren uns am 09.07.2008 hier in diesem Hohen Hause einig, dass das, was die EUKommission vorhat, unseren Thüringer Bauern schadet und dass wir das parteiübergreifend ablehnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das haben wir am 09.07.2008 hier schon festgestellt, Herr Primas hat mich dann in seiner Rede zurechtgewiesen, vorsichtig ausgedrückt, dass man doch nicht schon über etwas reden soll, was noch gar nicht passiert ist, weil ich gesagt habe, wir müssen darüber reden, wenn die Direktzahlungen in der ersten Säule gekürzt werden, was tun wir dann mit den Modulationsmitteln in der zweiten Säule.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das mache ich gleich wieder.)

Da hat er gesagt, wir lassen erst mal alles so, wie es ist, und warten mal ab, was denn kommt. Nun ist es doch anders gekommen, Herr Primas, als wir alle gehofft haben. Die Überschriften in den letzten Wochen haben ja auch gelautet: „Die EU kürzt Bauern das Geld“, „Die ostdeutschen Bauern doppelt bestraft!“ Das ist alles vollkommen korrekt und da gibt es auch keine unterschiedliche Meinung bei uns. Frau Scheringer-Wright hat das eben auch schon gesagt.

Nur, eine Aktuelle Stunde ist dazu da, über ein bestimmtes Thema, was gerade aktuell im Land wichtig ist, zu reden. Aber wir müssen doch im Moment die Landesregierung beauftragen und sagen, was wir möchten. Es wäre nur eine Beauftragung, damit der Minister Sklenar in der Runde der anderen Agrarminister gestärkt wird. Wir möchten nicht, dass über den Milchfonds dann indirekt doch die Gelder nicht nach Thüringen kommen. Die Gefahr besteht im Moment, deshalb hat die SPD-Fraktion auch einen Antrag geschrieben, Herr Primas, damit wir noch mal zeigen, was wir wollen und welche Ausrichtungen wir für die Thüringer Bauern wollen. Ich glaube, das wäre der richtigere Weg gewesen. Nun ist es schade, dass die Tagesordnung wieder so lang ist. Die Landesregierung arbeitet ja im Moment sehr aggressiv an Gesetzgebungen -

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Bun- des- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Aggressiv nicht, intensiv.)

nein, nicht aggressiv, aber intensiv, gut, das ist okay -, also sehr intensiv an Gesetzgebungen. Wir hätten morgen das Problem, dass der Antrag in Tagesordnungspunkt 20 vielleicht nicht drankommen wird. Deshalb ist es schon gut, dass wir heute in der Aktuellen Stunde darüber reden, dass wir aufpassen müssen in der jetzigen Situation und dann morgen oder vielleicht im Januar unseren Antrag beschließen und die Verhandlungsbasis von Herrn Minister Sklenar stärken. Es wird immer gesagt, dass diese Zahlungen, die jetzt in die zweite Säule gehen, die Modulationsmittel, in den Ländern bleiben sollen. Das ist schon richtig. Darüber freuen wir uns auch. Das wollen wir alle, dass dann diese Maßnahmen, die Umstrukturierungen in Thüringen erfolgen sollen.

Dann kommt noch die Kofinanzierung dazu, aber da ist ja festgelegt worden, da wir Ziel-1-Gebiet sind, dass das Land nur 10 Prozent kofinanzieren soll. Ich sage nicht, dass das wenig ist. Aber es ist immer noch weniger, als wenn es 25 Prozent wären, so wie es in den anderen Bundesländern ist; also sind wir da schon gut weggekommen. Es könnte aber sein, dass wir über den Milchfonds doch Gelder verlieren. Deshalb, Herr Staatssekretär hatte ja auch im Ausschuss zu der Problematik berichtet, halte ich diesen Milchfonds für sehr fraglich und nicht für das geeignete Mittel, die Landwirtschaft in Deutschland auf die Zukunft und auf das Jahr 2015 gerade in Bezug auf die Milchwirtschaft vorzubereiten. Ich glaube, dass Frau Aigner sich eine Hintertür offengelassen hat, um den Bayern noch ein bisschen Geld zukommen zu lassen, die das ja dringend nötig haben, weil sie in ihren kleinen Betrieben in Bezug auf Milchproduktion hinter den Thüringern weit hinterherhinken. Ich habe Angst, dass über die Hintertür Gelder umgelagert werden nach Bayern und Baden-Württemberg. Deshalb ist es wichtig, dass wir in den Verhandlungen der nächsten Wochen - es sollen noch im Dezember die ersten Verhandlungen sein - dem Minister den Rücken stärken. Deshalb bitte ich auch darum, dass diese Aktuelle Stunde zwar jetzt nicht umsonst ist, das möchte ich nicht sagen, aber dass Sie dann morgen unserem Antrag auch zustimmen, damit die Gelder alle in Thüringen bleiben, damit wir sie in Umweltmaßnahmen und für bestimmte Kriterien in Thüringen ausgeben und dass sie dann dem ländlichen Raum und unseren Bauern weiter erhalten bleiben. Danke schön.

(Beifall SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Primas, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe jetzt auf dem Weg nach vorn überlegt, ob ich erst einmal weinen soll nach dem, was ich gehört habe von Frau Dr. Scheringer. Dagmar, nicht bei dir - das ist schon o. k.; aber bei Frau Dr. Scheringer habe ich immer so das Gefühl, heute mal so - morgen mal so. Mein Gott, es kann doch nicht sein, dass Sie hier draußen gegen Alkersleben, gegen die Schweineproduktion demonstrieren, hier vorn fast weinen, ich wollte mich hier anschließen, wie arm die Bauern jetzt dran sind.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Nein, la- chen.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Da haben Sie nicht zuge- hört.)

Ich habe sehr wohl zugehört, ich bitte Sie. Dann vor einem halben Jahr, ich erinnere Sie nur mal daran, als die Lebensmittelpreise mal ein bisschen höher waren, da war das Gejammere „um Gottes willen, wieso können die Lebensmittelpreise so hoch sein“. Also das ist Beliebigkeit, wie man es braucht - und so geht es nicht.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind schon der Auffassung, dass es wichtig ist, in einer Aktuellen Stunde darüber zu reden, was in Brüssel beschlossen wurde, Frau Becker. Wir haben natürlich darüber nachgedacht, ob wir einen Antrag machen. Aber um einem Antrag Substanz zu geben, damit es etwas wird, müssen wir erst einmal wissen, was ausverhandelt ist, und glauben Sie mir doch ernsthaft, wenn der Minister sich erhebt, der hat einen starken Rückenwind, der braucht Ihren nicht. Glauben Sie, Sie brauchen das nicht mit Ihrem Antrag. Er hat einen starken Rücken, das bekommt er allein hin.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Der braucht die Unterstützung des Parla- ments.)

Ich darf erinnern, Sie haben recht, wir haben schon vor der Sommerpause darüber gesprochen und wir hatten eigentlich Schlimmeres befürchtet. Wir waren in Brüssel und wir haben uns das angehört, was dort läuft, und gerade die Diskussion mit dem Prof.