Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das ist ei- ne Unverschämtheit.)

Zum gemeinsamen Antrag der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ich sagen: Ich bin überrascht. Überrascht bin ich, weil Sie uns einen in sich widersprüchlichen Antrag unverändert vorlegen. Ich hatte bereits in der ersten Plenarsitzung auf den gesetzestechnischen Mangel aufmerksam gemacht.

In § 1 wollen Sie das Erziehungsgeld aufheben, in § 2 ist dann auf einmal von einer Übergangsregelung, ohne einen genauen Zeitraum zu nennen, die Rede. Der ist nicht dabei.

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Das steht hier drin.)

Nein. Ich hatte Sie schon darauf aufmerksam gemacht in der letzten Sitzung. Sie wollten natürlich für eine Übergangsphase das Erziehungsgeld weiterhin gewährleisten.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Für die, die sich entscheiden.)

Das steht aber nicht drin. Sie müssen den Zeitpunkt schon nennen. Lesen Sie es nach und Ihre Verfassungsleute können das Ihnen auch so bestätigen. Nur dann müssen Sie es wirklich genauso formulieren. Sie haben sich - und ich muss sagen - nicht die Mühe gemacht und diesen handwerklichen Fehler, der vorhanden ist, nicht nachgebessert. Da gibt es für mich zwei Möglichkeiten, entweder liegt Ihnen an Ihrem eigenen Antrag so wenig, dass Ihnen eine konkrete Formulierung nicht nötig erschien, weil Sie eigentlich diesen Öffentlichkeitseffekt haben wollen, oder - umgekehrt - Sie wollen es ganz bewusst, dass Sie das Landeserziehungsgeld erhalten wollen. Da, meine Damen und Herren, müssen Sie es schon deutlich machen, was Sie genau wollen.

Es bleibt dabei, meine Damen und Herren, das Thüringer Erziehungsgeld hat nach der Einführung des Bundesbetreuungsgeldes nach wie vor seinen Sinn und seine Berechtigung nicht verloren. Thüringen fördert kindbezogen und gleich, unabhängig von der Betreuungsform. Das Thüringer Erziehungsgeld hat sich gerade in der Differenzierung bei der Kita-Nutzung und mit dem Geschwisterbonus bewährt. Alle Unkenrufe von massiven Kita-Abmeldungen bis hin zu Missbrauch der Leistung haben sich nämlich nicht bewahrheitet.

Herr Abgeordneter Gumprecht, Abgeordneter Kubitzki möchte Ihnen noch eine Frage stellen.

Ich bin gleich am Ende, danach kann er sie stellen.

Und dann kann er die Frage stellen?

Gut.

Ich sage, diese Unkenrufe zu Missbrauch und zu Kita-Abmeldungen haben sich nicht bewahrheitet.

Meine Damen und Herren, unsere Position ist jedenfalls klar. Die Familien in Thüringen können sich auf uns verlassen, am Erziehungsgeld wird nicht gerüttelt. Wir lehnen beide Gesetze ab.

Herr Abgeordneter Kubitzki, Sie dürfen jetzt Ihre Frage stellen.

Danke, Frau Präsidentin, danke, Kollege Gumprecht. Wie - weil Sie sagten, wir haben keinen Zeitpunkt festgelegt - bewerten Sie den § 2 - Übergangsregelungen - unseres Entwurfs? „Leistungen nach dem Thüringer Erziehungsgeldgesetz werden ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Einführung des Betreuungsgeldes in Höhe des Betrages gewährt, der das Betreuungsgeld übersteigt.“

Und der Zeitraum, wie lange, steht nicht da - bis zum …

Wenn ich nicht weiß, wann das Gesetz in Kraft tritt, dann geht das nur so zu formulieren.

Dann gibt es unterschiedliche Positionen drin. Wir haben erst einmal unterschiedliche Höhen zwischen Bund und dem Land einmal im Eingangsjahr, wir haben unterschiedliche Positionen für die Zweitkindbetreuung. Es sind dort eine Reihe Mängel drin. Ich bleibe bei meiner Meinung und die sollte man auch so formulieren. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Und für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Siegesmund das Wort.

(Beifall CDU)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eines muss man der CDU ja wirklich lassen, nicht nur, dass sie sich offenbar nur spärlich interessiert für das Thema, sondern sie ist wirklich konsequent und macht Politik nach dem Motto, „man muss an Bewährtem festhalten“, ohne Zweifel, aber so schnell wird man halt von der Wirklichkeit eingeholt. Ich finde, wenn sich auf Bundesebene und wenn sich auf wissenschaftlicher Ebene die Möglichkeit auftut, Politik neu zu bewerten, dann sollte man eher nach dem Motto handeln, „nur wer sich verändert, bleibt bestehen“. Ich blicke deswegen voller Zuversicht auf den 22. September 2013 und alles, was danach kommt, dann wird die CDU hoffentlich auf Bundesebene auch lernen, was die Menschen in der Bundesrepublik wirklich wollen, jedenfalls nicht die Familienpolitik, die Sie immer predigen.

(Abg. Gumprecht)

Im Koalitionsvertrag in Thüringen von CDU und SPD heißt es zum Thüringer Landeserziehungsgeld, Zitat: „Die Regelungen zum Landeserziehungsgeld werden entbürokratisiert. Das Landeserziehungsgeld wird künftig flexibel im Anschluss an das Bundeselterngeld für 12 Monate gezahlt.“ Noch einmal: So schnell wird man von der Wirklichkeit eingeholt. Da steht eben nicht drin, sollte es auf Bundesebene entsprechende Initiativen geben, wie das Betreuungsgeld oder andere, dann wird hier verhandelt und das ist Politik unter der Überschrift „Mit dem Kopf durch die Wand“, das ist Politik unter der Überschrift: „Man muss an Bewährtem festhalten, egal ob es das richtige Instrument ist, ja oder nein.“ Das ist Politik von gestern.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, wir haben deswegen am 9. März 2012 die Landesregierung in einer Kleinen Anfrage gefragt, ob sie mit der Abschmelzung oder Abschaffung des Landeserziehungsgeldes reagiert, wenn es eben zu dieser Doppelfinanzierung Betreuungsgeld kommt. Die Antwort damals: Dazu kann die Landesregierung nichts sagen, weil noch kein Gesetzentwurf vorliegt. Auch in der darauf folgenden Debatte zu unserem eingebrachten Antrag unter der Überschrift „Echte Wahlfreiheit schaffen, Betreuungsgeld stoppen“ hat sich die schwarz-rote Landesregierung hinter dem Argument versteckt, es gibt noch keinen Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld. Das ist jetzt aber der Fall und Argumente zählen ja ganz offensichtlich nicht. So eine richtige Meinung habe ich jedenfalls immer noch nicht gehört, außer, wir halten daran fest und was bewährt ist, das soll auch bestehen bleiben.

Wir finden, dass vier der fünf Fraktionen hier in diesem Landtag, also auch eine Mehrheit der Abgeordneten, sehr wohl gute Argumente haben, um zu zeigen, warum das Thüringer Landeserziehungsgeld eben nicht Bestand haben sollte. Mich hat in dieser Debatte, die wir hier geführt haben, die Verweigerungshaltung der CDU an vielen Stellen, sich Kraft der Argumente auch mal vielleicht einem anderen Blickwinkel zu öffnen, wirklich überrascht. Noch einmal: Es ist kein Lob, wenn man sagt, Politik unter der Überschrift: „Man muss an Bewährtem festhalten“. Das heißt so viel wie, sich zurückzuziehen und die Kraft der Argumente an sich vorbeiziehen zu lassen. Das ist kein guter Stil, das bringt die Menschen in der Bundesrepublik und auch in Thüringen nicht weiter.

Es gibt in dieser Argumentation der einzigen Fraktion in diesem Haus hier, die sich den Argumenten verweigert, viele Widersprüche. Herr Gumprecht, ich will mir an dieser Stelle die Zeit nehmen, Sie daran noch einmal zu erinnern, Sie darauf aufmerksam zu machen, welche Widersprüche Sie hier eigentlich als Hokuspokus im Raume lassen.

Der erste Widerspruch ist, dass Sie behaupten, dass Eltern als Erziehungsleistung das Landeserziehungsgeld verdienen. Das verdienen aber offenbar nicht alle Eltern, sagt jedenfalls die Bundesregierung, weil sie eben nicht Betreuungsgeld und Elterngeld gleichermaßen beziehen können. Das ist inkonsequent und darüber müssen Sie mal nachdenken, wie Sie Ihre Landespolitik mit der Bundespolitik übereinbringen. Der zweite Widerspruch, die CDU behauptet, Leistungsgerechtigkeit ist das A und O. Dass aber Eltern, die ihre Kinder in die Kita geben, auch viel leisten und dass die Möglichkeit, gleichzeitig arbeiten zu gehen, sehr wohl etwas ist, wofür sich diese Eltern bewusst entscheiden, das berücksichtigen Sie nicht mit und dieser Subtext, der hier immer im Raume schwebt von Herrn Gumprecht so unter der Überschrift: „Eltern, die ihre Kinder in die Kita geben, sind auf dem Selbstverwirklichungstrip“,

(Zwischenruf Abg. Gumprecht, CDU: Wer hat denn das gesagt? Das hat keiner gesagt.)

den finde ich unfassbar, unglaublich

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und damit habe ich wirklich ein Problem - und das sage ich bewusst auch in Richtung der Erzieherinnen und Erzieher, die in Kitas jeden Tag das Beste für unsere Kinder tun -, Sie negieren damit den Bildungsauftrag der einzelnen Kitas und das macht mich wirklich wütend.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die einzige Leistung, die die CDU mit dem Betreuungsgeld belohnen will,

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Müssen Sie mit Unterstellungen arbeiten, die gar nicht stimmen?)

ist nämlich, die Kinder nicht in die Kitas zu bringen und das müssen Sie dann auch so klar sagen, weil es das ist, was Sie sagen.

Der dritte Widerspruch ist Folgender: Herr Gumprecht, Sie sagten in der letzten Debatte, Zitat: „Wir haben Vertrauen in die Personen, in den einzelnen Menschen, in die Familie.“ Wie passt denn dazu, dass auf Bundesebene Ihre Partei entschieden hat, dass das Betreuungsgeld auf Hartz IV angerechnet wird. Heißt das, dass man nur Vertrauen in die Menschen hat, die offenbar mehr als Hartz IV beziehen und das Betreuungsgeld bekommen dürfen? Ja oder Nein? Das sind Widersprüche, die ich schwierig finde.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Menschenbild finde ich unfassbar. Das sage ich ganz deutlich. Im Übrigen, weil es vorhin in Rede stand, es gibt viele Studien, unter anderem eine

des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Wir haben eine Anhörung zum Landeserziehungsgeld gemacht - Margit Jung nickt -, weil Dr. Bohny, der damals bei uns war, uns darauf hinwies, dass es sehr wohl Studien gibt, die beweisen, einkommensschwache und bildungsferne Schichten überlegen sehr wohl, inwieweit sie auf das Geld verzichten können, was Sie zusätzlich auszahlen - Ja oder Nein. Deswegen sagen wir auch als GRÜNE: Eine echte Kindergrundsicherung, mit der wir zeigen, dass uns jedes Kind gleich viel wert ist, ist ein richtiger Schritt, nicht aber das Festhalten am Thüringer Landeserziehungsgeld.

Vierter Widerspruch: Sie sagen, es gehe beim Thüringer Landeserziehungsgeld um das Sicherstellen von Wahlfreiheit. Das finde ich interessant, sowohl beim Erziehungsgeld als auch beim Betreuungsgeld. Sie wissen genauso wie ich, dass es in den alten Bundesländern viele Kita-Plätze gar nicht gibt, die sich die Eltern wünschen, weil der Kita-Ausbau stockt. Warum investieren Sie also nicht das Geld an der richtigen Stelle? Lassen Sie uns solidarisch sein mit den alten Ländern, die an dieser Stelle noch nicht so weit sind wie wir, die es genauso verdient haben, dass frühkindliche Bildung in die Kitas gesteckt wird und sie frühkindliche Bildung stärken können.

Der fünfte Widerspruch, der hier im Raum steht, ist, dass Sie sagen, die Erziehungsleistung wird anerkannt mit dem Thüringer Landeserziehungsgeld. Wir sagen, ja, Erziehungsleistung muss anerkannt werden, aber bitte für alle gleichermaßen. Das beginnt bei der Frage, ob die Kindererziehungszeit in die gesetzliche Rentenversicherung auch tatsächlich als richtiger Ort verortet ist und endet mit dem Punkt, wie Sie das Betreuungsgeld und das Thüringer Landeserziehungsgeld als Leistungen nebeneinanderstellen und völlig außer Blick lassen. Sie sehen also, dass wir hier fünf Widersprüche haben, und Sie kraft der Argumente schon gar nicht am Thüringer Landeserziehungsgeld festhalten sollten. Im Übrigen haben Sie nicht einmal den Mumm in den Knochen, so sinngemäß an GRÜNE und LINKE, Ihren Gesetzentwurf ausreichend zu diskutieren und sich dann in der letzten Plenardebatte zu verweigern, unseren Gesetzentwurf überhaupt an den Ausschuss zu überweisen, das finde ich schon ein starkes Stück. So geht parlamentarische Arbeit jedenfalls nicht. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe jetzt keine Redemeldungen mehr aus den Reihen der Abgeordneten. Und die Landesregierung? Nein, es gibt keine Redemeldung seitens der Landesregierung. Demzufolge schließe ich die Aussprache.

Wir stimmen über die beiden Gesetzentwürfe direkt ab. Als Erstes über den Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/5203 in zweiter Beratung. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion und eine Mehrheit. Ich frage nach Enthaltungen. Enthaltungen gibt es nicht. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP in Drucksache 5/5208. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE und der FDP. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und CDU und damit eine Mehrheit. Ich frage nach Stimmenthaltungen. Die gibt es nicht. Dieser Gesetzentwurf ist abgelehnt. Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 8 a und b.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9