Frau Berninger, Sie haben nachher noch Gelegenheit, hier vorn zu reden. Sie müssen nicht ständig dazwischenrufen. Mit der am 01.07.2010 in Kraft getretenen Gesetzesverordnung „Thüringer Gemeinschaftsund Sozialbetreuungsverordnung“ werden sowohl Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften als auch Standards für die soziale Betreuung und Beratung ausländischer Flüchtlinge vorgegeben. Damit existieren erstmals verbindliche landesrechtliche Vorgaben zum Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften, deren Ausstattung, aber auch zum Inhalt und Umfang der zu erbringenden Betreuungsleistung sowie zur Qualifikation des eingesetzten Personals. Die konkrete Ausgestaltung der Ermessensentscheidung dieser Regelung ist nicht notwendig. Es besteht eine Dienst- und Fachaufsicht im Landesverwaltungsamt, die auch jetzt schon ausgeübt wird. Durch eine Vielzahl unterschiedlicher Fälle ist es, denke ich, auch sinnvoll, Ermessen auszuüben, um jeden einzelnen Fall der Unterbringung von Asylbewerbern passend zu entscheiden und auch die Gemeinschaftsunterkünfte entsprechend den Möglichkeiten der Landkreise oder kreisfreien Städte zu entscheiden und letztendlich selbst zu betreiben oder an Dritte weiterzugeben.
Im Zuge der Anhörung und der Debatte im Facharbeitskreis haben wir gemeinsam, CDU- und SPDFraktion, Ihnen einen Änderungsvorschlag unterbreitet, der Ihnen in Vorlage 5/3088 vorliegt. Wir
wollen die Möglichkeit einräumen, dass Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingshilfsorganisationen und Vereine im Rahmen ihrer Betreuungs- und Beratungsangebote ungehindert Zugang zu den Gemeinschaftsunterkünften erhalten.
Damit kein Missbrauch mit dieser Regelung passiert, besteht für Betreiber dieser Einrichtungen auch das Hausrecht.
Wir bitten um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung mit dieser Ergänzung, wie sie Ihnen hier vorliegt.
Ich möchte noch zu Punkt c kommen. Wir haben hier die Erstattung der notwendigen und tatsächlich angefallenen Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen zu diskutieren, ein Antrag der Fraktion DIE LINKE. Die Gründe für die Änderung sieht die Fraktion DIE LINKE in den bisher gezahlten Pauschalen für die Landkreise und kreisfreien Städte, die ihrer Meinung nach teilweise zu hoch ausfallen und in die allgemeine Haushaltsbewirtschaftung der Kreishaushalte einfließen bzw. so gering sind, dass die Verantwortlichen keine menschenwürdigen Unterkünfte sicherstellen können. Also ich denke, von menschenunwürdigen Unterkünften kann man in Thüringen nicht sprechen,
wobei mir schon bewusst ist, dass es in einigen Unterkünften Sanierungsstau gibt bzw. auch Möglichkeiten gesucht werden, um zum Beispiel anstelle dieser Gemeinschaftsunterkunft Einzelunterkünfte zu suchen. Hier ist ja Sonneberg momentan sehr aktiv.
Im Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz wurden seit dem 01.01.2000 Pauschalen für diese Erstattung festgelegt und diese Regelung findet sich nicht nur in Thüringen, sondern sie wird auch in den anderen Bundesländern überwiegend angewendet.
Diese Pauschalen werden alle zwei Jahre überprüft und anhand der angefallenen Kosten der Unterkunft auch alle Kosten der Durchführung dieses Asylbewerberleistungsgesetzes entsprechend vereinbart. Auch nach Rücksprache mit den Aufgabenträgern ist die Kostenerstattung als Pauschalzahlung favorisiert worden, da die Spitzabrechnung zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand führen würde.
In den Stellungnahmen wurde angemerkt, dass die Überprüfung kurzfristig erfolgen sollte, damit schnellere Anpassungen möglich sind. Ich denke, hier warten wir in jedem Fall die Neuregelung des Bundesgesetzgebers ab, der ja dabei ist, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 hier die entsprechenden Regelungen zu finden. Möglicherweise könnte auch hier etwas mit angepasst und geändert werden. Da sich das System der Pauschalen bewährt hat, sieht meine Fraktion keinen Bedarf der Änderung. Wir sehen auch eine Möglichkeit in der Spitzabrechnung, Unschärfen hineinzubekommen, denn, ich glaube, der sparsame wirtschaftliche Umgang, wenn alle Kosten an die Aufgabenträger bezahlt werden, könnte möglicherweise auch zu einer Diskrepanz führen.
Also, beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Ich denke, die Aufgabenträger gehen sehr verantwortlich damit um. Ihren Hinweis auf die Presseinformation konnten wir so nicht nachvollziehen. Wenn Äpfel und Birnen verglichen werden, dann ist das meistens doch nicht das Gleiche. Kurzum, im Namen meiner Fraktion bitte ich Sie, den Antrag in Drucksache 5/4791 abzulehnen und ich empfehle Ihnen die Annahme der Beschlussempfehlungen aus dem Innenausschuss in den Drucksachen 5/ 5351, 5/5352 und 5/5353 mit dem von uns eingebrachten Änderungsvorschlag der Fraktionen der CDU und SPD, der Ihnen in Vorlage 5/3088 vorliegt. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die heute als Erstes zu behandelnden Tagesordnungspunkte haben eines gemeinsam, sie zeichnen ein wirklich desaströses Bild über den politischen Zustand der Regierungskoalition aus CDU und SPD
und sie dokumentieren eindrucksvoll einen traurigen Zustand der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag. Da hilft es nicht, wenn Sie mit dem Kopf schütteln, Herr Dr. Pidde, es ist einfach so. Nicht nur, dass Ihnen offenbar werden sollte, dass Sie Ihre
politischen Ziele in einer Koalition mit der CDU nicht durchsetzen können, aber Sie halten sich trotz möglicher anderer Mehrheiten, und das heute nicht zum ersten Mal, bei einzelnen Sachthemen sklavisch an einem Koalitionsvertrag fest, stellen also die formale Regierungsbeteiligung über Inhalte. Und was dazu zum Thema aufrechter Gang zu sagen ist,
Meine Damen und Herren der SPD, so schafft man Politikverdrossenheit und manifestiert das stetige Ansteigen der großen Gruppe der Nichtwählerinnen und Nichtwähler, die eben deshalb nicht zur Wahl gehen, weil aus ihrer Sicht die Parteien schon längst nicht mehr nach inhaltlichen Gesichtspunkten, sondern nach machtpolitischem Kalkül entscheiden.
Als ob das alles noch nicht genug sei, verleugnen Sie sich, meine Damen und Herren, und die von Ihnen vertretenen politischen Ziele und erklären dann durch Ihre Flüchtlingsexpertin Frau Kanis das Erreichte zu gelungenen Kompromissen und zu guter Politik. Aber wie Sie wissen, ist das Gute der Feind des Besseren und das, was uns heute hier vorliegt, ist noch nicht einmal als gut zu bezeichnen.
Zum Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes erklärte die SPD-Landtagsfraktion am vergangenen Freitag, Zitat: „Die Koalitionsfraktionen CDU und SPD haben sich zu asylpolitischen Kernthemen verständigt.“ - Kanis - „Damit haben wir gemeinsam einen wichtigen Schritt zu einer moderneren und menschlicheren Asylpolitik in Thüringen gemacht.“.
Am Mittwoch dieser Woche wurde nun der Kompromiss für eine moderne und menschlichere Asylpolitik zum Flüchtlingsaufnahmegesetz den Mitgliedern des Innenausschusses vorgelegt, der sich auch in der Beschlussfassung des Innenausschusses widerspiegelt. Frau Holbe hat es ja gerade versucht zu erklären.
Meine Damen und Herren, von modern oder menschlicher kann dabei aber nun wahrlich keine Rede sein. Hätten Sie die durchgeführte Anhörung des Innenausschusses tatsächlich ernst genommen, dann müsste Ihnen das auch bewusst geworden sein, meine Damen und Herren der Regie
rungsfraktionen. Aber die schriftlichen Anhörungen, die Sie als Minderheitenrecht nicht verhindern können, wahrscheinlich hätten Sie es sonst getan, und die Kritik, ich spreche hier zunächst für die „Beratung“ im Innenausschuss, will ich in aller Deutlichkeit einmal formulieren, verkommen zum Feigenblatt der Beteiligung, das ohne Wirkung bleibt in diesem Innenausschuss. Sie beschließen eine Anhörung und dann gehen Sie mit keinem Deut in der Debatte im Innenausschuss auf das ein, was von den Anzuhörenden vorgetragen wurde. Das ist tatsächlich nur noch ein Feigenblatt. Eigentlich können Sie das auch lassen und dann wirklich ehrlich sagen, wir wollen überhaupt keine Expertenmeinungen hören, weil wir machen ja sowieso das, was im Koalitionsausschuss beraten wird und nicht das, was inhaltliche Ziele unserer Parteien sind, meine Damen und Herren.
Wie ernst Sie die Ausschussberatungen und die Anhörungsbeiträge nehmen, wird deutlich, da Sie sich zur Auswertung im Innenausschuss, zur Auswertung der Anhörungsergebnisse gerade einmal die Zeit einer Sondersitzung kurz vor dem Plenum genommen haben. Am Mittwoch, um 12.30 Uhr, hat sich der Ausschuss getroffen, um gleich zwei Anhörungen auszuwerten, nämlich nicht nur die zum Flüchtlingsaufnahmegesetz, sondern auch die zum Informationsfreiheitsgesetz. 14.00 Uhr begann die Landtagssitzung, also viel Zeit war da nicht, aber die brauchten Sie ja auch nicht.
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Halt, halt. Sie hatten doch eine Dreiviertelstunde Zeit, Sie hätten doch noch lange reden können.)
Herr Fiedler, inhaltlich wurde ja nicht debattiert. Sie haben nicht mal in der Sitzung von sich selbst zur Begründung Ihres Änderungsvorschlags das Wort ergriffen
und sich mit in den Anhörungen geäußerten Kritiken auseinandergesetzt. Und dann haben Sie in dieser Innenausschuss-Sitzung auch mit ganz großer Freude einen nicht anwesenden Abgeordneten zum Berichterstatter gemacht. Aber es macht ja nichts, dass er nicht bei der Sitzung dabei gewesen ist, über die er das Plenum und die Öffentlichkeit in Thüringen unterrichten soll. Es gab ja neben der Tatsache, dass getagt wurde, nichts Wesentliches, Inhaltliches zu berichten. Das einzig Berichtenswerte ist vielleicht der Tanz, den Sie aufgeführt haben, als es um die Fristsetzung für die Anzuhörenden ging, bis wann die Anzuhörenden sich rückmelden sollten. Sie hatten es ja ganz eilig mit der Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Warum, hat sich auch in den Innenausschuss-Sitzungen
nicht erschlossen, weil Sie, als der eilige Termin herum war, den Tagesordnungspunkt selbst von der Tagesordnung des Innenausschusses genommen haben.
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie sind doch selbst die Vorsitzende, Sie müssen doch was vorlegen.)
Aber nun zum Inhalt, meine Damen und Herren. Der Gesetzentwurf der Landesregierung entfristet ein bislang zum 31. Dezember 2012 befristetes Gesetz, ohne dass es tatsächlich durch das Parlament evaluiert worden ist bzw. ohne dass die eigentlich vorliegenden Evaluierungsergebnisse in Form der Stellungnahmen der Expertinnen und Experten ernst genommen wurden. Damit entleeren die Landesregierung mit ihrem Entwurf und Sie damit, dass Sie dem zustimmen wollen, wiederum die eigentliche Funktion der Befristung von Gesetzen und reduzieren die Entfristung auf einen rein formalen Akt. Es ist aber kein formaler Akt, weil Sie damit ja auch eine inhaltliche Entscheidung treffen. Sie setzen die aus dem Flüchtlingsaufnahmegesetz in der Vergangenheit resultierende Praxis fort und Sie manifestieren diese, meine Damen und Herren. Noch mal inhaltlich zum Regierungsprogramm der SPD, also dem Programm für den ja tatsächlich eingetretenen Fall einer Regierungsbeteiligung der SPD. Dort hatten Sie geschrieben, Zitat: „Wir garantieren menschenwürdige Standards für die Unterbringung von Asylbewerbern.“ Da steht nicht drin, wenn es der Koalitionspartner erlaubt, sondern da steht „wir garantieren“. „Wo es möglich ist, sorgen wir für dezentrale Unterkünfte. Die Residenzpflicht weiten wir auf ganz Thüringen aus. Die geltende Gutscheinregelung werden wir überwinden.“ Das garantieren Sie in Ihrem Regierungsprogramm.
Ähnlich äußerte sich die SPD in dem Wahlprüfstein des Flüchtlingsrats Thüringen e.V., Zitat: „Eine Aufnahme in Gemeinschaftsunterkünften in der ersten Phase des Aufenthalts wird grundsätzlich für sinnvoll angesehen. Nach dieser Anfangsphase müssen allerdings die Bedürfnisse der Flüchtlinge im Vordergrund stehen. Dazu gehört eine Einzelunterbringung.“ Aber Papier ist ja geduldig, nicht, Herr Höhn? Stattdessen setzen Sie eine diskriminierende Unterbringungsform fort