Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

werden ab der nächsten Legislatur nicht mehr nur auf das Konto der CDU gehen, lieber Herr Minister Matschie, jetzt geht es auch auf Ihr Konto.

(Beifall FDP)

Ich rufe für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Rothe-Beinlich auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Interessierte, es ist ja nun schon vieles zu diesem ausgesprochen dicken Einzelplan 04 gesagt worden, der in der Tat einen großen Brocken des Gesamthaushalts beinhaltet. Ich werde am Ende auch noch auf den letzten Punkt von meiner Kollegin Frau Hitzing zu freien Schulen eingehen, aber jetzt erst einmal grundsätzlich.

Viele haben es hier schon erwähnt, in der Tat hat sich der Bereich der Landesausgaben für den Bereich Bildung, Wissenschaft und Kultur im Doppelhaushalt gegenüber dem Vorjahr um 49 Mio. € erhöht. Damit gibt der Freistaat im Jahr 2013 voraussichtlich 2,247 Mrd. € für die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur aus. Auch im Jahr 2014 wird Thüringen in diesem Bereich steigende Ausgaben verzeichnen und mit 2,31 Mrd. € im Einzelplan 04 mehr Ausgaben gegenüber dem Vorjahr in Höhe von etwa 20 Mio. € realisieren. So weit die Zahlen. Trotzdem bleibt zu konstatieren, dass dies und das müssen wir ja auch immer wieder heranziehen - im internationalen Vergleich immer noch viel zu niedrige Bildungsausgaben sind. Wir können zwar ein stabiles, leicht steigendes Niveau verzeichnen, streng genommen ist und bleibt es aber immer noch zu wenig. In Anbetracht allgegenwärtiger Kostensteigerungen bleiben unter dem Strich faktisch sogar weniger Mittel im System. So liegt sowohl Deutschland mit 5,2 Prozent als auch der Freistaat Thüringen mit 5,5 Prozent beim Anteil der Ausgaben für Bildung und Forschung am BIP deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 2012, der nämlich 6,2 Prozent beträgt. Würden wir in Thüringen den OECD-Durchschnitt an den Ausgaben für Bildung und Forschung erreichen wollen, dann müssten wir mehrere Hundert Millionen Euro mehr investieren. Vielleicht sollten wir uns auch das einmal vor Augen halten. Das zeigt jedenfalls, dass das Ziel, deutschlandweit 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung bereitzustellen, weiterhin in weiter Ferne ist.

Wir meinen, es braucht endlich eine gesamtstaatliche Verantwortung für eine bessere Bildungsfinanzierung. Wir haben das auch immer wieder in etlichen Debatten hier im Thüringer Landtag deutlich

gemacht und auf die Tagesordnung gesetzt. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Bund nicht länger Zaungast bei der Bildungsfinanzierung sein darf und das Kooperationsverbot im Grundgesetz auch endlich aufgehoben werden muss. Das ist so ein Punkt, wo wir leider im Landtag auch noch nicht wirklich viel weitergekommen sind.

Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN meinen, dass ein gesamtstaatlicher Kraftakt für bessere Bildungsfinanzierung längst überfällig ist und dass gute Bildung für alle von Anfang an vor das Kooperationsverbot und Bund-Länder-Gerangel gehen muss.

Stellenabbau war hier schon bei vielen Beiträgen ein großes Thema, das wird es natürlich auch bei mir sein auch mit Blick auf den Doppelhaushalt. Bei allen positiven Aussagen über die nicht sinkenden Gesamtausgaben bleibt nämlich, wie ich eben schon sagte, realistisch nicht wirklich viel übrig. So sieht das von der Landesregierung im letzten Jahr verabschiedete Stellenabbaukonzept im Bereich des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vor, bis zum Jahr 2020 insgesamt 4.053 Stellen und Planstellen abzubauen. Das sind - nur damit man sich mal einen Eindruck verschafft - fast ein Fünftel der derzeit im Einzelplan 04 beschriebenen Stellen. Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir aber im Bildungsbereich stehen - ich nenne nur mal ein paar Stichworte: Frühkindliche Bildung ist ja hier schon sehr gelobt worden, Inklusion, also sprich die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die individuelle Förderung -, ist Stellenabbau aber, wie wir alle wissen, das völlig falsche Signal und passt auch nicht mit der Realität zusammen, wie wir sie in unseren Bildungseinrichtungen erleben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz aktuell erleben wir zum Beispiel auch die Wirksamkeit des Stellenabbaukonzepts im Bereich der Hochschulen. Mehrere meiner Kollegen haben das ja eben auch schon angesprochen. Dort ist im Stellenabbaukonzept ganz explizit festgeschrieben, dass im gesamten Hochschulbereich 238 Stellen bis 2020 abgebaut werden sollen. Dass an den Hochschulen aber weit mehr Personal als diese 238 Stellen abgebaut werden sollen, ist bereits jetzt abzusehen. Eben wurden schon die Stellungnahmen der FSU Jena erwähnt. Wir haben heute alle in der „Thüringer Allgemeinen“ den großen Artikel lesen dürfen, dass allein an der Friedrich-SchillerUniversität damit gerechnet wird, dass es 200 Stellen sind, die dort wegfallen. Wie das mit dem Anspruch an gute Lehre, an hohe Qualität, an eine gute Studierendenbetreuung der über 20.000 Studierenden in Jena zusammengehen soll, ist uns jedenfalls ein Rätsel und wir meinen, es ist das falsche Signal. Wir sehen das im Übrigen ähnlich auch im Schulbereich, auch dort steigen die Ausgaben. Erkennbar ist allerdings, dass dies vor allem auf die

(Abg. Hitzing)

Personalkostensteigerungen und die Betriebskostensteigerungen zurückzuführen ist. Hier kann ich mich Herrn Möller zumindest an einer Stelle anschließen, nämlich was die Idee der Verbeamtung ausmacht. Auch da werden wir jedenfalls nicht zustimmen, weil wir alle wissen, welche Folgekosten Verbeamtung produziert und dass dies mitnichten das Problem an unseren Schulen löst, wo Lehrerinnen und Lehrer in der Tat fehlen und nicht zu viel vorhanden sind. Von den Mehrausgaben im Bildungsetat kommt jedenfalls spürbar wenig mehr in den Schulen an, denn vieles geht einfach in die Personalkostensteigerung, ohne dass sich in irgendeiner Art etwas bei der Personal-, Sach- oder räumlichen Ausstattung verbessert.

Lehrkräftemangel, ein weiteres Thema: Herr Matschie hat ja immer wieder darauf hingewiesen, dass jeweils 400 Neueinstellungen jetzt hinzukommen sollen. Wir sagen aber, dass dies nach wie vor zu wenig ist. Wir alle wissen, dass in den nächsten Jahren in Größenordnung Lehrende in den Ruhestand gehen werden. Wir kennen den Altersdurchschnitt der Thüringer Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen. Geschuldet ist dies der jahrzehntelangen, so muss man es sagen, de facto Nichteinstellungspolitik in Thüringen, dass nämlich junge Lehrerinnen und Lehrer hier zwar ausgebildet, aber nicht eingestellt wurden, Herr Emde.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Frau Rothe- Beinlich, wo nehmen Sie so einen Unsinn her? 10 Jahre Nichteinstellung.)

Wie bitte? Ja, Sie haben faktisch nicht eingestellt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie es sich doch an, erklären Sie mir mal den Altersdurchschnitt von 54 Jahren an den staatlichen Schulen bei unseren Lehrerinnen und Lehrern.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Weil auch Sie älter werden, Frau Rothe-Beinlich.)

Sie haben es mit Floating begründet, Sie haben es mit allem Möglichen begründet. Nichtsdestotrotz ist Fakt, dass wir keine gesunde Altersmischung der Lehrenden an den Schulen haben. Da können wir gern auch noch mal über die Stundenausfälle reden.

(Unruhe CDU)

Warum sind denn so viele Lehrerinnen und Lehrer überdurchschnittlich viel krank? Das hat natürlich etwas mit der Arbeitsbelastung zu tun, das hat auch etwas damit zu tun, dass das im steigenden Alter noch zunimmt und dass wir in der Tat leider wenig Perspektiven auch und gerade für die jungen Lehrerinnen und Lehrer aufzeigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da haben wir unheimlich viel vertan und leider nichts erreicht von dem, was wir eigentlich uns vorgenommen haben. Und es gibt Mängelfächer. Sie wissen das doch auch, Herr Emde, dass es Mängelfächer gibt,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Mangelfä- cher heißt das.)

dass zum Beispiel in Latein, in Französisch, in Chemie an vielen Gymnasien, aber auch an Regelschulen die Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Da kann man nicht so tun, als ob alles in Ordnung wäre.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen fehlt auch ein umfassendes Personalentwicklungskonzept. Es gibt kein umfassendes Personalentwicklungskonzept für den Bereich der Lehrerinnen und Lehrer. Wie bitte?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nach Deutsch-Leistungskurs wäre das nicht pas- siert.)

Ich war im Deutsch-Leistungskurs, ich habe sogar Deutsch-Lehramt studiert.

(Unruhe CDU)

Zum Unterrichtsausfall habe ich eben schon etwas gesagt. Etwa 3 Prozent des Unterrichts fallen aus. Ich habe eben auch schon die Ursachen dafür benannt. Wir wissen alle, dass es jetzt die Zielstellung gibt, einen landesweiten Vertretungspool für flexiblere Krankheitsvertretungen zu schaffen. Das findet auch unsere volle Unterstützung. Wie dieser allerdings aussehen soll, dazu haben wir kein Wort gefunden. Dazu konnte ich noch nichts nachlesen, da gibt es auch keine Konzepte, sondern nur Ankündigungen.

(Beifall Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zu den Hochschulen noch einmal. Insbesondere an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, aber auch an vielen anderen Hochschulen bekommen gerade die Studierenden und auch die Mitarbeiterinnen hautnah zu spüren, wie sich die Rahmenvereinbarung III an den Hochschulen in ihrer Umsetzung, so nenne ich es einmal, anfühlt. An der Friedrich-Schiller-Universität werden bis 2015 Kürzungen in Höhe von 10 Prozent vorgesehen. Zudem ist von Stellenabbau von bis zu 200 Stellen, ich sagte es eben schon, bis 2015 die Rede. Auch sollen Studiengänge eingespart werden. Herr Emde, da wünsche ich mir eine ehrliche Debatte, wohin wir eigentlich wollen. Ich meine, wir mussten lange darum ringen, dass wir überhaupt über Hochschulentwicklungsplanung reden. Da wurde uns immer vorgeworfen, wir würden zurück in Zeiten der Planwirtschaft streben, nur weil wir gerne Konzepte erarbeiten wollten, die wir tatsächlich zusammenführen und mit al

len Hochschulen auf Augenhöhe gemeinsam anschauen wollten. Das wird nun hoffentlich kommen. Nichtsdestotrotz befürchten wir, dass insbesondere durch den angekündigten Stellenabbau ein erheblicher Qualitätsverlust stattfindet und auch Lehre und Forschung darunter leiden. Das alles zeigt jedenfalls, dass die Landesmittel für die Hochschulen nicht ausreichen und dass die Kostensteigerungen im Bereich Personal, Betriebs- und Sachkosten quasi die Mehrausgaben des Landes auffressen.

Wir sind davon überzeugt, dass auch durch weitere Synergieeffekte und neue Kooperationen die fehlenden Mittel nicht aufzufangen sind. Wenn Bildungsminister Matschie auf der einen Seite die Vielfalt der Studienangebote lobt und sich darüber freut, dass mittlerweile mehr als 40 Prozent der Studienanfängerinnen aus den ehemaligen Westbundesländern zu uns kommen, aber im gleichen Atemzug eine Reduzierung auf die jeweiligen Kernkompetenzen der einzelnen Hochschulen fordert, passt das für uns einfach nicht zusammen. Da finde ich die Kritik von Herrn Emde sehr spannend, der gesagt hat, wir können uns nicht alles leisten. Mich würde mal interessieren, was wir uns nach Meinung von Herrn Emde leisten können, leisten wollen und leisten müssen.

(Beifall Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir meinen jedenfalls, es braucht schnell Klarheit über die einzelnen Auswirkungen an den Hochschulen, und haben dazu auch für den nächsten Bildungsausschuss einen Antrag vorgelegt. Es kann jedenfalls nicht sein, dass die Unsicherheit bei den Studierenden und bei den Mitarbeiterinnen immer größer wird. Hochschulautonomie, das sage ich ganz deutlich, in allen Ehren, aber das entbindet die Landesregierung noch lange nicht von ihrer Verantwortung. Wir alle wissen, dass zusätzlich noch prekäre Arbeitsbedingungen an den Hochschulen herrschen. Wir wissen, dass die Arbeitsplätze im akademischen Mittelbau viel zu oft von Befristungen und Teilzeit gekennzeichnet sind, was dazu führt, dass es kaum berufliche Perspektiven oder verlässliche Personalstrukturen gibt. 90 Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses und nahezu 100 Prozent aller weiblichen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen an den Thüringer Hochschulen stecken in befristeten Stellen. Das ist untragbar. Damit werden viel zu wenig berufliche Perspektiven eröffnet und Thüringen als Innovationsstandort leidet ganz massiv darunter. Nun hat Herr Matschie kürzlich einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses angekündigt; ich sage allerdings ganz deutlich, dass Juniorprofessuren nur ein ganz kleiner Teil des Problems sind, hier brauchen wir in der Tat umfassende Konzepte.

Auch machen wir uns weiterhin stark für die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren. Es ist hinlänglich bekannt, dass diese eher zu Studienabbrüchen statt zu Studienabschlüssen führen. Das ist keine nachhaltige Verwendung von Haushaltsmitteln und die Gebühren treffen zudem ohnehin meist Studierende ohne finanzstarke Eltern oder die selber Kinder erziehen.

Was wollen wir, was sind unsere Änderungsvorschläge zum Einzelplan 04? Wir wollen ein höheres Schulbudget für die Fortbildung, deswegen haben wir hier eine Aufstockung um 500.000 € vorgeschlagen. Gerade im Sinne einer eigenverantwortlichen Schule muss die schulinterne Fortbildung gestärkt werden, auch und gerade übrigens im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, denn da gibt es noch sehr viel zu tun. Wir wollen unsere Schulen inklusiv ausbauen, dazu hat mein Kollege Herr Meyer heute früh in der Grundsatzaussprache schon etwas gesagt. Wir wollen, dass freie Schulen verfassungsgemäß ausfinanziert werden. Ich habe sehr genau hingehört, als eben Herr Emde doch für seine Fraktion recht deutlich gesagt hat, dass das Auskommen der freien Schulen inzwischen eine problematische Grenze erreicht hätte. Das klang neulich noch ganz anders, vielleicht gewinnen wir Sie doch noch auf unserer Seite.

(Beifall Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wie Sie wissen, sind wir mit unserer Klage gegen das Gesetz für freie Schulen vor das Verfassungsgericht in Weimar gezogen, warten auf die Verhandlung, haben eine Normenkontrolle eingereicht und doch fordern wir, dass sich die Landesregierung schon jetzt an die verfassungsrechtlichen Vorgaben hält.

(Beifall Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir jedenfalls haben die entsprechenden Summen wieder eingestellt. Liebe Frau Hitzing, verfallen Sie bitte nicht in Polemik, wir haben Ihren Antrag nicht abgelehnt, wir sollten hier redlich sein.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Aber Ihre Deckungsquelle ist unseriös.)

Nein, es ist nicht so.

Wir haben ihn nicht abgelehnt. Wir wollen außerdem endlich ein Bildungsfreistellungsgesetz; seit November liegt unser Entwurf dazu vor, auf den der Landesregierung warten wir immer noch, und zwar seit November 2011. Wir haben dafür auch die notwendigen Mittel eingestellt, damit dieses Bildungsfreistellungsgesetz auch für 2013/14 voll ausfinanziert ist.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage durch den Abgeordneten Barth?

Nein, eine Zwischenfrage gestatte ich jetzt nicht.

Dann nicht.

Und wir wollen eine Verstärkung der Maßnahmen in der Alphabetisierung. Hier wollen wir mehr Gelder einstellen und brauchen auch ein stärkeres Engagement des Landes. Zudem geht es uns um mehr Gleichstellung in der Wissenschaft. Wir alle mussten zur Kenntnis nehmen, dass Thüringen hier im Ranking auf dem bundesweit letzten Platz liegt. Dafür wollen wir Konzepte entwickeln, dem entgegenzusteuern, weil wir meinen, dass wir die Potenziale gut ausgebildeter Frauen nicht brachliegen lassen dürfen. Deshalb brauchen wir auch in diesem Bereich mehr Geld und das haben wir auch entsprechend untersetzt.