Protokoll der Sitzung vom 14.02.2013

Das mag sein, aber Sie hat nicht die Kraft, sich durchzusetzen.

Ich komme jetzt zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung und will auch noch mal, bevor ich auf die Thematik der Gleichstellungsbeauftragten in männlicher Form eingehe, auf meine Kritiken zu diesem Gesetzentwurf eingehen, die ich bereits in der Einbringung geäußert habe, an der sich nichts geändert hat. Nach jahrelanger Diskussion lag der Gesetzentwurf auf dem Tisch und wir konnten lesen das ist eigentlich das ganz, ganz Schlimme -, dass 74 Prozent aller kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zukünftig eingespart werden sollen. Das sind 134 Gleichstellungsbeauftragte weniger als jetzt und dann sollen vielleicht auch noch die Hälfte davon Männer werden. Keine der verbleibenden 48 Stellen soll eine volle VbE werden. Die Gleichstellungspläne sind dann nur noch in den Dienststellen von mindestens 50 Bediensteten und dies nur noch alle sechs Jahre vorzulegen. Eine Freistellungsregelung ist in den Gesetzentwurf eingebracht worden, von dem kaum eine Frau je profitieren wird, und wir sehen, eine klare Quote für die Führungspositionen fehlt auch. Ich sehe darin nicht wirklich ein neues modernes Gleichstellungsgesetz.

„Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern.“ Das schreibt die Thüringer Verfassung in Artikel 2 Abs. 2. Der Wortlaut dieser Verfassung macht deutlich, die Gleichberechtigung auf dem Papier ist nur ein wichtiger Schritt, aber das Ziel ist die dauerhafte Gleichstellung von Frauen und Männern im Alltagsleben soll heißen: Gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber genau dies ist nicht gegeben. In einem Land, in dem Frauen bei gleicher Qualifikation für gleiche Tätigkeiten im Durchschnitt immer noch 20 Prozent weniger verdienen als männliche Beschäftigte, in dem prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Minijobs vor allem Frauensache sind, in dem alleinerziehende Mütter und Frauen im Alter besonders von Altersarmut bedroht sind, in dem es an Hochschulen zwar immer mehr Absolventinnen gibt, aber immer weniger Doktorinnen und Professorinnen wirklich eingestellt werden, in dem in vielen Ausbildungsbereichen junge Frauen besser qualifizierte Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse zwar erhalten, aber dann bei der Suche nach ordentlich bezahlten Jobs genau diese nicht bekommen. In einem solchen Land - und damit ist Thüringen gemeint - ist es für mich zynisch und klingt wie Hohn, wenn in einem Gleichstellungsgesetz als Gesetzesziel dann auch noch die sogenannte gleichberechtigte Förderung von Männern mit festgeschrieben werden soll.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber genau das will die Mehrheit des Thüringer Landtags heute; zu dieser Mehrheit, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD, gehören auch Sie. Ich sehe das als sehr bedauerlich an, denn Sie haben offensichtlich Ihre Wurzeln, Ihre Geschichte und auch Ihre derzeitig geltende Programmatik vergessen. Vielleicht ändern Sie ja noch Ihre Auffassung.

Sie haben oft in den letzten Wochen von dem Antidiskriminierungsgesetz und deren Umsetzung gesprochen. Ich habe noch einmal den Europäischen Gerichtshof und die EU-Richtlinie bemüht und da sehen wir wirklich, dass die Ziele auf tatsächliche wirksame Beseitigung von Diskriminierung nach Nachteilsausgleich zugunsten von Frauen formuliert worden sind. Natürlich benennt der EuGH auch das Zulässigkeitskriterium der Unterrepräsentanz von Frauen. Es muss also tatsächlich eine Benachteiligungssituation bestehen. Der Ausgleich eines Nachteils ist somit notwendig. Aber die Realitäten habe ich eben genannt, die sehen doch ganz anders aus. Wenn ich Rechtsprechung des EuGH und die Richtlinie und die Thüringer Verfassung genau hernehme, so bezweifle ich sehr, sehr stark, dass der Gesetzentwurf, der uns heute von der Landesregierung zur Abstimmung vorgelegt worden ist, wirklich mit der Thüringer Verfassung konform ist. Wir werden es überprüfen lassen.

Getreu dem Wort der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir haben wir Frauen heute draußen vor dem Landtag deutlich gemacht, Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen und bekommen auch nichts. Die Frauen in Thüringen möchten etwas bekommen - ein modernes, tatsächlich wirksames Gleichstellungsgesetz. Die neue Wortwahl im Gleichstellungsentwurf der Koali

tion zeigt leider deutlich, die immer noch bestehende Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen soll geleugnet und verschleiert werden. Doch diese negative Tatsache lässt sich nicht damit wegreden, indem wir „Frauenförderung“ in „Förderung des unterrepräsentativen Geschlechtes“ einfach umwandeln. Gesetze, und das haben wir schon in der Schule gelernt, haben eine gesellschaftliche Wirklichkeit zu gestalten und zu verändern. Dieses Gleichstellungsgesetz verändert nichts, sondern bringt eigentlich eine Ungleichstellung von Frauen weiter in den Vordergrund. An der Stelle sagen wir auch: Wir, die in den letzten Jahren und Wochen mit den Frauenverbänden gesprochen haben, werden für diese Unterrepräsentanz nicht streiten, sondern wir streiten für eine wirksame Quote.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da frage ich mich schon, wie die Unterrepräsentanz der Landesregierung festgelegt worden ist - 40 Prozent. Frau Taubert, sind wir Frauen nicht mehr als 50 Prozent auf dieser Erde und auch hier in Thüringen? Da wollen wir das doch nicht bei 40 Prozent festmachen.

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Das sind doch Zahlen.)

Ja, genau die Zahlen machen es doch deutlich, wie Sie denken.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Sie haben es nicht verstanden, Herr Worm.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, dass die Funktion Frauenbeauftragte in Gleichstellungsbeauftragte umbenannt worden ist, das beanstande ich nicht. Das habe ich auch in unseren Gesetzentwurf geschrieben. Ich beanstande viel, viel deutlicher und eingehender, dass Inhalte und Ziele mit dieser Funktion in dem Gesetzentwurf der Landesregierung nicht beschrieben worden sind und dass sie auch nicht umgesetzt werden in Paragraphen.

Nun haben wir leider zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Mehrheit des Thüringer Landtags offensichtlich etwas ganz Spezielles, etwas Eigenes machen will. Ich sage es mal, es soll eine Lex Thüringen werden. Hier sollen also Männer zum Gleichstellungsbeauftragten demnächst gewählt werden. Ich dachte erst, es ist ein schlechter Scherz. Ein schlechter Scherz ist es nicht und es ist nicht mal ein Faschingsscherz geworden, denn dann wäre er gestern vorbei gewesen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Männer als Gleichstellungsbeauftragte, das hört sich auf den ersten Blick als echte Geschlechterchancengleichheit an. Das ALG wurde immer wieder ins Feld geführt, aber es wird ins Gegenteil um

kehren. Ein Mann als Gleichstellungsbeauftragter heißt doch nichts anderes - und das ist doch das Problem -, auch in Sachen Beseitigung von Benachteiligungen und Diskriminierung, in Sachen von Emanzipation und gleicher Teilhabe können die Frauen das nicht selbst durchsetzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Männer müssen auch noch für die Frauen kämpfen. Das ist Patriarchat und das ist patriarchalisches Denken und Handeln in Reinkultur, werte Kollegen, und tatsächliche Gleichstellung und Teilhabe ist für meine Begriffe jetzt Lichtjahre entfernt. Dieses „Männermodell von anno dazumal“, das in das Gesetz geschrieben wurde, ist etwas ganz Skurriles, es ist eine Randerscheinung aus einem sehr, sehr alten gesellschaftspolitischen Modell, welches heute im Landtag scheinbar mehrheitlich abgestimmt werden soll.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen, es gibt Alternativen, das sage ich an der Stelle einmal ganz deutlich. Es gibt den alternativen Gesetzentwurf meiner Fraktion DIE LINKE, dieser liegt seit 13 Monaten dem Landtag bereits vor und in diesem Gesetzentwurf sind wirkliche gleichstellungspolitische Forderungen formuliert und auch Ideen von Frauenverbänden und Organisationen mit aufgenommen worden, er ist praktikabel und durchfinanziert.

An der Stelle sage ich auch noch einmal Danke für die vielen, vielen Zuarbeiten, die ich diesbezüglich in den letzten eineinhalb Jahren erhalten habe. Ich will noch einmal ein paar Regelungen aus unserem Gesetzentwurf, aus einem modernen Gleichstellungsgesetzentwurf der LINKEN vortragen. Wir stehen dafür, dass auch in einem Gleichstellungsgesetz vor allem die Gleichstellung aller Lebensweisen mit aufgenommen werden kann. Wir stehen dafür, dass das Verbot an sexueller Belästigung am Arbeitsplatz mit aufgenommen wird. Wir stehen dafür, dass ordentliche Sanktionen eingeführt werden, das Verbandsklagerecht, dass die Gleichstellungsbeauftragten bereits in Kommunen ab 15.000 Einwohnern gewählt und eingeführt werden sollen, dass sie ein Budget erhalten, um ihre Arbeit durchführen zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Die Fraktion DIE LINKE steht auch dafür, dass auch bei öffentlichen Vergaben die Thematik Frauenförderung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit bedacht wird.

(Beifall DIE LINKE)

Das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ein Gleichstellungsgesetz, das wirklich den Namen „modern“ erhält. Wenn Sie jetzt im Rahmen der

Diskussion und aufgrund der Proteste von heute Morgen und in den letzten Wochen zu dem Entschluss kommen, werte Kollegen der FDP, der SPD und der CDU, noch einmal neu zu diskutieren, dann bieten wir natürlich an, unseren Gesetzentwurf noch einmal an den Ausschuss zu überweisen, um dort mit Ihnen zu diskutieren, damit Thüringen und die Thüringer Frauen und Verbände ein Gleichstellungsgesetz erhalten, das auch wirklich den Namen „modern“ verdient.

Ich sage noch zwei Sätze zu den Änderungsanträgen der FDP, nein, dazu muss man nichts mehr sagen,

(Beifall DIE LINKE)

das ist genauso unmodern wie Ihre vorgeschlagenen Änderungsanträge, die wir bereits im Ausschuss abgelehnt haben.

Zu dem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will ich nur sagen, dem würden wir zustimmen, weil der auch sehr, sehr weit mit unseren Intentionen übereinstimmt.

Ich bitte Sie, entscheiden Sie für Frauen, für ein modernes Gleichstellungsgesetz heute hier in diesem Landtag, stimmen Sie dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich rufe für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Pelke auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frauen, die Sie heute an dieser Diskussion teilnehmen, ich möchte, bevor ich auf einzelne Inhalte des Gesetzes bzw. der Novellierung des Gesetzes eingehe, einige Worte vorwegschicken. Ich finde es schade, dass hier teilweise so getan wird, als ob es eine Anti-Männer-Diskussion sei,

(Beifall DIE LINKE, Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

oder dass es hier um die Frage geht, wer sind die besseren Menschen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darum geht es nicht. Das ist mehrfach schon zitiert worden, dass verfassungsrechtlich festgeschrieben ist, Frauen und Männer sind gleichgestellt. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Aber von der tatsächlichen Gleichstellung der Frau sind wir noch meilenweit entfernt

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Stange)

und darum geht es und nicht um eine Anti-Männeroder Emanzen-Diskussion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Thüringen hat 1998 als letztes Bundesland ein Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst geschaffen. Scheinbar haben wir uns hier mit dem Thema Gleichstellung, insbesondere unter dem Aspekt Frauengleichstellung, immer schon etwas schwergetan.

(Beifall SPD)

Dieses Gesetz wurde dann nach zehn Jahren hinsichtlich der Umsetzung bewertet. Es haben sich viele daran beteiligt, auch die Frauenverbände dankenswerterweise, und es gab eine Broschüre, die seinerzeit vom Ministerium unter der Federführung von Frau Arenhövel erstellt wurde. Lassen Sie mich daraus zitieren. Es gab eine Einstiegsbewertung von Frau Ingrid Weber, Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin im Ruhestand. Ich zitiere, sie schreibt in dieser Broschüre: „Mein Part ist dabei eher die juristische Sichtweise auf die gesetzlichen Regelungen, also die Überprüfung der rechtlichen Instrumente zur Umsetzung des Gleichstellungsauftrages. Ich werde Ihr Gesetz im Wesentlichen mit dem Berliner Gesetz als einem weiteren und als relativ progressiv geltenden Landesgesetz und dem Bundesgleichstellungsgesetz vergleichen und mich dabei auf die Frauenförderung konzentrieren, denn sie kommt in der Politik kaum noch vor. Thema ist seit Jahren nur noch die Familienpolitik, Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist ein wichtiges Thema, aber es hat das Problembewusstsein dafür verdrängt, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um mehr Frauen zu einer ihren Fähigkeiten entsprechenden beruflichen Tätigkeit mit Aufstiegschancen durch gerechtere Personalauswahlverfahren zu verhelfen, Tätigkeiten, die nach diskriminierungsfreien Entgeltsystemen entlohnt werden.“ - Zitat Ende.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe mittlerweile das Gefühl - und ich sage das hier vorn für mich, zur Position der SPD-Fraktion komme ich dann noch und auch zum Abstimmverhalten -, vielleicht waren wir Frauen ein bisschen früh dran, aus der Frage der Frauenförderung die Gleichstellung zu machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bewerte das heute ein bisschen anders und, ich glaube, wir haben die Frage der tatsächlichen Frauenförderung damit auch ein bisschen vernachlässigt, weil die Gleichstellung kommt dann, wenn die Gegebenheiten für Frauen und Männer annähernd gleich sind. Dann können wir über Gleichstellung im Detail reden. Insofern haben wir in der Frauenförderung noch eine ganz Menge zu tun.