Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Leider.)

Dies ist allerdings - ich betone es noch einmal kein Plädoyer für einen Schlussstrich. Dieser wird für uns nach wie vor abgelehnt. Es wäre aber an der Zeit, hier einen sachbezogenen Neuanfang zu wagen

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Schade.)

und den eingangs zitierten Satz von Alfred Grosser ernst zu nehmen, nämlich auch hier die Zeit wirken zu lassen und nach geraumer Zeit auch über das gesamte Gesetz und die darin befindlichen Punkte zu debattieren. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt weitere Wortmeldungen. Zunächst für die FDP-Fraktion Abgeordneter Untermann und dann für die CDU-Fraktion Abgeordneter Fiedler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe lange überlegt, ob ich jetzt noch einmal hier das Wort ergreife, aber ich denke, es müssen noch zwei oder drei Sachen zumindest gesagt werden. Die damaligen Stasibehörden haben unsere Familie zerstört, so hart wie es klingt, so war es. Mutter verhaftet, Vater und Kinder nach dem Westen. Ich will nur sagen, ich stecke in der Materie und weiß auch, was ich jetzt hier sage, ich möchte darauf noch einmal hinweisen. Ich habe ein Jahr nach der Wende mit meinem Bruder vor dem Haus gestanden, wo derjenige wohnte, der meine Mutter damals verraten hatte. Nur Lappalien, die absolut nicht aufrechtzuerhalten waren, gesellschaftspolitisch verseuchtes Element, das muss man sich mal

vorstellen, das war sie in den Augen der damaligen DDR-Behörden.

Wir standen vor dem Haus die Fäuste geballt in der Tasche, Gott sei Dank, und haben die Aktion abgebrochen, weil ich gedacht habe, das ist kein Weg, das ist Rache.

Ich will sagen, man kann abschließen, man darf es jedoch nicht vergessen.

(Beifall im Hause)

Man darf das nie vergessen. Da möchte ich vielleicht noch einmal auch im Namen des Freiheitsvereins - ich bin im Freiheitsverein und ich bin im Vorstand - sagen, wenn die Jugendlichen und Kinder, die an diese Gedenkstätten kommen und nach Geschichte gefragt werden, dann ordnen die die Personen vom Dritten Reich in die DDR und umgedreht, also Honecker war damals im Dritten Reich und Hitler eventuell woanders politisch gesehen. Die wissen es einfach nicht. Das ist ein Problem, das wir auch bei der letzten Veranstaltung, die wir an dieser Anlage durchgeführt haben, hatten, wo alle gesagt haben, wir müssen an den Schulen mehr darauf hinweisen, wie das Regime funktioniert hat.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Wenn ich mich nicht täusche, hatten wir auch schon mal einen Antrag in diese Richtung gebracht, dass dieser Sache mehr Platz gewidmet wird. Wenn die die Sache nicht verstehen, dann nützt diese ganze Gedenkstätte nichts. Die Leute, die Zeitzeugen, die sich Mühe geben und dort was tun, um sie aufzuwerten, das ist fast eine Sache, die schaffen die nicht in der Stunde, damit die das lernen. Also wir werden sicherlich auf diese Sache noch einmal zurückkommen, um die Bedeutung auch der ganzen Verhältnisse in der damaligen DDR zu beleuchten.

Zum Schluss noch: Kurz nach der Wahl 2009 kam ein Kommunalpolitiker zu mir, der von unserer Partei gestellt wurde, und hat zu mir gesagt, du, ich muss unterschreiben, dass ich nicht bei der Stasi war, aber ich war es - vertrauensvoll. Ich habe gesagt, du kannst nur eins machen, sag die Wahrheit, mehr kann ich dir nicht sagen. Er hat die Wahrheit gesagt, er hat es nicht unterschrieben und hat sein Mandat abgegeben. Nur so bekommt dieses Gesetz irgendwie einen Sinn. Wenn ich weiß, dass ich das unterschreibe und bleibe dann sitzen und andere sitzen teilweise auch noch sogar in dem gleichen Plenum, dann frage ich mich, was nützt das alles, dass wir uns hier Mühe geben, wenn es doch irgendwo vorbeigeht an den Zielen. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

(Abg. Korschewsky)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Fiedler das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Heinz Untermann, ich konnte dir in vielen Dingen folgen, aber wir sollten eins nicht vergessen - und das hast du ja versucht, deutlich zu machen -, die Opfer. Es geht in erster Linie darum, dass wir, die Parlamentarier, uns für die Opfer einsetzen.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Ich hätte mir gewünscht, Herr Korschewsky, dass Sie vielleicht nicht nur auf die Täter hier Bezug genommen hätten, sondern vielleicht mal an die Opfer gedacht hätten,

(Beifall CDU, SPD, FDP)

was für Familien zerstört wurden, was hier alles in dem Land passiert ist und ich versuche, mich zu beherrschen. Ich war in der Kontrolle und Auflösung MfS - wir haben es schon öfter diskutiert, auch hier im Raum - und ich habe das alles hautnah miterlebt, es wurde gelogen, betrogen bis zur letzten Sekunde. Wie es vorhin richtig gesagt wurde, AfNS usw. die Vorbereitungen wurden getroffen, damit die Akten verschwunden sind, damit immer mehr alles beiseite geräumt wurde, das war auch Sinn und Zweck des Apparates. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auch mal das gesagt hätten, dass Sie an die Opfer denken, dass Sie mal an die Opfer gedacht hätten, Herr Korschewsky. Das ist es nämlich. Sie vergessen das nämlich, dass wir ganz andere Bedingungen in unserem Land hier hatten und haben, und deswegen habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet, was hier alles passiert ist, diese grauenvollen Dinge, wie Menschen gedemütigt wurden, wie sie abgehört wurden, wie, ich habe das schon einmal gesagt, sie in Psychiatrien gebracht wurden. Alles, was die Menschheit sich denken kann, hat dieser Apparat getan.

(Beifall CDU, FDP)

Es war ein Verbrechersystem. Da brauchen Sie gar nicht zu grinsen. Ihr Grinsen können Sie stecken lassen.

(Beifall SPD)

Es war ein Verbrechersystem und das muss so benannt werden und

(Beifall CDU, FDP)

da geht es mir gar nicht darum; also man könnte ja manchmal denken, wenn man dem so ruhig zuhört, dass der Wolf im Schafspelz spricht bei der ganzen Geschichte.

Ich will Ihnen eines sagen, also auch ich bin mittlerweile, es sind ja 23, 24 Jahre darüber hinweggegangen und viele Dinge werden auch in der Bevölkerung mittlerweile anders gesehen, aber eines sollten wir nicht machen, wir sind das Thüringer Parlament und wir Thüringer Parlamentarier sollten mindestens den Standard an uns setzen, wie es schon genannt wurde, der am öffentlichen Dienst angelegt wird. Das ist doch wohl das Mindeste, was wir hier dazu beitragen können

(Beifall CDU, SPD, FDP)

und dass Sie dann als Wolf im Schafspelz hier noch sagen, ja, wenn wir das in den Ausschüssen beraten würden, könnten wir uns ja überlegen und so weiter und so fort, das ist nur eine klare Haltung. Wir verlängern das Gesetz und wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, die Verlängerung zu machen, weil wir durchaus wissen, was für Fallstricke gerade in der Juristerei auf uns zukommen können, denn wer schon länger in dem Parlament hier ist, hat die Abfolgen erlebt, wie das am Anfang losging. Höpcke und Co., was es da alles noch gab. Höpcke war kein Stasispitzel. Ich will das nur ausdrücklich sagen, aber Höpcke war der letzte stellvertretende Kultusminister der DDR. Der saß auch hier im Hause. Ich will das nur mit erwähnen, weil es viele gar nicht mehr wissen. Das ist das, was mit Aufarbeitung auch gemeint ist. Es wissen viele gar nicht mehr, wer hier alles schon damals für die PDS usw. saß, und ich will nicht verschweigen, auch in unseren Reihen gab es welche, die sich haben aufstellen lassen und wollten sich wählen lassen und Ähnliches. Das ging querbeet durch. Das ist so dieses kollektive Vergessen, Nicht-drüber-Reden und das wird schon die Zeit mit sich bringen, dass das Ganze unter den Tisch fällt. Das sollten wir den Opfern nicht zumuten und deshalb bin ich immer wieder

(Beifall CDU, SPD, FDP)

erstaunt, wie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die ja damals wirklich - BÜNDNIS 90 - eine gute Rolle gespielt haben. Ich bin nach wie vor enttäuscht,

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die spielen wir immer noch.)

wir hatten schon einmal so eine ähnliche Diskussion, was da jetzt auf einmal zum Vorschein kommt, Frau Rothe-Beinlich. Ich bin da wirklich tief enttäuscht, dass jetzt solche Dinge hier auch so langsam verklärt werden. Wir müssten doch alles …

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe nichts verklärt, Herr Fiedler. Das ist eine Frechheit.)

Ja, wissen Sie, was Sie uns alles vorgeworfen haben? Sie meinen immer, Sie haben die Wahrheit alleine gepachtet. Wissen Sie,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, das meine ich nicht.)

ich will es Ihnen nur noch einmal sagen. Es gab auch Leute in der CDU, zu denen gehörte auch ich, die damals im Neuen Forum vor der Wende sich schon dafür eingesetzt haben, Stasi aufgelöst haben etc., die gab es nicht nur bei BÜNDNIS 90 und ich will mich da nicht herausheben.

(Beifall CDU)

Ich habe ganz bewusst gesagt, dass BÜNDNIS 90 eine sehr gute Rolle dort gespielt hat. Der Bundespräsident ist ein beredtes Zeugnis dafür. Mit dem habe ich sehr eng in der Volkskammer zusammengearbeitet und ich unterstütze heute noch ganz klar auch die Thesen, die der Bundespräsident hier vertritt, denn er hat das alles auch in der Volkskammer durchlebt, nicht nur vorher, auch in der Volkskammer. Ich denke, wir sind es - und ich bleibe dabei den Opfern schuldig, dass wir, so lange wie wir die Möglichkeit dazu haben und der Rechtsstaat es noch zulässt - wir wissen, ich sage leider, dass der Rechtsstaat auch in diesen Fragen mittlerweile bei vielen Dingen ganz locker rangeht und ich will jetzt auch ja nicht Juristenschelte betreiben, aber mir tut es in der Seele weh, wie er natürlich hauptsächlich auch in den letzten Jahren, man sieht das, ich war auch in der Überprüfungskommission bei der Polizei mit drin über viele Jahre, wie die Justiz sich entwickelt hat. Ja, wer war es denn? Es waren hauptsächlich Juristen, die aus den Altländern hierherkamen und die das aus einem ganz anderen Gesichtspunkt betrachtet haben, weil sie natürlich noch von einer Demokratie ausgegangen sind. Wir hatten hier aber eine Diktatur. Dann ist das zusammengemischt worden und am Ende kamen dort auch ganz andere Urteile heraus. Man kann das zumindest bedauern. Ich sage noch eins, vorhin ist genannt worden, ich weiß nicht mehr von wem, natürlich sind die Bundestagsdebatten und Ähnliches benannt worden. Bitte?

(Zwischenruf Abg. Möller, DIE LINKE: Das ist ein ganz miserables Staatsverständnis, was Sie hier gerade präsentieren.)

Sie können doch hier vorgehen, Sie können doch Ihres präsentieren, Ihr Staatsverständnis können Sie doch hier präsentieren. Sie können doch herkommen.

(Unruhe FDP)

Man sieht doch, wie DIE LINKE wieder getroffen ist, dass sie anfängt, aufzuheulen. Sie tun nur so, das ist alles.

(Zwischenruf Abg. Möller, DIE LINKE: Ich mache mir nur Sorgen um das Ansehen die- ses Hauses.)

Ja, ich mache mir auch Sorgen darum, jetzt locken Sie mich, ich wollte mich noch zurückhalten. Da

denken Sie mal an Ihren Genossen Gysi, wie er es bisher geschafft hat, alle Dinge zu umrunden. Jetzt, komischerweise, geht der Rechtsstaat wieder gegen ihn vor.

(Beifall CDU)

Ja, man kann das so und so sich alles zurechtlegen. Aber das ist nicht mein Thema. Ich wollte eigentlich in die Debatte noch mal mit einfügen, dass gerade auch, und da muss ich sagen, bin ich nicht konform mit dem Bundestag. Viele Gesetze müssen über den Bundestag erst einmal die Voraussetzungen schaffen, dass wir in den Ländern überhaupt etwas machen können. Aber eins, was ich bis heute noch nicht begreife, dass der Bundestag, ich sage jetzt einmal, die aus den neuen Ländern Kommenden überprüft hat und die Altländer nicht. Ich muss Ihnen sagen, egal welche Partei und wen das betrifft, auch das ist ein Thema. Wir wissen, wo diese Damen und Herren, MfS und andere, überall tätig waren.