Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Welche Schwierigkeiten verschiedene Gesetze haben können, werden wir vermutlich noch bei der neuen JVA mit Sachsen erleben dürfen oder müssen, meine Damen und Herren. Ich denke, alles Weitere sollten wir im Justizausschuss diskutieren und beantrage ebenfalls namens meiner Fraktion die Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Marx das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe aufmerksam zugehört, auch der Kollegin Berninger. Natürlich kann man grundsätzlich über Sicherungsverwahrung diskutieren und das ist auch legitim, zu sagen, man stellt das Konzept infrage und man guckt auch nach Alternativen. Nur, wir sind hier im Thüringer Landtag und wir haben ein Bundesgesetz umzusetzen. Ob es bundesweit ein Konzept von Sicherungsverwahrung gibt oder nicht, entscheiden wir nicht im Thüringer Landtag. So lange im Strafgesetzbuch die Sicherungsverwahrung als Sanktionsinstrument enthalten ist und verhängt wird von einem Gericht, haben wir als Landtag, der für die Ausführung des Strafvollzugs zuständig ist, dann zu gucken, wie wir diese Verurteilung umsetzen. Deswegen ist das zwar sehr interessant gewe

(Abg. Scherer)

sen, aber es führt uns hier nicht weiter. Das ist das Problem, Sie haben den Bundestag hier mit dem Landtag verwechselt.

Im Übrigen, da, wo Sie dann darauf eingegangen sind, dass man alternativ Therapiemaßnahmen vorsehen sollte, übersehen Sie, dass es keine Zwangstherapie gibt und nicht geben kann im Rechtsstaat. Therapie setzt immer Einverständnis des Betroffenen voraus. Sehr fragwürdig, muss ich mal sagen, fand ich Ihren Gedanken, dass man sagt, man könne doch eine Unterbringung in der Psychiatrie vorsehen, das sei vorzuziehen einer Sicherungsverwahrung. Die Leute für krank zu erklären, statt ihnen mit den Lockerungen, die jetzt die Änderungen in § 66 ff. im Strafgesetzbuch für die Sicherungsverwahrung auf Bundesebene beschlossen werden, ein Leben in Teilfreiheit, ein eigenverantwortliches Leben in Teilfreiheit zu gestatten, was daran besser sein soll, Frau Kollegin, das erschließt sich mir nicht. Aber wie gesagt, wir können und müssen das auch deswegen nicht im Justizausschuss ausdiskutieren, weil wir dafür gar nicht zuständig sind. Deswegen finden wir jetzt hier ein Gesetz vor, das das Bundesrecht auf Landesrechtsebene umsetzt und mit hessischem Gesetz so weit in Übereinklang bringt, damit wir dann gemeinsam unsere Sicherungsverwahrung machen können. Wie gesagt, das andere regelt ein anderes Parlament.

Wir haben genügend Vorschriften hier drin, ich möchte es gar nicht so weit ausbreiten. Die modernen Vorgaben werden in Justizsvollzugselemente umgesetzt, ohne die Interessen der Bevölkerung auf Schutz und Sicherheit vor gefährlichen Straftaten außer Acht zu lassen. Der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deswegen heißt sie Sicherungsverwahrung, erfolgt nun mal in geschlossenen Einrichtungen, wobei aber die Untergebrachten einen Wohn- und Schlafbereich zur alleinigen Nutzung erhalten. Geeignete Untergebrachte werden in Wohngruppen untergebracht. Diese dürfen eigene Kleidung tragen, sich selbst verpflegen, Kontakte nach außen werden gefördert. Den Sicherungsverwahrten ist eine geeignete Arbeit oder Ausbildung anzubieten. Sie erhalten dafür eine bessere Vergütung als bisher und sie bekommen eine Anerkennung für die regelmäßige Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen. Wie gesagt, die können Sie nicht erzwingen. Diese Regelungen müssen sich natürlich in der Realität noch beweisen, aber sie eröffnen den Sicherungsverwahrten bei guter Führung und guter Prognose nach angemessener Zeit eine zweite Chance auf ein Leben in Freiheit.

Wir kennen nicht erst seit den Vorfällen im sachsen-anhaltinischen Örtchen Insel die Ängste und Vorurteile gegenüber ehemaligen Sicherungsverwahrten. Deswegen ist es ja gerade wichtig, mit neuen Konzeptionen auch das Verständnis für sol

che Menschen zu erhöhen. Der vorliegende Gesetzentwurf des Justizministeriums genügt nach unserer Ansicht einem neuen Konzept, dass sich dem Schutz und der Sicherheit der Bevölkerung einerseits und einem liberalen Strafvollzug andererseits verpflichtet fühlt in Ausgestaltung bundesgesetzlicher Vorgaben, um das noch mal ans Ende zu setzen. Deswegen stimmen wir der Überweisung an den Justizausschuss zu und haben dort Zeit, noch mal die Umsetzung zu beraten, aber den Grundsatz, dass es Urteile geben wird, in denen Sicherungsverwahrung angeordnet ist, können wir hier im Thüringer Landtag nicht ändern.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Meyer das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielleicht nur am Anfang, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zu dieser sehr grundsätzlichen Debatte einige Anmerkungen. Dass die Risikowahrnehmung in diesem speziellen Bereich krass mit der Faktenlage auseinanderfällt, ist eins der großen Probleme dieses Bereichs.

(Beifall DIE LINKE)

Dass diese Risikowahrnehmung vor allen Dingen auch noch mal auseinanderfallen sollte, was ich stark hoffen will, zwischen der alarmierten Öffentlichkeit und uns, dem Gesetzgeber, macht die Sache auch nicht einfacher. An diesem Punkt sind wir alle miteinander, egal in welcher Fraktion, dazu aufgefordert, ein Beispiel für verantwortungsvolle Politik zu geben. Hier muss der Souverän mal souverän sein und sich nicht unbedingt daran messen lassen, was in Zeitungen mit vier großen roten Buchstaben zu dem Thema kolportiert wird, sondern was Menschenwürde bedeutet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist hier ja auch schon mehrfach gesagt worden, dazu hat uns nicht umsonst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte etwas ins Stammbuch geschrieben. Wir Bündnisgrünen haben auf Bundesebene zu diesem Thema auch eine Position, die allerdings nicht deckungsgleich mit der der LINKEN ist. Wir wollen keine Sicherungsverwahrung für Jugendliche und wir wollen die Begrenzung in einem Strafrechtskatalog auf schwerste Gewaltund Sexualstraftaten.

Damit soll es jetzt mit meiner Vorrede genug sein. Ich möchte mich auf den vorliegenden Gesetzentwurf stürzen und stützen. Herr Staatssekretär Herz hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die

(Abg. Marx)

zentralen Begriffe Freiheitsgerichtetheit und Therapieorientierung sind, die diesem Gesetz zugrunde liegen sollen. Wenn ich jetzt auf das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz gehe, dann muss ich schon sagen, dass ich darin einige Paragraphen gefunden habe, die meiner Ansicht nach diesem Grundsatz nicht oder nur ungenügend entgegenkommen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich fange mal ganz banal an. In § 6 Abs. 3 wird davon gesprochen, dass Vollzugsmaßnahmen erläutert werden sollen. Nein, das muss eine Pflicht sein, Vollzugsmaßnahmen müssen erläutert werden. Das „sollen“ eröffnet einen Handlungsspielraum, der meiner Ansicht nach bei etwas, was keine Strafe mehr ist, fehl am Platz ist. Hier ist die Pflicht der Mitarbeitenden, der Bediensteten zu verankern und nicht die Möglichkeit.

Oder etwas ganz Banales, aber was durchaus mit dem Thema zu tun hat, dass wir eigentlich den Alltag für die dort Verwahrten so einfach machen wollen wie möglich und vor allem so normal wie möglich: In § 21 ist freundlicherweise dargestellt, dass sie ihre eigene Kleidung tragen dürfen. Aber reinigen dürfen sie sie nicht, stattdessen dürfen sie verpflichtet werden, gezwungen werden, zu Hygienemaßnahmen beizutragen. Der Duktus ist falsch. Natürlich müssen sie auch verpflichtet werden können, das ist in einer Wohngruppe richtig und hat auch therapeutischen Charakter, würde ich sogar behaupten. Aber die Möglichkeit, eine eigene Waschmaschine bedienen zu dürfen und sich nicht auf die Anstaltswäscherei beschränken zu müssen, klingt total albern, hat aber was mit der Frage zu tun, wie komme ich, nachdem ich schon mehrere Jahre, in der Regel vielleicht schon mehrere Dutzend Jahre sogar, in einer Justizvollzugsanstalt verbracht habe, eigentlich wieder ins Leben zurück. Sie werden es nicht glauben, die Betroffenen können die Dinger nicht mehr bedienen. Solche Kleinigkeiten sind es, die beachtet werden müssen in dem Gesetz.

Oder § 23 sagt in Abs. 3, dass es eine Stunde Mindestaufenthalt im Freien geben soll. § 27 sagt aber, und das möchte ich auch hoffen, dass das so ist, dass sich die Einsitzenden regelmäßig in den Außenflächen, die zu ihrer Wohngruppe gehören, frei bewegen dürfen. Wenn sie sich frei bewegen dürfen, ist diese Mindestzeit von einer Stunde natürlich obsolet. Da muss man sich schon mal dazu bekennen, dass man Freiheit innerhalb einer geschlossenen Anstalt meint und nicht wieder die Beschränkungen wie, Entschuldigung, in einer Justizvollzugsanstalt.

Besonders ärgerlich wird es meiner Ansicht nach beim § 26. Das ist eine wirklich richtig große Peinlichkeit, Herr Herz. Soziale Hilfen, dieser Bereich, der zentral ist, umfasst genau einen oder zwei Sät

ze. Die Frage, wie die Unterstützung dort geleistet werden soll, wird völlig ausgeblendet. Dieses auszuführen, ist eine Pflicht für Thüringen. Wir haben übrigens auch nicht die Notwendigkeit in diesem Bereich, uns genau so zu verhalten, wie die Hessen beispielsweise. Ich appelliere hier stark an die SPD-Fraktion. Sie haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass hier nicht ein konservativer Duktus einer schwarz-gelben Regierung Bahn bricht, sondern dass Sie dafür sorgen, dass ein im besten Sinne liberales Gesetz verabschiedet wird, das auch seinen Namen dann verdient, wenn es um das Thema Therapieorientierung und Freiheit und Gerechtigkeit und nicht nur den Namen dazu hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein sicherlich interessantes Streitthema wird die Frage sein, warum denn, wenn es darum geht, in den Alltag entlassen zu werden, und wir davon ausgehen, dass Menschen, die heute in Schwalmstadt eingewiesen werden, vielleicht in 10 Jahren dort rauskommen sollen, sie dort drin offensichtlich nicht mit einem Personalcomputer und Internet arbeiten dürfen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist geradezu grotesk. Das hat mit Alltagstauglichkeit nichts mehr zu tun. Ich wüsste auch bei ungefähr 50 Prozent aller Berufe in Deutschland nicht mehr, wie man ohne die Nutzung und die Einübung von Arbeit am Computer und Internet arbeiten könnte. Das geht nicht.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Nein, das soll auch kein Sanatorium sein. Aber ob sie nun freundlicherweise mit einer Säge umgehen dürfen, Herr Fiedler, weil sie Tischler werden wollen - Entschuldigung, Herr Primas, das ändert daran aber nichts. Wenn Sie das ernst meinen, dass Sexualstraftäter und Straftäter, die schwere Gewalttaten vollbracht haben, hinterher in einer Sicherungsverwahrung wieder mit einer Perspektive für das normale Leben, und sei es auch nur als Rentner, wir reden von Menschen, die in der Regel auch etwas älter sind, und sie dann nicht befähigen, am Leben dadurch teilzunehmen, dass sie die normalen, heute üblichen Gerätschaften, ob das nun eine Waschmaschine ist oder ein PC ist, nutzen, und zwar sicher nutzen, dann haben Sie die Resozialisierung dieser Menschen nicht im Blick.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht dazu auch noch gleich eine Bemerkung. Worte sind ja verräterisch. Dieses Gesetz ist in seiner Wortwahl doch sehr stark von einem Referenten oder Referatsleiter oder vielleicht war es ja auch eine Frau, geprägt gewesen, die sich offensichtlich an Justizvollzugsgesetzen abgearbeitet hat. Warum dort Vollzugsziele genannt werden und nicht beispielsweise Behandlungsziele oder Unterbringungsziele, da sind die Worte wirklich verräterisch. Streichen Sie das Wort Vollzug. Das ist eine

Sicherungsverwahrung, kein Vollzug einer Strafe. Da ist wirklich Wortwahl entscheidend, auch für das Bewusstsein in der Bevölkerung. Ich erinnere nur daran, dass einer der zentralen Begriffe zu dem Thema das Abstandsgebot ist. Und auch sprachlich sollten wir den Abstand so weit legen, wie es irgendwie geht zwischen einer Sicherungsverwahrung und einer Justizvollzugsanstalt.

Ich will noch darauf hinweisen, dass es beispielsweise auch die Einigung von demokratischen Regeln geben sollte, wenn es darum geht, dass man dort also ins Leben zurückfindet. Warum in dem Gesetz kein Hausbeirat Erwähnung findet, nur die Beschwerdemöglichkeit, was es ja sogar in der Justizvollzugsanstalt gibt, erschließt sich mir überhaupt nicht. Damit will ich dann hier an diesem Punkt schließen und nur sagen, wir freuen uns auf die Debatte im Justizausschuss. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe den Eindruck, dass sich die Rednerinnenliste damit erschöpft hat und schließe die Aussprache. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Justiz- und Verfassungsausschuss zu überweisen. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Die gibt es auch nicht. Damit wird der Gesetzentwurf im Justiz- und Verfassungsausschuss beraten und ich schließe den Tagesordnungspunkt 8.

Nach § 32 GO gibt es jetzt den Antrag des Abgeordneten Barth zu einer persönlichen Bemerkung, die ich gestattet habe, obwohl sie sich auf den Tagesordnungspunkt 7 bezieht, aber ein Sachverhalt noch überprüft werden musste. Diese persönliche Bemerkung darf 5 Minuten nicht überschreiten und ich bitte zunächst den Abgeordneten Barth zu dieser persönlichen Bemerkung nach § 32 GO.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in dem genannten Tagesordnungspunkt in der Aussprache hat der Abgeordnete Adams zu mir gewandt gesagt, ich müsse erklären, warum in meinem Lebenslauf drei Jahre fehlen. Ich musste das, die Präsidentin hat es gesagt, obwohl ich mir sicher war, sicherheitshalber noch mal überprüfen, ist ja mit dem Zitieren immer so eine Sache.

Im Handbuch des Thüringer Landtags - wie übrigens identisch auch auf der Homepage des Thüringer Landtags - ist mein Lebenslauf seit 1971, das ist das Jahr, in dem ich in die Schule kam, lückenlos bis heute dargestellt. Es fehlt kein einziges Jahr.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es fehlt aber an einer ande- ren Stelle.)

Herr Kollege Adams, das ist im Zusammenhang mit der Debatte, die da vorhin gelaufen ist, eine Unterstellung, eine Lüge, eine Verleumdung sogar,

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das ist keine Erklärung.)

die, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Eindruck erweckt, ….

Herr Barth, Sie können zu dem Sachverhalt, den Sie klarstellen wollen, sprechen und Sie mäßigen sich bitte in Ihrer Wortwahl. Und hat sich damit der Geschäftsordnungsantrag erübrigt. Bitte, Herr Barth.

Ich kann in meiner Wortwahl, Frau Präsidentin Entschuldigung mit Verlaub, dass ich Ihnen widerspreche - das sind strafrechtlich relevante Tatbestände, die ich aufgezählt habe. Es sind Worte, die im Strafgesetzbuch so aufgeführt sind, und ich empfinde das für mich so, weil Kollege Adams nämlich wider besseres Wissen einen Eindruck versucht hat zu erwecken, dass es in meinem Lebenslauf eine Lücke von drei Jahren gäbe, in der es irgendwelche Vorgänge gegeben hat, zu denen ich Anlass hätte, sie zu vertuschen. Deswegen ist es üble Nachrede und Verleumdung

(Beifall CDU, SPD, FDP)

und es hat nichts mit schlechter Wortwahl zu tun, sondern schlicht und ergreifend etwas damit, dass das Tatbestände sind, die im juristischen Leben so bezeichnet werden.

Und, Herr Adams, ich stelle das zum einen fest und fordere Sie zum Zweiten auf, Ihre Bemerkung hier in der gebotenen Art und Weise auch richtigzustellen. Vielen Dank.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das darf er nicht, das ist keine Erklärung.)

(Beifall CDU, SPD, FDP)