Protokoll der Sitzung vom 22.05.2013

Die Fraktion DIE LINKE wünscht das Wort zur Begründung und es hat das Wort Frau Abgeordnete Renner.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen hier häufig im Plenarsaal in Sorge über antidemokratische Einstellungen in der Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Thüringen-Monitor, über zufriedene oder unzufriedene Demokraten und Demokratinnen, über Politikverdrossenheit oder selbstehrlich müsste es eigentlich heißen Politiker- und Politikerinnenverdruss.

Wir sind uns an vielen Stellen einig, der Weg aus der Krise der repräsentativen Demokratie, gemessen zum Beispiel an konstant hoher Wahlverweigerung, geht nur mit mehr Demokratie.

(Beifall DIE LINKE)

Der Weg dorthin führt auch über eine Debatte, inwieweit das Wahlrecht noch zeitgemäß und fortschrittlich ist. Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf enthält die Aufgabe, diese Prüfung anhand der Forderung nach einer Erweiterung des Wahlrechts für junge Menschen vorzunehmen und auch zu entscheiden. DIE LINKE beansprucht keineswegs, die Idee der Absenkung des aktiven Wahlalters allein zu vertreten. Wir wissen, dass viele Menschen,

(Abg. Siegesmund)

auch Mitglieder, auch Parlamentarier und Parlamentarierinnen der GRÜNEN, der SPD, aber auch der FDP und der CDU, einen solchen Schritt heute aktiv teilen, fordern und unterstützen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Diskussion um eine Absenkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre wird schon seit den 1980er-Jahren geführt. Sie hat vor allem seit Ende der 1990er-Jahre auch schrittweise zu Veränderungen des Wahlrechts geführt. In vielen Bundesländern gilt heute bereits ein aktives Wahlrecht ab 16 Jahren.

Wir schlagen Ihnen mit unseren Gesetzentwürfen vor, diese Diskussion aufzunehmen und auch den jungen Menschen hier in Thüringen eher das Wahlrecht einzuräumen. Es geht uns um einen ganz konkreten Schritt, den wir, wenn er bei der Wahl im nächsten Jahr zur Anwendung kommen soll, jetzt gehen müssen.

Lassen Sie uns die Argumente hier im Haus und auch im Ausschuss noch einmal austauschen, aber unsere Bitte ist: Lassen Sie uns dann auch handeln. Lassen Sie uns bei der Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie nicht Schlusslicht sein. Lassen Sie uns auch ein deutliches Zeichen an die Jugendlichen senden, dass wir ihre Meinung, ihr Mitwirken in der Demokratie wollen und auch befördern durch unsere Abstimmung hier im Haus. Wir sollten einen solchen Schritt, den wir Ihnen heute vorschlagen, nicht als Lösung aller Probleme betrachten, die die Demokratie heute mit sich herumträgt. Er ist auch kein Heraustreten, keine Erweiterung der repräsentativen Demokratie. Diese Frage diskutieren wir zum Beispiel im Zusammenhang mit der Stärkung mehr direkter Demokratie, mehr direkter Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung.

(Beifall DIE LINKE)

Aber es ist ein wichtiger Schritt, ja sogar notwendiger Schritt, um zu mehr Identifikation, zu mehr Interesse, zu mehr Bedeutung des Politischen, gerade bei jungen Menschen zu kommen. Dass junge Menschen heute mit 16 Jahren durchaus in der Lage sind, eine Wahlentscheidung zu treffen, ist relativ unumstritten. Nicht nur Soziologen und Soziologinnen, Politologen und Politologinnen, auch führende Juristen und Juristinnen erkennen das an. Zitat: „Eine Wahlentscheidung kann man auch bereits mit 16 Jahren treffen.“, sagte etwa der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle dem „Hamburger Abendblatt“, das war 2009. Weitere Bundesländer haben seither gehandelt Bremen, Brandenburg, Hamburg und SchleswigHolstein - auch für die Landesebene. Lassen Sie uns nun handeln in Thüringen. Wir wünschen uns eine entsprechende Gesetzesänderung noch vor der Sommerpause und wir hoffen, dass wir im Aus

schuss gemeinsam die Sachargumente austauschen und dann hier zu einer Beschlussfassung im Sinne des Wählens mit 16 kommen werden. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Kellner das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich den Gesetzentwurf gesehen habe, habe ich mich schon etwas gewundert.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Warum?)

Ja, weil wir das schon 2010 ausführlich diskutiert haben, und zwar in der Drucksache 478 vom 16.02.2010, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben ja diesen Gesetzentwurf schon einmal eingebracht, aber auf kommunaler Ebene. Sie haben das ergänzt, auf Landesebene hochzuziehen, aber am Inhalt hat sich nichts geändert.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Stimmt, gut gemerkt. Toll!)

Da war ich schon sehr überrascht, muss ich sagen. Wir haben ja ausführlich darüber diskutiert, weil Sie gerade gesagt haben, Frau Renner, Sie wünschen sich eine ausführliche, ausgiebige Diskussion, wir sollten da im Ausschuss noch einmal zusammenkommen. Wir haben sechs Ausschuss-Sitzungen im Innenausschuss zu diesem Thema gehabt.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Aber da ist doch nicht ausführlich diskutiert worden.)

(Unruhe DIE LINKE)

Wir haben zweimal hier in diesem Haus debattiert.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Quantität ist doch nicht Qualität.)

Wir haben 20 Spitzenverbände nicht abgebügelt. Hier hat sich eine Mehrheit gefunden, die das anders gesehen hat als Sie. Das ist etwas anderes.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Nein, Sie haben einen Koalitionsvertrag.)

Ja, ja, Herr Ramelow, das müssen Sie akzeptieren, das ist nun mal so.

(Unruhe DIE LINKE)

Also 20 Verbände haben wir gehört und wir haben wirklich sechs Sitzungen diskutiert, deswegen war ich sehr überrascht, dass Sie dieses aufwärmen, dass Sie das heute wieder hier in das Plenum ein

(Abg. Renner)

bringen. Das lässt eigentlich nur zwei Schlussfolgerungen zu für mich, entweder fällt Ihnen nichts mehr ein

(Beifall CDU)

oder Sie haben Angst. Sie haben Angst, die nächste Wahl hier nicht mehr vertreten zu sein und brauchen jede Stimme.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Ja, was soll ich denn dazu sagen?

(Unruhe DIE LINKE)

Herr Ramelow, was soll ich dazu sagen? So ausgiebig, wie dieses Thema in den Ausschüssen durchgekaut wurde,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Der war gut.)

war kaum ein Thema. Ja, das ist so und deswegen bin ich schon sehr überrascht, aber vielleicht liege ich ja gar nicht falsch mit meiner Prognose. Sie haben hier in Ihrem Entwurf angeführt, was Sie alles damit beabsichtigen. Sie zitieren ja auch die ShellStudie, die führen Sie ja gleich oben an und nehmen sich natürlich das raus, was passt, aber in der Shell-Studie steht eben auch noch mehr.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Was denn?)

In dieser Shell-Studie steht drin, die Jugend beginnt zwar schon mit 12, endet aber auch spätestens mit 25, Ausdruck von länger dauernder Reife. Das steht auch drin. Also nicht 16 Jahre spricht man an oder 17, sondern man sagt, das Spektrum ist sehr breit, die Jugend beginnt sehr früh, kann aber auch sehr lange dauern und das müssen Sie letztendlich auch akzeptieren und Sie können sich immer das raussuchen, was Ihnen gerade passt, deswegen wird es aber nicht besser. Ich hatte auch im Plenum im Oktober 2010 sehr ausführlich begründet, warum wir das etwas kritischer sehen als Sie. Nicht, weil wir nicht wollen, dass die Jugendlichen keine Verantwortung übernehmen,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Doch, das wollt ihr.)

ganz gewiss nicht, da gibt es viele Organisationen gerade in der CDU, die die Jugend mit einbinden, die sie natürlich auch fordern und fördern.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Die Hände festbinden.)

Ja, wenn Sie das Defizit haben, können wir aber nichts dafür. Wir haben es jedenfalls nicht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei der CDU ist man noch mit 40 jugendlich.)

Es gibt ja auch in der Gesellschaft gute Gründe dafür, dass man mit 16 Jahren noch nicht alles machen darf, dass man letztendlich auch in der Gesellschaft gesagt hat, mit 16 Jahren darf man dies und jenes nicht tun. Zum Beispiel wenn man einen körperlichen Eingriff will oder wenn man eine Tätowierung machen will, das geht mit 16 nicht, da braucht man die Zustimmung. Das ist so.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wir wollten nicht den Wahlzettel eintätowieren.)

Oder wenn man das Jugendstrafrecht nimmt, das Jugendstrafrecht sagt das ja auch, das wird ausgedehnt, bis zum 21. Lebensjahr wird das angewandt, weil man der Auffassung ist, dass derjenige, der die Tat verursacht hat, sich nicht vollumfänglich der Folgen bewusst war.