Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Ja, die gehören zur lebendigen Vielfalt auch dazu, aber mit ihnen allein würde das fundamentale Grundrecht, für Meinungen mit Demonstrationen zu werben, zu einer Farce.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Menschenwürde verteidigen, Menschenwürde leben, Maßstäbe durch Bildung und Beispiel setzen, vorleben und weitergeben, das kann Politik, das können Parlamentarier wie wir nämlich nicht allein. In diesem Zusammenhang steht der berühmte Satz des Staatsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde. Ich zitiere auch mal für die Kollegen aus der CDU: „Der freiheitliche säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Übersetzt für uns heißt das, unsere Demokratie ist auf dem Fundament von Bürgern errichtet, die diese Staatsform aktiv leben und verteidigen. Wir brauchen solche Bürger, und zwar mehr, als solche Bürger uns brauchen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit Lothar König wurde ein Mann mit dem ersten Thüringer Demokratiepreis geehrt, der als einer der Ersten die erstarkenden Neonazis in Jena gesehen, ihre Gefahr erkannt und unermüdlich darauf hingewiesen hat, der als Jugendpfarrer versucht hat, junge Menschen aus dieser Szene zu lösen, der deshalb persönlichen Angriffen auf Leib und Leben ausgesetzt war und sich solchen Angriffen auch ausgesetzt hat. Und warum? Weil er selbst auch immer zur Gewaltfreiheit aufgerufen hat, der Salz in Wunden gestreut hat, die lange keiner sehen wollte. Dafür können wir ihm dankbar sein. Und die SPD begrüßt daher ausdrücklich seine Auszeichnung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Politiker aller Parteien und - gewandt an die FDP gerade auch Ihr Außenminister Westerwelle fordern dieser Tage den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan dazu auf, die Meinungs- und Erscheinungsvielfalt einer Zivilgesellschaft zu achten. Wer Erdogan kritisiert, wird vor dieser Thüringer FDP wohl kaum Halt machen können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Selten haben Sie uns so klar wie heute vor Augen geführt, wie Ihre Truppe das Erbe einer vormals für eine aktive, nicht bevormundete Bürgerschaft einstehenden FDP mit Füßen tritt. Lothar König, der 20 Jahre lang seine Haut für unsere freiheitliche

Demokratie - sogar für Sie auch - zu Markte getragen hat, und der honorig besetzten Jury, die ihm dafür den Demokratiepreis zuerkannt hat, zollen wir Sozialdemokraten unseren Respekt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr demokratielahmer Auftritt heute gereicht Ihnen dagegen nicht zur Ehre.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Siegesmund zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Barth, Sie feiern sich hier dafür, dass Sie am rechten Rand fischen, das finde ich absolut unterirdisch.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich finde die Art und Weise, wie Sie liberale Werte und den Wertekanon, den die FDP irgendwann einmal gehabt haben muss, vertreten, gelinde gesagt, schwierig. Was ist denn mit urliberalen Werten wie dem Schutz der Bürgerinnenrechte und der Bürgerrechte, wenn es darum geht, in Dresden abzuhören? Was ist denn mit der Verteidigung individueller Freiheitsrechte, wenn es darum geht, über die Unschuldsvermutung zu sprechen, und was - und auch das entnehme ich eigentlich dem Wertekanon der FDP - ist eigentlich mit Respekt und gegenseitiger Toleranz unterschiedlicher Meinungen? Lesen Sie mal Ihr Grundsatzprogramm

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und finden Sie mal wieder zu sich, bevor Sie hier die Demokratie und diejenigen, die Wochenende um Wochenende dafür eintreten in Erfurt, in Leinefelde, in Sonneberg und in vielen anderen Städten, die Sie damit diskreditieren! Völlig unterirdisch! Sie haben offenbar Ihren Wertekanon verlegt, aber nicht nur das, Sie diskreditieren die, die handeln, die für diese Demokratie eintreten, die übrigens auch organisieren, dass unsere Verfassung öffentlich geschützt wird, indem sie sich auch dazu positionieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, die FDP hat nicht nur ihre Wurzeln vergessen, sondern sie ist in der

Hinsicht völlig entwurzelt, dass sie eigentlich überhaupt nicht mehr weiß, wo sie hingehört.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich fürchte, der Rechtsruck wird auch für sie bundespolitisch Folgen haben, anders kann ich mir das nicht erklären,

(Unruhe FDP)

weil damit, wie Sie hier agieren, diskreditieren Sie die Menschen, die ihren Sinn fürs Politische tatsächlich ausleben, indem sie sagen, wir lassen nicht zu, dass Rechtsextremisten einfach frei demonstrieren können. Wir wollen diejenigen unterstützen, die sich organisieren in Vereinen und Verbänden. Gleichzeitig stellen Sie Lothar König unter Generalverdacht und zeigen damit, dass Ihnen diese Gesellschaft auch egal ist bei der Frage, inwieweit auch Formen des zivilen Ungehorsams dazu gehören, wenn man sich gegen die Feinde unserer Verfassung stellt. Sie vergessen, was eine Unschuldsvermutung ist, und Sie ignorieren das übrigens, was in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Hauptsache, Sie haben begriffen, was eine Unschuldsver- mutung ist.)

Ich will Ihnen das gern mit auf den Weg geben, dass Sie noch mal nachlesen und nachdenken können. Dort heißt es: „Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist so lange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“ Überlegen Sie bitte mal, was Sie tun, indem Sie sich hier hinstellen, nicht nur Lothar König beschädigen, sondern all jene, die immer wieder aufstehen, und übrigens diesen Preis, und Sie beschädigen - und das gehört für die CDU genauso dazu, die eben applaudiert hat bei den unterirdischen Ausführungen von Herrn Barth - die Ministerin.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das finde ich schon ein starkes Stück, wie die CDU-Fraktion als eine der regierungstragenden Fraktionen es dem Innenpolitiker durchgehen lassen kann, dass die Ministerin beschädigt wird. Mal abgesehen davon finden wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Preis, die Entscheidung der Ministerin als richtig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir finden es richtig, dass die Lebensleistung eines streitbaren Kämpfers für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte und Freiheit, liebe

(Abg. Marx)

FDP, an Lothar König geht. Wir finden es richtig. Herr Barth, wenn Sie sich mal ansehen wollen, wie es ist, wenn Lothar König und andere sich für unsere Demokratie einsetzen, gerade bevor Sie so unterirdische Reden halten, Ihre Fraktion und Sie persönlich habe ich am Samstag in Kahla nicht gesehen. Chapeau vor Herrn Fiedler, der dort wenigstens eine mutige Rede gehalten hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich wünschte, Sie würden sich mal ein Bild davon machen, wie es aussieht, wenn tatsächlich diese Demonstrationen stattfinden, wenn Menschen sich für unsere Demokratie verwenden in vielen Orten Thüringens. Es geht mir darum, es geht uns darum, dass Sie als FDP offensichtlich nicht akzeptieren, dass es verschiedene Formen gibt, sich auszuleben, wenn es darum geht, unsere Demokratie zu verteidigen,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wo waren Sie eigentlich bei der Auszeichnung der Schüler in der Staatskanzlei?)

weil sie ganz offensichtlich nicht Ihren Wertekanon in Erinnerung halten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Lesen Sie einfach noch mal in Ihrem Grundsatzprogramm, dann können wir noch mal reden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Landesregierung Frau Ministerin Taubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, erlauben Sie mir, zunächst darauf hinzuweisen, dass der Thüringer Demokratiepreis ein Preis des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit ist, der im Rahmen des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit ausgelobt wurde.

Sie fragen in Ihrem Antrag nach den Kriterien für die Verleihung des Preises. Ich möchte sie Ihnen gern zusammenfassend noch mal erläutern, wenngleich ich aus der Rede entnommen habe, dass Sie Ihnen bekannt sind.

Der Demokratiepreis geht auf eine Initiative der Akteure des Landesprogramms, insbesondere aus dem Kreis der Bürgerbündnisse im Herbst des Jahres 2012 zurück. Nach zwei Jahren Arbeit im Landesprogramm sollte die engagierte und gute Arbeit der vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger der Kommunen und freien Träger in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gewürdigt

werden. Ziel ist es, diese Arbeit einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und damit die Arbeit im gesamten Land anzuregen und zu unterstützen.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das hätten Sie mal machen sollen.)

Zweifelsohne eine gute Idee freiheitlich Gesinnter und engagierter Bürger, die wir im TMSFG gern aufgegriffen haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nach dem Vorbild verschiedener Beispiele für Demokratiepreise anderer Bundesländer oder Stiftungen wurde ein Konzept erarbeitet und am 11. Dezember 2012 im Programmbeirat des Landesprogramms vorgestellt. Dem Programmbeirat gehören, das können Sie aus unseren Broschüren entnehmen, neben je einem Vertreter der Evangelischen Kirche, der Katholischen Kirche, der Jüdischen Landesgemeinde, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Verbandes der Wirtschaft Thüringens, des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen, des Thüringischen Landkreistages je auch ein Vertreter der Thüringer Ministerien und der Thüringer Staatskanzlei sowie je ein Vertreter der Bürgerbündnisse aus den vier Planungsregionen Thüringens an.

Einvernehmlich wurde dort die Berufung einer Jury aus Vertretern der Wissenschaft, der Medien, der Wirtschaft und der Bürgerbündnisse sowie des TMSFG vereinbart. Zur Mitarbeit in dieser Jury konnten wir den MDR-Landesfunkhausdirektor Werner Dieste, Herrn Matthias Quent von der Universität Jena und für die Thüringer Bürgerbündnisse Herrn Zeil und Frau Bach gewinnen. Die Jury wurde von mir als Ministerin geleitet.

Mit der offiziellen Auslobung des Preises im Februar 2013 sind die Kriterien für die Auswahl der Preisträger bekannt gegeben worden. Ich will sie hier gern noch einmal zusammenfassen: Zum Ersten besondere Erfolge, die in der Arbeit für eine demokratische und offene Alltagskultur erzielt wurden. Zum Zweiten, die Arbeit von Personen oder Projekten, die sich in einem besonders schwierigen Umfeld gegen Rechtsextremismus engagieren. Als dritter Punkt sind Personen und Projekte benannt, die auf ein langjähriges kontinuierliches Engagement im Themenfeld verweisen können. Und ein vierter Punkt ist die Umsetzung von innovativen bzw. kreativen Ideen in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus bzw. gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Und, das lassen Sie mich als persönliche Bemerkung hier auch sagen, dabei hatten wir nicht die Intention, Herr Scherer, so wie es hier angedeutet wurde, sondern es ging darum, tatsächlich zu schauen, können junge Leute zum Beispiel - wir haben ja auch einen Schülerpreis vergeben -, was können die für kreative Dinge anbringen,

(Abg. Siegesmund)