8 Mrd. € stehen bereit, das ist fast ein Jahreshaushalt unseres Landes, fast ein Jahreshaushalt Thüringens. Die Gesamtschäden sind trotzdem noch höher, Versicherungen kommen dazu, Spenden, natürlich auch private Mittel von Betroffenen, auch das gehört dazu, und es wird natürlich auch unwiederbringliche Verluste geben.
Ich will an dieser Stelle sagen, dass ich der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten ausdrücklich dankbar bin dafür, dass sie sich auch in dieser kurzen Zeit über diese enorme Summe so geeinigt haben, dass der Bund den Ländern auch erheblich entgegengekommen ist. Dafür zu danken, ist dies, glaube ich, auch die richtige Stelle und die richtige Zeit.
Weil die Bewältigung des Hochwassers eine gemeinsame Aufgabe ist, fände ich es auch ganz gut, wenn jetzt kein Wettlauf darum losgeht, wer denn nun der beste Retter ist. Vor diesem Hintergrund fand ich es zumindest ein bisschen befremdlich, dass die Kollegen von der SPD-Fraktion mit Klauen und Zähnen verhindert haben, dass die Verwendung der EFRE-Mittel in den gemeinsamen Antrag aufgenommen worden ist - ein Schelm, der Arges dabei denkt. Vielleicht ist es ja wichtig, dass der Wirtschaftsminister seine Mittel ungebunden für hübsche Auftritte verwenden kann. Die Frage stellt sich ebenso wie die Frage, warum man eine große gemeinsame Erklärung braucht und den Unternehmen die Anträge nicht einfach schickt und ihnen erklärt, warum es denn Sonderausgaben von blauen Heftchen geben muss. All das gehört auch dazu.
Ja, da können Sie stöhnen, aber es gehört dazu, es ist nun mal Wahlkampf und das merkt man an solchen Stellen eben auch.
(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär: Das machen Sie jetzt, Wahlkampf, wir erklä- ren den Leuten... Fluthilfe stellt …)
Einen kleinen Moment bitte, wir sind in der Aussprache zur Regierungserklärung, der Abgeordnete Barth hat das Wort und ich bitte...
Und Sie haben nichts zu kommentieren. Ich möchte jetzt darauf hinweisen, dass die Debatte bisher in außerordentlicher Sachlichkeit verlaufen ist, und bitte darum, dass das so weiter gehandhabt wird.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. 8 Mrd. €, meine Damen und Herren, das ist eine gewaltige Summe und ich finde, da darf man durchaus mal zwei Tage auch darüber streiten, wo die herkommen. Den einen oder anderen Kommentar in dem Zusammenhang habe ich dann wiederum nicht verstanden. Es geht um viel Geld und ich finde vor allem gut, woher es nicht kommt, nämlich aus Steuererhöhungen. Das will ich sagen, das finde ich ausdrücklich gut.
Es gab ja solche Ansätze, es gab einen Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen, die Körperschaftssteuer zu erhöhen, es gab einen Vorschlag aus SachsenAnhalt, den Soli zu erhöhen. Das hätte, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem dazu geführt, dass sich die Betroffenen ihre Hilfe sozusagen selbst finanzieren, und das, glaube ich, kann in dem Zusammenhang nicht gewollt sein.
Der Kollege Mohring hat auf die Frage der Neuverschuldung hingewiesen. Ich will mich dem ausdrücklich anschließen. Wir hatten ja hier auch schon die Debatte um die Schuldenbremse, die natürlich für solche außergewöhnlichen Fälle ausdrücklich auch Ausnahmen vorsieht, auch vorsehen muss, aber das darf natürlich nicht dazu führen, dass man das dann sozusagen als Blankoscheck
begreift und die Neuverschuldung dann unnötigerweise gegebenenfalls auch in die Höhe treibt. Wir haben die höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte unseres Landes, wir haben viel Geld. Deswegen finde ich es gut, dass es weitestgehend gelingt, hoffentlich auch im Bund, diese Mittel ohne Neuverschuldung aufzubringen. Das gilt auch für Thüringen. Wir müssen ja in die Sofortprogramme immerhin auch 20 Mio. € eingeben, damit wir dann auch auf die Gesamtsumme von 40 Mio. €, die ja 50:50 durch Bund und Land finanziert wird, kommen. Dazu kommt natürlich, dass wir 5 bis 6 Mio. € über 20 Jahre aus den Bund-Länder-Programmen abfinanzieren. Das ist auch viel Geld für ein kleines Land. Wenn man sich mal überlegt - das klang vorhin auch schon an -, über 20 Jahre, das ist dann 2033. Dann zahlen wir das letzte Geld voraussichtlich aus dem Fonds, der jetzt aufgelegt wird, ab. 2033, dann kann ja jeder für sich mal überlegen, wie alt er dann ist. Mit Blick nach oben, da oben sitzen auch ein paar junge Leute, ihr seid dann so alt wie viele von denen, die ihr heute als alte Leute betrachtet, dann werden wir immer noch an dem bezahlen, was wir für die Bewältigung dieses Hochwassers aufbringen müssen. Diese Zahlen zeigen aber auch, Frau Ministerpräsidentin - da komme ich auf einen Punkt, den Sie vorgeschlagen haben -, nämlich die finanzielle Vorsorge, den Fonds vor dem Hochwasser aufzulegen. Das zeigt auch, dass das eine ganz enorme Herausforderung wäre, wenn man das täte, denn mit dem Fonds, in den wir vielleicht 5 Mio. € jedes Jahr einzahlen für das Land, haben wir in 20 Jahren 100 Mio. €. Bei einem möglichen Schaden, der doch eher in Richtung 1 Mrd. € tendiert, sieht man auch, dass auch dieser Fonds natürlich - wenn - dann nur einen sehr geringen Teil wird abfangen können. Ich fürchte, das klingt jetzt in dieser Stunde einfacher, als es sich dann machen lässt.
Ich will auch ausdrücklich sagen, dass ich es für angezeigt und für richtig hielte, die Mittel, die wir in Thüringen frei machen, jetzt auch für die Soforthilfe im Rahmen eines Nachtragshaushalts offenzulegen, auch demokratisch zu legitimieren gerade wegen der ja vorhandenen großen Gemeinsamkeit, wegen der Bereitschaft, auf eigenes Geld zu verzichten und einen Beitrag zur Bewältigung der Flut zu leisten, in einem Nachtragshaushalt einfach klarzumachen, wo kommt das Geld her, dass jeder, der jetzt möglicherweise weniger Geld aus irgendeinem Förderprogramm oder ähnlichen Dingen bekommt, weiß, das ist mein Beitrag zur Bewältigung der Flut. Dafür würde ich einen Nachtragshaushalt für richtig halten.
An dieser Stelle vielleicht auch ins Pflichtenheft, ins Aufgabenheft für die nächsten Jahre - Kollege
Mohring hatte darauf hingewiesen, dass die Kommunen auch deshalb Hilfe brauchen, weil viele Kommunen noch keinen beschlossenen Haushalt haben. Auch dem Gedanken sollten wir uns stellen. Es muss einen Grund geben, warum Kommunen Mitte des Jahres, am 20. Juni, noch keinen beschlossenen Haushalt haben.
Da kann jeder mal seine Bürgermeister fragen, soweit vorhanden, inwieweit da vielleicht auch Umgang miteinander, Regelungen im KFA ursächlich dafür sind, dass so eine Situation eintritt.
Vor Naturkatastrophen, meine Damen und Herren, gibt es keine absolute Sicherheit, das ist völlig klar. Niemand kann so etwas verhindern. Das hat es in der Geschichte immer gegeben und das wird es auch immer geben. Natürlich tragen wir, trägt die Gesellschaft dazu bei, dass sich die Auswirkungen solcher Ereignisse verändern, Stichwort Flächenversiegelung. Wir verändern natürlich mit der Landschaft auch den Verlauf solcher Ereignisse. Das ist ganz klar. Auch das ist grundsätzlich nicht zu ändern und auch die Eingriffe sind grundsätzlich nicht in jedem Fall schlecht, aber wir müssen natürlich unsere Lehren daraus ziehen. Ich will nur ganz kurz anmerken, Kollege Ramelow hatte von 77 Hektar jeden Tag gesprochen, das sind 770.000 m², nicht 280 Mio., wenn ich das richtig verstanden habe, aber egal, es sind natürlich riesige Flächen und wir müssen uns Gedanken machen, wie diese
- ach, das war aufs Jahr hochgerechnet, danke, okay, dann mag das stimmen - Flächenversiegelung dann entsprechend verringert werden kann bzw. ihre Auswirkungen.
Hochwasserschutzmaßnahmen gehören zur Daseinsvorsorge. Ich finde den Satz der Ministerpräsidentin, dass die Interessen des Einzelnen nicht über den Interessen der Allgemeinheit stehen dürfen, in diesem Zusammenhang sehr richtig. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass gelegentlich das Fortpflanzungsverhalten von Grabwespen oder auch das Wohlbefinden von Fledermäusen Angelegenheit von größtem öffentlichen Interesse sind, gelegentlich sogar nationale Angelegenheiten, jedenfalls wenn man die Berichterstattung dazu verfolgt.
Ob Dinge wie Verbandsklagerecht und andere Sachen dann immer zu den richtigen Abwägungen führen, auch diese Frage haben wir in der Vergangenheit schon gelegentlich diskutiert. Diese Fragen stehen erneut vor uns. Wenn das Wasser weg ist, meine Damen und Herren, wenn nur noch die Betroffenen mit den Auswirkungen zu kämpfen haben, nur noch die Betroffenen die Auswirkungen jeden
Tag sehen, dann schlägt die Stunde der Wahrheit auch für unseren Umgang mit Bürgerinitiativen, mit Naturschutz und anderen Verbänden. Jetzt ist der Eindruck frisch, jetzt sind die Erkenntnisse schnell gesprochen, aber wir schauen mal, was passiert, wenn die ersten Bäume für einen neuen Deich gefällt werden sollen.
Aus der Vergangenheit gibt es da Beispiele. Als der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander von der FDP vor einigen Jahren einen Deich entbuschen ließ, da sprach die rot-grüne Opposition im niedersächsischen Landtag von einem Tobsuchtsanfall des Ministers gegen den Naturschutz. Heute wissen wir, dass es richtig und notwendig war. Die damalige niedersächsische Landesregierung hat geholfen, während die Opposition eben andere Güterabwägungen getroffen hat.
Der Leiter der Landestalsperrenverwaltung aus Sachsen, Herr Bobbe, wird im Focus mit folgenden Sätzen zitiert: „Grüne Kommunal- und Landespolitiker sowie Umweltverbände wie die Grüne Liga in Sachsen machen gegen den technischen Hochwasserschutz (Deiche, Mauern, Schutzwände) mobil. Sie lehnen Hochwasserschutzwälle in DresdenCossebaude und in Gohlis ab und verzögern Flutschutzmauern wie in Wilkau-Haßlau im Erzgebirge oder in Grimma an der Mulde. Die Barockstadt wurde nach 2002 jetzt wieder überflutet, nur weil es einen jahrelangen Kampf gegen die Schutzmauer gab. Uns standen zwei kräftige Bürgerinitiativen mit großen Transparenten gegenüber, die uns fast gesteinigt hätten.“ So weit Herr Bobbe.
Aber auch andere Abwägungen kommen auf uns zu, meine sehr verehrten Damen und Herren. Heute vor genau einem Jahr, am 20.06.2012, haben wir hier im Hohen Haus eine Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE beraten. Der Titel war „Festsetzung von Überschwemmungsgebieten durch Thüringer Behörden auf Grundlage des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes und ihre unmittelbaren Auswirkungen am Beispiel der Hohenwartetalsperre und der Plothener Teiche“.
Das ist heute genau ein Jahr her. Ich rege an, die Redebeiträge noch mal zu lesen. Da finden sich durchaus bemerkenswerte Sätze. Der Kollege Kummer, der damals gesagt hat, man solle die Menschen nicht vertreiben, sondern mit dem Problem leben. Die Leute dort haben jetzt mit dem Problem gelebt. Die Häuser standen im Wasser. Der Schaden ist nun eingetreten. Probleme an den Zuläufen der Talsperre wirken sich aus, entweder am Ufer oder am Ablauf. So ist das nun mal.
Wenn Kollege Ramelow letzte Woche gesagt hat, man müsse sich schon fragen, ob jedes Gartenhäuschen an seinem bisherigen Platz wieder aufgebaut werden könne, wenn es in einem Flutgebiet steht, dann will ich den Beispielcharakter mal überschreiben mit „Hohenwarte ist überall“, und mal sehen, wie nachhaltig diese, wie ich finde, durchaus richtige Erkenntnis von Kollegen Ramelow dann auch ist.
Wir müssen an dieser Stelle ehrlich sein, meine Damen und Herren. Es nützt nichts, wenn wir hier im Landtag die großen weltpolitischen Erkenntnisse vortragen und dann vor Ort mit Bürgerinitiativen und Verbänden entsprechend gemeinsam die Umsetzung dieser Erkenntnisse im Einzelfall verhindern.
Ich begrüße ausdrücklich den Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler, der sagt, dass ein Gesetz zur Beschleunigung des Hochwasserschutzes auf den Weg gebracht werden muss, um die Fristen für den Bau von Deichen und anderen Hochwasserschutzmaßnahmen signifikant zu verkürzen. Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt unterstützen das. Ich habe auch die Ministerpräsidentin in ihrer Rede zumindest so verstanden, dass auch sie dies tut, weil, meine Damen und Herren, Deichbau bleibt wichtig. Hochwasserschutz ist eine Kombination von mehreren Handlungsfeldern und wird es auch bleiben. Wir müssen den natürlichen Rückhalt verbessern, das ist das eine, aber es gehören auch der technische Hochwasserschutz dazu und natürlich die Vorsorge. Dieser Dreiklang, um mal die blumig pastorale Sprache zu verwenden, die hier manchmal Einzug hält, der ist es, der uns am Ende dann vielleicht die größte Gewähr bietet, dass wir mit solchen Ereignissen ordentlich und erfolgreich umgehen können.
Wir haben sicherlich noch Spielraum, was Retentionsflächen betrifft, da ist sicherlich in Thüringen auch noch ein bisschen Luft nach oben, aber wir haben nun mal vorwiegend die Oberläufe der Flüsse. Und an den Oberläufen von Flüssen sind die nicht nur schmaler und führen weniger Wasser, das ist auch häufig im Gebirge, und deswegen sind eben ebene Flächen, die als Retentionsflächen genutzt werden können an den Ufern, entsprechend seltener. Es führen also auch natürliche Gegebenheiten gelegentlich dazu, dass die Probleme erst weiter unten auftreten. Das hat nichts mit Verschieben zu tun, aber zeigt natürlich trotzdem, wie wichtig Abstimmungen sind. Dieser Punkt trifft ausdrücklich meine Unterstützung, Frau Ministerpräsidentin.
Deshalb ist unsere Überlegung, dass wir, wenn es heißt, dem natürlichen Hochwasserschutz Priorität einzuräumen, dass das auf jeden Fall nicht so weit gehen darf, dass wir jetzt jeden Deich infrage stellen, dass wir jeden Deich abreißen oder nach hinten versetzen, sondern dass wir überlegen, welche, auch landwirtschaftlich genutzten Flächen kann man für diese seltenen Hochwasserereignisse, 50oder 100-jährige Hochwasserereignisse, als Überflutungsflächen nutzen, aber eben nur für diese, und für die jährlichen Hochwasser eben entsprechend mit Deichen schützen. Denn zum einen brauchen wir die Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und zum anderen kann es auch nicht im Sinne des Landeshaushalts sein, wenn wir den Landwirten dann jedes Jahr eine Entschädigung zahlen müssen für eine solche Überschwemmung und die damit verbundenen Schäden. Also die Deiche, meine Damen und Herren, müssen wir auch künftig pflegen und in gutem Zustand erhalten.