Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

(Beifall CDU)

Ich hätte mir eine Evaluierung gewünscht, gebe ich ehrlich zu, die CDU war nicht dazu bereit, muss man in einer Koalition zur Kenntnis nehmen. Aber der Koalition parteiliche Geschichtspolitik vorzuwerfen, das ist aus Ihrem Mund ein starker Hammer, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Das ist richtig.)

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, der scharf kritisierte § 3 Abs. 6, der die Aufgaben der Landesbeauftragten beschrieb, wurde vollständig überarbeitet. Es wird nicht mehr von Kooperation und Koordination der Landesbeauftragten mit den Opferverbänden und Haftgedenkstätten gesprochen, eine Formulierung, die sehr wohl zu Fehlinterpretationen geführt hat. Der „Thüringer Geschichtsverbund - Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ wird nunmehr explizit im Gesetzestext erwähnt, auch als Ausdruck unserer besonderen Wertschätzung seiner bisher geleisteten Arbeit. Darauf wollen und werden wir natürlich nicht verzichten.

(Beifall CDU)

Die Nebentätigkeiten des Landesbeauftragten sind im Gesetzentwurf genehmigungspflichtig durch den Landtagspräsidenten/die Landtagspräsidentin und nicht mehr verboten. Hier ist uns das Beispiel Lutz Rathenow vor Augen geführt worden, der Schriftsteller ist, und wenn in Thüringen ein ähnlicher Fall wäre, könnte er nicht mehr publizieren. Das, denke ich, können wir alle nicht wollen.

Die Berichtspflicht soll auf Anregung der brandenburgischen Aufarbeitungsbeauftragten statt jährlich nur noch alle zwei Jahre erfolgen, vorausgesetzt der Landtag verlangt keinen früheren Bericht. Als wesentliche Änderung im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzentwurf wird es zukünftig einen Beirat beim Bundesbeauftragten geben und dieser wird durch den Landesbeauftragten einberufen. Der Beirat soll bis zu sieben Mitglieder haben, mindestens fünf sind festgeschrieben, ein Vertreter des Geschichtsverbundes Thüringen, Thüringer Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, ein

Vertreter der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung, ein Vertreter der Stiftung Ettersberg „Europäische Diktaturforschung, Aufarbeitung der SED-Diktatur, Gedenkstätte Andreasstraße“ und ein Vertreter des Thüringer Hauptarchivs. Die Institutionen können ihren Vertreter wählen, ich weiß nicht, was Sie erzählen, Herr Blechschmidt, sie können ihn wählen, ihn auswählen. Wir haben nur festgeschrieben, was für uns absolut notwendig ist, was dazugehört. Die Institutionen können aus ihren Reihen einen auswählen. Nichts anderes haben wir beschrieben.

Meine Damen und Herren, es liegt ausschließlich in der Hand des Landesbeauftragten, ob er dann weitere drei Vertreter benennt. Der Beirat ist ein beratendes Gremium. Damit wird sichergestellt, dass die wichtigsten Kompetenzträger der Aufarbeitungs- und Opferangelegenheiten auch in diesem Kontext vernetzt bleiben.

Der Geschichtsverbund Thüringen als der Dachverband, der mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen befassten Einrichtungen, Initiativen, Opferverbände, die Landeszentrale für politische Bildung, ich habe es genannt, Hauptarchiv, das sind sicher Dinge, die notwendig sind, die können wir stützen, auch das Hauptarchiv, gerade bei der Erschließung von Aktenbeständen. So ist das gedacht und das halte ich für wichtig und notwendig. Das wird eine völlig neue Zusammenarbeit bringen und ich verstehe manchmal auch die Aufregung, auch bei der Anhörung, aber, meine Damen und Herren, Sie dürfen nicht vergessen, die ganze Diskussion wird geführt vor der Folie der jetzigen Landesbeauftragten. Das wollen wir mal zur Kenntnis nehmen und dann relativiert sich vieles.

Meine Damen und Herren, der Beirat soll den Landesbeauftragten beraten und diesen unterrichten bei grundsätzlichen Angelegenheiten. Letztlich und davon bin ich überzeugt - kommt es darauf an, wie der oder die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur das Amt führt. Das wird die entscheidende Frage sein, wie er mit dem Beirat, den Opferverbänden, Haftgedenkstätten, dem Thüringer Geschichtsverbund in Gänze, der Presse und Öffentlichkeit im Allgemeinen, den Betroffenen im Besonderen zusammenarbeitet.

Viele Betroffene leiden heute an einer posttraumatischen Verbitterungsstörung, wie Psychologen sagen. Das ist eine Reaktion auf 20 Jahre, in denen für die jeweiligen Betroffenen entscheidende Dinge nicht geklärt werden konnten. Bei vielen ist der persönliche Umgang mit der Vergangenheit nicht gut gelaufen, vor allem leider auch von denen, die zu DDR-Zeiten benachteiligt wurden. Ihnen soll und muss der neue Aufarbeitungsbeauftragte seine ganze Kraft widmen. Lösen wir uns also von alten Vorstellungen im Kopf und geben wir dem oder der neuen Landesbeauftragten eine Chance. Ich bin je

denfalls gespannt und freue mich auf den Nachfolger/die Nachfolgerin von Frau Neubert, den wir bald hier im Plenum wählen werden.

Meine Damen und Herren, von Jürgen Fuchs stammen die Worte: „Nichts stellt sich von allein ein und ist für alle Male gegeben. Das Humane muss sich behaupten und in Gegenwehr durchsetzen oder neu begründen, wo es verloren gegangen ist. Zukunft braucht humane Kompetenz und wir gewinnen die Zukunft nicht ohne die Arbeit an der Vergangenheit.“ Wir haben in Thüringen, das sage ich klar und eindeutig, eine beispielhafte Aufarbeitungslandschaft, die sich diese Aufgabe stellt, ein Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf haben wir die Rahmenbedingungen dafür grundgelegt. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu diesem Gesetz. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Döring. Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, immerhin ist eine Ministerin auch anwesend bei dieser doch sehr wichtigen Debatte. Das spricht hoffentlich nicht für das Desinteresse des gesamten Kabinetts an diesem Thema.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Doch.)

Ich muss meine Rede in zwei Teile teilen. Ich hoffe da auf Ihr Verständnis, weil wir in der Tat einmal eine formale Seite zu betrachten haben und einmal den Inhalt. Ich möchte das sehr bewusst trennen, weil ich glaube, dass wir uns in der Tat in gewisser Weise bekennen müssen zu dem, was wir wollen, aber trotzdem auch parlamentarische Gepflogenheiten nicht aus dem Blick verlieren sollten.

Ich habe verstanden, dass offenkundig ganz bewusst eines wiederholt werden sollte: Die Einbringung des Gesetzentwurfs geschah ja auch ein wenig übers Knie gebrochen, um das vorsichtig zu formulieren,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sehr vor- sichtig.)

damit man den 9. November als prestigeträchtiges Datum genau für diesen nutzen kann. Auf der Strecke blieb damals für die erste Einreichung des Gesetzentwurfs das Gespräch mit sämtlichen Be

troffenen, mit den hier benannten Initiativen und das hat man leider auch gemerkt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn der damals vorgelegte Gesetzentwurf war in der Tat, vorsichtig formuliert, dürftig. Er war eigentlich ein Armutszeugnis. Hätte man vorher das Gespräch gesucht und sich mehr Zeit genommen, hätte man vermutlich gleich einen besseren Text vorlegen können.

Hans-Jürgen Döring hat deutlich gemacht, warum wir unbedingt heute über diesen Gesetzentwurf erneut beraten müssen. Der 17. Juni war es offenkundig, der die Koalition abgehalten hat, auf eine vernünftige Beratung in zwei mitberatenden Ausschüssen zu setzen, was ich außerordentlich bedauere. Wir haben bei der ersten Beratung hier festgelegt, dass nicht nur der Justizausschuss zu diesem wichtigen Gesetz berät, natürlich auch die Anhörung vernünftig auswertet, sondern auch der Bildungsausschuss und der Sozialausschuss.

Wie Sie alle wissen, haben wir am Mittwoch früh eine Einladung erhalten für die Sitzung des Bildungsausschusses um 13.30 Uhr, bekanntermaßen begann hier um 14.00 Uhr die Plenarsitzung. In dieser Sitzung am Mittwoch um 13.30 Uhr haben wir zum allerersten Mal diesen Gesetzentwurf überhaupt auf der Tagesordnung gehabt im Bildungsausschuss und das ist aus meiner Sicht kein ernsthafter Umgang mit diesem Thema.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir sehr gewünscht, dass wir uns auch einmal im Bildungsausschuss mit den Stellungnahmen hätten vertraut machen können und auch mit den erfolgten Änderungen.

Jetzt zu dem nun vorliegenden Gesetz: Ich mache es einmal plastisch, wir haben uns die Mühe gemacht, das mal nebeneinander zu legen. Sie sehen: Das ist der Ursprungstext und das ist der neue Text und an der Zusammenfügung sieht man, dass es eigentlich ein in der Tat neues Gesetz ist, was Sie uns hier vorgelegt haben. Das macht es, finde ich, heute auch so schwer, aber auch notwendig in der Sache und in der Form zu unterscheiden. Denn das, was jetzt inhaltlich auf dem Tisch liegt, ist aus meiner Sicht durchaus nicht nur mehrheitsfähig, sondern auch zustimmungswürdig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will das auch begründen, warum das aus unserer Sicht so ist. Die fehlende Einbindung der Aufarbeitungsinitiativen und der Opferverbände im Vorfeld der Gesetzeserarbeitung erfolgte nunmehr immerhin mit einer schriftlichen Anhörung. Ich sage ganz offen, eine mündliche Anhörung wäre sicher angemessener und eine noch günstigere Konstellation gewesen, weil dann auch die Augenhöhe noch einmal anders gewahrt worden wäre.

(Abg. Döring)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, warum es keine mündliche Anhörung gegeben hat. Die schriftliche Anhörung wurde noch ergänzt von einer Online-Diskussion; auch ich habe mich an dieser beteiligt. Es sind viele wichtige und gute Kommentare und Anmerkungen und konkrete Veränderungswünsche sowohl in der schriftlichen Anhörung als auch im Forum deutlich gemacht worden. Ich habe mir diese von meinem Kollegen aus dem Justizausschuss auch zukommen lassen, denn als Mitglied des Bildungsausschusses habe ich diese ja nicht einmal erhalten, die Ergebnisse der Anhörung. Das finde ich ehrlich gesagt auch problematisch. Aber wenn ich mir die Ergebnisse der Anhörung anschaue - und da, lieber Herr Blechschmidt, muss ich Ihnen widersprechen - und mir dann das Gesetz vornehme, dann passen diese natürlich nicht mehr zueinander, weil sich diese Anhörung auf den ursprünglichen Gesetzentwurf bezog und nicht auf das, was jetzt vorliegt. Deshalb greift die Kritik an der Stelle, das muss man schlichtweg anerkennen, ins Leere. Man kann nicht Stellungnahmen zu einem ursprünglichen Gesetzentwurf, der elementar von dem jetzigen Gesetzentwurf abweicht

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Elementar?)

- er weicht elementar ab, lieber André Blechschmidt, ich komme da gleich noch darauf zu sprechen -, dazu nutzen, um hier eine Ablehnung zu begründen, die ich nicht nachvollziehen kann. Das muss ich ganz offen sagen.

Die Frage vor dem Respekt des Parlaments habe ich unter Formalia schon benannt. Ein breit getragenes Gesetz wurde damit erschwert und ich sage auch ganz offen, es wurde damit leider auch der Linksfraktion leicht gemacht, jetzt hier ihre Ablehnung vorzutragen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das hätte ich mir anders gewünscht. Das sage ich in aller Deutlichkeit. Jetzt zu den Änderungswünschen, die aufgegriffen wurden. Es wurde nicht nur der Titel geändert und, lieber Hans-Jürgen Döring, da geht es mir nicht so, dass ich da leidenschaftslos wäre, ob ich von DDR- oder SED-Diktatur spreche. Ich meine schon, dass wir präzise sein müssen und SED-Diktatur ist der präzise Begriff, denn die SED war es, die für das verantwortlich ist,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was in der DDR an Menschenverachtung, aber auch an tagtäglicher Politik und Repression stattgefunden hat. Deswegen ist es nicht belanglos, ob man dort SED-Diktatur schreibt. Richtig ist auch, dass das Ziel des Gesetzes nunmehr, man kann es sagen, richtig definiert ist, jedenfalls so, dass wir es auch gut mittragen können. Die Schwerpunktthe

men sind beschrieben. Die politisch-historische Bildung in diesem Gesetzentwurf zu integrieren, glaube ich, können wir auch nur begrüßen, weil wir uns alle wünschen sollten, dass politisch-historische Bildung im Prinzip überall stattfindet und von allen Seiten auch gestärkt und gestützt wird.

(Beifall SPD)

Es kann nur gut sein, wenn dies auch vonseiten der oder des Beauftragten passiert und insofern ist auch das aus unserer Sicht völlig richtig. Die psychosoziale Betreuung ist insbesondere von den Opferverbänden angemahnt worden. Auch diese ist aufgegriffen worden, findet ihren Stellenwert in der jetzigen Vorlage. Die Zusammenarbeit mit dem Thüringer Geschichtsverbund, das war einer der ganz großen Kritikpunkte im Vorfeld, da gab es Befürchtungen, es würde hier ein Geschichtskombinat oder Ähnliches übergestülpt, was dann die Initiativen auch noch koordinieren und lenken soll, all das wurde aus dem Gesetzentwurf herausgenommen. Vielmehr hat jetzt Einzug gehalten eine Zusammenarbeit, wie ich es lese, auf Augenhöhe, da der Geschichtsverbund als Kooperationspartner aufgenommen wurde. Wenn ich mir nun den Beirat anschaue, auch dieser ist eingeführt worden und das ist gut und richtig so, dann erkenne ich: Hier sind vier Positionen von sieben möglichen Plätzen bereits beschrieben worden, mit wem diese besetzt sein sollen. Ich sehe überhaupt nicht das Problem, dass selbstverständlich, da muss man dann immer mit dem oder der Beauftragten sprechen, auch die Forschung noch stärker berücksichtigt werden könnte. Es sind ja drei weitere Plätze, die hier benannt werden können. So ein Beirat kann auch nur gut sein, und zwar für jede und jeden Beauftragten.

Die wissenschaftliche Begleitung auch über die Landeszentrale für politische Bildung, die Einbeziehung der Stiftung Ettersberg, die Einbeziehung der Verbände, all das enthält der Gesetzentwurf nun und ich habe mir wirklich viel Mühe gegeben und die Gesetzentwürfe sehr genau abgeglichen. Die vorgeworfenen Doppelstrukturen hingegen kann ich darin mitnichten erkennen.

(Beifall CDU)

Vielmehr sehe ich, dass hier Aufgaben beschrieben sind, die in der Tat nicht nur einseitig abgeleistet werden können, sondern die eine breite Unterstützung brauchen und auch das ist mit dem Gesetz an dieser Stelle gegeben. Politisch-historische Bildung, so ist es hier benannt worden in diesem Rahmen, glaube ich, ist manchmal viel zu kurz gekommen. Auch unter der bisherigen Beauftragten, das will ich so deutlich sagen, aber auch das kann sich ändern und bessern und das ist gut und wichtig, dass wir das jetzt auch in einem schlüssigen Rahmen in diesem Gesetz wiederfinden. Was mir eben doch sehr stark aufgestoßen ist, und ich habe es mir mitgeschrieben, lieber André Blechschmidt, ist der Vor

wurf, es würde hier ein Werkzeug der staatlichen Geschichtspolitik entstehen. Ich kann das, ehrlich gesagt, nicht erkennen, weil ich einen großen Unterschied sehe zwischen der zunächst vorgesehenen Koordinierung, die beschrieben war und die zu Recht als Geschichtskombinat oder Lenkung von oben begriffen wurde, und der Zusammenarbeit, dem Miteinander so wie wir es jetzt im Text wiederfinden. Hier hat sich auch der Geist des Gesetzes, meine ich, grundlegend geändert.