Danke schön, Herr Minister. Durch die Länge der Redezeit des Herrn Ministers haben wir neue Redezeiten für die Fraktionen. Ich will sie ansagen: Für die Fraktion der CDU, weil sie noch Restredezeit hatte, noch 4:20 Minuten und für die übrigen Fraktionen jeweils 3:30 Minuten.
Ich frage nun: Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe Herrn Emde und Frau Hitzing. Bitte schön, Herr Emde.
Danke für die Gelegenheit, noch einmal zu erwidern. Zunächst einmal zu Frau Rothe-Beinlich: Ich habe ja gehört die Aussage von Ihnen, dass Kinder aussortiert wurden. Zunächst frage ich mich mal, wo Sie überhaupt diese Kampfvokabel hernehmen. Die würde ich mir nicht zu eigen machen. Ich will nur einmal ein Zitat aus dem Chat der Fernsehsendung vom vergangenen Montag vortragen. Dort steht: „Ich habe mein Kind noch nie so sehr als normal empfunden wie an dieser tollen Förderschule.“ Sie werden es immer wieder erleben, dass Eltern und Kinder sehr dankbar sind, dass sie diesen Förderort und diesen Lernort Förderschule haben. Wir werden uns ganz stark dafür einsetzen, dass das uns auch erhalten bleibt.
Deswegen noch einmal ganz klar: Es muss auch an den Förderzentren möglich sein, dass es ein Lernort ist und nicht nur ein virtuelles Zentrum.
Herr Minister, wir sind uns einig, wenn es für ein Kind gut ist, dass es nur temporär an diesem Förderzentrum beschult wird, dann ist das gut und richtig. Aber ich sage, es muss auch möglich sein, dass ein Kind die gesamte Schullaufbahn dort verbringt oder für längere Zeit verweilt.
Das brauchen die Kinder und das braucht auch das Förderzentrum, um seine Kompetenz dauerhaft zu erhalten. Wenn dann von der Expertin des Ministeriums, von Frau Vernooij, in der Presse das Zitat zu lesen ist „maximal zwei Jahre“, dann frage ich mich: Was wird in diesem Kultusministerium gedacht und wie wird gehandelt?
Zu der Frage von Geld: Also ich sehe ja Schule immer erst einmal so, dass ich sage, das, was pädagogisch richtig und wichtig ist, das muss man auch versuchen an Geld zur Verfügung zu stellen. Da ist ganz klar, es gibt kein deutsches Flächenland so viel Geld aus pro Schüler wie wir in Thüringen, und das seit Jahren,
egal, ob nun schwarze Regierung oder rot-schwarze Regierung. Das haben wir immer so getan. Aber als Staatssekretär Merten hier in diesem Parlament über den GU sprach, da wurde am Anfang davon gesprochen, dass GU gar nicht mehr Geld kostet. Da bin ich froh, dass wir dort jetzt einen Schritt weiter sind und etwas ehrlicher die Debatte führen.
Herr Matschie, ich würde das Wort „scheinheilig“ nicht so in den Mund nehmen gegenüber Kollegen. Ich glaube nicht, dass es scheinheilig ist, wenn wir fragen: Was braucht es mehr an Geld, wofür braucht es mehr an Geld, wann muss es zur Verfügung stehen und ist es wirklich notwendig, um bessere Ergebnisse zu erzielen? Diese Fragen müssen beantwortet werden und die sind eben auch zu stellen in der Realpolitik, denn wir sind hier nicht bei Wünsch-dir-Was.
Zu dem Thema der Statistik von Förderschülern und Gutachten als Quote: Ich kann nur sagen, wenn der GU jetzt weniger geworden ist als damals, muss ich auch sagen, wir haben auch deutlich weniger Gutachten mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wenn es eben so ist, dass keine Gut
Zu dem Zitat, dass man heute leichter auf ein Gymnasium kommt als auf eine Förderschule, kann ich nur sagen, das ist nicht mein Zitat, sondern es ist von Herrn Voigt, dem Landeselternsprecher, übernommen worden. Wenn die Eltern zu solchen Eindrücken kommen, dann hat es wohl sicherlich seinen Grund. Lassen Sie mich ruhig in diese Runde sagen: Ich wäre ja froh, wenn wir keine ideologische Debatte zum Thema Bildungspolitik führen
müssten. Wer die Ideologiekeule in die Hand nimmt, dem kann ich nur sagen, so was kann gut als Bumerang zurückkommen.
Schlussendlich, Herr Matschie, Sie sagen, jetzt Tempo raus und Qualität rein. Das implizierte, dass vorher zu viel Tempo da war. Ich kann nur sagen: Lassen Sie auf diese Reden auch Handeln folgen! Vielleicht kann man auch dem SPD-Kultusminister in Mecklenburg, Herrn Brodkorb, folgen und das Agieren des TMBWK mal auf den Prüfstand stellen und dann ernsthaft diesem Slogan „Tempo raus, Qualität rein“ folgen. Dann sind wir wieder gemeinsam auf dem Weg des gemeinsamen Antrags und können Inklusion wirklich erfolgreich für alle Schüler in Thüringen umsetzen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, ich komme auch an der Stelle gleich auf den Punkt, „Qualität rein, Quantität raus“, also Tempo raus, Qualität rein. Bei all dem, was wir jetzt gehört haben, muss ich auch sagen, die Kultusbürokratie muss sich wahrscheinlich ein bisschen zurücknehmen, wenn es eben genau um das Thema geht, wie werden Kinder begutachtet oder werden sie nicht begutachtet. Man hat das Gefühl, das muss ich noch mal sagen, es ist ja das gesellschaftliche Gefühl, dass diese Harmonie, von der Sie hier sprechen, überhaupt nicht vorhanden ist. Sie sagen, es ist alles im Sinne der Kinder und es wird alles gut gemacht und wir kümmern uns um jeden einzelnen Fall. Aber die einzelnen Fälle, von denen wir hier gesprochen haben, scheinen da nicht dabei gewesen zu sein.
Wie gesagt, das gesellschaftliche Gefühl ist ein anderes als das, was Sie hier vermitteln. Ich möchte zum Thema der Quote sagen: Es ist natürlich auch rechnerisch relativ leicht, eine Quote zu verändern. Es gibt Bundesländer, da ist es so, die Schüler sind im Gemeinsamen Unterricht, beispielsweise Bremen, und gehen temporär in die Förderschule, die bleiben aber Schüler der Gemeinschaftsschule oder dort der Gesamtschule, sind also keine Förderschüler, sind es aber eigentlich doch, weil sie ja auch gefördert werden müssen nach dem Unterricht, und schon habe ich eine andere Quote. Da bin ich wieder an der Stelle: Wen interessiert eigentlich die Quote, wenn es dem Kind dabei nicht gut geht
Ein Punkt noch zum Thema Zeit: Wir sind der Auffassung, dass Inklusion, wenn sie gut funktionieren soll, natürlich Zeit braucht, dass da ganz viel Herzblut drinsteckt und dass die Schulen auch die Möglichkeit haben müssen, sich zu entwickeln. Es gibt unter anderem in Jena - Jena ist ja die Vorzeigeinsel für Thüringen - eine Schule in freier Trägerschaft, die Schule UniverSaale Jena. Die arbeiten seit 20 Jahren nach dem Modell - selbst entwickelt, eigenes Konzept - und dort ist es so, dass Inklusion, gemeinsames Lernen, funktioniert. Die haben aber in einer Klasse mindestens zwei Lehrer und noch eine betreuende weitere Kraft, also das gehört auch zur Wahrheit. Das, was hier im Moment gelaufen ist in den letzten Jahren, war einfach zu schnell, hat nicht funktioniert und jetzt sprachen Sie davon, dass Schüler temporär in Lerngruppen beschult werden können, in Förderschulen, und eventuell auch länger bleiben können, zumindest haben Sie genickt, als Herr Emde das eben eingefordert hat. In dem Entwicklungsplan geht es nur um temporäre Beschulung, die Worte „langfristige Beschulung“ sind nicht zu lesen. Das müsste dann auch noch mal geklärt werden, denn ich möchte eines ganz deutlich sagen, das allgemeine Bildungssystem, das hier von der UN-Behindertenrechtskonvention angesprochen wird, zu dem behinderten Kindern Zugang gewährt werden muss, heißt auch Förderschule. Die gehört ausdrücklich zum allgemeinen Bildungssystem dazu.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gesagt worden, von „ideologischer Debatte“ sollte man sich verabschieden. Herr Emde, da gebe ich Ihnen natürlich recht - hin zur sachlichen Fachdebatte. Allerdings höre ich neben ihren Bekundungen und Beteuerungen, für Inklusion zu sein, nur die Gründe, warum es nicht geht.
Von Ihnen höre ich immer nur, warum es nicht geht bzw. welche Grenzen es angeblich nach Ihrer Sicht geben würde. Kommen wir zusammen, im Ausschuss zum Beispiel, und reden wir über dieses Konzept, wie es am besten umzusetzen wäre.
Mein Vorschlag an dieser Stelle: Eine Selbstbefassung in einem der nächsten Bildungsausschüsse und damit könnte dieses Thema auf einen sachlichen Fuß, auf eine sachliche Grundlage gestellt werden und wir könnten entsprechend damit umgehen. Im Übrigen zeigt die Debatte auch, wie wichtig es gewesen wäre, dass ein Bericht vorab hier in diesem Parlament gegeben worden wäre zum Arbeitsstand zu diesem Konzept. So war es nämlich ursprünglich im gemeinsamen Antrag vorgesehen. Das ist bedauerlich, das können wir meinetwegen dann in diesem gemeinsamen Ausschuss bzw. in der Behandlung zu diesem Thema entsprechend nachholen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Chancengleichheit: Es hat vor Kurzem die Veröffentlichung des Chancenspiegels gegeben, der international Vergleiche angestellt hat, welche Chancen Schülerinnen und Schüler unter anderem aus Deutschland zur weiteren Entwicklung haben. Da wurde mit der Begründung und Blick und Verweis auf das derzeitig existierende Schulsystem darauf verwiesen, dass im internationalen Vergleich die Chancen von Schülerinnen und Schülern mit entsprechenden ungünstigen Voraussetzungen miserabel sind. Das sollten wir zum Anlass nehmen, um uns Gedanken darüber zu machen, was an diesem Schulsystem zu verändern ist, das nach vorn zeigt, das Schülerinnen und Schüler mit diesen ungünstigen Voraussetzungen optimale Möglichkeiten, optimale Chancen gibt. Da nützt uns keine Verweigerung, kein Veto in der Regierung um eine entsprechende Veröffentlichung eines Berichts weiter hinauszuzögern. Da hilft nur konstruktive Zusammenarbeit. Ich freue mich auf diese im Ausschuss. Vielen Dank.
Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Astrid RotheBeinlich. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon interessant, dass ich mir ausgerechnet von Herrn Emde Belehrungen dahin gehend anhören muss, wer hier Kampfvokabeln oder Kampfrhetorik verwendet.
Ich hatte vorhin erst auf die Tagung der CDU unter dem wegweisenden Titel „Inklusion als Sackgasse“ verwiesen. Insofern sollte man sich als CDU vielleicht ein bisschen zurückhalten. Ich denke, was uns in der Tat ausgezeichnet hat, war - und da war ich sehr froh vor einem Jahr -, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen wollten hin zu Inklusion auch im Thüringer Bildungswesen. Dass es da noch viele Hemmnisse gibt, das hat nicht zuletzt die Debatte jetzt und hier gezeigt. Ich kann ehrlich gesagt nicht verstehen, lieber Kollege Emde, dass Sie hier zweimal nach vorn gehen und zweimal mit dem Bekenntnis beginnen, dass Sie auf keinen Fall die Förderschulen infrage stellen wollen, denn niemand hier im Raum stellt die Förderschulen existenziell infrage. Im Übrigen ist das auch in allen anderen Ländern so. Ich habe vorhin ja kurz die Schulministerin aus Nordrhein-Westfalen zitiert. Dort ist im Gegensatz zu Thüringen ein Schulfrieden geschlossen worden. Auch dort hat man sich auf den Weg des inklusiven Beschulens gemacht und auch dort gehören die Förderschulen selbstverständlich mit zum Schulsystem. Nichtsdestotrotz ist der Regelförderort, sprich der erste Ort, als Anlaufstelle für die Kinder die ganz normale Schule, in der sie gemeinsam miteinander lernen und wo jedes Kind bestmöglich gefördert, unterstützt wird, und zwar ganz egal, welche Fähigkeiten, Fertigkeiten oder aber auch welche Defizite das Kind mitbringt.
Lassen Sie uns doch ganz ehrlich sein: Jedes Kind, welches eine Erfahrung des Scheiterns macht - und das habe ich vorhin auch schon versucht auszuführen -, hat es ganz, ganz schwer, das wissen wir. Es ist dann natürlich demotiviert mit Blick auf Schule, auf Lernen, auf das, was es eigentlich voranbringen soll, und so etwas darf möglichst nicht passieren. Wir sollten aber hier auch nicht Einzelfälle dafür nutzen, uns gegen eine Idee ingesamt zu stellen. Und diese Idee insgesamt ist eine Grundfrage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens, nämlich, ob wir Vielfalt nicht nur akzeptieren, sondern ob wir Vielfalt leben und das Leben in Vielfalt auch fördern und ob wir endlich dazu kommen, dass nicht die Kinder zur Schule passen müssen, son