Genau das werfe ich Ihnen auch vor, Sie nutzen hier die Bedürftigkeit von Menschen aus, mit Ihrem Antrag Hoffnungen zu verbinden und zu wecken, die so nicht einlösbar sind und das wissen Sie.
Eine verhältnismäßige Alternative könnte sein, die wenigen Wahllokale, die noch nicht barrierefrei sind, auch auf den Wahlbenachrichtigungskarten auszuweisen. Auch wäre ein Vorschlag mit dem
nächsten barrierefreien Wahllokal im Wahlkreis denkbar. Wir denken, dass in diesem Bereich die Regelungen im Augenblick durchaus ausreichend sind und sind der Auffassung, dass Ihr Antrag daher abzulehnen ist.
Kurz zusammengefasst: Es sind selbstverständlich wünschenswerte Forderungen, die wir ohne Zweifel gut finden, die aber im Augenblick einen nicht lösbaren, großen Rattenschwanz nach sich ziehen, dessen Auswirkungen und Aufwand in finanzieller wie bürokratischer Hinsicht in keinerlei Verhältnis zum erzielbaren Ergebnis stehen. Der Faktor Zeit an dieser Stelle ist noch einmal zu erwähnen. Sie wissen selbst, wie lange auch gegebenenfalls Planungen dauern, Sie wissen selbst, wie Haushalte zu gestalten sind und es ist schlicht nicht möglich, in dem von Ihnen beschriebenen Zeitfenster die geforderten Veränderungen durchzuführen.
Menschen mit Behinderungen, meine Damen und Herren, können bereits heute ein barrierefreies Wahllokal im Wahlkreis besuchen, eine Vertrauensperson hinzuziehen und auch von der Briefwahl Gebrauch machen. Ich gebe zu, dass das nicht befriedigend ist und will überhaupt nicht bestreiten, dass die Entwicklung zu mehr Barrierefreiheit vorangetrieben werden muss. Aber ich möchte an dieser Stelle auch nicht verschweigen, dass wir im Vergleich zu früher hier bereits eine erhebliche Verbesserung der baulichen Gesamtsituation erreicht haben und mit dem aktuellen Stand nicht zufrieden sein können, aber auch nicht in Sack und Asche gehen müssen. Deswegen, meine Damen und Herren, danke ich Ihnen an dieser Stelle für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, so wie meine zwei Vorredner, glaube ich, können wir das Thema barrierefreie Wahllokale nicht zukünftig thematisieren, denn
Inklusion hat nicht nur etwas mit Bildung zu tun, wie wir am Mittwoch in einer sehr ausgedehnten Aktuellen Stunde erleben durften, sondern Inklusion hat auch etwas mit barrierefreien Wahllokalen zu tun.
nicht weiter, indem Sie den Bezug auf das Bundeswahlgesetz herstellen und dann im Prinzip erläutern, warum alles hier im Lande nicht gehen sollte.
Beschwerden, die vielleicht nicht geführt worden sind, aus welchen Gründen auch immer, warum Leute sich nicht beschwert haben im Jahr 2009, im Vorfeld oder im Nachgang der Bundestagswahl, sind doch kein Grund zu formulieren, weil es keine gab, machen wir nichts.
Herr Bergner, die Kosten - natürlich kosten barrierefreie Wahllokale ein paar Pfennige, natürlich, aber Demokratie kostet Geld und darum braucht man auch barrierefreie Wahllokale, damit Menschen mit Behinderungen diese Demokratie
auch wahrnehmen können. Der Verweis auf eine DDR-Plattenbauschule, das ist so was von absurd und so weit hergeholt, da sage ich: Nach 23 Jahren,
Herr Bergner, hätte man eine Plattenbauschule aus DDR-Zeiten bereits barrierefrei umgestalten können. Da, wo ein Wille ist, wäre das auch möglich
gewesen, und an vielen Stellen ist dies bereits umgesetzt worden. Und - unser Antrag ist bereits drei Monate alt. Dass der heute erst aufgerufen wurde, hat vielleicht auch was damit zu tun, dass eine FDP-Fraktion in den zurückliegenden Monaten eine Vielzahl von parlamentarischen Anträgen hier eingebracht hat, wo ich denke, das war vielleicht Populismus.
Sehr geehrte Damen und Herren, in einer repräsentativen Demokratie sind Wahlen ein zentrales Element der Legitimierung von Macht. Das haben wir alle gelernt, damit ist das Interesse von Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Prozessen der politischen Willensbildung zu vergleichen und darum ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt an Wahlen teilnehmen können, oder anders gesagt: Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung fängt damit an, dass politische Beteiligung gleichberechtigt zu organisieren ist und die Menschen mit Behin
derungen ihre Anliegen, in die politischen Prozesse mit einbringen können. Der Frage der Barrierefreiheit von Wahlen kommt damit eine Schlüsselrolle für Politik für Menschen mit Behinderungen zu. Das bereits erwähnte Bundeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit hat Projekte erstellt und die sollte man sich genau anschauen und die können de facto auch umgesetzt werden. Da geht es um die Erarbeitung eines Anforderungskatalogs für barrierefreie Wahllokale, die Erarbeitung von Vorschlägen, wie sich Bürgerinnen und Bürger über diese barrierefreien Wahllokale informieren können, da geht es weiter um die Handreichungen für Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Umgang mit Menschen mit Behinderungen oder um den Vorschlag der Erarbeitung von barrierefreien Gestaltungen von Wahlbenachrichtigungen, Stimmzetteln etc. Wie wichtig das alles ist, konnten Sie, wenn Sie es mit Interesse verfolgt haben, anlässlich des Europäischen Protesttages der Menschen mit Behinderungen am 5. Mai erleben. Unter der Federführung der „Aktion Mensch“ und vieler anderer Behindertenverbände wurde artikuliert, was sie wollen für 2013, nämlich das Recht auf politische Partizipation einfordern. Das war die Hauptforderung. An dieser Hauptforderung, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir doch nicht einfach vorbeigehen mit dem Hinweis, Anträge kämen zu spät oder sie würden zu viel Geld kosten.
Im Juni, als dieser Antrag der Fraktion DIE LINKE abermals auf der Tagesordnung stand, haben Sie alle eine Zeitschrift in Ihren Fächern gehabt wie jeden Monat, den „Cicero“. In dem „Cicero“ fanden Sie - ich will es einfach mal hier kurz hochheben ein Papier, was uns wie zugerufen vorkam, denn darin war formuliert, wie es um die Barrierefreiheit der Wahllokale in Deutschland steht. Nur 10 Prozent der Wahllokale sind barrierefrei, wurde in einer Befragung herausgefunden. Das ist eine große Hürde auch im Vorfeld der Bundestagswahl, die zu meistern ist, diese 10 Prozent der Vergangenheit angehören zu lassen und dies auf 100 Prozent zu steigern. Am häufigsten sagten die Befragten, dass sie folgende Dinge vermissen in den Wahllokalen: Einmal eine fehlende behindertengerechte Toilette, fehlende Sitzgelegenheiten, um sich auszuruhen, der erschwerte Zugang zu den Wahllokalen aufgrund von Treppen wurde immer und immer wieder genannt. Ich sage, werte Abgeordnete, wer eine hohe Wahlbeteiligung zu den Bundestagswahlen will, und das wollen wir, denke ich, alle, muss sich auch hierum kümmern, dass der Zugang zu Wahllokalen wirklich barrierefrei geregelt ist. Die zahlreichen Barrieren in den Wahllokalen - und davon haben wir in Thüringen ja jede Menge - haben Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung. Während 73 Prozent der Menschen ohne Behinderung regelmäßig
von ihrem Recht auf Stimmabgabe in den Wahlbezirken, in den Wahllokalen Gebrauch machen, machen lediglich Menschen mit Behinderung zu 58 Prozent davon Gebrauch. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, sollte doch Anspruch sein, Barrierefreiheit nicht nur vor den Wahlen, sondern auch innerhalb der Wahlperioden immer und immer wieder einzufordern. Wir wissen doch alle, dass Teilnahme am politischen Leben auch daran gemessen wird, wie barrierefrei die Zugänge in der Gesellschaft sind.
Werte Kolleginnen und Kollegen, in unserem Antrag haben wir in Punkt II formuliert, dass die Landesregierung aufgefordert werden soll, entsprechende Vorkehrungen zu schaffen. Diese Vorkehrungen wären auch noch möglich in den verbleibenden nun ca. acht Wochen. Bürgerinnen und Bürger in Thüringen werden es uns als Politikerinnen danken, wenn wir dafür kämpfen, dass über barrierefreie Wahllokale nicht nur geredet wird, sondern auch in der Wirklichkeit anzutreffen sind. Danke schön.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst mal muss man sagen, danke dem Antragsteller für das Ansprechen dieses Themas. DIE LINKE hat den Antrag ja formuliert. Das eine oder andere kommt mir auch sehr bekannt vor, weil die SPD-Bundestagsfraktion das Ganze auch schon mal thematisiert hat.
Allerdings in der Form, Frau Stange, wie Sie das hier vorgetragen haben so als eine Art Fleisch gewordener Vorwurf, kann man das, glaube ich, nicht stehen lassen, weil zuallererst - und das, glaube ich, verbindet uns alle - wollen wir uns mal ein wenig zurücklehnen und sagen, das Allerwichtigste hierzulande seit 1990 ist, dass wir überhaupt wählen können alle zusammen.
Erst dann - berechtigterweise sagen Sie, was ist mit Menschen, die ein Handicap haben - kann man auf die „Probleme“, die aufgrund dieser Ausübung des freien Wahlrechts dann auf die einzelnen Kommunen, auf die Wahlleiter, auf die Wahlhelfer zukommen, genauer eingehen. Aber meine Vorredner haben das bereits schon getan und gesagt, eine
100-prozentige, wie zum Beispiel geforderte Barrierefreiheit oder, wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, als Sie sagten, man müsse auch mal darüber nachdenken, ob in diesen Wahllokalen auch behindertengerechte Toiletten oder zumindest der Zugang zu solchen Toiletten gewährleistet werden kann. Das wird es wahrscheinlich in keinem Bundesland geben, und wenn, ist das eine Zukunftsvision, die noch eine ganze Zeit brauchen wird.
Sie haben gehört, mein Vorredner Herr Gumprecht hat das bereits ausgeführt, dass der Landeswahlleiter die Gemeinden in Thüringen ja auch mal abgefragt hat, wie es mit der Barrierefreiheit in den Wahllokalen steht. In der Vergangenheit war es wohl demnach so, dass alle Thüringer Städte und Gemeinden sich stets bemüht haben, diese Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Frau Stange, bei Ihnen wird das ähnlich sein. Ich habe in meiner Zeit als Kommunalpolitiker zwei- oder dreimal auch als Wahlleiter in den vergangenen Jahren fungiert, also in diesen Wahlbüros als Wahlhelfer. Wenn es ein Problem gegeben hat - ich war einmal auch in einem Wahllokal, das nicht hundertprozentig barrierefrei war, weil es da auch Probleme rein baulicher Natur gab, beispielsweise mit dem Anstellen von Rampen -, wir haben immer eine Lösung gefunden, wenn jemand da vor der Tür stand und gesagt hat, er möchte gerne wählen und er hat ein körperliches Handicap. Wir haben auch immer einen Weg gefunden. Ich glaube, das ist in allen Kommunen so, dass die Wahlhelfer sich immer bemühen werden, da eine Lösung zu finden.
Es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, dass, wenn man generell die Kommunen verpflichten will oder sie gesetzlich beauflagen will - und das ist ja Sinn und Zweck auch dieses Antrags, eine Herstellung der Barrierefreiheit zu gewährleisten -, dass dann das eine oder andere auch kleinere Wahllokal oder eben jene Lokale, die baulich gesehen nicht in der Lage sind, diese Forderungen zu erfüllen, dann eben vielleicht gar nicht mehr existieren. Das würde dazu führen - Herr Gumprecht hat es ausgeführt -, dass beispielsweise die Wege für die Wähler, für jene mit, für jene ohne Handicap dann vielleicht sogar weiter werden, wenn sie ihre Stimme abgeben wollen. Das ist etwas, was wir, glaube ich, hier alle in diesem Hause nicht wollen.
Trotzdem betone ich, Barrierefreiheit, also der Zugang zu Wahllokalen für Menschen mit Behinderung ist eine wichtige Sache und es gibt ja viele Hilfsmittel, die hier auch schon angesprochen wurden. Wir haben ja die Wahlschablonen. Da ist auch angesprochen worden, dass nicht alle sehbehinderten oder blinden Menschen diese Brailleschrift beherrschen. Der Blinden- und Sehbehindertenverband versucht hier auch über die Darstellung bestimmter CDs, wo man sich vorher informieren kann, Abhilfe zu schaffen, damit das eben, wie ge
sagt, auch reibungslos läuft. Wir haben die Möglichkeit der Briefwahl. Wir haben nötigenfalls auch immer die Wahlhilfe direkt in der Wahlkabine. Auch da ist es möglich, die Leute zu begleiten und ihnen zu helfen, ihre Stimme abzugeben. Insoweit gebe ich meinen Vorrednern Herrn Bergner und Herrn Gumprecht recht, hätte es dieses Antrags zumindest auch in der so vorgetragenen Verve vielleicht nicht unbedingt bedurft. Aber wenn wir über Barrierefreiheit sprechen, ich fand das gestern sehr interessant, als Frau Berninger - da ging es um ein ganz anderes Thema, da ging es um unser Portal im Internet - darüber gesprochen hat, wie denn beispielsweise das Handeln bestimmter Informationen, das Erreichen bestimmter Informationen im Internet hier vonstatten geht. Manchmal bin ich als Abgeordneter, ich gebe das gern zu, auch ein bisschen betriebsblind. Da geht man einfach auf die Seite und schaut sich etwas an und wenn man etwas nicht findet, fällt es manchmal auch nicht auf. Aber wenn man schon über Barrierefreiheit redet, Frau Stange, dann muss man der Fairness halber auch sagen, bevor es so weit ist, dass Menschen mit Behinderungen, mit Handicap in eine Wahlkabine wollen, in ein Wahllokal wollen, das möglichst barrierefrei sein soll, bevor es so weit ist, hat dieser Mensch wie jeder andere auch auch ohne Handicap, ohne Behinderung ja zunächst einmal den Anspruch und den Willen, sich zu informieren, was er denn aus welchen Gründen wählen soll.