Protokoll der Sitzung vom 19.09.2013

All diese Veränderungen genügen auch nach unserer Auffassung den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf auch zustimmen. Selbstverständlich steht die Frage, hätte man zum Beispiel im Kernbereichsschutz oder bei den Eingriffsrechten für die Polizei oder bei den Pflichten und Möglichkeiten der Richter mehr tun müssen oder gar sollen? Diese Frage beantworten die Fraktionen alle unterschiedlich. Dieses muss nicht verwundern, haben doch alle Fraktionen hier im Haus eine unterschiedliche Auffassung, wie das Gleichgewicht zwischen Eingriffsrechten und Kernbereichsschutz auszutarieren ist. Die Vorschläge der Fraktion DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP unterscheiden sich da vom Regierungsentwurf, aber eben auch untereinander und es gehört ganz einfach auch zur Fairness, wenn immer wieder über die Anhörung gesprochen worden ist, dass die Anhörung natürlich im Kern auch ein Ergebnis hat. Die Kollegen von der Polizei, sprich die Gewerkschaften, haben dieses Gesetz zwar im Grunde begrüßt, haben aber um Veränderungen gebeten, die ihre Eingriffsmöglichkeiten verbessern. Die Vertreter des Kernbereichsschutzes, zum Beispiel Herr Hirsch, haben natürlich massiv dafür plädiert, den Kernbereichsschutz weiter auszubauen und damit die Eingriffsmöglichkeiten der Polizei einzuschränken. Und auch das gehört zur Wahrheit, die Vertreter der Justiz haben uns erklärt, wie teilweise unsinnig der Richtervorbehalt ist und eigentlich nur noch den Sinn hat, sie abends aus dem Bett zu klingeln.

(Beifall Abg. Fiedler, CDU)

All dies ist auszutarieren. Ich will das ausdrücklich in Richtung auch der Oppositionsfraktionen sagen. Natürlich kann man das so tun, wie Sie das machen. Ich würde Ihnen nie - wobei es sicherlich auch Verfassungsexperten gibt, die dieses tun könnten - vorwerfen, Ihre Vorschläge wären unredlich oder gar verfassungswidrig. Aber den gleichen Respekt verlange ich für den Entwurf der Koalition, wenn wir hier wirklich ernsthaft und am Thema diskutieren.

(Beifall Abg. Höhn, SPD)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Also sollen wir lieber schweigen zu etwas, das verfassungswidrig ist?)

Nein, nicht lieber schweigen. Wir haben doch auch im Gegensatz zu dem, was hier gesagt worden ist, in den Ausschüssen und in der Anhörung auch diskutiert. Wir haben doch insbesondere in der Anhörung - das ist doch nun einmal so, wenn die Fraktionen ihre Anzuhörenden aus ihrer Rolle heraus be

nennen - Experten gehabt, die den Entwurf der Koalition, des Innenministers in wesentlichen Teilen unterstützt und für richtig befunden haben und es gab ja wohl genau auch das Gegenteil, aber im Endeffekt müssen wir das abwägen. Ich habe großen Respekt davor, wenn andere abwägen, weil das - Herr Adams hat das ja auch in der Ausschuss-Sitzung gesagt - unwahrscheinlich kompliziert ist, Kernbereichsschutz gegen Rechte der Polizei aufzuwiegen. Aber irgendjemandem hier im Haus die Ernsthaftigkeit abzusprechen, wie er mit diesem Gesetz umgegangen ist, empfinde ich als unredlich. Ich will das klar und deutlich sagen.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, auch darauf möchte ich eingehen, insbesondere die Vertreter der katholischen Kirche in Thüringen befürchten eine Einschränkung des Beichtgeheimnisses in diesem Gesetz. Wir haben dieses im Ausschuss, ich finde, ausführlich besprochen, mit dem Ergebnis für mich, dass dem nicht so ist. Das Beichtgeheimnis ist absolut. Ich möchte die Kritiker bitten, insbesondere wende ich mich da in Richtung katholische Kirche, sich in dieser Frage an die Koalition oder an den Innenminister zu wenden. Ich bin mir nämlich sicher, dass die entstandenen Irritationen ausgeräumt werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum vorliegenden Gesetz hat es im Ausschuss eine schriftliche und mündliche Anhörung gegeben. Ich will anfügen, es ist nicht so, dass Anhörung, Auswertung und Beschlussfassung an einem Tag stattgefunden haben. Weil Sie da immer so exakt sind, liebe Kollegen von den LINKEN, es war der Antrag von der Koalition im Ausschuss, es eben nicht so zu machen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das können wir alles nicht mehr hören.)

Ich sage es noch einmal, zum vorliegenden Gesetz hat es eben die entsprechenden Anhörungen gegeben und aus der Auswertung dieser Anhörung heraus resultieren die Änderungen der Koalitionsfraktionen, die in die Beschlussempfehlung eingegangen sind. Neben einer formalen Änderung der Übergangsbestimmungen streben wir in der Koalition folgende Änderung an:

Erstens, die Klarstellung, dass rechtswidrig erfasste Daten nach § 34 Abs. 4 unverzüglich zu löschen sind und dieses zu dokumentieren ist. Wir folgen hier der Kritik des Anzuhörenden Hirsch.

Zweitens, in spätestens einem Jahr muss die Landesregierung dem Landtag einen Bericht übermitteln, in dem sie wertet, ob es einen notwendigen Anpassungs- und Änderungsbedarf am PAG gibt. Bis zum 31.12.2006 ist das PAG zu evaluieren.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: 2016.)

Entschuldigung bis zum 31.12.2016. Frau Renner, wenn Sie richtigerweise in Ihrer Rede am Eingang gesagt haben, dass wir dieses Gesetz weiter diskutieren müssen, müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass nur die Koalitionsfraktionen mit ihren Vorschlägen dafür sorgen, dass das tatsächlich auch so ist. Denn die Rechenschaftspflicht für die Landesregierung und die Pflicht des Landtags zur Evaluierung steht jetzt nur in dem Gesetz der Koalition.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Und alle anderen müssen für immer schwei- gen oder wie? Blödsinn!)

Nein, alle anderen müssen doch nicht für immer schweigen. Wenn Sie sich mal so ein bisschen damit beschäftigen, wie ein Landtag funktioniert - Sie müssen das ja nur in Ansätzen tun -, dann wissen Sie, dass, wenn die Landesregierung einen Bericht gibt, sich der Landtag und der Ausschuss mit diesem Thema beschäftigen

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Haben Sie nicht eben erst von Respekt ge- sprochen?)

und dann das Initiativrecht bei den Fraktionen und einzelnen Abgeordneten liegt, natürlich auch bei der Landesregierung. Insofern heißt das, dass in spätestens einem Jahr dieses Gesetz dann wieder aufschlägt und dass es in spätestens zwei Jahren evaluiert werden muss.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

Bitte schön, Herr Abgeordneter Adams.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, Herr Gentzel. Herr Gentzel, apropos wie der Landtag funktioniert: Würden Sie mir zustimmen, dass jede Fraktion im Thüringer Landtag das Recht hat, zu einem bestehenden Gesetz einen Änderungsantrag einzubringen, egal ob es evaluiert wurde oder nicht?

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sogar jederzeit!)

Das ist doch vollkommen unstrittig. Das ist nicht nur unstrittig, das war und ist auch Praxis hier in dem Haus.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann brauchen wir die Evaluation überhaupt nicht.)

Doch. Sehen Sie, das ist ja dann das Problem bei der ganzen Angelegenheit. Wenn Sie sagen, so ein Gesetz muss wieder vorgelegt werden, und bei vielen anderen Gesetzen fordern Sie ja auch die Evaluierung, dann ist das richtig. Wenn wir bei so einem wichtigen Gesetz wie dem PAG richtigerweise sagen, auch da brauchen wir eine Evaluierung, da wird die Frage der Evaluierung prinzipiell infrage gestellt. Sehen Sie, ich bin ja nicht so streng ins Gericht mit Ihren Änderungsanträgen gegangen, weil sich das auch nicht gehört hätte, aber ist es denn so schwer, an einer Stelle zu sagen, Mensch, da hat die Koalition mal richtig nachgehakt aus der Anhörung. Zumal Sie, Herr Adams, den Anzuhörenden Hirsch befragt haben, wie wir damit umgehen sollen. Und die Idee in der Koalition zur Evaluierung ist erst durch die Antwort von Herrn Hirsch geboren. Also stellen Sie doch nicht das infrage, was Sie selbst mit auf den Weg gebracht haben.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mir ging es nur um Ihre Belehrung zum Landtagsverfahren.)

Belehrung zum Landtagsverfahren, also ich belehre ja nicht gerne,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Aber dafür ganz schön häufig!)

vielleicht ist das ein Punkt, wo wir uns unterscheiden.

(Unruhe CDU)

Der Änderungsantrag, ich glaube, das ist jetzt auch noch mal klar geworden, von der Koalition, ist wichtig und ist richtig und erfüllt einen wichtigen Sinn.

Ich will noch etwas zum Ordnungsbehördengesetz sagen. Ich war schon ein bisschen überrascht, dass in der Auswertung der Anhörung im Innenausschuss das Ordnungsbehördengesetz überhaupt keine Rolle gespielt hat. Mir war das natürlich klar, dass es da keine Meinungsänderung gibt innerhalb der Oppositionsfraktionen. Ich bin nur überrascht, wie die Anhörung zu diesem Thema ausgewertet worden ist. Natürlich kann das immer entstehen, wenn man von unterschiedlichen Wegen in diese Anhörung geht. Aber ich empfand zum Beispiel die Erklärungen und die Äußerungen des Ordnungsamtsleiters von Erfurt als recht souverän. Und er hat auch die Befürchtungen, die ich hatte - ich gebe das ja gerne zu, ich habe auch nie einen Hehl gemacht, was den zweiten Teil betrifft -, von meiner

Seite her komplett ausgeräumt. Da saß eben nicht ein Ordnungsamtsleiter, der eine Karte gezogen hat und erklärt hat, dass er jetzt in so viel wie möglichen Bereichen das Alkoholtrinken verbieten wird, sondern er hat meiner Meinung nach sehr verantwortlich und sehr klar erklärt, dass es so wenig Bereiche wie möglich sein sollen. Aber er hat auch an praktischen Beispielen der Stadt Erfurt erklärt, wo das für notwendig gehalten wird.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Die hat er aus der Zeitung vorgelesen.)

Ich muss wirklich sagen, für mich war das überzeugend.

(Beifall CDU, SPD)

Das ist dann auch der Grund, warum ich - viele im Haus wissen das - als Kritiker des zweiten Teils, jetzt mit wirklich gutem Gewissen sagen kann, ich bitte auch, dass der Teil Ordnungsbehördengesetz eine Mehrheit hier im Hause findet.

Summa summarum, meine Damen und Herren, namens meiner Fraktion bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung und zum Gesetz in der vorliegenden Drucksache. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Das Wort hat nun der Abgeordnete Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, ich will zunächst ganz kurz auf den Kollegen Gentzel eingehen, der hier ganz schnell einmal durch die Anhörung gegangen ist, die wir hatten und was man dort als Gewinn herausnehmen könnte. Wenn man das so macht wie Sie, Herr Gentzel, so selektiv, könnte man, müsste man sagen, dass die Berufsvertreter der Polizei gesagt haben, dass Ihr Gesetz nicht lesbar und nicht verständlich ist. So reduziert, könnte man, müsste man dieses auch ausdrücken.

Eine Sache muss ich klarstellen, Sie haben gesagt, ich hätte an irgendeiner Stelle Verständnis für die Abwägung zwischen Kernbereich und polizeilichen Eingriffsbefugnissen gehabt. Das habe ich nicht, wenn es um den Kernbereich geht, um das einmal ganz deutlich klarzustellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einzig, was ich gemacht habe, ist, dass ich den Kollegen Burkhard Hirsch - wenn man ihn so nennen darf von dieser Stelle aus - inhaltlich zitiert habe, indem er gesagt hat: „So diffus dieser Kernbe

reich der privaten Lebensgestaltung auch ist, weil der nicht abschließend beschreibbar ist, es würde beim Versuch, ein dickes Buch, ein telefonbuchdickes Buch vollzuschreiben mit den Aspekten dieses Kernbereiches immer einer fehlen.“ Er hat zu Recht gesagt: „Es geht nicht darum, ihn umfassend zu beschreiben, sondern es geht um die Traute, ihn zu achten.“ Und genau darauf habe ich hingewiesen und das habe ich eingefordert und das macht Ihr Gesetz nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Gentzel, ich finde es ziemlich toll, dass Sie die Kirchen - und es ist nicht nur die Katholische Kirche gewesen, die den unzureichenden Berufsgeheimnisschutz hier beklagt - auffordern, Sie sollen sich doch einmal an die Landesregierung wenden. Die haben uns als Parlament und damit auch der Landesregierung zur Kenntnis Stellungnahmen geschrieben. Was sollen sie denn noch machen, was denn noch, Herr Gentzel, was denn noch, meine sehr verehrten Damen und Herren?