Es ist 10.15 Uhr, die 15-minütige Sitzungsunterbrechung ist damit beendet. Mir ist mitgeteilt worden, dass Frau Ministerin Taubert die Vertreterin aus dem Kabinett ist und im Plenarsaal Platz genommen hat. In eigener Sache des Parlaments merke ich an, wir hatten gestern noch einmal die Debatte dazu, wie sich das verhält in der Beziehung von Ministern und Staatssekretären. Wir haben vorhin festgestellt, dass kein Kabinettsmitglied bei dieser Beratung des Tagesordnungspunkts 10 anwesend war. Ich bitte ganz einfach die Landesregierung wir haben das in der Ältestenratssitzung des Öfteren miteinander beraten -, dass in Respekt vor dem Parlament diese Anträge nicht ständig gestellt werden müssen, um ein Mitglied der Landesregierung herbeizurufen.
Wir setzen jetzt mit der Beratung fort und es hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, sehr geehrte Ministerin Taubert, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste auf der Tribüne, es ist in der Tat ein Armutszeugnis, so meine ich schon, für unser Parlament, wenn eine Sitzung zu so einem durchaus wichtigen Zukunftsthema unterbrochen werden muss, weil die Landesregierung nicht anwesend ist.
Nun sind immerhin die Ministerpräsidentin und Frau Ministerin Taubert da und wir freuen uns jetzt selbstverständlich über das Interesse an dieser wichtigen Debatte. Ich möchte zunächst eine junge Frau zu Wort kommen lassen. Sie ist Bloggerin, nennt sich Katascha und hat im Mai 2013 Folgendes geschrieben: „Wenn Großeltern über meine Generation reden, sagen sie oft, wir hätten es ja so gut. Es stimmt, wir haben keinen Krieg erlebt, keine Vertreibung und wir hatten immer genug zu essen.
Objektiv gesehen könnte man sagen, wir haben Glück gehabt, wenn da nicht die Zukunft wäre. Meine Generation hat viele Namen: Generation Praktikum, Generation Burnout, Generation Altersarmut.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Begriff „Generation Praktikum“, das ist hier schon mehrfach erwähnt worden, geistert seit nunmehr acht Jahren durch die bundesdeutsche Debatte und auch hier im Thüringer Landtag. Ich bin froh, dass wir erneut die Debatte über Anforderungen an Praktika führen, denn es betrifft selbstverständlich auch uns. Es betrifft uns, weil auch hier im Thüringer Landtag, in unseren Ministerien - einige der Zahlen sind auch schon genannt worden - Tag für Tag Praktikantinnen und Praktikanten unsere Arbeit unterstützen. Es ist eine ganz entscheidende Frage, wie diese Arbeit wertgeschätzt wird im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich möchte daher auch noch einmal eine Zahl aus der Kleinen Anfrage in Drucksache 5/4618 meiner Kolleginnen Ina Leukefeld und Susanne Hennig zitieren: In den Jahren 2009 bis 2011 haben etwa 1.500 Praktikanten und Praktikantinnen ein Praktikum im Landesdienst absolviert. Lediglich 69 - Ina Leukefeld erwähnte es schon - haben dafür auch eine Vergütung erhalten, 69 von 1.500.
Lieber Herr Staatssekretär Staschewski, Sie haben es vorhin gesagt, dass es natürlich eigentlich nicht hinnehmbar ist, dass es schlechte oder gar nicht bezahlte Praktika gibt. Sollten wir uns da vielleicht nicht selbst erst einmal an die eigene Nase fassen? Müssen wir uns nicht selbst fragen, wie wir mit unseren Praktikantinnen umgehen und ich sage das ganz bewusst, auch und gerade mit Blick auf diejenigen, die ein sogenanntes Pflichtpraktikum absolvieren? Wir alle wissen nämlich, dass Studierende leider ist das die tägliche Praxis - in der Regel neben ihrem Studium arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wenn sie jedoch ihr Pflichtpraktikum absolvieren, und in der Regel beinhaltet ein Pflichtpraktikum 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche, dann können sie nicht auch noch nebenbei arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weil, wie gesagt, das Studium auch noch mit bedacht sein muss. Insofern sind wir sehr froh über die Initiative der LINKEN - Stichwort faires Praktikum für Fairness beim Berufseinstieg, Rechte der Praktikanten und Praktikantinnen stärken auch hier im Thüringer Landtag.
Interessant übrigens in der Antwort des Innenministeriums auf die besagte Kleine Anfrage ist insbesondere eine Antwort. Da wurde nämlich die Frage gestellt, ob die Landesregierung Handlungsbedarf sehe, den Umgang mit den Praktikanten im öffentlichen Dienst generell und im Landesdienst im Besonderen besser zu regeln. Die Antwort lautete: „Es wird kein Handlungsbedarf hinsichtlich der Rege
Positiv formuliert könnte man sagen, da hat sich offenkundig in den letzten zwölf Monaten etwas getan. Vielleicht bedurfte es dazu einmal mehr einer Initiative der Opposition, aber immerhin scheint sich etwas zu bewegen.
Ich hoffe also im Land auf eine gute Entwicklung, denn auch ich bin Optimistin und ich glaube, das sind wir den Praktikantinnen und Praktikanten und auch unserer Zukunft schuldig. Als bündnisgrüne Fraktion haben wir immer deutlich gemacht, dass Praktika für uns ein ganz zentraler Teil der Ausbildungsphase sind. Sie sind allerdings erst dann wirklich sinnvoll und wertvoll, wenn sie auch fachlich und qualitativ hochwertig begleitet werden und wenn sie fair vergütet sind. Und über diese faire Vergütung wollen wir ja heute hier auch sprechen.
Insofern haben und hatten wir auch kein Verständnis dafür, dass beispielsweise auch im Landesdienst und insbesondere vom Thüringer Landtag noch immer keine Vergütung für Praktikantinnen gezahlt wird. Wenn wir es wirklich ernst meinen, dass es das Ziel der Beschäftigung von Praktikantinnen und Praktikanten ist, dass beide Seiten voneinander lernen können, muss sich ein Praktikum auch ganz deutlich von einem regulären Arbeitsverhältnis abgrenzen.
Es kann also nicht sein - und das ist leider vielerorts die Realität - dass Praktikantinnen oder Praktikanten als zusätzliche Arbeitskraft fest eingeplant sind. Ich will es beim Namen nennen: Dauerknechtschaften, denn genau das ist es, erteilen wir eine ganz klare Absage.
Deshalb haben wir uns als grüne Fraktion auch dazu verpflichtet, gemäß den Vorgaben für ein faires Praktikum, denn die gibt es längst, die entsprechenden Grundsätze zu wahren. Das sind acht, ich will sie hier benennen:
3. Es gibt einen festen oder eine feste namentlich benannte Ansprechpartner/-in. Denn das erleben wir auch immer wieder, dass Praktikantinnen und Praktikanten keinen festen Ansprechpartner haben.
4. Der Praktikantin oder dem Praktikanten wird ein fester Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Auch das ist leider mitnichten die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren.
5. Der Aufgabenbereich der Praktikantin oder des Praktikanten wird klar beschrieben. Es geht nämlich nicht darum, jemanden zu haben, den man schnell für alles oder jedes einsetzen kann.
6. Die monatliche Vergütung für ein studienbegleitendes oder vergleichbares Praktikum beträgt mindestens 300 €. Da sind wir bei der fairen Bezahlung. Dass das nicht der Mindestlohn sein kann, ist, glaube ich, hier selbstverständlich schon ausgeführt worden. Es geht um die Vergütung von mindestens 300 € im Monat.
7. Praktikastellen ersetzen keine Vollzeitstellen. Beim Praktikum handelt es sich um ein Lern-, aber nicht um ein Arbeitsverhältnis. Da geht es nicht um 14 Stunden am Tag, sondern um acht Stunden am Tag und um maximal 40 Stunden in der Woche, lieber Herr Barth.
8. Auf Wunsch erhalten die Praktikantinnen und Praktikanten selbstverständlich einen Nachweis ihres Praktikums und ein Zeugnis.
Das sind die Regularien, die bundesweit für faires Praktikum gelten. Man könnte meinen, der Landtag könnte es sich einfach machen und sich schlicht diesen Regeln anschließen. Schade, dass er es so nicht tut. Ein Antrag fordert ihn ja dazu auf, jedenfalls der Antrag der Fraktion DIE LINKE.
Die grüne Bundestagsfraktion war 2006 übrigens die erste Fraktion im Bundestag, die derartige Regularien einführte, um Absolventinnen und Studierende vor unbezahlten Langzeitpraktika zu schützen. Mittlerweile haben sich alle 16 grünen Landtagsfraktionen den Regularien für ein faires Praktikum angeschlossen und entsprechende Selbstverpflichtungen auf den Weg gebracht.
(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das ist doch Unsinn, ein bisschen mehr Respekt, bit- te). Wir meinen, auch die Landesbehörden und der öffentliche Dienst sollen hier mutig vorangehen und eine Vorbildfunktion als Arbeitgeber einnehmen. Von daher finden wir die Grundintension der vorliegenden Anträge durchaus richtig. Ich werde aber gleich noch im Einzelnen darauf eingehen, wie wir uns zu den einzelnen Anträgen verhalten. Für uns ist aber auch sehr wichtig zu betonen, dass wir insbesondere Absolventinnenpraktika nach einer Ausbildung oder einem Studium für grundsätzlich fragwürdig erachten. Denn genau das erleben wir immer wieder, dass wir hoch motivierte, sehr (Abg. Rothe-Beinlich)
gute Absolventinnen oft auch von Masterstudiengängen haben, die dann erst in monatelange, oft jahrelange Kettenpraktika jenseits regulärer Beschäftigung rutschen und genau dem wollen wir eine Absage erteilen.
In einzelnen Fällen werden nämlich so reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt und Lohndumping betrieben. Ich habe übrigens vorhin aufgehorcht, als Herr Staschewski die Zahlen aus den einzelnen Ministerien benannt hat. Sie hatten, glaube ich, 107 Praktika im Bereich der Hochschulen im TMBWK-Bereich beschrieben.
Wir hatten gerade erst letzte Woche hier im Plenarsaal eine große Anhörung zu prekären Beschäftigungsverhältnissen an unseren Hochschulen und da konnten wir erleben, dass derartige Praktika dort in der Tat oftmals nicht oder derart niedrig vergütet werden, dass es einem die Schamesröte ins Gesicht treiben muss.
Je länger diese Praktika andauern, umso stärker verzögert sich der Berufseinstieg und umso höher ist das Risiko, dass Unternehmen oder leider in dem Fall auch Hochschulen unter dem Deckmantel von Praktika billige Arbeitskräfte einstellen. Unser Ziel ist ein optimaler Übergang vom Studium in den Beruf, nicht zuletzt auch durch gute Berufsorientierung an den Hochschulen und qualitativ hochwertige Beratung der Studierenden und Absolventen.
Nun zu den einzelnen Anträgen: Der Antrag der LINKEN ist unseres Erachtens ganz klar der weitestgehende Antrag der vorliegenden Anträge, denn er bezieht sich auf die Eckpunkte des fairen Praktikums, die ich vorhin vorgetragen habe. Er schließt insbesondere auch die Fördermittelvergabe vonseiten des Landes mit ein, tatsächlich faire Praktika zu schaffen und fordert die Bundesratsinitiative für Thüringen. Diese Forderungen haben durchaus ihre Berechtigung, auch wenn sie vielleicht nicht sofort eins zu eins so umsetzbar sind. Wir jedenfalls unterstützen diese Anliegen. Schön wäre ja, wenn wir dazu vielleicht auch fachlich noch einmal in die Debatte kämen und uns dazu gemeinsam verständigen könnten.
Die FDP fordert dagegen eine landesweit einheitliche Richtlinie zur angemessenen Vergütung für alle Schülerinnen und alle Studierenden. Das klingt erst mal nicht schlecht, aber als ich Sie, Herr Kemmerich, vorhin hier habe reden hören, da hat sich das für mich folgendermaßen dargestellt: Die Leistungsbereitschaft muss da sein. Wer im Anschluss an ein Praktikum keinen Arbeitsvertrag bekommt, ist offenkundig selber schuld, da hat die Leistung nicht gestimmt. Genauso einfach kann es aus unserer Sicht nicht sein. Wir alle wissen, dass es an ganz vielen
Stellen, ich sage es so hart, Praktika gibt, um sich darum zu drücken, feste Arbeitsplätze zu schaffen, und dem wollen wir einen Riegel vorschieben. Da mag Ihre Forderung zwar ein Fortschritt im Vergleich zu dem sein, was Sie bis jetzt so gefordert haben, wir meinen jedoch, es braucht mehr. Insbesondere braucht es Qualitätsstandards für ein Praktikum, genauso wie sie in den Eckpunkten für ein faires Praktikum auch beschrieben sind.
Der Alternativantrag der Koalition ist gegenüber dem Antrag der LINKEN recht unverbindlich gehalten, wenn ich das mal ganz freundlich formulieren darf, und enthält lediglich eine Bitte an die Landesregierung und keinen klaren Auftrag, entsprechende Möglichkeiten gegen den Missbrauch von Praktika tatsächlich zu nutzen und Durchführungshinweise für die Anwendung der Praktikantenrichtlinie der Tarifgemeinschaften deutscher Länder zu erarbeiten.
Insofern kommen wir zu folgendem Schluss: Wir werden dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen, den Antrag der FDP werden wir ablehnen und zum Antrag der Koalition werden wir uns enthalten. Vielen herzlichen Dank.
Ich habe nun keine weiteren Redeanmeldungen mehr aus den Fraktionen. Es gibt seitens der Landesregierung nicht den Wunsch, noch einmal zu sprechen. Demzufolge schließe ich erst einmal die Aussprache zum Sofortbericht und zu den anderen Teilen aus den anderen Anträgen.
Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist? Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Es ist nach meinem Kenntnisstand keine Ausschussüberweisung irgendeines Teils beantragt worden, so dass wir direkt abstimmen.