Protokoll der Sitzung vom 20.09.2013

(Staatssekretär Staschewski)

und die Debatte, insbesondere um die Grundsätze fairer Praktika, interessiert verfolgen können. Herzlich willkommen! Welcome!

Ich frage jetzt: Wer wünscht die Aussprache zum Sofortbericht? Alle Fraktionen wünschen die Aussprache zum Sofortbericht. Damit wissen wir, wir haben jetzt doppelte Redezeit bei einem Tagesordnungspunkt, in dem es Berichte der Landesregierung gibt.

Ich eröffne die gemeinsame Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Alternativantrags der FDP und zu den anderen Anträgen. Ich rufe als Erstes für die CDU-Fraktion Frau Abgeordnete Holzapfel auf.

Frau Präsidentin, guten Morgen meine Damen und Herren, herzlich willkommen auch die Gäste auf der Tribüne!

(Beifall SPD)

Es ist heute der dritte Anlauf zu diesem Tagesordnungspunkt. Gott sei Dank, es hat noch geklappt.

Wir alle kennen das geflügelte Wort „Generation Praktikum“. Dieser Ausdruck ist negativ belegt. Junge, gut ausgebildete Menschen hangeln sich von Praktikum zu Praktikum in der Hoffnung auf eine feste Anstellung. Das ist nicht Sinn und Zweck eines Praktikums. Mein Faktencheck hierzu hat Folgendes ergeben: Praktikantinnen und Praktikanten sind Personen, die sich im Zusammenhang mit einer schulischen oder akademischen Ausbildung praktische Kenntnisse in einem Unternehmen oder in einer Verwaltung aneignen. Herr Staatssekretär, Sie haben dazu ausführlich berichtet. Da kann man gar nichts hinzufügen. Diese Erkenntnisse sollen der Vorbereitung, Unterstützung oder der Vervollständigung der Ausbildung für einen späteren Beruf dienen. Der § 7 Abs. 2 SGB IV schreibt verbindlich vor, dass ein Praktikum, welches dazu dient, Erkenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen in Betrieben und Verwaltungen zu erlangen, grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Das Schülerpraktikum ist von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen, da diese Art von Praktikum mit einer schulischen Veranstaltung vergleichbar ist. Im weitesten Sinn wird der Unterrichtsort in einen Betrieb oder in eine öffentliche Verwaltung verlegt. Die Geringverdienstgrenze für Praktikanten beträgt bundeseinheitlich 325 €. Übersteigt das Entgelt nicht die Schwelle von 325 €, so trägt der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Dies gilt aber nicht für Studenten. Sie unterliegen der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung als private Absicherung während ihrer Studienzeit. Mein Check hat aber auch ergeben, dass Praktika von Studenten in vielen Ländern der EU leider nicht geregelt sind. Es fehlen Regularien

für allgemeine Arbeitsbedingungen ebenso wie für die Bezahlung, Urlaubsanspruch und - wichtig - oftmals fehlen auch Lerninhalte. Somit waren dem Missbrauch von Praktika und somit auch einer „Ausbeutung“ der Praktikantinnen und Praktikanten Tor und Tür geöffnet.

(Beifall DIE LINKE)

Seit 2012 hat genau aus diesem Grund die Europäische Kommission einen Qualitätsrahmen für Praktika verabschiedet. Dass dieser Qualitätsrahmen, wie die Fraktion DIE LINKE richtigerweise festgestellt hat, mit den Leitlinien des DGB korrespondiert, spricht sicherlich nicht gegen den Beschluss der Europäischen Kommission. Insoweit brauche ich das Nein meiner Fraktion zu Ihrer Forderung nach einer Bundesratsinitiative durch die Landesregierung nicht weiter zu begründen.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung bemüht sein wird, die Beschlüsse der Europäischen Kommission in das nationale Recht umzusetzen. Die geltenden EU-Verträge verlangen es, ich wiederhole, eine Bundesratsinitiative ist mit uns nicht auf den Weg zu bringen. Gleichwohl bestehen keine Bedenken unsererseits, wenn die Landesregierung mit ihren Ministerien, Landesbetrieben und nachgeordneten Einrichtungen auf dem Gebiet mit gutem Beispiel vorangeht.

Des Weiteren möchte ich, dass die Mehrheit dieses Hauses beschließt, die Landesregierung zu verpflichten, die in Thüringen bestehenden Förderrichtlinien zu überarbeiten und zu ergänzen, damit die Fördermittelempfänger an die Einhaltung der Kriterien für ein faires Praktikum gebunden werden. Dabei verlieren sie das Ziel und den Gegenstand von Förderungen aus den Augen. Es geht darum, dass durch die Ausreichung von Fördermitteln sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden. Ich bin mir sicher, Sie folgen mir bei der Einschätzung, dass Praktika nicht dazugehören.

Zusätzlich zu den im Qualitätsrahmen geforderten Leitlinien fordern Sie, einen Mindestlohn für Praktika einzuführen. Wir sind der Ansicht, dass dies nicht zielführend ist. Denn in erster Linie dient ein Praktikum dazu, Praxiserfahrung bzw. Berufserfahrung zu sammeln und sich neues Wissen anzueignen. Wenn der Praktikant dafür noch eine Entschädigung oder eine Vergütung erhält, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber einen Mindestlohn vorzuschreiben, halten wir für bedenklich, da dies zu weniger Praktikaplätzen führen wird und wir der Meinung sind, dass dies nicht im Sinne derjenigen ist, die ein Praktikum für dessen Inhalte und nicht der Vergütung wegen absolvieren möchten.

Im öffentlichen Bereich gibt es übrigens eine Richtlinie zur Praktikantenvergütung. Diese wurde von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vereinbart.

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

Sie regelt die Vergütungsansprüche für Praktikanten. Auch das hat der Staatssekretär ausgeführt.

Wir haben uns entschieden, einen kompakten Alternativantrag gemeinsam mit unserem Koalitionspartner hier und heute im Plenum einzubringen. Wir sind der Auffassung, Praktika dürfen nicht zu Missbräuchen führen. Das bedeutet, sie sollen keine regulären Beschäftigungen verdrängen oder gar ersetzen. Das bedeutet aber auch, dass jede Praktikantin oder jeder Praktikant in Thüringen gegenüber seinem Arbeitgeber gewisse Rechte und Pflichten hat.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Wer hat denn Ihre Rede geschrieben?)

Wir sind auch der Meinung, dass Praktikantinnen und Praktikanten einen Anspruch auf Entschädigung haben sollten, aber eben keinen verbindlichen Mindestlohn.

(Unruhe DIE LINKE)

Die Politik sollte hierbei nicht regulierend eingreifen, sondern ein Signal an alle beteiligten Akteure senden. Dabei setzen wir auf eine moderate Lösung, indem wir die Landesregierung bitten, entsprechende Durchführungshinweise für die Anwendung der Praktikantenrichtlinie, welche sich an den Forderungen in unserem Antrag orientieren sollen, zu erarbeiten. Zusätzlich soll im Rahmen einer gemeinsamen Aktion zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern die Thematik „Bedingungen für faire Praktika“ beraten werden. Wir sind der Überzeugung, nur wenn alle Akteure in den Diskussionsprozess eingebunden werden, kann eine vernünftige Lösung erzielt werden. Politik muss auch manchmal moderieren und gerade in diesem Bereich sehen wir es als äußerst sinnvoll an.

Ich habe es schon eingangs gesagt, wir werden den Antrag der Fraktion DIE LINKE ablehnen. Zum Antrag der FDP muss ich sagen, unserer ist der weitestgehende, also weitergehend als Ihrer, und ich bitte Sie einfach, unserem Antrag zuzustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Leukefeld das Wort.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Also Frau Holzapfel, Sie haben ja jetzt wirklich den Vogel abgeschossen. Sie erklären hier, es ist alles richtig und notwendig, das hat auch die Europäische Kommission schon festgelegt, und weil das alles so ist, wird das alles schon so kommen, wie das irgendwo beredet ist.

Ich sage Ihnen, die Jugendlichen, die Praktikantinnen und Praktikanten, die heute hier in Thüringen ein Praktikum machen wollen oder absolvieren, können nicht mehr warten, sie werden nämlich sonst weggehen. Die brauchen jetzt Lösungen,

(Beifall DIE LINKE)

die brauchen endlich einmal verbindliche Entscheidungen und nicht dieses Lavieren von „alles richtig“, „notwendig“, „müsste“, „hätte“, „wenn und aber“. Deswegen glaube ich, dass unser Antrag hier ganz klare Kante zeigt und der weitergehende ist und deswegen hier auch heute abgestimmt werden sollte. Natürlich - und, Herr Staatssekretär, da gebe ich Ihnen recht, da haben Sie ja ausführlich dazu gesprochen - umfasst Praktika heute eben sehr viel und hat viele Facetten. Das ist zum einen der Pflichtteil einer Ausbildung, auch freie Praktika zur Überbrückung von Zeiten der Arbeitslosigkeit, Praktika umfassen Schüler und Studierende, aber eben auch Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung. Es gibt Praktikumsstellen in Unternehmen, auch im öffentlichen Dienst. Einmal kommt es tatsächlich auf den Wissenserwerb des Praktikanten an und einmal, meine Damen und Herren, geht es ziemlich ungeschminkt um Ausnutzung der Arbeitsleistung. Frau Holzapfel hatte hier den Begriff „Ausbeutung“ genannt. Ich muss da gar nicht widersprechen.

Aber das Thema umfasst eben auch einen besonderen Problembereich und deswegen ist es richtig und notwendig, dass wir uns hier wiederholt mit der Problematik beschäftigen. 50 Prozent aller Praktika sind heute nach Erhebung weder mit einem Entgelt noch mit irgendeiner Form von Aufwandsentschädigung für die Praktikantinnen und Praktikanten verbunden. Praktika werden zum Teil mehrfach verlängert, so dass sie eben doch, das muss man hier sagen, gezielt Erwerbstätigkeit ersetzen und damit eben auch sozialversicherungspflichtige Arbeit verhindern. Das können und wollen wir nicht zulassen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen, lassen Sie mich noch mal ganz kurz einen Exkurs in die Debatte vornehmen, die es ja hier im Landtag schon gegeben hat.

(Beifall SPD)

Angefangen hat es vor einigen Jahren mit einer Anfrage des Abgeordneten Kuschel - das war schon in der letzten Legislatur - nach den Praktikumsstellen und ihrer Ausstattung im Verantwortungsbereich der Landesregierung. In der jetzigen Legislatur wurde der Verantwortungsbereich der Landesregierung durch zwei Anfragen angesprochen, die eine von den Kollegen der FDP und eine durch meine Kollegin Hennig, die eigentlich hier stehen wollte und sollte, die leider krank ist (Susi, ich wünsche dir gu- te Besserung, wenn du den Live-Stream verfolgst.),

(Abg. Holzapfel)

(Beifall DIE LINKE)

also von Susanne Hennig und mir. Da wurde gesagt, von 2009 bis 2011 gab es im Landesdienst 1.500 Praktikantinnen und Praktikanten, mit einer Entschädigung, meine Damen und Herren, waren es ganze 69. Nun haben wir ja gehört, es hat sich ein bisschen was bewegt. Das ist gut zu hören, aber es ist immer noch von Gutwill abhängig und hat keine klare Regelung. Zu einer grundsätzlichen Diskussion kam es dann hier im Haus im April 2011, was den Antrag der FDP-Fraktion betroffen hat. Wir haben das zum Beispiel bei uns wirklich zum Anlass genommen, ausführlich darüber zu diskutieren und auch in der Fraktion zu überlegen, was muss man tun, damit man diese Richtlinien einhält. Zugegebenermaßen ist das kein leichter Weg, aber „Wasch mich und mach mich nicht nass“, meine Damen und Herren, das kann eben nicht sein. Dann muss man so konsequent sein und sagen, kein Praktikum ohne entsprechende Bezahlung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Frau Holzapfel, ich habe jetzt eben noch mal unseren Antrag gelesen. Von einem Mindestlohn war hier nicht die Rede.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das steht da nicht.)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es geht um eine Mindestentschädigung nicht unter 300 € im Monat. Ich meine, Mindestlohn zu fordern - Sie unterstellen uns hier ohnehin, dass wir immer utopische Forderungen aufmachen -, das würde ja bedeuten, jede Arbeitsstunde auch für Praktikantinnen und Praktikanten mit 10 € pro Stunde zu nehmen. Das wäre zwar gut, ist aber unrealistisch und deswegen haben wir eine solche Forderung hier nicht aufgenommen. Das muss einmal klargestellt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Warum überhaupt nur den öffentlichen Dienst mit diesen Problemen anfassen? Wir haben darüber nachgedacht, neben der Tatsache in den Landesministerien nachzuarbeiten und Regelungen zu treffen, auch mehr Initiativen, meine Damen und Herren, auszulösen, was die Tarifgemeinschaft der deutschen Länder angeht. Auch das war ja, glaube ich, nicht so konsequent, wie man das eigentlich erwarten sollte. Wir sind der Auffassung, der Vorbildfunktion öffentlicher Dienst gerecht zu werden und dann aber tatsächlich auch den Blick auf die Wirtschaft zu richten. Da ist es in der Tat so, dass zwar Praktikanten gern genommen, aber nicht eingestellt werden. Das führt ja letztendlich zur „Generation Praktikum“. Wenn hier gesagt wurde, Herr Sta

schewski, bei der Wirtschaft regelt sich das jetzt auch im Alleingang, weil wir ja gute Fachleute brauchen, möchte ich auf den Artikel - meines Erachtens war er vorgestern im „Freien Wort“ zu lesen – verweisen, „Jammern beenden“ oder so ähnlich, wo von der Ilmenauer Studie ausgegangen und gesagt wird: Wirtschaft - und das ist auch mein Appell heute von dieser Stelle aus -, hört auf mit diesem Jammern, stellt die jungen Leute ein, bezahlt sie ordentlich,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

macht Personalwirtschaft. Das funktioniert sonst so nicht. Immer nur die Hand aufzuhalten und zu sagen, das geht hier nicht. Wir haben junge, gut ausgebildete Leute. Erfreulicherweise ist die Zahl der Abwanderungen rückläufig, aber es sind immer noch 33 pro Tag, wenn diese Rechnung so stimmt. Ich glaube, wir können hier auf gar keinen verzichteten, im Gegenteil, wir wollen durch ein attraktives Thüringen auch Studenten, die von auswärts hier in Thüringen studieren, halten und das kann man sicherlich mit einem guten, fairen Praktikum und einer Einstellung, die letztendlich hier auch erfolgt. Deswegen - noch einmal zum Schluss - halten wir die Anträge von SPD und CDU für nicht ausreichend. Der Antrag von der FDP ist etwas weitergehend, aber auch der zielt letztendlich auf die Selbstverpflichtung ab und da sage ich nur, wenn Sie einmal auf Ihre eigene Homepage schauen, da wird auch sehr stark mit Praktika geworben; beim Kollegen Kurth sieht man dann bei Entschädigung für das Praktikum den Verweis: „keine“. Also so viel zur Selbstverpflichtung und zu Aktivitäten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir brauchen Regelungen, anders wird es nicht funktionieren. Sie haben heute die Chance, den jungen Leuten, Praktikantinnen und Praktikanten, Studierenden ein deutliches Zeichen zu setzen: Wir wollen euch, wir wollen, dass ihr euch ausprobiert im öffentlichen Dienst und in der Wirtschaft und wir wollen euch einstellen als gute zukünftige Fachleute. Ich bedanke mich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Lemb das Wort.