Protokoll der Sitzung vom 26.02.2010

Ich sage aber auch, es gab schon mal eine Anhörung. Die hat hier in diesem Hause stattgefunden im Mai 2008 hier in diesem Saal. Der Saal war komplett belegt durch Bürgerinnen und Bürger, die dieser Anhörung beigewohnt haben. Und ich denke, das war eine positive Sache, die wir hier getan haben. Aber was gefehlt hat, war eine nachvollziehbare Entscheidung des Thüringer Landtags. Statt dieser Entscheidung gab es ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten der Professoren Säcker und Bellmann. Was gefehlt hat, immer wieder gefehlt hat trotz der wiederholten Aufforderung der LINKEN, war eine Abwägung der Argumente der beiden Gutachten und vor allen Dingen die Entscheidung, eine Positionierung des Landtags.

Wir gehen davon aus, dass der offensichtlich von einer Mehrheit des Landtags mitgetragene Wunsch nach einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss dieses Mal auch zu einer Entscheidung, zu einer Positionierung führt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das auch einmal mit Blick auf weitere Verfahren. Es gibt im Moment noch keinen Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt Vieselbach-Altenfeld, und das Raumordnungsverfahren hat bereits begonnen für den Abschnitt Altenfeld-Redwitz. Und wie der Vattenfall-Konzern selbst - wer sich mit dem Raumordnungsverfahren einmal intensiv beschäftigt

hat, stellt das fest - seine Unterstützer im Regen stehen lässt, wird an dem Beispiel der vorgesehenen Erdverkabelung bei der Rennsteigquerung deutlich. Bei beiden für das Raumordnungsverfahren angebotenen Varianten bietet Vattenfall die Erdverkabelung nur als Pilotprojekte an - man höre als Pilotprojekte. Parallel dazu soll eine Freileitung gebaut werden. Im Raumordnungsverfahren ist das so formuliert: „Bei erfolgreichem Probebetrieb“ - so steht es im Text des Raumordnungsverfahrens - „erfolgt der Ausbau zu einer Gebirgskabelanlage mit anschließendem Rückbau der Freileitung.“ Weiteres ist in diesem Verfahren in keinster Weise genannt.

Also ich muss Ihnen sagen, das haben wir doch alles schon einmal ganz anders gehört, meine sehr verehrten Damen und Herren. Hier werden wir doch von Vattenfall an der Nase herumgeführt, und die Naturzerstörung in einem der sensibelsten Bereiche Thüringens wird noch größer. Wer die 380 kV-Leitung für überflüssig hält, der braucht sie auch nicht als Erdkabel. Und um das ganz klarzustellen, bei dieser Position bleiben wir natürlich auch als Bürgerinitiativen und bleiben auch die Städte und Gemeinden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber trotzdem noch einmal zu den Pilotprojekten bei den beiden Rennsteigquerungen: Meine Damen und Herren, wer sich einmal intensiv damit beschäftigt, kann nicht verstehen, dass man hier von Pilotprojekten spricht. Erdkabel im 380 kV-Bereich sind Stand der Technik, und es wäre schon einmal interessant, von Vattenfall zu hören, warum in Thüringen dazu erst Versuche gemacht werden sollen.

(Zwischenruf Abg. Günther, CDU: Ich denke, das machen wir.)

Ganz genau, das wäre auch ein ganz gutes Thema, was man in der Anhörung auf jeden Fall besprechen muss.

Genauso wie es ein Thema bei der öffentlichen Anhörung sein muss, sich mit den zu begrüßenden Initiativen von neun Ländern der Europäischen Union, darunter auch Deutschland, zu beschäftigen, ein gemeinsames Hochspannungsnetz für den in der Nordsee erzeugten Windstrom zu schaffen. Wie man Anfang dieses Jahres der Presse entnehmen konnte - ich habe das in der „Süddeutschen Zeitung“ und im „Tagesspiegel“ gelesen - sollen Hochspannungsunterseekabel in der Nordsee, Windparks auf hoher See vor der deutschen und britischen Küste mit Wasserkraftwerken in Norwegen, Gezeitenmeilern an der belgischen und dänischen Küste sowie Wind- und Solaranlagen auf dem europäischen Festland verbinden. Damit sollen die Voraussetzungen geschaffen

werden, dass in einigen Jahren über Tausende Kilometer Hightech-Kabel Windstrom in weite Teile des Kontinents liefern. Hightech-Kabel, meine sehr verehrten Damen und Herren, und keine 380 kVÜbertragungsnetze, keine 380 kV-Leitung von Halle nach Schweinfurt.

Entschuldigen Sie hier an dieser Stelle, aber ich will mal diesen Vergleich wählen. Keine 380 kV-Leitung hat diese Dimensionen, um ganz einfach diesen Wind von dort aus zu transportieren. Vergleicht man die 380 kV-Leitung damit, dann hat es die Dimension eines Klingeldrahtes. Ich habe auch nichts gegen Klingeldrähte. Nur in diesem Fall verursacht der Klingeldraht eine unwiederbringliche Naturzerstörung, die - das ist unsere Befürchtung - für die Gesellschaft völlig ohne Nutzen ist und jede Bestrebung nach Nachhaltigkeit konterkariert.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage es auch ganz klar, der Profit von Vattenfall, das ist nicht der Nutzen der Gesellschaft, so wie das immer wieder hier hingestellt wird in der Öffentlichkeit. Wir hoffen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass diese Probleme in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses eine Rolle spielen. An meiner Fraktion, der LINKEN, wird es da nicht liegen, sich auf sachlicher und auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Thema 380-kV-Leitung zu beschäftigen. Ich denke, das haben wir auch in der Vergangenheit sehr intensiv getan. Wichtig ist - und das möchte ich hier an dieser Stelle noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen -, dass diese Anhörung öffentlich stattfindet. Ich denke, auch das ist die Position des Wirtschaftsausschusses hier. Vor allem wichtig ist, dass es natürlich nach der Anhörung auch zu einem Ergebnis, zu einer Positionierung des Landtags kommt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Enders. Es spricht zu uns der Abgeordnete Kemmerich von der FDPFraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema war ja nun mehrfach im Plenum, ist auch weitreichend von allen Parteien besprochen worden. Nur kurz, warum auch wir im Ausschuss gesagt haben, wir lehnen die Anträge ab, unterstützen aber sehr wohl eine Anhörung, weil wir darauf hoffen und setzen, dass ein breites Spektrum von wirklichen Experten einmal Licht in die Sache bringt, was nun wirklich notwendig ist, um zukünftig Stromversorgung

in Deutschland zu ermöglichen. Viele sagen hier im Hause, es ist wichtig, dass wir die erneuerbaren Energien fördern - so auch wir -, aber sicherlich müssen dazu Voraussetzungen geschaffen werden, um auch Leitungen durch Deutschland zu legen, um den Strom von A nach B, C nach D zu bekommen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das merkt man gar nicht.)

Die politische Situation ist sehr erhellend, wobei ich heute Morgen noch nicht viel Neues gehört habe. Umso mehr freue ich mich darauf, von wirklichen Experten Informationen zu bekommen, inwieweit diese Trasse überhaupt wirklich notwendig ist, ob es technische Alternativen gibt, wie wir das in Deutschland in Zukunft organisieren müssen. Insofern freuen wir uns auf die Anhörung. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kemmerich. Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben zwei Anträge hier. Ich werde versuchen, es auch ganz kurz zu machen. Der eine sehr weitgehend mit dem Wunsch eines politischen Statements aus diesem Haus herauszugehen - das ist der Antrag der LINKEN - und ein sehr neutraler Antrag - zu diskutieren, anzuhören, mehr zu erfahren - des Kollegen Weber. Herr Weber, um es gleich deutlich zu sagen: Auch dieser Antrag ist wichtig, weil er die Chance auf eine Mehrheit hat. Deshalb werden wir auch Ihrem Antrag natürlich zustimmen. Aber allen, die so empört sind und sagen - warum stehlen diese 380-kV-Gegner uns jetzt schon wieder die Zeit? -, sei kurz vor dem Wochenende noch gesagt: Sind Sie nicht unsicher und unruhig, wenn wir hier - ich glaube, es war im Dezember - im Landtag diskutieren und Frau Enders sagt, es gibt Zweifel an der Verfassungskonformität dieses Gesetzes und Sie alle oh, oh, oh sagen. Jetzt liegt - ich konnte es selber noch nicht lesen - ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vor, in dem offensichtlich, wie das Handelsblatt schreibt, auch gemutmaßt wird, dass es die Möglichkeit gäbe. Werden Sie da nicht unsicher in Ihrer Urteilskraft? Werden Sie nicht unsicher in Ihrer Urteilskraft, wenn wir darauf schauen, dass die Müllverbrennungsanlage in Suhl/Zella-Mehlis, die gebaut wurde, nächste Woche, Ihrer Abwägung durch das Landesverwaltungsamt

wegen, vor Gericht steht? Kennt nicht jeder aus unseren Wahlkreisen solche Abwägungsfehler?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben keinen Wahlkreis.)

Das gibt mir die Gelegenheit, kurz eine Replik zu machen:

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben einen eigenen Wahlkreis?)

(Heiterkeit CDU)

Werter Herr Mohring, wenn ich keinen Wahlkreis hätte, dann müsste ich ja mehrere Wochen im Jahr freimachen, weil der Landtag in seiner Planung eine Wahlkreiswoche vorschreibt. Es ist also nicht so, dass Leute, Abgeordnete, die auf einem Listenmandat hier im Landtag sitzen, keinen Wahlkreis haben, für den sie sich engagieren können, sondern sie sind nur keine durch den Wahlkreis

(Unruhe CDU)

gewählten Kandidaten. Einen Wahlkreis und einen Ort, an dem ich mich zuständig fühle und wo ich Sprachrohr der Bürger bin, den habe ich sehr wohl und das werden Sie mir nicht streitig machen, Kollege Mohring.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe CDUler, ich weiß ja,

(Beifall SPD)

dass Sie jetzt eine Diskussion führen, die Sie in Ihrer eigenen Fraktion haben, dass die einen nur über die Liste und die anderen, die Guten, über den Wahlkreis hereingekommen sind. Führen Sie die Diskussion doch bei Ihnen, da stiehlt man uns hier nicht die Zeit.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben einen eigenen Wahlkreis?)

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Herr Adams, die ohne Direktmandate nehmen jetzt auch bei der CDU zu.)

Es wird viel bunter, auch in der CDU, und das ist gut so.

Ich komme zurück zum Thema, bevor ich einen Ordnungsruf bekomme. Dieser Landtag kommt nicht

umhin, in der 5. Legislaturperiode - und es hat schon gut angefangen - viele energiepolitische Einzeldebatten zu führen. Es ist außerordentlich wichtig, dass wir auch hier einmal die Debatte führen werden, welche Vorstellungen wir denn von einer zukünftigen Stromversorgung in unserem Land haben. Da war es auch sehr erhellend, was vonseiten der FDP gesagt wurde. Ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube nicht daran, dass die Zukunft in diesen Großprojekten besteht. Die Zukunft im Sinne von 100 Jahren, die Zukunft liegt in der dezentralen Energieversorgung, die jeder mit seinem Haus selbst macht. Der Strom, den wir in unseren Häusern und unseren Industrien verbrauchen werden, wird kurz oder lang selbst dort vor Ort hergestellt werden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann brauchen Sie diese Netze nicht. Die wirkliche technologische Herausforderung ist nicht, immer größere Drahtgerüste in die Landschaft zu stellen, sondern die große Herausforderung ist, Windkraftanlagen so zu bauen, dass die Menschen da mitgehen können und dass sie uns alle ökologisch mit Strom versorgen. Darauf kommen wir aber heute noch. Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich sehe aber eine Wortmeldung des Abgeordneten Weber. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diese Aussprache war entbehrlich. Ich habe es bei der Berichterstattung gesagt und daran hat leider auch Ihr Wortbeitrag, Frau Enders, nichts geändert.

(Beifall SPD)

Herr Kollege Kemmerich, es ist schön, dass Sie hier in diesem Haus zweifelsfrei für die Erneuerbaren stehen, es wäre schön, wenn das Signal auch nach Berlin gehen würde zu Ihrer Partei, da können wir auch einiges in dem Bereich bewegen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nochmals kurz zum Inhalt - es bleibt mir nicht erspart, jetzt doch noch etwas zu erwidern, ich wollte