Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Die können wir auch ohne euch machen.)

Wir gehen damit im Jahr 2014 in den Wahlkampf, weil wir davon überzeugt sind, dass solche Debatten, die wir führen, Verwaltungsreform, Gebietsreform, immer auch eine Frage von Strukturpolitik sind. Und Politik im Land hat die Verantwortung, strukturpolitische Entscheidungen zu treffen. Ich will das gern noch mal ausführen.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist Ihre Verant- wortung.)

Natürlich kann man darüber reden und sagen - Sie tun das ja auch -, ich packe Landkreis A, B und wahrscheinlich auch noch C und D, wenn es nach bestimmten Größenordnungen geht, zusammen. Was passiert denn aber vor Ort? Was passiert denn vor Ort, wenn die Kreisverwaltung, die mit ihrer Kernverwaltung oft der größte Arbeitgeber ist, vor Ort wegfällt in einer kleinen Kreisstadt in Thüringen, wie wir sie kennen?

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Da kann doch nur …)

Was passiert denn, wenn die Kaufkraft von 300 Mitarbeitern plötzlich nicht mehr da ist, Frau Siegesmund? Sie können doch darüber gar nicht mitreden, weil Sie außer Jena gar nichts in diesem Land kennen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihnen fehlt doch die Thüringen-Identität. Sie wissen doch gar nicht, wovon wir reden.

(Beifall CDU, FDP)

Wenn wir Jena morgen verkaufen würden, insgesamt mit all den Situationen, die dort vorhanden sind, wären Sie doch gar nicht mehr hier und dann würde Thüringen auch noch funktionieren.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall CDU)

Ach, hören Sie doch auf, Frau Siegesmund. Ich kann doch auch nichts dafür, dass Ihre Partei nicht in der Lage ist, mitzuregieren. Wir haben es Ihnen doch angeboten auf Bundesebene, Sie wollten doch nicht. Jetzt jammern Sie doch nicht, dass Sie Opposition sein müssen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ehrlich mal.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie haben doch den Stillstand organisiert.)

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir über diese strukturpolitischen Fragen reden und eine Kreisverwaltung fällt mit ihrer Kernverwaltung weg, was ist denn die Folge? Kaufkraftverluste. Und was ist denn die Folge, wenn eine Kreisverwaltung nicht mehr in der ehemaligen Kreisstadt da ist? Da wird natürlich über die Frage des Amtsgerichtsstandorts nachgedacht. Es wird natürlich über die Frage der Polizeiinspektion nachgedacht. Es wird natürlich darüber nachgedacht, braucht es die Kreismusikschule und die Kreisvolkshochschule noch. Und es wird natürlich darüber nachgedacht, ist das Kreiskrankenhaus mit der Regelversorgung dann in diesem ehemaligen Landkreisteil noch notwendig. Wenn das alles wegfällt, wo die größten Arbeitgeber auch zu Hause sind, dann sind das strukturpolitische Fehlentwicklungen und die wollen wir diesem Land nicht zumuten, weil wir wollen, dass dieses Land vorankommt, und nicht das Land schlechtmachen.

(Beifall CDU)

Aber um das zu verstehen, muss man sich auf dieses Land einlassen und das ist halt mehr als nur die vermeintlich großen Städte in diesem Land, die im Vergleich in Deutschland ja auch nicht groß sind. Aber es ist mehr. Deswegen ist es wichtig, auch den Leuten im ländlichen Raum eine Zukunftsperspektive aufzuzeigen. Dafür ist Politik verantwortlich, wenn sie mehr denkt als jeweils nur bis zum nächsten Wahltermin. Das ist die Grundvoraussetzung, sonst funktionieren solche Entscheidungsprozesse sowieso nicht. Deswegen will ich auch nicht verhehlen, ich sage das ganz deutlich,

uns wäre als CDU-Fraktion lieber gewesen, diese Verwaltungsreformschritte hätten wir schon vor zwei Jahren diskutieren können, weil dann die Chance bestanden hätte, sie noch schneller umzusetzen und einzutüten, damit die Effizienzgewinne, die der Finanzminister ausgerechnet hat, bis zu 340 Mio. € zunächst bis 2020 und darüber hinaus noch mal weiter, eher kassenwirksam werden, weil wir uns einig sind in der finanzwirtschaftlichen Betrachtung, dass das hohe Steuerniveau, auf dem wir uns derzeit befinden, das höchste seit 1990, kein Dauerzustand für dieses Land sein wird. Wir werden diese hohen Steuereinnahmen vermutlich in der nächsten Wahlperiode nicht noch einmal erleben. Da brauchen wir Einsparungen, Ausgabenreduzierung, Standardreduzierung. Nur dann gelingt uns ein ausgeglichener Haushalt auch in der Zukunft. Wir wollen das. Das ist unser Prinzip, was wir als CDU in diesem Landtag hier verfolgen.

(Beifall CDU)

Weil das auch unsicher ist, was kommt, deswegen hat das Frau Siegesmund an der Stelle zu Recht angesprochen, deswegen sind auch die Zahlenerwartungen unterschiedlich. Die Ministerpräsidentin hat heute von 1 Mrd. € Einnahmeverlust bei Steuern gesprochen bis 2020. Der Finanzminister redet zu Recht regelmäßig von 1,5 Mrd. € und wir sagen auch, wenn man auf die Mittelfristige Finanzplanung schaut, der Korridor der möglichen Steuereinnahmeverluste auch in der Degression des Solidarpaktes und des Länderfinanzausgleichs ist zwischen 1,5 und 1,9 Mrd. So sagt es die derzeit bestehende Mittelfristige Finanzplanung aus. Vielleicht ist es auch weniger, vielleicht brummt die Konjunktur weiter, vielleicht bleibt die Beschäftigung hoch, vielleicht bleibt die Ansiedlung hoch, aber darauf darf sich Politik nicht verlassen. Wenn sich Politik darauf nicht verlassen kann, dann muss man realistischerweise einkalkulieren, dass mindestens die überschüssigen Zuschüsse, die wir bekommen, eben um die teilungsbedingten Lasten zwischen Ost und West zu beseitigen, dass die zurückgehen werden. Die realistische Prognose ist und das ist die Zahl, die die Ministerpräsidentin genannt hat -, dass mindestens die Degression aus dem Solidarpakt von derzeit noch 1 Mrd. definitiv 2020 uns nicht mehr zur Verfügung steht. Deswegen redet die Ministerpräsidentin von 1 Mrd. und deswegen redet auch der Finanzminister zu Recht von 1,5, weil er noch dazurechnet, dass wir die demografischen Verluste aus dem Länderfinanzausgleich verbuchen müssen, aber auch mögliche Steuerschwankungen. Verstehen tut man nur die zwei Zeilen, wenn man sich auskennt. Wenn man sich nicht auskennt, geht man vor und sagt: Widerspruch da und Widerspruch dort. Wer sich auskennt, kann die Zahlen richtig einordnen und kann dann auch klug für dieses Land die Zukunft beschreiten.

(Unruhe DIE LINKE)

Hilft ja nichts. Ich muss es ja wenigstens einmal sagen, damit es richtig eingeordnet wird. Irgendwann werden später vielleicht mal mindestens Politikwissenschaftler diese Protokolle lesen aus dem Landtag und dann ist es wichtig, dass die das richtig einordnen

(Beifall CDU)

und nicht später mal denken: Mensch, die Frau Siegesmund hat das nicht gewusst und keiner hat es ihr erklärt.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Das ist doch auch gut für die Zukunft. Deshalb, meine Damen und Herren, wir werden diese Verwaltungsreform beherzt angehen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Noch beherzter als jetzt?)

Ich kündige an, wir werden weitere Verwaltungsreformschritte angehen, und das auch in der nächsten Wahlperiode und vermutlich auch in der übernächsten Wahlperiode. Und nur wenn sich in diesem Landtag und in diesem Land auch außerparlamentarisch mutige und beherzte Politiker finden, die sagen: „Ich gehe diesen Schritt, ich weiß, er ist schwer, ich weiß, ich kriege Kritik. Die Opposition wird mich geißeln; die Betroffenen werden sagen, so ist es nicht richtig.“, aber nur wenn es diese mutigen Politiker in diesem Land gibt, dann wird Thüringen auch zukunftsfest sein und dann wird Thüringen auch im nächsten Jahrzehnt auf eigenen Beinen stehen. Und ich frage mich: Was ist unsere Aufgabe? Sind wir nicht genau dafür gewählt, diesen Freistaat Thüringen auch ins nächste Jahrzehnt so zu bringen, dass wir diesen Freistaat eigenständig im Herz und im föderalen Gebilde in der Mitte Deutschlands gut voranbringen können und gut platzieren können? Dafür lohnt es sich doch zu arbeiten und wir wollen das als CDU-Fraktion tun und mindestens unseren Koalitionspartner SPD laden wir immer dazu ein, jeden Tag mit uns zu streiten und diesen Weg gemeinsam zu gehen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Meyer das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich freue mich immer, nach Herrn Mohring reden zu können, weil Herr Mohring genau das nicht ist, was er hier gera

de als Letztes postuliert hat: mutig. Er hat eine gewisse Analysefähigkeit, aber Mut hat er keinen. Ich will versuchen, an zwei Beispielen zu der Debatte, die gerade gelaufen ist, noch mal zu erläutern. Das wichtigste Thema scheint mir zu sein, Herr Mohring, das Thema Ihrer gelogenen MöchtegernPersonaleinsparung. Ich zitiere jetzt mal aus Ihrem eigenen Papier und ich lege die berühmte Liste zugrunde, die immer auch in unseren Haushaltspapieren drinsteht. Der Finanzminister sagt uns, und zwar zu Recht, jedes Mal wieder, wir müssen 1,5 Mrd. € sparen und dazu müssen wir mindestens diese 8.800 Stellen bis zum Jahr 2020 einsparen. Eigentlich, sagt er - und Frau Ministerpräsidentin gibt ihm manchmal sogar recht -, es müssten 11.000 Stellen sein. Und wie viel ist in Ihrem Papier drin? Wir stellen fest, von den 8.818 Stellen, von denen Frau Lieberknecht hier gesprochen hat, sind 1.017 überhaupt erst nach 2021 abzubauen. Das könnte man auch übersetzen mit dem Sankt-Nimmerleins-Tag. Das ist seriös nicht mehr ernst zu nehmen. Dass der Herr Kultusminister seine Abbaupfade erst 2018 beginnt, sei nur nebenbei bemerkt. Dass in der ganzen Zeit 17.000 Menschen als einmalige Chance diese Landesverwaltung verlassen aus Ruhestandsgründen und dass die einmalige Chance der nächsten 40 Jahre ist, einen Einstellungspfad zu haben und einen Sparpfad zu haben, sei nur ganz nebenbei noch erwähnt. Das wissen wir hier alle, darüber redet aber Herr Mohring nicht, weil er feige ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Er ist nämlich feige, wenn er sich nicht mehr hinstellt und erinnern kann, dass 800 dieser Stellen im Innenministerium noch gar nicht untersetzt sind und die müssen bis 2020 untersetzt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er weiß genau, dass 1.300 Stellen Hortkommunalisierung für die Kommunen überhaupt gar keinen Euro Einsparung bringt, weil vernünftigerweise – Konnexitätsprinzip, ich erinnere daran - natürlich Kosten für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Kommunen gehen müssen, das hat überhaupt nichts mit Stellenreduzierung zu tun.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist eine sogenannte unechte Stelleneinsparung. Dazu kommen dann noch 477 Stellen im Thüringen-Forst, der nicht nur eben mal 500 Stellen einsparen soll, das durch mehr Holzeinschlag oder vielleicht auch Windkraft im Wald, sondern nebenbei auch noch ganz locker unsere nationalen Naturlandschaften im Sinne von Biosphärenreservate mit organisieren soll. Alles völlig ununtersetzt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Abg. Mohring)

Zum Schluss bleiben 3.800 Stellen übrig, die zurzeit behauptet werden. Also im nächsten Jahr werden im Bildungsministerium fünf Stellen gestrichen und im Justizministerium neun und beim Finanzminister 35, im Wirtschaftsministerium gar keine - so geht das dann weiter. Das ist die Aufgabe, die Sie sich hier gestellt haben, Herr Mohring, das ist feige. Das ist nicht mutig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Genau jetzt müssten diese Sachen passieren, nicht dann. Sich hier hinzustellen und zu sagen: Ja, aber meine Nachgeborenen, wenn ich mal in Rente bin, die müssen auch noch Verwaltungsreform machen! Da haben Sie völlig recht. Aber Sie und wir müssen heute auch machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und warum wir das machen müssen, das will ich versuchen jetzt noch mal zu dem Thema - weil Sie haben uns aufgefordert -, wie man eigentlich mit einer Kreisgebietsreform Geld sparen kann, zu sagen. Herr Mohring, ich werde Ihnen jetzt mal eine nennen, die Sie vielleicht nicht erwarten. Vielleicht mögen Sie sie auch nicht hören. Ich nehme mal Ihre eigene, da waren Sie auch schon dabei, ich auch. 1994 hat diese CDU eine Kreisgebietsreform gemacht. Damals war ich bekannterweise an verantwortlicher Stelle in der Stadt Weimar tätig. Welche Erfahrungen haben wir dort gemacht? Wir haben in der Kreisgebietsreform, in der Weimar beteiligt war, neun Gemeinden eingekreist bekommen, man könnte auch sagen, in eine Gemeinde bekommen. Das ist aber in einer kreisfreien Stadt dasselbe.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Die haben heute noch schlechte Laune deshalb.)