Wenn auch an dieser Stelle uns der anonyme Hinweis hilft, bei Kali+Salz eine gute, eine endgültige Befassung, die wirklich auch Transparenz herstellt mit allen Folgekosten, zu finden, dann finde ich das richtig und dann bin ich demjenigen dankbar, der den anonymen Hinweis in diesem Fall gegeben hat. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, was wir eben bei der Rede von Bodo Ramelow und im Anschluss mit diesen bewegenden Bildern von Ordnern, die von rechts nach links in den Saal gewandert sind, erleben mussten, halte ich für unwürdig,
unwürdig deshalb, weil wir uns in einem historischen Kontext bewegen, der die Menschen in diesem Land hat zweifeln lassen, zweifeln lassen an der politischen Klasse, zweifeln lassen an denjenigen, die Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen haben. Der Zusammenschluss der Kali-Industrie in Ost und West 1993 zugunsten, und das in aller Deutlichkeit, von Kali+Salz und der BASF, zuungunsten derjenigen, die dort Arbeit und auch Zukunft hatten, hat zum Abbau eines objektiv überlebensfähigen und konkurrenzfähigen Industriezweigs geführt und es sind 15.000 gewesen, die dagegen auf die Straße gegangen sind, 40 sogar in den Hungerstreik. Menschen haben ihr Leben riskiert, weil sie fassungslos waren über die Ungerechtigkeit, die sie erfahren haben. Man muss das schon an dieser Stelle deutlich sagen, die Treuhand war in dieser Rolle nicht nur ein Wirtschaftsinstrument, sie war ein politisches Instrument, und zwar ein politisches Instrument der CDU-geführten Bundesregierung unter Helmut Kohl, und sie hat zuungunsten der ostdeutschen Interessen und zuungunsten der ostdeutschen Beschäftigten in der Kali-Industrie entschieden.
Die Fakten wurden in einem Geheimvertrag geschaffen, der als Grundlage für diese Situation gedient hat, und seit mehr als 20 Jahren wird in diesem Haus darüber diskutiert, wie wir es schaffen, Einsicht in diesen Vertrag zu bekommen, eine Offenlegung der entscheidenden Passagen herbeizu
führen. Es gibt eine Klage der SPD-Bundestagsfraktion, die versucht hat, diese Regelungen sowie die Protokolle von Vorstand und Verwaltungsrat der Treuhand vor dem Bundesverfassungsgericht zu erklagen. Das ist also ein Thema, was nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit von politisch höchster Brisanz war. Die aktuelle Situation, die wir aus dem Sommer letzten Jahres hier zu Beginn der Debatte bewertet haben, in der eine vermeintliche Kopie des Vertrags, man muss es ja juristisch sauber ausdrücken, zwischen den Häusern hier in Thüringen hin- und hergegangen sind, ergibt natürlich Fragen, Fragen, die teilweise der Minister in seinem Sofortbericht beantwortet hat. Es bleiben aber auch Fragen offen. Mir stellt sich zum Beispiel die Frage ans Umweltministerium: Was ist denn zwischen dem 26.07. und dem 15.08. passiert? Also bei mir dauert eine Annahmeverweigerung keine drei Wochen. Oder was ist in Richtung Staatskanzlei zwischen dem 29.07. und dem 30.08. passiert? Auch vier Wochen dauert eine Annahmeverweigerung nicht. Vor dem Hintergrund muss schon diese Frage erlaubt sein und die müssen wir auch im weiteren Verfahren und in den weiteren Debatten beantworten.
Das ist aber nicht die Kernfrage dieser Diskussion, wenn wir uns mit dem Kali-Fusionsvertrag auseinandersetzen. Es ergeben sich Fragen wie zum Beispiel: Kann das Umweltministerium seine Verantwortung und Zuständigkeit dadurch ablegen, dass es die Annahme verweigert? Oder eine andere Frage: Wenn wir uns seit 20 Jahren mit der Frage der Offenlegung des Kali-Fusionsvertrags befassen, warum hat die Staatskanzlei entgegen einem von allen Parteien mitgetragenen Beschluss dieses Hauses zu dem Zeitpunkt letzten Sommer nicht die Regie übernommen und die Frage in der Öffentlichkeit oder zumindest in den dafür zuständigen Stellen gestellt, ob damit die Geheimhaltungspflicht tatsächlich obsolet ist? Weil es ja diesen Passus im Vertrag gibt und aus meiner Sicht wäre das schon eine Aufgabe der Staatskanzlei gewesen, an dieser Stelle zu sagen, es gibt offensichtlich eine Offenlegung einer vermeintlich vorhandenen Kopie des Vertrags und wie ist denn juristisch weiterzuverfahren. Wir reden nicht von den letzten Tagen, sondern wir reden vom Zeitraum seit Sommer letzten Jahres.
Darüber hinaus stellt sich die Frage: Warum weigert sich die Staatskanzlei bis heute, diese rechtliche Prüfung vorzunehmen? Das hat Herr Gnauck an dieser Stelle auch nicht beantwortet. Bisher gibt es keine Zusage seitens der Staatskanzlei, eine rechtliche Prüfung, inwieweit eine Offenlegung möglich ist, vorzunehmen.
Die Indizien sprechen jedenfalls dafür, dass zumindest die Landesregierung schon seit vielen Jahren über Vertragsinhalte verfügt. Ich darf mit Verlaub, Frau Präsidentin, zwei Protokolle dieses Hohen Hauses zitieren, zunächst vom 14.07.1993, und zwar von Herrn Minister Bohn, FDP: „Mich schmerzt Bischofferode um so mehr, als die Thüringer Landesregierung und mein Haus in allen Gremien immer gegen“ - insoweit das, was Sie gesagt haben, Herr Gnauck, und jetzt kommt es - „den vorgelegten und die Ausgestaltung des vorgelegten Fusionsvertrages votiert haben.“
Vorgelegter Fusionsvertrag - das ist übrigens kein Geheimnis, Kollege Ramelow, es ist ein Plenarprotokoll.
Doch, doch. Darüber hinaus ein weiteres Protokoll, 15.01.93, Ministerpräsident Vogel: „Der Verwaltungsrat der Treuhand hat am 9. Dezember 1992 der Privatisierung der Mitteldeutschen Kali AG im Wege der Zusammenfassung mit der Kali- und Salzaktivitäten der Kali & Salz AG in einer gemeinsamen Gesellschaft im Grundsatz zugestimmt.“ „Im Grundsatz (...) zugestimmt“ - wer war denn im Verwaltungsrat der Treuhand zu diesem Zeitpunkt? Darüber hinaus steht im gleichen Protokoll zu lesen: „Zweitens, meine Damen und Herren, in diesem Beschluß ist eindeutig dargelegt, daß nach dieser grundsätzlichen Zustimmung der Inhalt des Vertragswerks dem Verwaltungsrat anhand einer umfassenden Vorlage im ersten Quartal 1993 zur endgültigen Zustimmung vorgelegt wird.“
„Die grundsätzliche Zustimmung ist gegeben worden und ist richtig.“ Zitat Ministerpräsident Bernhard Vogel, 15.01.1993.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben Herrn Vogel ja so vieles zu verdanken.)
Diese Fragen sind die Fragen, mit denen wir uns eigentlich befassen müssen, wenn wir über den KaliFusionsvertrag und seine Auswirkungen diskutieren. Darüber hinaus, das hat Kollege Ramelow schon gesagt, hat Herr Illert auf die Anfrage von Dagmar Becker 1998 Ähnliches bestätigt, fünf Jahre später. Die Frage ist also, wer hat denn mit dem vom Kollegen Primas noch mal angeführten Zitat von Bernhard Vogel, er hätte in Bischofferode in die kalte Fratze des Kapitalismus geblickt, damals den Menschen die Wahrheit über ihre Zukunft und über ihr Schicksal gesagt und wer hat möglicherweise Informationen zurückgehalten und sich politisch nicht den tatsächlichen Entscheidungen gestellt? Welche Rolle spielte die Landesergierung im Verwaltungsrat der Treuhand? Wer war außer dem damaligen Ministerpräsidenten noch beauftragt, Verhandlungen in diesem Kontext zu führen, zum Beispiel die damalige Ministerin für Bundesangelegenheiten? Fragen, die sich nur dann klären lassen, wenn sich die Öffentlichkeit endlich mit diesem Vertrag auseinandersetzen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, eine Strafanzeige, wie sie Herr Gnauck gestellt hat, die mag rechtlich in Ordnung sein. Ob sie für die Menschen im Land nicht zumindest ein missverständliches Signal sein kann, das ist eine ganz andere Frage. Wenn Sie zitieren aus dem UWG - meine Kollegin Marx war so freundlich, mir da juristische Unterstützung zu geben: Strafbewährt ist, wenn jemand diese Informationen zum Zwecke des Wettbewerbs, zum Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber eines Unternehmens Schaden zuzufügen, verteilt. Es ist jetzt die Frage, unter welchem der vier Punkte Sie diese Aktivitäten interpretieren möchten? Fakt ist, auch meine Fraktion hat ein Schreiben oder ein Paket von Herrn Dossier erhalten und auch meine Fraktion kann nicht prüfen, ob es sich dabei um eine authentische Kopie des Vertrags handelt. Aber immer wieder von einem Geheimvertrag zu sprechen, wenn ich jeden Tag Neues über den Vertrag in der Zeitung lesen kann, wenn ich ihn mir, wie eben schon angesprochen, auf mein iPad downloaden kann, das ist schon ein bisschen lächerlich.
Es ist natürlich kein Geheimvertrag. Es wird ganz offen in diesem Land über die Inhalte diskutiert. Wir müssen in diesem Haus auch bereit sein, zumin
dest über das, was draußen kursiert - auch wenn wir nicht wissen, ob es authentisch ist -, zumindest über die Inhalte, die mittlerweile jeder Zeitungsleser und jeder Internetnutzer diskutiert, in entsprechenden Gremien zu diskutieren. Das halte ich für selbstverständlich, unabhängig von allen juristischen Fallen, die offensichtlich damit verbunden sind.
Damit geht die juristische Prüfung einher, inwiefern die Geheimhaltungspflichten tatsächlich obsolet sind. Ich verweise noch einmal auf den Passus im Vertrag, der deutlich macht, wenn offensichtlich eine Öffentlichkeit hergestellt wird, sind diese Geheimhaltungspflichten zumindest noch einmal zu prüfen. Das muss natürlich auch in diesem Hause geprüft werden. Die Menschen in Bischofferode, aber auch die Steuerzahler haben einfach ein Recht zu erfahren, welche Vereinbarungen zu ihren Lasten und auf Lasten ihres Geldbeutels in diesem Haus von der damaligen Landesregierung mit der Treuhand und im Verwaltungsrat der Treuhand gefallen sind.
Dass Kali+Salz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein profundes Interesse daran hat, diese Informationen nicht zu veröffentlichen, seit 20 Jahren ein profundes Interesse hat, allein das sollte uns zum Nachdenken bringen, denn wenn das alles, was dort niedergeschrieben ist, und alles, was dort entschieden wurde, so unproblematisch für Kali+Salz wäre, warum gibt es denn Einwände gegen eine Offenlegung? Offensichtlich ist hier einiges, was sich zumindest zu diskutieren lohnt.
Es ließe sich auch die Frage stellen, inwieweit diese Regelungen, die wir, wenn wir denn Einblick in den Vertrag haben, unter europäischen Gesichtspunkten zu bewerten sind. Ist es unter Umständen eine unzulässige Beihilfe, eine Wettbewerbsverzerrung? Gibt es Anlass dafür, das im Rahmen eines Beihilfeverfahrens seitens der EU klären zu lassen? Auch das kann man diskutieren in diesem Kontext.
Ich will deshalb noch einmal ausführen, dass wir seitens unserer Fraktion Aufklärung mit allen parlamentarischen Mitteln einfordern, auch wenn wir zu Beginn mit dem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, doch einige Bauchschmerzen hatten, insbesondere mit II., weil wir schon gesehen haben, dass die Landesregierung zur Rechtsbeugung aufgefordert worden wäre, wenn wir das getan hätten. Mittlerweile sehen Sie das ähnlich, deswegen haben Sie klugerweise diesen Entschließungsantrag vorgelegt. Sie haben auch zitiert aus dem Vertrag, Sie haben klugerweise den 16.7 zitiert, den wir auch schon ein paarmal im Ausschuss diskutiert haben. Der ist nämlich gar
Ich denke, das, was die Fraktion DIE LINKE beantragt hat, muss man diskutieren, und zwar in den Ausschüssen, die unter 2. des Antrags genannt sind. Es fehlt noch ein Punkt, den werden wir allerdings im Rahmen eines Selbstbefassungsantrages heilen. Meines Erachtens oder des Erachtens meiner Fraktion zufolge wäre es auch notwendig, im Justizausschuss die rechtlichen Bewertungen und Stellungnahmen nochmals einer Beratung zu unterziehen. Wir werden das im Rahmen eines Selbstbefassungsantrags unternehmen.
Lassen Sie mich zum Ende kommen. Ach, im Übrigen, einen Hinweis kann ich mir doch nicht ganz verkneifen. Die Grünen und die Werra-Versalzung: Ich freue mich wirklich auf die Initiativen aus Hessen, die dieses Problem endlich in den Griff bekommen. Da regieren Sie mit, da können Sie das hervorragend auf den Weg bringen.
Als letzten Satz: Die Kali-Industrie in der DDR, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus politischen Gründen zerschlagen worden.
Herr Abgeordneter Weber, Sie hatten noch die Antwort auf eine Frage des Abgeordneten Heym versprochen.
Herr Abgeordneter Weber, wir haben jetzt auch Ihr hohes Aufklärungsinteresse vernommen. Ich habe die erste Frage: War es denn bei Ihnen mal von Interesse zu erfragen, wo denn die Unterlagen herkamen, die Herr Staatssekretär Staschewski im letzten Sommer an verschiedene Häuser der Landesregierung geschickt hat? War das bei Ihnen von Interesse?
Und die zweite Frage: War es bei Ihnen schon einmal von Interesse, dass im Februar dieses Jahres Wirtschaftsminister Höhn in Beantwortung der Kleinen Anfrage, ob es denn Unterlagen gäbe, gesagt
hat, dass er davon nichts weiß, dass er keine kennt oder dass es keine gäbe. War das bei Ihren Recherchen bislang jemals schon mal von Interesse?