Protokoll der Sitzung vom 21.03.2014

(Beifall FDP)

Das ist das Problem, das liegt am Inhalt des Gesetzentwurfs, dass das im Vorfeld wahrscheinlich schon gar nicht richtig beabsichtigt war.

Aber genau der Punkt Ihrer Begründung im Gesetzentwurf, dass es keine Sicherheitslücke gäbe, da die Polizei weit im Vorfeld einer Gefahr schon agieren darf, zeigt aus meiner Sicht, dass es hier Probleme mit dem Gefahrenbegriff gibt, welcher im Polizeiaufgabengesetz verwendet wird, aber - und das ist auch das Traurige an dem Gesetzentwurf - das werden wieder einmal die Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshofs entscheiden müssen, da auch mit diesem Gesetzentwurf bewiesen wird, dass der Gesetzgeber scheinbar nicht mehr in der Lage ist, verfassungskonforme Gesetze zu verabschieden.

(Beifall FDP)

Eine weitere Vermischung von Vorfeldmaßnahmen und Gefahrenabwehr enthält § 11. Hier soll der Verfassungsschutz bei der Wohnraumüberwachung auf einmal als Ersatzpolizei für die Gefahrenabwehr tätig werden dürfen. Also, nichts für ungut, aber an dem Punkt habe ich schon erhebliche Bedenken, ob dies rechtlich überhaupt zulässig ist. Ich sehe auch noch weitere Probleme, die den Kernbereichsschutz angehen, was zum Beispiel die Unterlassung von Benachrichtigungen für die Betroffenen angeht. Aber an der Stelle will ich aufhören, die ganzen Punkte, die aus unserer Sicht im Gesetzentwurf vakant sind, hier alle einzeln aufzuführen, weil ich glaube, dafür sind die zuständigen Ausschüsse da. Ich glaube, ich habe zumindest angedeutet, dass bei diesem Gesetzentwurf noch sehr viel Diskussionsbedarf besteht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Abgeordneter Gentzel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine der wesentlichen Aufgaben unserer Legislaturperiode war insgesamt die Neujustierung, um es vorsichtig zu formulieren, der Sicherheitsstrukturen hier in Thüringen. Zu viel - auch das ist vorsichtig formuliert - hat nicht funktioniert. Zu viel ist vor die Wand gefahren worden. An zu vielen Stellen ist einfach zu viel versagt worden. Es gab eine Unmenge von Fehleinschätzungen in unseren Sicherheitsbehörden insgesamt, insbesondere natürlich beim Landesamt für Verfassungsschutz. Bei der Polizei

sind wir, möchte ich behaupten, auf einem guten Weg. Da befinden wir uns in der Umstrukturierungsphase, mit der Ausnahme LKA. Da hat der Innenminister noch zu liefern. Auch dort scheint einiges veränderungswürdig. Heute beschäftigen wir uns das erste Mal mit den Vorstellungen der Landesregierung zur Neuausjustierung, und zwar grundlegend mit inhaltlichen, strukturellen und personellen Fragen beim Landesamt für Verfassungsschutz.

Ich möchte das vorab gerne formulieren: So, wie die Landesregierung den Gesetzentwurf inhaltlich vorgelegt hat, können wir in den wesentlichen Fragen, in den Kernfragen, wie soll es da zukünftig weitergehen, zustimmen. Er scheint uns in den grundsätzlichen Fragen mehr als nur geeignet, um in Thüringen zukünftig auf diesem Feld optimaler arbeiten zu können. Warum sage ich das so?

Erstens: Der Gesetzentwurf beschränkt die Aufgaben des Landesamtes auf einen Kernbereich und das war uns immer sehr wichtig. Das war auch aus dem Schäfer-Bericht deutlich herauszulesen. Herr Innenminister, Sie haben von sich aus in dieser Vorlage des Entwurfs den Bereich der Organisierten Kriminalität zukünftig komplett der Polizei zugeordnet. Das ist richtig so, aber auch das gehört zur Wahrheit. Im Bereich der Prävention haben wir uns gestritten und natürlich, wenn man es so formuliert wie Sie, wenn der Verfassungsschutzbericht zum Beispiel vorgelegt wird, hat das auch eine präventive Wirkung. Wenn es die eine oder andere Mitteilung oder Information aus dem Amt gibt, auch das hat eine präventive Wirkung. Aber das, was Sie wollten, Prävention als eine der Kernaufgaben im Gesetz zu beschreiben, das ist uns gelungen aus dem Gesetz herauszustreichen, übrigens genau wie diesen unsäglichen Beirat, und das hat den Weg zur ersten Lesung heute freigemacht. Ich habe mich gefreut, dass wir mit unserer Argumentation auch die Ministerpräsidentin überzeugen konnten und das finde ich gut so.

Zweitens: Die Landesregierung stellt das Landesamt für Verfassungsschutz, ich will das zukünftig nur noch Amt nennen, strukturell in einer Behörde neu auf, dazu werde ich noch etwas sagen, beim Innenministerium. Das finden wir richtig, denn, und auch das soll hier gesagt werden, es öffnet den Weg für personelle Veränderungen und auch das ist dringend nötig. Das Gesetz regelt erstmals Voraussetzung, Eignung und Führung von V-Leuten gesetzlich. Natürlich, Herr Abgeordneter Koppe, ist das ein ganz anderes Niveau. Die Landesregierung will die Kontrolle des Verfassungsschutzes im eigenen Haus, also in der schon viel zitierten Controllingstelle stärken. Das ist in Ordnung. Aber auch die Rechte der PKK werden gestärkt. Und, was für mich ganz wesentlich ist und eben noch nicht ausformuliert worden ist, wir führen umfangreiche Do

(Abg. Koppe)

kumentationspflichten gesetzlich ein. Auch das ist ein neues Niveau.

Meine Damen und Herren, bei der Debatte um dieses Verfassungsschutzgesetz stand im Kern immer eine Frage: Soll es zukünftig einen Verfassungsschutz geben und wenn ja, wie strukturieren wir ihn und welche Aufgaben soll er haben? Wir wollen ein Amt, das es den zuständigen Stellen ermöglicht, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu treffen, wie in § 4 des Gesetzes geregelt. Wir wollen diesem Amt auch ermöglichen, dazu nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen und in engen Grenzen mit V-Leuten und Informanten zu arbeiten, rechtsstaatlich sicher, kontrollierbar und auch nachvollziehbar.

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass auch zukünftig im Vorfeld gegen nachweislich gewaltbereite militante Personen und Organisationen ermittelt wird. Wer will eigentlich bestreiten, dass dies in Thüringen insbesondere im rechtsextremistischen Bereich bitter notwendig ist? Natürlich auf einem anderen rechtsstaatlichen und vor allen Dingen auch intellektuellen Niveau als bisher. Wir wollen, dass diese neue Behörde auf einem anderen Niveau mit der Polizei und der Justiz zusammenarbeitet, aber das Gleiche gilt auch für die gesellschaftlichen Kräfte in unserem Land und für das Parlament.

Ist diese Schlussfolgerung, wie ich sie für meine Fraktion eben gezogen habe, richtig - und das behaupte ich -, ist die Frage, in welcher Struktur soll das Landesamt das tun. Der Vorschlag der Landesregierung dazu, ich habe es schon gesagt, nämlich ein Amt beim Innenministerium anzusiedeln, ist nachvollziehbar. Insbesondere macht es klar, dass der Innenminister direkt für die Vorgänge im Amt verantwortlich ist. Herr Geibert, wir wissen, Sie gehen damit auch ein hohes persönliches Risiko ein, aber diese Art von Verantwortungsübernahme ist notwendig, um das Amt nachhaltig zu reformieren und - ich sage es auch ganz deutlich - um es an die Zügel zu legen.

(Beifall SPD)

Gelingt dies nicht, steht der Innenminister in unmittelbarer Verantwortung dafür: fachlich, politisch, aber auch moralisch.

Meine Damen und Herren, einige Sätze zum Gesetzentwurf der Linken. Sie verzichten gänzlich auf ein herkömmliches Landesamt mit nachrichtendienstlichen Mitteln und den Einsatz von V-Leuten. Ich gebe das gerne zu, ich kann das emotional verstehen, aber in der Sache, davon bin ich überzeugt, wird dieser Vorschlag nicht helfen. Neonazis zu bekämpfen kann auch bedeuten, ohne Vorliegen einer konkreten Tat die Persönlichkeitsrechte dieser Personen einzuschränken und in diese einzu

greifen. Dieser Einsicht verweigert sich der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE gänzlich. Oder Sie haben das nicht beschrieben, aber das wäre eine mögliche Schlussfolgerung - Sie wollen das Trennungsgebot aufheben und die Vorfeldermittlung zukünftig in Gänze bei der Polizei ansiedeln. Ich sage Ihnen ganz deutlich, das will die Thüringer SPD ausdrücklich nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Etwas anderes ist mir in Ihrem Gesetzentwurf aufgefallen, in den §§ 5 und 7: § 5 - Aufgaben Ihrer Ersatzbehörde, so möchte ich sie einmal, aber nicht abwertend benennen, der Informations- und Dokumentationsstelle; in § 5 haben Sie die Aufgaben beschrieben. Ich zitiere: „Aufgabe der Informationsund Dokumentationsstelle (...) ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere sach- und personenbezogener Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über (...) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische und soziale Verfassungsordnung“ usw. usf. So weit, so gut. Aber in § 7 beschreiben Sie, wie Sie Zugang zu solchen Informationen bekommen möchten. Und da heißt es: „Sie“ - also die Behörde - „erhält die für ihre Arbeit notwendigen Informationen aus öffentlichen Quellen, wissenschaftlichen Studien und aus den im Rahmen ihrer Beratungsfunktion gegenüber gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren gewonnenen Erkenntnissen.“ Weiter heißt es: „Eine anonyme Informationsermittlung ist auf Wunsch sicherzustellen.“ Also öffentliche Quellen, staatliche und gesellschaftliche Akteure - das ist jedermann. Jedermann kann dieser Behörde Informationen geben und jedermann kann anonym bleiben. Das ist im Kern der anonyme Informant, gegen den Sie sich in den Gesetzentwürfen von den Grünen und der Regierungskoalition so eminent weigern.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das ist Quatsch, Herr Gentzel.)

Damit kann ich ja umgehen, aber dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf nicht regeln, wer die Glaubwürdigkeit dieses anonymen Informanten prüft, wer die Glaubwürdigkeit dieser anonymen Information prüft, das ist nach meiner Meinung rechtsstaatlich überhaupt nicht zu klären. Eine PKK, die Sie weiter wollen, aber nicht beschrieben haben, aber erst recht nicht der von Ihnen beschriebene Beirat kann das nicht leisten. Wie gesagt, emotional kann ich Ihren Vorschlag verstehen, aber fachlich wird das nicht funktionieren, er bringt uns in der Sache nicht weiter.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Nein, das sage nicht nur ich. Behaupten Sie nicht, dass Sie mit dem Gesetzentwurf die große Mehrheit der Thüringer in der Mitte treffen. Das wäre schlicht und einfach falsch.

Meine Damen und Herren, ich wollte ein, zwei Sätze zum Gesetzentwurf von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen, aber nehmen Sie es mir nicht übel: Das geht gar nicht, der ist mir einfach zu krude. Das Landesamt - ich mache das einmal in der Kurzfassung - umzustrukturieren, das Personal auszuwechseln, um es dann aufzulösen; entschuldigen Sie, das ist in meinen Augen Unfug. Das alles als ein Ausstiegsszenario zu beschreiben, ist einfach falsch.

Meine Damen und Herren, ich habe erläutert, dass meine Fraktion mit dem Vorschlag der Landesregierung in den grundsätzlichen Fragen gut leben kann, aber, und das gilt besonders für dieses Gesetz, der Teufel liegt mitunter im Detail. Funktioniert die Stabsstelle Controlling so, wie im Gesetzentwurf skizziert? Genügen die einschränkenden Regelungen für das Führen von V-Leuten? Müssen die Rechte der PKK nicht noch weitergefasst werden? Welche Rolle sollen der Geschäftsführer, der neue Geschäftsführer - begrüßen wir ausdrücklich und die Geschäftsstelle bei der PKK spielen? Was ist eigentlich eine angemessene Ausstattung dieser Geschäftsstelle? All das sind Fragen, die jetzt noch nicht abschließend zu beantworten sind. Was die SPD deshalb will, ist eine öffentliche Beratung zu diesem Gesetzentwurf, eine Anhörung von Experten gemeinsam mit den Kollegen aus dem Justizausschuss. Erst dann wird die SPD, wenn nötig, Änderungsanträge zu diesem Gesetz formulieren.

Herr Abgeordneter Gentzel, Frau Abgeordnete König würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Am Ende, Frau König.

Was ebenfalls geboten scheint, ist eine Stellungnahme der Untersuchungsausschüsse 5/1, 5/2 und der PKK zu diesem Gesetz. Nicht zuletzt sind nach meiner Auffassung auf jeden Fall noch einmal die Experten Dr. Schäfer und Dr. Engel zu diesem Gesetz zu hören. Dann sehen wir klarer, um es auch deutlich zu sagen, und dann sehen wir weiter.

Meine Damen und Herren, ein anderes ist mir noch eminent wichtig, lässt sich aber nur schwer oder kaum gesetzlich regeln: die Frage nach fähigem Personal im Amt. Nach den Befragungen der letzten Monate ist klar, einige sind motiviert und fähig, andere sind schlichtweg eine Zumutung für jede Behörde. Die verantwortlichen Präsidenten sind

fort, die zuständigen Innenminister nicht mehr im Amt, Gott sei Dank,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber teilweise ab Abteilungsleiterebene herrscht dringender Handlungsbedarf. Diese anstehende Aufgabe ist eine schwierige. Ich gebe gern zu, ich will da gar nicht mit Ihnen tauschen, Herr Innenminister, denn sie wird im Endeffekt auf Ihren Schultern liegen. Sie haben das zu verantworten. Ich will es deutlich sagen. Gibt es hier Klarheit und die notwendige Transparenz, wird die SPD helfen und unterstützen. Wenn dieser Vorgang wie in der Vergangenheit vor die Wand fährt, werden wir sehr konsequent in unseren Forderungen und in unserem Handeln sein. Zumindest die Innenminister Schuster, Dewes, Köckert, Trautvetter, Gasser und Scherer sind ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie haben, wie wir heute in vielen Fällen wissen, diese Missstände gekannt, nichts dagegen getan, im Gegenteil - Sie haben sie geduldet und vertuscht und somit versagt. Meine Damen und Herren, das ist die Quintessenz auch dieses Gesetzes, so etwas darf hier in Thüringen nie wieder passieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung an den Innenausschuss.

Und beantworten jetzt die Frage von Frau König. Bitte, Frau Abgeordnete König.

Danke schön. Danke, Herr Gentzel. Zuerst, ich finde es spannend, dass Sie zum Gesetzesentwurf von uns vom März 2012 hier Stellung nehmen, den Sie damals nicht behandeln wollten und der heute auch gar nicht Thema ist.

Aber ich kenne ihn doch.

Ich würde jetzt gerne von Ihnen wissen, ob Ihnen bekannt ist, dass a) die Informanten, die in unserem Gesetzesentwurf stehen, die Sie so benannt haben, keinerlei finanzielle Unterstützung bekommen und b) dadurch dann auch kein Grundrechtseingriff daraus resultiert, und vor allem, ob Ihnen bekannt ist, dass ein ähnliches anonymes Hinweis

(Abg. Gentzel)

Informationssystem die Polizei in Baden-Württemberg bereits sehr erfolgreich in Bezug auf rechtsextremistische Straftaten erprobt und durchführt und sogar in Thüringen mittlerweile überlegt wird - Herr Adams, Sie können dann bestimmt auch noch eine Frage stellen -, ob man ein ähnliches Hinweissystem auch hier einführt.

Es ist richtig, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf den anonymen Informanten keine Entlohnung geben. Da unterscheiden Sie sich oder wir unterscheiden uns da von Ihnen, das ist richtig.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Wir ha- ben keinen Informanten, Herr Gentzel. Der Begriff ist schon falsch.)

Das war nicht der Kern meiner Bemerkungen, sondern, wenn jemand Informationen bekommt, bekommt er die von einem Informanten. Für mich ist der Begriff Informant nicht generell so negativ besetzt wie bei Ihnen. Aber Sie schreiben mit Ihrem Gesetz die Möglichkeit, und zwar für jedermann, vor, anonymer Informant zu sein, nur das habe ich hier erwähnt. Und ich habe kritisiert, dass Ihr Gesetz keine Aussagen dazu macht, wie die Glaubwürdigkeit dieses anonymen Informanten überprüft wird - das wäre nämlich im Zweifel mitunter notwendig - und wie die Botschaft des anonymen Informanten kontrolliert wird. Ich glaube, das darf einfach nicht im freien Raum sein. Das muss in einem Gesetz geregelt sein. Über die Art und Weise kann man dann gern streiten. Aber wenn es Ihnen um die Kernaussage geht, unterscheiden wir uns an der einen Stelle, dass wir Informanten zukünftig auch in einem anderen Maß als bisher bezahlen wollen, da haben Sie recht.

(Beifall SPD)