Protokoll der Sitzung vom 09.04.2014

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Drucksache 5/3491 ist der Gesetzentwurf Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der 70. Sitzung des Thüringer Landtages am 17. November 2011 eingebracht worden. Durch Beschluss des Landtags wurde der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur als federführenden, den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, den Haushalts- und Finanzausschuss und den Justiz- und Verfassungsausschuss überwiesen.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat den Gesetzentwurf in seiner 43. Sitzung am 14. März 2013, seiner 44. Sitzung am 18. April 2013, seiner 47. Sitzung am 4. Juli 2013, seiner 50. Sitzung am 10. Oktober 2013 und seiner 55. Sitzung am 13. März 2014 beraten sowie ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt.

In der 49. Sitzung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur am 12. September 2013 wurden 13 Zuschriften aus dem schriftlichen Anhörungsverfahren ausgewertet. Eine Beratung in den mitberatenden Ausschüssen gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung wurde nicht beantragt. Die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses lautet: Ablehnung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Drucksache 5/6195 wurde der Gesetzentwurf Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz von der Fraktion DIE LINKE in der 122. Sitzung des Thüringer Landtags am 20. Juni 2013 eingebracht. Durch Beschluss des Landtags ist der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur als federführenden Ausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen worden.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat den Gesetzentwurf der Linken in seiner 47. Sitzung am 4. Juli 2013, seiner 50. Sitzung am 10. Oktober 2013 und seiner 55. Sitzung am 13. März 2014 beraten sowie ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt. In der 49. Sitzung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur am 12. September 2013 wurden 12 Zuschriften aus dem schriftlichen Anhörungsverfahren ausgewertet.

Obwohl mehrfach angekündigt, wurde seitens der Regierungskoalition bzw. des Fachministeriums kein eigener Entwurf für ein Bildungsfreistellungsgesetz vorgelegt. In der Sitzung des Ausschusses am 13. März 2014 wurde seitens der Fraktionen CDU und SPD erklärt, dass dies auch nicht mehr in dieser Legislatur geschehen werde. Eine Beratung im mitberatenden Ausschuss gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung wurde nicht beantragt. Die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses lautet: Ablehnung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat Abgeordneter Emde für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Damen und Herren, die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweist in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf auf andere Bundesländer in Deutschland,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 12 an der Zahl.)

in denen es solche Gesetze gibt. Daraus ergibt sich dann auch die Anzahl der Länder, in denen es keine gibt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 4 - genau.)

Das lässt sich dann gut ausrechnen, Frau RotheBeinlich. Aber man muss auch sagen, dass die Vorschläge, die sich sowohl in dem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch in dem Gesetzentwurf von der Fraktion DIE LINKE wiederfinden,

(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Das ist eine Frechheit.)

alles toppen und summieren, was es so an Regelungen in Deutschland gibt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von Ihnen gibt es über- haupt keine Vorschläge, Herr Emde.)

Wir machen sozusagen das ultimative Bildungsfreistellungsgesetz für alle und da setzt dann auch schon unsere Kritik an.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben überhaupt nichts vorgelegt bis heute, nichts, keine Zei- le, kein Wort.)

Wir reden über Ihre beiden Gesetzentwürfe, dazu will ich reden. Da müssen Sie mir jetzt nicht vorwerfen, dass ich keinen vorgelegt habe oder wir.

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben es aber ver- sprochen, das steht sogar in Ihrem Koaliti- onsvertrag.)

Frau Rothe-Beinlich, es wäre sogar aus meiner Sicht möglich gewesen, eine Einigung zu erzielen. Aber die Dinge sind eben manchmal etwas kompliziert. Wenn es so ist, dass man den Bogen überspannt - und das werfe ich jetzt Ihren beiden Gesetzentwürfen vor -, dann wird es keine Regelung geben. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es eine Regelung geben kann, wenn das Einvernehmen mit der Wirtschaft hergestellt wird.

Aber zwei Dinge will ich anmerken: Erstens, man wollte eine Regelung finden, die Erstattungen aus Steuergeldern aufgreift, und das als Bundesland, das nach wie vor und noch für einige Zeit Nehmerland sein wird. Zweitens waren aus unserer Sicht die Eingriffe in die Wirtschaft einfach zu groß. Wenn man die Fragen klärt, zum Beispiel Unternehmen mit welcher Größe sind betroffen, und wir sind bekanntermaßen ein Land mit sehr, sehr kleinen Unternehmen in der großen Zahl…

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da kann man von hier auch Ausgleiche finden.)

Ja, ja Ausgleiche. Wenn man die Frage nimmt, wie viele Tage von der Freistellung betroffen sind und wie die Anrechenbarkeit und die Mitnahmemöglichkeit in das nächste Jahr ist oder wenn es auch um die Fragen geht, welchen Katalog an Bildungsthemen man abdecken möchte, um nur mal einige Dinge zu nennen - letztendlich ist es so, dass das Einvernehmen mit der Wirtschaft eben nicht hergestellt werden konnte. Wir selbst haben uns auch im Koalitionsarbeitskreis intensiv mit der Unternehmerschaft, auch mit den Arbeitnehmervertretern über dieses Thema ausgetauscht. Es war klar, dass es divergierende Auffassungen gibt. Am Ende mit den zuletzt vorgelegten Entwürfen gibt es kein Einvernehmen mit der Wirtschaft. Wir haben daher festgestellt, dass wir nicht zu diesem Ziel kommen und keinen gemeinsamen Gesetzesvorschlag hier unterbreiten können.

Ich will aber auch sagen, dass in den Gesprächen vor allem mit den Vertretern der Wirtschaft deutlich wurde, dass sie durchaus etwas für die Fortbildung und Schulung ihrer Mitarbeiter tun, auch für die Freistellung für Tätigkeiten, die durch ihre Mitarbeiter an dieser Gesellschaft gemeinnützig verrichtet werden. Das tun sie ohne gesetzlichen Zwang, sie tun es auch ohne Auflagen und sie tun es ohne einen zusätzlichen Bürokratismus, den eine gesetzliche Regelung mit sich bringt.

Ich kann nur sagen, wenn man eine vernünftige Regelung finden möchte - und wir sind durchaus bereit, auch weiter darüber zu reden -, dann muss

man die Balance zwischen den Dingen finden, die für die Arbeitgeber wichtig sind, genauso zu den Dingen, wie sie den Arbeitnehmern wichtig sind. Denn eins ist auch klar: Das, was in Thüringen heute und für die nächste Zeit ansteht, ist doch, dass die Löhne für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu steigen haben, damit sie in diesem Land ihr Auskommen haben und damit wir im Konzert der Länder wettbewerbsfähig bleiben. Da ist es wichtig, dass diese Dinge ganz im Vordergrund stehen. Es ist kontraproduktiv, wenn man das durch Regelungen, wie zum Beispiel ein völlig überzogenes Bildungsfreistellungsgesetz, wie von diesen beiden Fraktionen vorgelegt, auf die Agenda bringt.

Daher sage ich: Diese beiden Gesetze, so wie sie beschrieben sind, sind ein Irrweg und sind der Weg in die falsche Richtung. Deswegen werden wir gegen diese beiden Gesetzentwürfe stimmen.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Hennig das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich glaube, das Bildungsfreistellungsgesetz ist sehr beispielhaft, in welcher Form in Thüringen Politik gemacht wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird nicht das Wohl der Thüringerinnen und Thüringer in den Blick genommen, sondern das Wohl einer einzigen Partei, nämlich der Partei der CDU. Es ist auch sehr interessant, was der Fraktionsvorsitzende der CDU in der Landespressekonferenz vergangene Woche gesagt hat: Natürlich kann es ein Bildungsfreistellungsgesetz geben. Wenn denn Schwarz-Grün im Herbst eine Mehrheit erringen sollte und Wirklichkeit werden sollte, wäre das das erste Wahlgeschenk.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das habe ich nicht gesagt, du warst doch nicht mal da- bei.)

Jetzt frage ich mich natürlich: Aus welchem Blickwinkel wird denn hier eigentlich in Thüringen Politik gemacht und wie passen die Vorstellungen der CDU mit denen der Grünen zusammen, wenn sie schon bei einem abgespeckten Gesetzentwurf der SPD nicht zusammenpassen?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Lass dir mal ordentlich zuarbeiten, du hast doch Mit- arbeiter. Ich habe gesagt, das kommt im September nach der Wahl wieder auf die Ta- gesordnung.)

(Abg. Emde)

Wenn ich einmal darauf hinweisen darf, dass Frau Abgeordnete Hennig das Wort hat. Es können Zwischenfragen und alles Mögliche gemacht werden, aber man möchte der Rednerin auch zuhören können.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Aber sie muss die Wahrheit sagen.)

Ich frage mich natürlich, was Herr Emde damit meint, wir müssten noch darüber reden, was noch zu verbessern wäre. Wir haben Anhörungen gemacht, es ist drei Jahre geredet worden und ich frage mich auch ein bisschen, wie das 12 Bundesländer hingekriegt haben, wenn Thüringen so eine Messe macht, nur um zu einem Bildungsfreistellungsgesetz zu kommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus meiner Sicht geht Bildungsfreistellung alle an, da geht es nicht nur um die Wirtschaft, sondern auch in erster Linie um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie müssen sich einfach entscheiden, was Sie wollen. Wollen Sie in diesem Land gestalten oder wollen Sie es weiter aussitzen, wie Sie es bisher machen?

Werte Abgeordnete, wie bei vielen anderen Dingen auch war in den ersten Jahren der Regierungskonstellation ab 2009 von einem Bildungsfreistellungsgesetz nicht viel zu sehen. Deswegen hat sich zuerst die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf den Weg gemacht, hat einen eigenen Entwurf eingebracht, der auch prompt an den Bildungsausschuss im Herbst 2011 überwiesen worden ist. Wir haben die Initiative damals begrüßt und unterstützt. Trotzdem haben wir unsere Kritik an dem Gesetzentwurf und die geht auch schon ein bisschen in die Richtung, die Herr Emde hier aufgemacht hat. Es geht erstens um prinzipielle Gründe, da aus unserer Sicht die Weiterbildung von Beschäftigten im Interesse vor allem der Gesamtgesellschaft liegt, aber auch natürlich bei den Betrieben selbst, in denen sie beschäftigt sind. Deswegen kann es aus unserer Sicht nicht um eine Kostenerstattung für Unternehmen gehen, wenn ihre Arbeitnehmerinnen sich in ihrer Freizeit bzw. während der Arbeitszeit bilden. Zum Zweiten halten wir zumindest für den Anlauf von Bildungsfreistellung in Thüringen eine Konzentration auf die Arbeitswelt bezogen und gesellschaftspolitische Weiterbildung für gut. Ob inhaltliche Erweiterungen denkbar sind, das ist völlig klar, darüber kann man immer diskutieren. Das kann man aber auch diskutieren, wenn das Gesetz in der gesellschaftlichen Praxis angekommen ist.

Der Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat inhaltlich etwas andere Akzente gesetzt,

aber lag über mehrere Jahre im Bildungsausschuss, ohne dass das Parlament tatsächlich zu einer Entscheidung gelangt wäre. Trotzdem hat es das Bildungsund Kultusministerium geschafft, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Damit, meine Damen und Herren, gab es zwei Gesetzentwürfe für ein Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz. Sie kennen die Geschichte, nur einer lag dem Landtag vor. Herr Minister Matschie hat seinen Entwurf mit den Tarifpartnern und den Bildungsexperten diskutiert. Über Inhalte, Pro- und Contra-Argumente konnte man sich in der Presse bereits gut informieren. Auf öffentlichen Podiumsdiskussionen wurden Erläuterungen dazu abgegeben, mit dem Bezug auf den Landtag passierte nichts. Deswegen griff ihm letztlich die Fraktion DIE LINKE unter die Arme und hat dieser Situation Abhilfe verschafft und hat ihren Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht,

(Beifall DIE LINKE)

weil wir der festen Auffassung sind, was gesellschaftlich diskutiert wird, muss auch im Parlament diskutiert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das gebietet einfach eine funktionierende Demokratie. Zu den dann erfolgten Behandlungen im Bildungsausschuss will ich mich eigentlich nicht weiter auslassen, weil es ein Trauerspiel war. Wir haben uns als Bildungsausschuss - und damit meine ich die Mehrheitsverhältnisse im Bildungsausschuss, die sich auch hier im Parlament widerspiegeln wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Viermal, glaube ich, wurde der Tagesordnungspunkt vertagt, ein einziges Mal - zusammengenommen, glaube ich, 20 Minuten - haben wir inhaltlich diskutiert. Das Einzige, was im Zusammenhang mit dem Bildungsausschuss für unsere heutige Entscheidung wirklich wichtig ist, ist die Tatsache, dass von den 13 Anzuhörenden, die sich explizit und ausführlich zu den Inhalten geäußert haben, es einmal grundsätzliche Zustimmung bei erheblichen Änderungswünschen gab, zehn Anzuhörende den Entwurf stark befürwortet haben und nur zwei ihn ablehnten.

Sehr geehrte Landesregierung, dass Sie es auf den letzten fünf Metern dieser Legislatur nicht geschafft haben, Ihren Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen, ist nicht so schlimm. Wir haben ja mitgeholfen, dass wir heute abstimmen können. Beinahe hätten Sie es verpasst, Ihren Koalitionsvertrag zu erfüllen - das wollen wir natürlich nicht zulassen -, obwohl es das Bildungsland Thüringen lange genug zulassen konnte, dass wir eines der vier Bundesländer sind, die immer noch keinen Freistellungsanspruch für Weiterbildung für Arbeitnehmer haben.