Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Zunächst rufe ich für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Hey auf.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen kurz vor dem Mittag - zumindest aus meiner Sicht - zu einem Schlagsahnehäubchen hier im Thüringer Landtag,

(Beifall DIE LINKE)

nämlich - das ist schon angesprochen worden und die Frau Berninger hat es in der Begründung zum Einbringen dieses Gesetzentwurfs noch einmal betont - zum „Gesetz zur Demokratisierung der Kommunalpolitik“. So blumig haben Sie das umschrieben, es klingt auch besser als „Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung“. Wie bitte?

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie umschreiben blumig, nicht ich.)

Ja, ich umschreibe das als blumig. Ich komme gleich noch zu dem Titel. Wir haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt rund vierundeindreiviertel Jahre Legislatur hinter uns, da ist vieles geschehen auch im Bereich der Innenpolitik - für diesen Bereich spreche ich ja hier. Die Legislatur, wenn man es einmal personell nimmt, begann mit dem Innenminister - damals hieß er noch Huber, jetzt haben wir den Innenminister Geibert. Wir haben bei den Sachthemen sehr viel diskutiert über den Kommunalen Finanzausgleich, das Polizeiaufgabengesetz, das Polizeiordnungsgesetz hat eine Rolle gespielt, es gab sehr hitzige Debatten - Sie erinnern sich alle - über die Gemeindeneugliederungen, die wir hier im Plenum geführt haben. Ich erinnere auch an das - salopp gesagt, im Volksmund wird es immer noch so genannt - sogenannte Kampfhundegesetz, es gab streitbare Debatten über Kommunalabgaben. Also es war einiges los in der Innenpolitik, wenn ich das mal als kleine Replik der letzten Jahre ziehen darf. Aber drei Monate, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor der Sommerpause hat die Linke nun Folgendes entdeckt: Die Kommunalpolitik muss demokratisiert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, darauf haben wir hier im Landtag nur gewartet, dass endlich die Demokratie einzieht

(Beifall DIE LINKE)

in die Kommunalpolitik, Tausende Stadt- und Gemeinderäte haben dem entgegengefiebert.

(Heiterkeit CDU)

(Abg. Bergner)

Am Anfang der Legislatur hat man zu mir gesagt, Herr Hey, seien Sie immer vorsichtig, verwenden Sie keine Ironie hier vorn am Podium. Aber in dem Falle kann ich es mir doch nicht verkneifen, weil ich die Frage einfach einmal stellen muss und vielleicht kann sie Herr Kuschel, der nachher sicherlich auch zu diesem Gesetzentwurf hier vorn Stellung nehmen wird, vielleicht kann sie Herr Kuschel uns allen beantworten und ich bitte sehr darum: Wann ist Ihnen das denn alles eingefallen?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein, kann er nicht.)

Und warum so spät? Das interessiert mich auch. Der Titel ist aus meiner Sicht heraus jedenfalls irreführend „Gesetz zur Demokratisierung der Kommunalpolitik“. Wer da ein wenig unbeleckt ist, wird sich wundern und meinen, ist die Kommunalpolitik in Thüringen vielleicht gar nicht demokratisch. Deswegen allgemein erst einmal vorab, unsere Kommunalverfassung ist nicht so gut, als dass sie nicht noch besser gemacht werden könnte - das ist unbestritten -,

(Beifall DIE LINKE)

aber, Herr Kuschel, bevor Sie hier trommeln wie ein Duracell-Äffchen, sie ist auch besser als ihr Ruf,

(Beifall FDP)

weil unsere Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel in die Entscheidungsprozesse direkt mit eingebunden werden. Das ist beispielsweise bei der Wahl ihrer Repräsentanten so, wenn es um die Landräte geht, wenn es um die Bürgermeister geht. Wir haben jetzt am 25. Mai wieder die Wahlen zu den Kreistagen, zu den Stadt- und Gemeinderäten. Da entscheidet der Bürger direkt über die Zusammensetzung des jeweiligen Rates. Das kann, wie gesagt, in der Gemeinde sein, das kann im Kreistag sein, das geht hin bis zu Bürgerentscheiden. Auch das ist in Thüringen möglich. Bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden gibt es - meine Vorrednerin Frau Holbe ist dankenswerterweise schon darauf eingegangen -, so ein Ranking, ich habe das einmal nach hier vorn mitgebracht: das ist das Volksentscheid-Ranking von Mehr Demokratie. Ich habe Ihnen das einmal mitgebracht, Herr Kuschel. Ich stelle es auch gerne zur Verfügung, es ist noch relativ neu, das Ranking von 2013. Interessant ist, man höre und staune: In Bezug auf die gesetzlichen Regelungen der direkten Demokratie auf Kommunalebene belegt Thüringen nach diesem Ranking sogar Platz 2. So, bitte.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir wollen aber Platz 1.)

Ja, Sie wollen Platz 1, Herr Kuschel. Aber es ist doch auch schon mal schön, wenn Thüringen auf Platz 2 ist, denke ich mir. Also, es kann um die di

rekte Demokratie in unserer Kommunalpolitik so schlimm nicht bestellt sein.

Jetzt kommen wir aber zum Gesetzentwurf, um den dreht es sich ja heute und es lohnt sich durchaus, einzelne Regelungen hier genauer anzusehen. Jetzt ist von meinem Vorredner, das will ich jetzt nicht alles wiederholen, schon einiges gesagt worden, beispielsweise was das Verfahren innerhalb der Gemeinderäte und einzelne Regelungen, die das betreffen, hier angeht. Aber ich habe zum Beispiel ein Zitat - Sie gestatten, Frau Präsidentin? -; in der Nummer 2, also auf Seite 2 des Gesetzentwurfs steht: „Bei der Aufgabenübertragung durch Gesetz nach § 2 Abs. 3 Satz 1 und § 3 ist in einem durch Rechtsverordnung des für das Kommunalrecht zuständigen Ministeriums zu regelnden Beteiligungsverfahren das Einvernehmen mit den betroffenen Gemeinden herzustellen. Dies schließt die Kostenerstattung der Aufgabenübertragung ein. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Landtages.“ So steht es bei Ihnen im Gesetzentwurf drin. Das heißt übersetzt, wenn das Land Aufgaben übertragen möchte, geht das nur noch, wenn die Kommune dazu nickt. Es soll also ein Beteiligungsverfahren geben, Sie schlagen das hier so vor, das koordiniert dann alles, in dem Falle, habe ich es wohl richtig verstanden, das Innenministerium. Die Kostenerstattung wird dann auch noch geregelt. Das wird jetzt schon mal schwierig, Herr Kuschel, weil Sie wissen, Kostenerstattung, einen Großteil regelt das Thüringer Finanzministerium über den Kommunalen Finanzausgleich, weil das ein Hauptteil des Geldflusses ist, der in die Kommunen fließt und wenn die Kommunen dann nur mal angenommen mit einer horizontalen Kopfbewegung antworten, also wenn die sagen, nein, das wollen wir nicht, dann bleibt die Aufgabe also, wenn wir nach Ihrem Gesetzentwurf gehen, einfach so beim Land.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ge- nau.)

Sie schreiben in Ihrer Begründung, das sei eine regelgerechte Auslegung des Konnexitätsprinzips. Ich habe das sehr genau verfolgt. Wie Sie sehen, es lohnt sich immer mal, in dem Gesetzentwurf zu schmökern, aber ich sage Ihnen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wann machen Sie das?)

das Konnexitätsprinzip wird erweitert. Die eigentliche Form des Verständnisses des Konnexitätsprinzips, das seit Jahren hier in Thüringen herrscht, dass nämlich das Geld den Aufgaben folgen soll, wird jetzt erweitert, indem Sie sagen, nicht nur das Geld soll den Aufgaben folgen, sondern auch die Zustimmung der Gemeinden. Ich sage Ihnen, das wird im Zweifelsfall relativ schwierig werden, wenn die Kommunen beispielsweise - mag das verständlich sein oder nicht - gar keine Lust haben, so eine

Aufgabe zu übernehmen. Also das ist eine relativ schwierige Geschichte. In der Nummer 4 Ihres Gesetzentwurfs - Frau Präsidentin, Sie gestatten, dass ich zitiere? - in Absatz 3 wird der Satz 5 wie folgt neu formuliert: „Ein Bürgerbegehren über Abgaben oder privatrechtliche Entgelte der Gemeinde muss einen Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahmen enthalten.“ So steht das da drin. Ich stelle mir das relativ lustig vor, Herr Kuschel. Wenn Sie den Abgabenvorbehalt in dieser Form aus dem kommunalen Gesetz streichen wollen, dann heißt das, die Bürger können auf eigene Ideen kommen, wie sie die Abgabenlast verringern oder wegfallen lassen können, und sie können eigene Vorschläge bringen. Sie können nicht nur, sie müssen sogar. So steht es da drin.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ge- nau.)

Jetzt frage ich mich aber - und vielleicht haben Sie nachher noch Gelegenheit, uns alle aus dieser Unwissenheit zu entlassen -, wie soll dieses Verfahren denn eigentlich aussehen?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das erkläre ich Ihnen dann.)

Also sagt der Bürger dann, ich stelle mir das so vor - ich freue mich auf Ihre Erklärung, Herr Kuschel, es ist immer so -, wenn der also sagt, diese Abgabe soll entfallen, wir fassen mal zusammen, Abgaben können Steuern, Gebühren und Beiträge sein, wenn der also sagt, das passt mir alles nicht, ich soll hier Hundesteuer zahlen, das finde ich ungerecht, was auch immer, oder die Straßenausbaubeiträge, das ist auch ein ganz beliebtes Thema hier im Plenum. Jetzt sagt der Bürger, nein, das will ich nicht, und er soll einen Gegenvorschlag bringen, er muss es sogar laut Ihrem Gesetz. Er muss.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Muss, muss.)

So, dann sagt der - weiß ich nicht, wie ich mir das vorzustellen habe -, er hat in den Haushaltsplan reingeguckt, die Stadt will doch da ein neues Sportzentrum bauen. Das Geld könne man sich sparen, das soll also zur Tilgung dieser Abgabenlast ruhig mit eingesetzt werden. Oder er sagt - das ist auch die Folklore immer mal bei dem ein oder anderen -, die Verwaltungskosten in dieser Stadt sind viel zu hoch, sollen die doch lieber in der Stadtverwaltung ein paar Arbeitsstellen abbauen, damit da Geld gespart wird. In der Regel sind das meist die Leute vom Ordnungsamt, weil Politessen sowieso keiner gern hat. Das also soll alles hier in Thüringen vonstatten gehen. Ich kann hier nicht auf alle Einzelregelungen eingehen, die ich, wie gesagt, mit hochgezogenen Augenbrauen und sehr, sehr skeptisch sehe; auf das ein oder andere sind auch meine Vorredner bereits eingegangen. Sie haben auf Seite 15 im Prinzip das gesamte Konvolut für uns alle

noch einmal durch diese Anstriche zusammengefasst.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da- mit Sie eine bessere Übersicht haben.)

Bessere Übersicht, da bin ich Ihnen auch sehr dankbar. Das ist von geradezu betörender Süße, dass man da nicht alles immer nur nachblättern muss, es reicht auch ein Blick auf diese Seite, aber das sind im Ganzen 50 Änderungen, wenn ich richtig gezählt habe, also so roundabout, da würde meine Redezeit gar nicht ausreichen, um auf jedes Einzelne einzugehen. Was mir fehlt, das will ich gleich noch abschließend sagen, ist hin und wieder auch mal eine genauere Stellungnahme zum Kostenverweis. Sie schreiben auf Seite 1, Zitat: „Es entstehen den Kommunen Mehrausgaben durch die gesetzliche Verpflichtung der finanziellen Mindestausstattung kommunaler Fraktionen und durch die im Gesetz enthaltene Kostenerstattungsregelung bei Bürgerbegehren in freier Sammlung.“ Sie haben bei dem § 17 Abs. 6 einen neuen Absatz vor, den Sie einfügen möchten - Frau Präsidentin, Sie gestatten, dass ich wieder zitiere? -: „Neben der Bekanntmachung hat die Gemeinde spätestens 22 Tage vor dem Tag der Abstimmung jedem Haushalt Informationsmaterial über den Bürgerentscheid zukommen zu lassen. Das Informationsmaterial beinhaltet, soweit dies von den Betreffenden jeweils gewünscht wird, neben Angaben zur Abstimmung jeweils eine Stellungnahme der Antragsteller zum Alternativvorschlag und eine Stellungnahme des Gemeinderats zu dem zur Entscheidung stehenden Bürgerbegehren.“ So steht das da drin.

Jetzt frage ich mich, Herr Kuschel, das werden Sie nachher vielleicht auch noch begründen können, wer soll dieses Infomaterial in den Stadtverwaltungen erstellen? Die Kommunen sollen es selbstverständlich machen, sie sollen auch das Benehmen mit dem Antragsteller herstellen, dass das auch alles stimmt, was da 22 Tage vor diesem Bürgerentscheid

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Be- nehmen, nicht Einvernehmen.)

- das Benehmen, ja. Um das redaktionell richtig hinzubringen, wäre es wahrscheinlich gut, Kontakt zu dieser Bürgerinitiative zu halten und hin und wieder auch Gespräche zu führen. Ist ja klar, in den Stadtverwaltungen, die langweilen sich alle und freuen sich dann auf diese Mehraufgaben. Die müssen Druckvorlagen erstellen, die müssen das Ganze, wie gesagt, drucken lassen. Das sind auch Mehrkosten für die Kommunen, Herr Kuschel, das muss man ganz deutlich so sagen. Sie haben es zwar etwas mokant bei den finanziellen Auswirkungen so ein bisschen mit untergemischt in diesen schönen Blumenstrauß aus 50 Einzelregelungen, aber das muss auch jedem klar sein, wenn er denn in diese

Kommunalgesetzgebung so eingreift, dass das eben zum Teil eine relativ teure, arbeitsaufwendige Sache werden kann. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Ich denke, wir sollten diesen Gesetzentwurf mit den Experten in der kommunalen Familie diskutieren, das sind nun mal die Spitzenverbände. Ich bin im Übrigen sehr gespannt, wenn wir die im Innenausschuss - ich plädiere auch dafür, diesen Gesetzentwurf zu überweisen - anhören, was die zu diesen Einzelregelungen sagen werden. Es wird wahrscheinlich mehr oder minder sehr viel Kritik hageln, aber dem wollen wir uns, wie gesagt, nicht entziehen. Deswegen plädiere auch ich dafür, diesen Gesetzentwurf an den Innenausschuss abzugeben und dort weiter zu beraten. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Herr Abgeordneter Hey, ich habe noch einmal darüber nachgedacht, ich nehme an, dass Sie den Vergleich des Duracell-Äffchens mit dem Beifall des Herrn Abgeordneten Kuschel als freundliches Kompliment gemeint haben und würde das nicht rügen, verweise aber darauf, dass es üblicherweise ein Hase ist.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Adams das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich würde Sie niemals kritisieren, aber mich dünkt, das war jetzt eine Produktplatzierung mehrfach eines...

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Adams, auch darüber habe ich nachgedacht. Ich wollte aber nicht alle Batteriefirmen in der Welt aufzählen.

So ist es richtig.