Das hätte schon zu DDR-Zeiten nie sein dürfen, denn Suhl war naturgegeben nicht dazu geeignet, so ein Zentrum darzustellen. Das hätte Meiningen sein können. Meiningen lag aber zu nahe an der Grenze, Meiningen war zu bürgerlich und in Meiningen waren nicht genug Kommunisten.
Jetzt hat nach der Wende wieder ein natürlicher Prozess eingesetzt, dass nämlich diese ganzen Wanderungsbewegungen, die künstlich provoziert wurden zu DDR-Zeiten, sich wieder in andere Richtungen entwickelt haben.
Sie werden mir doch zustimmen, Frau Leukefeld, dass im Umfeld von Suhl viele Suhler ihren neuen Wohnsitz gefunden haben,
dass sie Eigenheime gebaut haben in Wohngebieten, die rundum von Suhl entstanden sind. Wir müssen an der Stelle auch mal sagen, dass - und das sage ich ganz frei heraus - die Rolle des damaligen Oberbürgermeisters von Suhl alles andere als dazu angetan war, um in der Region einvernehmliche Lösungen herbeizuführen.
Da ist mit einer erheblichen Arroganz zuerst vom Oberbürgermeister, aber auch unterstützt von anderen, die Verantwortung getragen haben, in die Region hinein argumentiert worden. Das hat dazu geführt - was das Natürlichste der Welt wäre, zunächst erst einmal mit Zella-Mehlis zu reden, wo ein Unterschied zwischen den beiden Städten überhaupt nicht mehr wahrnehmbar ist -, infrastrukturell darüber zu reden, ob man miteinander kann. Aber bevor überhaupt mit den Nachbarn unmittelbar gesprochen wird, was ist möglich und was geht, heißt es: Innenminister von Thüringen, geh du mal her und moderiere. Das ist schon wieder der falsche Ansatz, um in der Region eine vielleicht vernünftige Lösung zu finden, weil, bevor wir überhaupt als Nachbarn miteinander reden, geht schon wieder der Ruf Richtung Land, weil Sie genau wissen, dass die Diskussion darüber in der Region ganz anders geführt wird, in einem ganz anderen Stil. Wir haben vorhin gesagt, man kann es nicht nur unter fiskalischen Gesichtspunkten sehen, da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Gebietsreformdiskussionen sind auch immer emotional. Frau Leukefeld, Sie werden mir doch zustimmen, wenn wir heute in Zella-Mehlis herumgehen und werben vielleicht für ein Zusammengehen mit Suhl, wie da die Zella-Mehliser aufgestellt sind. Es wird auch heute nicht gelingen.
Ich möchte als Letztes dem widersprechen, was allgemein immer Ihre Botschaft ist, dass groß gleich wirtschaftlich und weniger groß eben nicht wirtschaftlich ist. Wir haben den neben Suhl gelegenen Land
kreis Schmalkalden-Meiningen, ein Gebilde, das damals entstanden ist, das wollte von den Beteiligten auch keiner. Da gab es ganz andere Diskussionen von den Leuten vor Ort. Aber Schmalkalden-Meiningen ist entstanden und hat sich in den letzten Jahren zu einem wirtschaftlich starken und gesunden Landkreis entwickelt - es ist meistens ländlicher Raum, aber steht wirtschaftlich gut da. Das ist aber nicht nur darauf zurückzuführen, dass dort vernünftige Strukturen naturgegeben waren. Es ist auch eine straffe Arbeit in der Verwaltung gemacht worden, die in anderen Gebietskörperschaften in dem Maße nicht durchgeführt worden ist: Schulnetzreform und was alles für Dinge ständig im Gange waren. Wir haben daneben gelegen, und neben Suhl als weiteren Landkreis Hildburghausen. Wer damals dabei war, der kann sich noch gut erinnern, dass der damalige Innenminister mit Eiern beworfen worden ist, als es darum ging, Hildburghausen und Sonneberg zusammenzulegen. Wir haben diese beiden noch für sich agierenden Landkreise und jeder für sich ist wirtschaftlich gesund. Das hat nicht nur damit zu tun, dass wir an der bayerischen Landesgrenze liegen und dass wir dort viele Pendler hätten. Es ist ja nachweislich, dass die Infrastruktur in den Landkreisen … Danke, ich werde es nicht zulassen, Sie können ja dann hier vor.
Die beiden Landkreise haben für ihre Größen auch längst nachgewiesen, dass man gesunde wirtschaftliche Strukturen und Zahlen vorweisen kann, auch wenn man nicht eine bestimmte Mindestgröße hat. Jetzt wären wir gut beraten, wenn wir erst mal in der Region miteinander ins Gespräch kommen könnten, bevor wir hier Richtung Land rufen.
Aber das geht von Suhl eben auch nicht aus und das ist die falsche Botschaft. Ich habe nichts gegen Suhl, aber ich sehe jetzt schon, dass wir diese Diskussion mit Suhl nicht in der gebotenen Ruhe führen können, weil in Suhl auch schon wieder - und das wird eben auch an anderen Diskussionen offensichtlich - ein gewisses Anspruchsdenken besteht, was auch bei Ihnen leicht durchgeschimmert ist, indem Sie sagen: Südthüringen - starkes Zentrum. Sie müssen bedingungslose Diskussionen erst mal zulassen.
Ich werde es auch ganz freundlich machen, Herr Heym. Meine Frage ist: Die Alternative, die wir über Jahre gemeinschaftlich in Südthüringen versucht haben, den Städteverbund auf den Weg zu bringen, wäre denn das aus Ihrer Sicht ein Weg gewesen, tatsächlich aus dieser Klemme, in der wir uns jetzt alle miteinander befinden, rauszukommen? Wie bewerten Sie denn das, dass der Ausstieg letztendlich forciert wurde, weil es doch eine Konkurrenz auch innerhalb der Region gibt statt Kooperation und Zusammenarbeit. Da würde ich Ihre Meinung gern wissen.
Frau Leukefeld, ich sehe es so, dass die Städtekette, die wir in Südthüringen damals kreiert haben und versucht wurde, die auch wirklich mit Leben zu füllen, auch nur eine Krücke war, weil wir doch wussten, als es darum ging, wer ist Oberzentrum - wir wissen, dass bestimmte Kriterien erfüllt werden mussten -, dass das in Südthüringen keine Stadt erfüllt hat. Wir haben geglaubt in Südthüringen, wir machen diese kleinen - der ehemalige Ministerpräsident Dr. Vogel hat gesagt, aus vielen kleinen Bahnhöfen wird kein Hauptbahnhof. Das ist genau das, was auch die Situation dieses Städtenetzes damals von Südthüringen beschrieb. Denn - und das müssen wir doch auch zugeben - dieser dargestellte Verbund Richtung Erfurt, der war doch nie harmonisch und da gab es so viel konkurrentes Denken in diesen Städten, dass letztendlich auch nicht wirklich etwas Nennenswertes herausgekommen ist. Ich möchte bloß darum bitten, dass wir nicht die Augen davor verschließen,
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, aber genau deshalb müssen wir doch jetzt Vorgaben ma- chen!)
dass die Situation, so wie sie ist, z.B. auch jetzt für Suhl, nicht sein kann und dass man auch nicht sagen kann, die Suhler haben nicht vernünftig gewirtschaftet. Da mussten viele Erblasten übernommen werden, wo man gar nicht anders agieren konnte. Aber heute muss es möglich sein, völlig bedingungslos in Diskussionen zu gehen und da ist es gut, wenn von Suhl nicht das Signal ausgeht, dass Suhl das Zent
rum Südthüringens ist. Lassen Sie uns vorurteilsfrei und bedingungslos darüber diskutieren, was möglich ist. Es kann auch sein, dass Suhl vielleicht eine große kreisangehörige Stadt irgendeines Gebildes wird, aber nicht davon ausgeht, dass die ganze Nachbarschaft in Südthüringen Beifall klatscht, wenn die Suhler sagen, jetzt muss uns jemand nehmen, aber wir wollen die Hauptrolle spielen in dem ganzen Spiel. Damit erschweren Sie auch dem Innenminister und der Landesregierung überhaupt einen Erfolg, wenn es zu Veränderungen in dieser Region kommen soll.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist jetzt in den letzten Minuten eine etwas regionalbezogene Debatte geworden. Ich kann als Ostthüringer durchaus einen Beitrag leisten. Ich will dies nur kurz tun, weil ich der Meinung bin, dass uns das doch wieder hier im Haus in der heutigen Debatte etwas zu weit weg führt von den eigentlichen Problemlagen, die wir miteinander diskutieren müssen. Aber ich habe Ihnen das versprochen. Ich will zumindest eine Ostthüringer Sicht sagen, auch deshalb, weil keiner glauben sollte, dass von den strukturellen Problemen, die hier angesprochen worden sind, nur eines gelöst wäre, wenn die Einzelproblematiken Suhl und Eisenach gelöst werden. Die strukturellen Probleme der kreisfreien Städte, außer Jena, die bleiben bestehen und damit eine Frage der Grundstruktur dieses Freistaats, die hier diskutiert werden muss,
die hier als Leitbild diskutiert werden muss für die Bürgerinnen und Bürger im ganzen Land. Da will ich Ihnen etwas sagen, Wenn ich Ostthüringen sage, meine ich jetzt immer Jena und Saale-Holzland-Kreis ausdrücklich nicht, Herr Fiedler, ausdrücklich nicht, weil, Herr Fiedler -
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja, ja, das müssen wir gleich mal verklickern. Wir kooperieren nämlich schon mit Jena.)
Moment, jetzt lassen Sie mich ausreden -, diese beiden Kreise und Städte doch vergleichsweise auf der Insel der Glückseligen sind. Die merken doch vom demographischen Wandel so gut wie noch gar nichts. Der Saale-Holzland-Kreis stellt Flächen für Jena für den wirtschaftlichen Bedarf und für den Wohnbe
darf zur Verfügung. Da ist ein gegenseitiges Verständnis des Gebens und Nehmens gewachsen. Die bekommen doch in der Region von den demographischen Problemen, vor denen wir stehen, so gut wie nichts mit.
Aber schauen wir uns das sonstige Ostthüringen an. Die Landkreise Altenburger Land, Stadt Altenburg, Landkreise Greiz und die Stadt Gera drohen nach den Bevölkerungsprognosen zur zweitältesten Region nach Lappland in Europa zu werden. Jetzt schon gehen nicht bloß in der Stadt Gera, die immer als Beispiel für die „blöden“ LINKEN angeführt wird, die da falsch regieren, schon im Landkreis Greiz geht jetzt die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zurück. Die demographische Entwicklung im Landkreis Greiz in den nächsten Jahren wird mit minus 20 Prozent bezeichnet.
Nicht von Prof. Seitz. Das sind Ihre Studien Landesentwicklungsplan. Dann sehen Sie doch mal in Ihre eigenen Zahlen rein.
Ich will sagen, dass da natürlich Stadt-Umland-Probleme zu lösen sind in den nächsten Jahren. Nur eines will ich nennen, weil Herr Fiedler auf den freiwilligen Leistungen herumgehackt hat. Natürlich leistet sich die Stadt Gera einen Zuschuss zum Theater Gera-Altenburg in Höhe von 4 Mio. € pro Jahr. Das ist auch sehr vernünftig. Aber wenn wir uns den nicht mehr leisten würden, dann wäre das doch nicht nur ein Verlust für die Stadt Gera, sondern es wäre für die ganze Region ein Verlust und für den Freistaat Thüringen insgesamt,
wenn wir gerade auf die Verbindung von Kultur und Wirtschaft setzen wollen in den nächsten Jahren. Ist dann, wenn man das annimmt, Herr Fiedler, nicht auch zu diskutieren, dass es bei 40 Prozent Nutzern dieses Theaters aus dem Landkreis Greiz wenigstens einen kleinen Beitrag dieses Landkreises an der Finanzierung dieses Theaters geben muss? Wenn die Positionen vor Ort so sind, dass diese sagen, nein, ich bezahle nichts freiwillig, haben wir vielleicht eine Verantwortung, zumindest moderierend einzugreifen oder lassen wir das gegen die Wand laufen?
(Zwischenruf Taubert, Ministerin für So- ziales, Familie und Gesundheit: Wenn das Theater eine ebenso gute Selbstfi- nanzierungsquote wie die Vogtland Phil- harmonie hat, dann bezahlen wir auch.)
Ich finde, es ist auch eine ziemliche Unart, wie wir hier Debatten führen, Herr Fiedler, das wollte ich Ihnen auch einmal sagen. Herr Hey hat zu Beginn dieser Debatte eine wichtige strategische Frage gestellt. Und da ist es doch in dem Haus zu diskutieren, ob wir uns darüber verständigen können und ob sich diese Koalition verständigen kann. Sind wir der Meinung, wie Herr Hey für die SPD-Fraktion erklärt hat, dass die Frage der Funktional-, Gebiets- und Verwaltungsstrukturen in Thüringen für die finanzielle Handlungsfähigkeit dieses Freistaats in den nächsten Jahren eine hohe Bedeutung hat - ja oder nein? Wenn es die SPD für sich erklärt, dann möchte ich gern wissen, nachdem die CDU erklärt, das Problem sehen wir eigentlich überhaupt nicht, was nun die Position der Regierung ist. Der Innenminister hat eine Debatte angestoßen und es wurde sofort versucht von Herrn Fiedler, ihn zurückzuholen und ihm die Grenzen zu zeigen. Aber ich vermisse eindeutig, dass sich sowohl die Ministerpräsidentin als auch der stellvertretende Ministerpräsident hier an dieser Debatte beteiligen und mal sagen, was ist eigentlich Position dieser Landesregierung zu dieser Frage.
Wie kann ich denn mit Blick auf die Finanzierung Thüringens und die Solidarität der alten Bundesländer, also die Frage, was passiert nach dem Solidarpakt II, wenn ich argumentiere, wir müssen in den nächsten Jahren alle unsere Leistungen auf den Prüfstand stellen, weil es ja nicht sein kann, dass wir höhere Standards haben als in Bayern und in Hessen, die uns das Geld geben, und gleichzeitig, Herr Mohring, aber ich in keinem Satz infrage stelle die Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsstrukturen dieses Landes. Damit wird doch klar, in welche Richtung Sie wollen. Sie wollen in den nächsten Jahren ausschließlich Druck auf die soziale und kulturelle Infrastruktur machen, auf den Stellenabbau, aber Sie wollen die Strukturen, von denen Ihre Partei in den letzten 20 Jahren am meisten profitiert hat, nicht infrage stellen.