Ich komme zum Schluss, verehrte Kolleginnen und Kollegen und liebe Gäste, die Aufdeckung des NSU wird sich im November zum dritten Mal jähren. Dass angesichts der mittlerweile erwiesenen schweren Unterlassungen bundesweit bis heute lediglich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und einige Ende 2011 im Amt befindliche Chefs von Landesämtern ihre Sessel räumen mussten, befremdet angesichts unserer Feststellungen.
her Wahrscheinlichkeit nicht gegeben, wenn Thüringer Behörden die Fahndung nach den Untergetauchten entschiedener betrieben und deshalb die drei früher gefasst hätten. Zehn Morde und Anschläge als Akte des rechten Terrors, die durch ein halbherziges Vorgehen bei der Fahndung in Thüringen nicht verhindert wurden, haben aber nicht nur unermessliches Leid über die unmittelbar Betroffenen gebracht. Zehn Morde und Anschläge als Akte des rechten Terrors, die durch halbherziges Vorgehen bei der Fahndung in Thüringen nicht verhindert wurden, unterminieren unseren Rechtsstaat. Ein falscher Korpsgeist hat uns eine vollständige Aufklärung bisher nicht ermöglicht. Wir werden es jedoch gemeinsam nicht zulassen, dass sich mit Abschluss unserer Arbeit über das Geschehene jetzt etwa der Schleier des Vergessens legt. Wir werden uns von Aktenvernichtern, Spurenverwischern, Druckausübern und Zeugen mit unerklärlichem Gedächtnisverlust als Thüringer Parlamentarier auch in Zukunft nicht davon abhalten lassen, alle Versäumnisse lückenlos aufzuklären.
Wir werden es uns nicht nehmen lassen, solche Versäumnisse dann auch ehrlich, öffentlich, klar und deutlich einzugestehen. Wir werden es uns nicht nehmen lassen, dann, wenn die ganze Wahrheit ans Licht gekommen ist - und das wird sie, dessen bin ich sicher -, auch die Übernahme von Verantwortung für dieses Geschehen einzufordern.
Vielen Dank, Frau Kollegin Marx, für diese Berichterstattung aus dem Ausschuss und für den Bericht. Sie haben es am Beifall gemerkt, die Abgeordneten des Landtags danken den Abgeordneten im Ausschuss noch einmal ausdrücklich für diese zweieinhalb Jahre akribische Aufarbeitung.
Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat sich der Abgeordnete Bodo Ramelow von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.
Werte Kolleginnen und Kollegen, nach den Ausführungen der Ausschussvorsitzenden - Frau Marx, ich versichere Ihnen, es ist eher für mich ein Quälen gewesen, Ihnen zuhören zu müssen, nicht, weil Sie so unklar formuliert haben, sondern weil Sie klar formuliert haben und weil Sie deutlich gemacht haben, wie sehr sich der Ausschuss gequält hat mit Akten, nicht weil sich der Thüringer Landtag drücken wollte, sondern weil der Thüringer Landtag und alle Fraktionen die Verantwortung übernommen haben im Untersuchungsausschuss, sich der Wahrheit, soweit es nach den Aktenlagen und den Unterlagen und den Umständen, die Sie beschrie
ben haben, möglich war. Sie haben einen Sachstand für den ganzen Ausschuss vorgelegt, das ist eine Dokumentation, die in Deutschland in dieser Form einmalig ist, dass ein Parlament die Verantwortung übernimmt in einem Tatgeschehen, das ich mir vor 20 Jahren nicht vorstellen konnte, dass einmal brauner Terror mordend und brandschatzend durch Deutschland zieht und Angst und Sorge und Missgunst unter den Opfern verbreitet wird, dass in diesem Land türkische Familien, kurdische Familien, griechische Familien einfach nur, weil sie nicht deutscher Herkunft sind, einer Situation ausgesetzt sind, dass ihre Angehörigen ermordet werden und hinterher noch staatliche Stellen die Verantwortung den Familien und den Getöteten zuweisen. Das hätte ich mir nicht vorstellen können und deswegen ist es so ein quälender Prozess, den der ganze Ausschuss gemacht hat.
Ich will in den Dank ausdrücklich die Landesregierung, Frau Lieberknecht und die Minister, mit einbeziehen. Frau Lieberknecht hat von Anfang an, als das bekannt wurde - Frau Marx, Sie haben ja die Umstände von Stregda dokumentiert, die rätselhaften Umstände -, alle Fraktionsvorsitzenden eingeladen, wir haben uns sofort in der Staatskanzlei getroffen und haben gesagt, wie gehen wir damit um. Daraus entstand die Idee, Herrn Schäfer als Sonderermittler einzusetzen. Über diese Sonderermittlung ist eine erste Aktenaufarbeitung erfolgt, was nicht verhindert hat, dass das hektische Schreddern in ganz Deutschland - insoweit müssen wir auch darüber reden, was nicht nur in Thüringen nicht passiert ist, sondern was auf einmal überall passiert ist -, dass diese Schreddermaschinen das Tatgeschehen nach dem Aufdecken auf einmal stark beeinflusst haben. Deswegen sage ich ausdrücklich Danke an die Landesregierung. Ich will da einbeziehen, Sie haben es angedeutet, dass die Unterlagen, die dem Ausschuss zur Verfügung gestellt wurden, nicht an den Bundestagsuntersuchungsausschuss gebracht werden sollten und dass eine clowneske, nein, es ist viel schlimmer, dass eine Situation eingetreten ist, dass unser Innenminister die Anweisung von anderen Innenministern bekommen hat, dass die Akten ungeschwärzt nicht nach Berlin gehen sollten und dass man das Gefühl haben sollte, dass die von Thüringen auf den Weg gebrachten Unterlagen an den Bundestagsuntersuchungsausschuss nicht in Berlin ankommen sollten. Die Vorstellung, dass Polizisten und Polizeiwagen Thüringer Akten auf der Autobahn abfangen, diese Vorstellung gehört noch zu dem quälenden Element dazu. Deswegen ausdrücklich meinen Dank an die Thüringer Landesregierung verbunden mit dem Dank an die klaren Worte von Frau Landtagspräsidentin Diezel, dass wir in dieser Legislatur die Verantwortung übernommen haben und dass wir mit der Verantwortung auch deutlich gemacht haben, es beginnt nicht erst, als die Toten identifiziert sind, sondern schon am
ersten Tag dieser Legislatur haben wir mit unserer ersten Erklärung gesagt, dass wir uns in die Verantwortung begeben, gegen Rassismus und gegen Nationalsozialismus und Neonazis gemeinsam Gesicht zu zeigen. Denn der Thüringer Heimatschutz war niemals eine Trachtenvereinigung und „Blood&Honour“ war nie eine Musikband. Und „Combat 18“ - C18 - war nie ein Videospiel oder PC-Game; das waren Terroristen, Nazis und ein braunes Milieu, das in Thüringen über einen längeren Prozess gewachsen ist. Bedauerlicherweise hat man viel zu lange zugelassen, dass dieses braune Milieu Geld bekommen hat, staatliches Geld. Immerhin jedes vierte Mitglied im Thüringer Heimatschutz war bezahlter Spitzel und Zuträger vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Tino Brand brüstet sich heute noch damit, dass er 200.000 Mark bekommen hat, die er direkt in den Aufbau dieser Strukturen investiert hat. Aus diesen Strukturen ist das entstanden, auf was Frau Marx für den Untersuchungsausschuss hingewiesen hat. Es ist also nicht aus dem Nichts entstanden, sondern es gibt einen langen Vorlauf, der Anfang der Neunziger in Thüringen beginnt. Es beginnt mit dem größten Naziaufmarsch, den es nach 1945 in Deutschland gegeben hat, in Rudolstadt. Das war, als im benachbarten Bayern, in Wunsiedel, der Heß-Gedenktag verboten wurde, dann hatten wir sie auf einmal hier. Das ist also keine ostdeutsche Entwicklung, sondern es ist eine gesamtdeutsche Entwicklung, die sich auf einmal Bahn gebrochen hat und hier auf Behördenstrukturen traf, die offenkundig damit nicht umgehen konnten oder auch nicht umgehen wollten.
Deswegen ist der zweite Punkt der größte Waffenfund nach 1945 in Heilsberg, bei dem deutlich wurde, dass wir es mit gewaltbereiten neonazistischen Strukturen in Thüringen zu tun haben. Auch da ein hergekommener Neonazi oder Altnazi, der einen Laden in Saalfeld hatte, da stand - das war getarnt, als wenn es ein Antiquitätenladen wäre, der hatte noch die Originalschilder -: „Deutsche, kauft nur bei Deutschen!“. Das kann man alles noch im „SPIEGEL“ und in den damaligen Zeitungen nachlesen. Es war ein langer Streit zwischen den Parteien, wie wir damit umgehen. Wir waren uns damals nicht einig. Saalfeld, die erste Demonstration, die Ermordung von Jana in Saalfeld, die zweite Demonstration und alle möglichen Maßnahmen, wo sich die Parteien in Thüringen im Weg standen und auch die Gewerkschaft immer wieder versucht hat deutlich zu machen, wir müssen zusammenstehen. Deswegen bin ich froh, dass wir heute, in dieser Legislatur, mit einem klaren Bekenntnis begonnen haben, und da wussten wir noch nicht, dass wenige Monate später der braune Terror einen Absender hat und dieser Absender Thüringen heißt.
beitet hat, akribisch, und, Frau Marx, Sie haben deutlich gemacht, es sind nur Teilerkenntnisse. Wir werden mit diesem Abschlussbericht einen Legislaturabschlussbericht haben, weil die Diskontinuität unserer Legislatur ansteht und diese Dokumente festgehalten werden müssen. Sie sind einstimmig bestätigt worden und die Schlussfolgerungen sind einstimmig bestätigt worden. Es mag sein, dass wir in wenigen Punkten parteipolitisch auseinander sind. Über diese Dinge haben wir aber weder im Ausschuss noch im Parlament aktuell zu debattieren, weil das Nebensächlichkeiten sind. Die Hauptsachen, Frau Marx, haben Sie für den Ausschuss vorgetragen und dafür sind wir Ihnen dankbar, dass es so möglich war, gegen viele Widerstände diese ganzen Akten zu bekommen, zu sichten, auszuwerten und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Da haben sich nicht alle Behörden mit Ruhm bekleckert. Sie haben darauf hingewiesen, manche Zeugen hatten Erinnerungslücken und wollten Erinnerungslücken haben.
Manches würden wir noch nacharbeiten. Also die Frage, um es klar zu sagen, Sie haben Stregda erwähnt, das Ende dieser Terrorserie mit all den Fragezeichen, die Sie zu Recht beleuchtet haben, aber auch die Hinrichtung von Michèle Kiesewetter und die Umstände - Sie haben es deutlich gesagt - sind völlig ungeklärt. Versionen, die dazu erzählt werden, sind im Bundestagsuntersuchungsausschuss behandelt worden und die Kollegen im Bundestag sind nicht damit klargekommen, ob diese Version so stimmt, wie sie dann erzählt worden ist. Es sind viel mehr Fragezeichen entstanden, je mehr man angefangen hat in die Zeugenarbeit einzusteigen. Das Problem ist auch, der Bundestagsuntersuchungsausschuss ist dann an der Grenze der Diskontinuität des Parlaments zu einem Endbericht gekommen, obwohl auch da weitergearbeitet werden muss.
Meines Erachtens ist es bis heute unbegreiflich, dass sich andere Bundesländer nicht mal ansatzweise ihrer Verpflichtung unterzogen haben, eine Arbeit paralleler Tätigkeit anzupacken.
Das meine ich ausdrücklich, weil das überhaupt nichts mit irgendeiner parteipolitischen Differenz hier im Haus zu tun hat. Es ist nicht zu verstehen, dass die große Kombination zwischen Thüringen und Baden-Württemberg irgendwie nicht zum Gegenstand einer intensiveren Untersuchung führt, denn so viele Rückbindungen, Ku-Klux-Klan, die ganzen Verbindungen, die dort zu thematisieren sind, sind nicht aufgeklärt.
Manch ein Bundesland hat es sich sehr einfach gemacht und gesagt, wir lassen mal von den Sicherheitsbehörden eine Gesamtanalyse vorlegen und
damit wurde geglättet. Dieses Glätten hat dieser Untersuchungsausschuss zu keinem Zeitpunkt mitgemacht und damit wird deutlich: Wir haben als Thüringer für uns eine Verantwortung gesehen und gemeinsam getragen und wir sagen ganz deutlich, auch nach der Landtagswahl muss hier weitergearbeitet werden.
Ich will auch erwähnen, zwischen allen unterschiedlichen Verantwortungen, die wir haben, als es darum ging, wie wir den Opferfamilien helfen können, als in München der Prozess losging und die Frage war, was können wir tun, war es möglich, zwischen uns als Parlamentariern und der Landesregierung einen Weg zu finden, wie wir gemeinsam die Dinge auf den Weg bringen. Dafür meinen Dank, Frau Lieberknecht, dass das alles unproblematisch möglich war, dass wir an diesen Stellen niemals eine parteipolitische Differenz hatten, weil wir es den Familien schulden, dass wir unsere Arbeit machen und dass wir als Parlamentarier deutlich machen, die Qual, die die Angehörigen ausgehalten haben und aushalten mussten, und die quälende Frage am Ende dieses Prozesses, das Warum - dieses Warum ist unsere Verpflichtung aufzuarbeiten, warum das geschehen konnte. Einiges ist dokumentiert, einiges ist erläutert worden, einiges ist auch an Verantwortung zugewiesen. Aber ich erlaube mir zu sagen, ich habe mehr Fragezeichen, als ich tatsächlich Antworten habe, aber nicht, weil der Ausschuss nicht gearbeitet hat, sondern weil ich das Gefühl habe, dass wir auch selbst Teil eines Spiels geworden sind, eines bösen Spiels, bei dem ich nicht weiß, welche Rolle einzelne Geheimdienstmitarbeiter hatten, die aus anderen Bundesländern hierhergekommen sind.
Ich will es klar sagen, für mich ist es nicht erklärlich, dass es in der gleichen Zeit, als wir anfangen zu erkennen, was hier los ist, noch Sprengstoffdepots gibt, die in Thüringen sind, die in Bayern sind, die in Österreich sind, die ausgehoben werden. Dann muss man den Namen auch sagen, dass ein KarlHeinz Hoffmann, der schon als dubiose Figur beim Münchner Oktoberfestattentat im Raum steht, in dieser Zeit, über die wir reden, in Thüringen ist, nach Kahla zurückkehrt und hier wieder als graue Eminenz so nett erscheint und man das Gefühl hat, kann das Zufall sein oder was ist da an Entwicklung in Breite zu sehen. Immerhin ist ein Teil der Akteure, über die wir reden, regelmäßig in Südafrika auf Farmen, lernt schießen, trainiert schießen. Der Bundestagsuntersuchungsausschuss hat das dokumentiert, der Militärische Abschirmdienst hat das erfasst. Die kommen zurück aus Südafrika und sagen, wir haben alles schießen können, alles trainieren können, was das Herz begehrt, nur Handgranaten werfen, das hat nicht funktioniert, da müssen wir noch mal nach Polen fahren - und das auf drei Farmen in Südafrika.
Deswegen habe ich vorhin gesagt, „Combat 18“ und „Blood&Honour“ sind die braunen Netzwerke, die international arbeiten. Diese internationalen Netzwerke haben sich regelmäßig in Jena beim sogenannten „Fest der Völker“ getroffen, da sind sie aus und ein gegangen, auch die Akteure dieser Farmen, der eine ist regelmäßig hier gewesen. Deswegen frage ich mich - und das ist eine Frage, die mich verwundert -, dass angeblich unser Auslandsgeheimdienst weder im Bundesuntersuchungsausschuss noch bei uns in irgendeiner Form zu finden ist, obwohl klar ist, dass es regelmäßige Besprechungen gegeben hat auch unter Beteiligung des BND. Dass also die Spuren in die Schweiz, die Spuren nach Südafrika, die Spuren nach Litauen - in Stregda gibt es diese seltsame DNA-Spur -, dass das alles irgendwie unser Landesamt gewesen sein soll - bei aller Differenz, die ich persönlich zu unserem Landesamt für Verfassungsschutz habe, meine politische Auffassung dazu kennt jeder -, das scheint mir allein nicht erklärlich zu sein. Ich glaube, dass wir da auch ein Stück weit gebraucht worden sind, nach der Wende ein schöner Aufmarsch für ein neues Spiel zu sein, und dieses neue Spiel hat zehn Menschen, von denen wir wissen, dass sie direkt zugeordnet sind, das Leben gekostet. Wir wissen von vielen Opfern, aber ob das alle sind, wissen wir überhaupt nicht. Wir wissen nicht, ob das, was mit NSU zusammenhängt, wirklich die alleinige Geschichte ist, und eins, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es wirklich nur drei sein sollen, halte ich für ausgeschlossen. Ich verstehe überhaupt nicht, dass das ganze Netzwerk aller Beteiligten nicht als terroristische Organisation behandelt wird und alle mit angeklagt sind als terroristische Organisation.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, gestatten Sie mir aufgrund der Besonderheit dieser heutigen Plenarsitzung, dass ich von meiner üblichen Reihenfolge der Begrüßung abweiche und mich zunächst an die hier im Landtag anwesenden Hinterbliebenen der Opfer wende. Ihnen möchte ich nicht nur in meinem Namen, sondern auch im Namen der gesamten CDU-Fraktion im Thüringer Landtag mein aufrichtiges Mitgefühl sowie mein tiefes Bedauern über die schrecklichen Taten zum Ausdruck bringen, die hier in Thüringen ihren leidlichen Ursprung genommen haben. Ich denke, wir alle hier im Saal sind uns darüber einig, dass diese abscheulichen Taten weder entschuldbar sind noch jemals in Vergessenheit ge
raten sollten. Zugleich hoffe ich, dass der gestern hier vorgelegte Abschlussbericht des Thüringer Untersuchungsausschusses zumindest einen kleinen Teil zu einer vernünftigen Aufarbeitung des traurigen NSU-Komplexes beitragen wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste auf der Tribüne, werte Medienvertreter sowie Zuschauer draußen am Live-Stream, mit der gestrigen Vorstellung des 1.800 Seiten starken Abschlussberichts hat nach über zweieinhalb Jahren Arbeit der Untersuchungsausschuss 5/1 ein Ende genommen. Ungeachtet der Tatsache, dass aus Zeitmangel noch viele Fragen offen und ungeklärt geblieben sind, möchte ich an dieser Stelle ebenfalls zunächst ein paar Worte des Dankes verlieren, die bei aller Tragik der Ereignisse nach meinem Dafürhalten nicht zu kurz kommen dürfen. Mein Dank gilt zunächst den Ausschussmitgliedern aller Fraktionen für die zumeist konstruktive und vor allem zeitintensive Arbeit. Mein Dank gilt weiter den Fraktionsmitarbeitern, ohne deren tatkräftige Unterstützung insbesondere die Aufarbeitung der immensen Aktenberge nicht zu realisieren gewesen wäre.
Danken möchte ich natürlich auch der Landtagspräsidentin Frau Diezel für ihre tatkräftige und unbürokratische Hilfe bei der Unterstützung der Ausschussarbeit, etwa durch die Schaffung neuer Stellen im Referat A 3, um so eine effiziente und vor allem fachkompetente Betreuung des Ausschusses zu gewährleisten. Es versteht sich daher von selbst, dass ich mich auch bei der gesamten Mannschaft der Landtagsverwaltung für dieses große Engagement bedanke.
Danken möchte ich schließlich Herrn Innenminister Geibert sowie den zahllosen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Thüringer Innenministerium und der nachgeordneten Behörden, welche die 67 an das TIM gerichteten Beweisanträge bearbeitet und damit einen wesentlichen Teil zur Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses beigetragen haben.
Nicht verschweigen will ich an dieser Stelle, dass die Bereitschaft zur Vorlage von gewissen Akten am Anfang der Untersuchungsausschussarbeit etwas schleppend verlief. Das bezieht sich aber auch auf alle die, die Akten vorlegen sollten. Es gab eine Anlaufphase, die nicht die einfachste war. Auch damit mussten sich die Ministerien erst auseinandersetzen und finden. Ich will aber auch betonen, dass seitens des Innenministeriums über 4.300 Ordner mit nahezu 1 Million Blatt Papier an den Untersuchungsausschuss übergeben wurden. Ohne diese Unterlagen hätte der Ausschuss die zum Teil schweren Versäumnisse der Polizei, des Verfas
sungsschutzes und der Justiz nicht rekonstruieren, ermitteln und im Abschlussbericht nicht festhalten können.
Sehr geehrte Damen und Herren, wie bereits von der Vorsitzenden vorgetragen, offenbart der Abschlussbericht zahlreiche, zum Teil unerklärliche Versäumnisse der Thüringer Sicherheitsbehörden bei der Fahndung nach den drei aus Jena stammenden Rechtsextremen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Der Ausschuss hat in seinen insgesamt 68 Sitzungen versucht, Licht ins Dunkel der Ungereimtheiten bei der Entstehung der NSU-Terrorzelle, des Untertauchens sowie bei der Fahndung nach dem NSU-Trio zu bringen. Dies ist dem Ausschuss nach meinem Dafürhalten in weiten Teilen gelungen und kann damit zum einen als Erfolg der Arbeit gewertet werden und zum anderen aber auch als eine Art Erfüllung einer Verpflichtung gegenüber den Opfern und Hinterbliebenen.
Welche schweren Verfehlungen aufseiten der Thüringer Sicherheitsbehörden insbesondere im Zusammenhang mit dem Untertauchen des Trios im Jahre 1998 begangen wurden, war bereits gestern ausführlich Gegenstand der Pressekonferenz und findet sich auch heute in vielen Artikeln und Medienberichten wieder. Auch die Medien haben uns die ganzen zweieinhalb Jahre intensiv begleitet und Bericht erstattet, so dass die Öffentlichkeit ständig über unsere Arbeit im Untersuchungsausschuss informiert wurde. Zum Teil haben uns - das muss ich auch sagen - die Medien Anregungen und Hinweise gegeben, die wir dann im Untersuchungsausschuss aufgenommen und versucht haben zu klären bzw. in denen wir neue Anregungen gefunden haben, um weiter zu ermitteln.
Auch wenn die Arbeit des Thüringer Verfassungsschutzes sowie des Thüringer Landeskriminalamtes vor allem im Kontext mit der Fahndung nach dem Trio 1998 aufgrund der heutigen Erkenntnisse an vielen Stellen als undurchsichtig, kontraproduktiv und fehlerhaft bezeichnet werden muss, so ist sich der Ausschuss einig, dass auch vor allem die Justiz eine große Mitschuld an den damaligen Vorkommnissen sowie den verheerenden Folgen trägt. So hätte insbesondere Uwe Böhnhardt - auch das wurde heute mehrfach gesagt - am 26.01.1998 in Jena von der Polizei nicht sehenden Auges gehen bzw. laufen gelassen werden dürfen. Hier hätte die zuständige Staatsanwaltschaft Gera in ihrer Funktion als Herrin des Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der Brisanz der damaligen Tatvorwürfe nicht derart leichtfertig handeln oder untätig bleiben dürfen.
Es gab natürlich auch andere, weitere Verfehlungen, die das LKA, den Verfassungsschutz und die Justiz anbelangen. Die Vorsitzende hat in ihrem Bericht ausführlich darüber berichtet, welche Verfehlungen und Ungereimtheiten in diesen drei Be
reichen in den Sicherheitsbehörden stattgefunden haben. Erwähnen möchte ich insbesondere auch, dass in den Zeugenvernehmungen oftmals nicht das Einsehen und auch die kritische Selbstbefragung stattgefunden hat, sondern größtenteils haben Zeugen den Eindruck der Verdrängung vermittelt. Das bezieht sich auf alle Bereiche, ob das die Justiz, den Verfassungsschutz, das LKA oder auch die Politik anbelangt. Wir haben mehrfach festgestellt, dass dort ein mangelndes Einsehen in die Verfehlungen, die stattgefunden haben, erkennbar war.
Tatsache ist, dass eine Fülle von Versäumnissen und Fehleinschätzungen auf unterschiedlichen Ebenen und Zuständigkeitsbereichen dazu geführt hat, dass sich eine rechtsextreme Gruppe formieren konnte, die später mordend und vor allem von Bundes- und Landesbehörden unentdeckt bis zum 4. November 2011 ihr Unwesen trieb. Damit sich so etwas auf keinen Fall noch einmal ereignet, hat der Ausschuss eine Reihe von Empfehlungen in den Abschlussbericht aufgenommen, die wir als CDUFraktion mittragen und grundsätzlich unterstützen auch diese wurden von der Vorsitzenden ausführlich mitgeteilt bzw. verlesen -, auf die sich der Ausschuss verständigt hat. Es sind Empfehlungen und ich hoffe und wünsche, dass von den Empfehlungen viel umgesetzt wird, denn wir können keine Vorschriften erlassen, aber wir können Anregungen geben, und das haben wir versucht, unsere zweieinhalb Jahre der Arbeit hinterher auch dort einfließen zu lassen, damit wir den Behörden entsprechende Hinweise geben können.
Nennen will ich an dieser Stelle exemplarisch die Intensivierung und den Ausbau der Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene, um gewonnene Erkenntnisse künftig schneller und gemeinsam nutzen zu können. Das war ein Defizit, was wir festgestellt haben, die Kommunikation zwischen Bund und Ländern. Wenn jetzt die Empfehlung gegeben wird, die bislang aus Zeitgründen nicht aufgeklärten Fragen und Komplexe in der kommenden Legislatur erneut auf die Agenda eines geeigneten Gremiums zu setzen, so sind trotz des gigantischen Umfangs des Abschlussberichts, wie bereits erwähnt, noch eine Fülle von Fragen offengeblieben, etwa der Mord an der aus Thüringen stammenden Polizistin Michèle Kiesewetter oder die Aufarbeitung der Ereignisse vom 4. November 2011 in Eisenach. Ob diese offenen Fragen in einer Enquetekommission oder in einem neuen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden sollen oder können, kann heute erst einmal dahingestellt bleiben.
Ein zentraler Aspekt nach der Vorlage des Abschlussberichts ist ohnehin die Frage nach den nunmehr zu ziehenden Konsequenzen und Schlussfolgerungen für die Zukunft. Eine erste richtige Konsequenz war insoweit die bereits im Juli 2012 sowie im Juli 2014 verabschiedete Novelle
des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes. Auch wenn dies natürlich das Leid der Hinterbliebenen keinesfalls lindert, so hat Thüringen nach dem Bekanntwerden der NSU-Taten damit einen wichtigen Beitrag zur Fehlerbeseitigung seitens des Verfassungsschutzes geleistet.
Ich will ein paar Punkte nennen, die uns wichtig waren, die auch in das Gesetz eingeflossen sind: grundlegende Neuausrichtung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz durch Integration in das Thüringer Innenministerium; Ausweitung der Kontrollbefugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission; Stärkung der Kontrolle des Amtes durch ein unabhängiges Controlling; Schaffung von gesetzlichen Regelungen für das Anwerben von VPersonen, insbesondere auch das Verbot der Alimentierung, was auch eine wesentliche Rolle im Fall Tino Brandt gespielt hat; Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen Verfassungsschutz, Polizei sowie den übrigen Sicherheitsbehörden ist aufgenommen worden. Diese Änderungen halten wir bei der Neuausrichtung für die Sicherheitsarchitektur im Freistaat zwar für einen richtigen Schritt, wir wollen es dabei aber nicht belassen. Wichtiger ist auch und vor allem, dass die neu geschaffenen Regelungen und Instrumentarien auf deren Effizienz und Wirksamkeit überprüft werden. Daher ist eine Evaluierung in ca. ein oder zwei Jahren mit eventuell anschließender Anpassung und Veränderung der logische Folgeschritt.
Unterstützen möchten wir die von der SPD vor wenigen Tagen geforderten Veränderungen in der Sicherheitsstruktur, soweit sich diese auf Änderungen auf Länder- und Bundesebene beziehen. Welche weiteren Schritte allerdings im Einzelnen richtig und geboten sind, muss dann in Abstimmung mit den Ländern und dem Bund erfolgen, um zu verhindern, dass genau wie erlebt unkoordinierte Einzelaktionen unterschiedlicher Behörden einer effizienten Ermittlungsarbeit, Strafverfolgung im Weg stehen.