Protokoll der Sitzung vom 30.04.2010

Ich denke, da kann man nun mal beobachten, was passiert, wie sich das verhält. Ich denke, das wird auch zeitnah in unsere Überlegungen und Diskussionen mit einfließen können.

Innenminister Prof. Huber verwies auf die laufende Ressortabstimmung. Ich denke, nach seinen Angaben werden wir uns noch vor der Sommerpause mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung hier befassen. Insofern wird die ausführliche Diskussion mit all den Punkten, die hier vorgetragen und angesprochen sind, noch detailliert in den Ausschüssen und auch hier im Plenum erfolgen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Berninger von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist üblich geworden, hier am Anfang einer Rede anzukündigen, dass man sich möglichst kurz fassen will. Ich werde das nicht und will das auch gleich ankündigen. Mir tun nur ein bisschen die Abgeordneten meiner Fraktion und der GRÜNEN-Fraktion leid, die die Argumente alle kennen und auch teilen, die ich jetzt vortragen werde. Aber, meine Damen und Herren von FDP, SPD und CDU, Sie müssen es einfach aushalten, wenn ich jetzt alle meine Argumente vortrage, da Sie die Gelegenheit nicht geben, dass wir im Ausschuss miteinander diskutieren. Frau Holbe, keine Zeit kann zu kostbar dafür sein, über die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen zu diskutieren, die hier bei uns Schutz gesucht haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich mich, meine Damen und Herren, in der jetzigen zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE zur Änderung des Gesetzes mit den vermeintlichen Argumenten gegen diese Gesetzesinitiative auseinandersetze, lassen Sie mich ebenso wie Frau Rothe-Beinlich meinen Unmut und mein Unverständnis darüber zum Ausdruck bringen, dass Sie es sogar abgelehnt haben, dass es sogar die sozialdemokratische Fraktion abgelehnt hat, den Gesetzentwurf in den Ausschüssen zu diskutieren. Ich kann dies nicht besser, meine Damen und Herren, als mit den Worten eines Mitgliedes der SPD-Fraktion, und zwar in Bezug über den Umgang mit einem ähnlichen Gesetzentwurf meiner Fraktion am 12. Dezember 2008, als die SPD noch in der Opposition war, ich zitiere: „Ich finde es sehr schade, dass die Mehrheitsfraktion in diesem Hause es nicht mal für nötig befunden hat, eine Diskussion in den Ausschüssen zu führen. Wenn man Überlegungen hat und wenn man sich der Thematik stellen will - das sagen Sie ja immer - dann hätte man notwendigerweise die Diskussion in den Ausschüssen führen müssen. Dort hätte man ja auch Änderungsanträge einbringen können.“ Und weiter sagte dieses SPD-Mitglied: „Letztendlich machen auch die Besuche in Gemeinschaftsunterkünften wie der Gemeinschaftsunterkunft Gangloffsömmern und einer Gemeinschaftsunterkunft im Ilm-Kreis, die man sich angeschaut hat, sowie die Zustände in Katzhütte ganz deutlich, dass wir diese Situation zu verändern haben.“

Ich muss mich bei Frau Kollegin Pelke entschuldigen. Ich schätze und achte sie wirklich sehr, aber ich muss sie beim Wort nehmen und sie an ihre eigenen Worte erinnern, mit der sie ja die Politik der SPD vertreten hat bis zum September 2009.

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, kehren Sie zu dieser Politik zurück, lassen Sie sich nicht durch Koalitionszwänge zu einer Partei machen, die einen inhumanen Umgang mit Schutz suchenden Menschen rechtfertigt und mitträgt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es nützt eben nichts, Frau Holbe - wo ist sie denn hin, da ist sie -, Frau Kanis - Sie sitzen gleich nebeneinander - und auch Herr Minister, den ich gerade auch vermisse, Herr Minister Huber, den Satz aus dem Koalitionsvertrag immer wieder wie eine Monstranz vor sich herzutragen, aber wenn es konkret wird, immer wieder darauf zu verweisen, selbst keine Kompetenz zu haben und beim Status quo zu verharren. Ich zitiere diesen Satz: „Die Landesregierung sorgt für eine gelingende Integration aller, die dauerhaft hier leben wollen.“ Ich wünschte, dieser Satz wäre tatsächlich Grundlage des Regierungshandelns in Thüringen, aber das ist nicht erkennbar, meine Da

men und Herren. Es wurde ja am 30. Oktober von Herrn Prof. Dr. Huber selbst entkräftet, als er auf meine Mündliche Anfrage antwortete, die Integrationspolitik der Landesregierung ziele vorrangig auf diejenigen Ausländer, die über einen dauerhaften Aufenthaltsstatus verfügen, und auf Zuwanderer mit deutscher Staatsangehörigkeit. Er weiß es ja als Jurist selbst, dass der Verweis auf die bundesrechtlichen Vorgaben eine - ich muss es so sagen - plumpe Ausrede ist, die die tatsächlichen Möglichkeiten der Landesbehörden und auch der Kommunen zum Teil, wenn es zum Beispiel um Ermessensentscheidungen und Auslegung von Gesetzesvorgaben geht, außer Acht lässt.

Aus Sicht eines Flüchtlings, der in einer Gemeinschaftsunterkunft leben muss, der Wertgutscheine erhält, der sich in Thüringen nicht frei bewegen darf, dessen Rezept eines Arztes erst tagelang durch ein Gesundheitsamt hinsichtlich der Notwendigkeit überprüft wird, dem nicht erlaubt ist, eine Arbeit anzunehmen, angesichts dieses Flüchtlings ist es fast höhnisch, wenn dieser Thüringer Innenminister zu Ostern ankündigt, Integrationsverträge mit Flüchtlingen abschließen zu wollen, damit diese ihre Integrationsbereitschaft dokumentieren, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Verantwortung für eine bessere Integration von Flüchtlingen sind nicht die Flüchtlinge, sehr geehrter Herr Innenminister, wenn Sie irgendwann einmal dieses Protokoll lesen. In der Verantwortung für eine bessere Integration als Grundlage eines Lebens mit Perspektive und als Voraussetzung für die Gewährung der Grundfreiheiten steht die Landesregierung ebenso wie die Behörden, die durch ihr Verwaltungshandeln Flüchtlingsrecht umsetzen. Genau an diesem Punkt setzt unser Gesetzentwurf an, denn es gibt keine bessere Integration in eine Gesellschaft als ein Leben mit gleichberechtigten Möglichkeiten. Dies fängt bei der Wohnsitznahme in einer Wohnung an und hört bei frei entscheidbarem Einkaufen in einem selbst ausgesuchten und die persönlichen Bedürfnisse am ehesten deckenden Supermarkt noch lange nicht auf.

In der ersten Lesung wurde viel gesagt, es wurde auch viel über Sachverhalte gesprochen, die nichts mit unserem Gesetzentwurf zu tun haben, wie eben auch. So war etwa der Herr Innenminister der Meinung - wie eben auch Frau Holbe und, ich glaube, Frau Rothe-Beinlich hat es auch angesprochen -, wir würden Fragen der Residenzpflicht mitregeln, und attestierte, dass der Freistaat Thüringen keinerlei Gesetzgebungskompetenz bei Fragen des Aufenthaltsrechts habe. Um beides geht es aber in unse

rem Gesetzentwurf eben nicht und nebenbei gesagt, war die Argumentation des Ministers auch sachlich falsch, wie die Praxis, was die Residenzpflicht angeht, im Saarland, in Hessen und künftig wohl sogar in Bayern belegt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich verbinde mit der Argumentation, es ginge um die Residenzpflicht, im Moment noch die Hoffnung, dass diese offensichtliche Fehlinformation - zumindest wenn Sie mir jetzt zuhören - schließlich auch der Grund gewesen ist, unseren Gesetzentwurf bislang zurückzuweisen, und dass - wenn ich Sie jetzt darüber aufkläre - es einen Grund für Sie gibt, dies nicht weiterhin zu tun. Wenn dem so ist, haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren, heute die Möglichkeit, dies zu korrigieren. Damit Sie auch noch weitere Gründe hierfür finden, will ich mich mit den von Ihnen vorgetragenen Argumenten auseinandersetzen.

Zuvor jedoch noch eine Bemerkung: Zu einem der Änderungsvorschläge in unserem Gesetzentwurf hat sich bisher überhaupt niemand von Ihnen geäußert, zu der von uns vorgeschlagenen Neuregelung des Personenkreises, die überhaupt unter das Flüchtlingsaufnahmegesetz fallen. Ich müsste mich sehr verhört haben, aber ich glaube, dazu hat niemand von Ihnen gesprochen. Richtig ist, dass für die Unterbringung von Flüchtlingen das Asylverfahrensgesetz bundesrechtliche Grundlage ist. In § 1 des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes werden aber Personengruppen aufgeführt, die selbst gar nicht oder nicht mehr unter das Asylverfahrensgesetz fallen, wie etwa die Inhaberinnen einer Aufenthaltserlaubnis oder die sogenannten Kontingentflüchtlinge, wie zum Beispiel die jüdischen Migrantinnen. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben, den Sie aber in unserem Gesetzentwurf entweder bisher übersehen oder einfach verschwiegen haben.

Frau Holbe hat beim letzten Mal bedeutungsschwer auf ein aus Ihrer Sicht sehr unpopuläres Thema hingewiesen, die Kosten, die nicht außer Acht gelassen werden dürften und die letztlich dazu führten, dass man Sinnvolles eben nicht machen könne. Frau Holbe, dieses Argument ist hinsichtlich der Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen bedauerlicherweise ebenso populär, auch in Ihrer Fraktion, wie es glücklicherweise auch sehr, sehr falsch ist. Denn selbst der Ihrer Partei angehörende Innenminister musste dezent darauf hinweisen, dass die Unterbringung in Sammellagern und Gemeinschaftsunterkünften teurer ist als die in Wohnungen. Die Gewährung von Bargeld für Flüchtlinge ist kostengünstiger, darauf hat Frau Rothe-Beinlich schon hingewiesen, als die Ausreichung von Wertgutscheinen. Und wenn Sie dann noch die Nachfolgekosten von

aus der Art der Unterbringung entstehenden und sich verfestigenden Krankheitsbildern hinzurechnen, ist eine menschenwürdige Unterbringung und Leistungsgewährung, die zum Teil schon jahrelang Verwaltungspraxis in andern Ländern ist, auch wenn es um die Form der Leistungsgewährung geht, was bundesrechtlich möglich ist, etwas, mit dem unsere Gesellschaft nur gewinnen kann, in erster Linie natürlich zivilisatorisch. Aber auch die dafür aufzuwendenden Kosten können weder monetär noch grundrechtlich als Gegenargument herhalten.

In diesem Zusammenhang setzte sich Herr Huber auch mit unserem Vorschlag der Wiedereinführung der Spitzabrechnung auseinander und verwies richtigerweise darauf, dass zu Zeiten, als die pauschalierte Kostenerstattung noch nicht eingeführt war, die Unterbringungssituation auch nicht besser gewesen ist. Nur hat Herr Huber dabei eines vergessen, nicht die Frage der Finanzierung ist entscheidend dafür, welche qualitativen Standards bei der Unterbringung von Flüchtlingen Umsetzung finden. Die Art der Finanzierung darf aber auch andererseits eine menschenwürdige Unterbringung nicht verhindern. Genau dies tut die pauschalierte Kostenerstattung.

Meine Damen und Herren, die pauschalierte Kostenerstattung zwingt die Landkreise und kreisfreien Städte, mit ihren Ausgaben ungeachtet der örtlichen Verhältnisse und angesichts der allgemeinen Finanzsituation, Leistungen für Flüchtlinge so anzubieten, dass sie eben kein eigenes Geld, keine kommunalen Mittel aufbringen müssen. Erst vor zwei Wochen hat es die von Frau Rothe-Beinlich schon angeführte Landrätin Marion Philipp aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt gesagt, „das Geld reicht hinten und vorne nicht“, wenn ich sie wörtlich zitieren darf. Das Ergebnis sind dann Ausschreibungen und Leistungsvergaben, bei denen Firmen Flüchtlinge für zum Beispiel 4,80 € pro Tag unterbringen. Deswegen ist unser Vorschlag zur Umstellung der Kostenerstattung auf die Spitzabrechnung nur im Zusammenhang mit den gleichfalls formulierten und zwingend zu erfüllenden qualitativen Kriterien für Wohnungen und individuelle Wohnformen zu sehen und zu bewerten. Und da kommen wir zu einem anderen Ergebnis als Sie, Herr Innenminister, und, ich bin der Überzeugung, dies auch berechtigt und folgerichtig, weil die Entscheidung über die Art der Unterbringung keine Frage der Kosten selbst sein darf.

Frau Finanzministerin Walsmann hat in der Schlussrunde zum Haushaltsplan vorhin gesagt, man solle nicht nur sehen, was wofür ausgegeben wird, sondern nach den erreichten Erfolgen für die Menschen in unserem Land schauen. Wenn ich zu dem Erreichten für die Menschen schaue, die in unserem Land Zuflucht suchen, dann kommt mir das Grauen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Es bleibt - und da waren sich die Rednerinnen aus SPD, CDU und Landesregierung in der ersten Lesung unseres vorgelegten Gesetzentwurfs einig - das Argument eines vermeintlichen Widerspruchs mit den zugrunde liegenden Bundesgesetzen. Auch auf die Gefahr, mich zu wiederholen, will ich dazu noch einige Ausführungen machen. Das Asylverfahrensgesetz schreibt für die im Asylverfahren sich befindlichen gestatteten Flüchtlinge zunächst eine Regelunterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft vor. Gleichzeitig aber wird diese Vorschrift dahin gehend korrigiert, dass bei der Entscheidung über die Art der Unterbringung das öffentliche Interesse zwingend mit den persönlichen Belangen abzuwägen ist - eine Vorschrift, meine Damen und Herren, die das derzeit geltende Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz schlichtweg unterschlägt. Dass Ihre fragwürdige Argumentation durch diese Unterschlagung aber nicht richtiger wird, beweist eine Entscheidung eines Thüringer Gerichts schon aus dem November 1999, welches nämlich auf der Grundlage genau des Asylverfahrensgesetzes entschied, dass es keine sich aus dem Bundesgesetz ableitbare Verpflichtung eines Flüchtlings gibt, in einer bestimmten Unterbringung zu wohnen.

Was ebenfalls nicht im Bundesgesetz zu finden ist, meine Damen und Herren, ist, dass das öffentliche Interesse immer für eine Gemeinschaftsunterkunft stehe. Das öffentliche Interesse kann gleichwohl eine Unterbringung in einer Wohnung zum Ziel haben. Was erst recht nicht im Bundesgesetz steht, ist, dass die Landkreise in Thüringen verpflichtet sind, ehemalige Sommerkinderferienlager oder Landwirtschaftsschulen oder dergleichen zu Sammellagern umzurüsten. Ihre Argumentation geht fehl, meine Damen und Herren.

Das Bundesgesetz zwingt die für die Unterbringung verantwortlichen Landkreise und kreisfreien Städte zu einer Ermessensentscheidung. Der Landesgesetzgeber hat selbstverständlich auch im Lichte der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Kompetenz, für Thüringen einheitliche Kriterien für den Ermessensrahmen zu benennen, so wie die Thüringer Landesregierung dies beispielsweise auch mit der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes selbst schon getan hat. Es ist schon ein juristisches Husarenstück, Herr Minister Huber, mit einem Verweis auf den prozentualen Anteil der in Wohnungen untergebrachten Flüchtlinge die Ermessensentscheidung für die nicht in Wohnungen untergebrachten Flüchtlinge für erledigt zu erklären oder das Ergebnis bereits vorwegzunehmen. Es widerspricht weder dem Asylverfahrensgesetz noch dem öffentlichen Interesse und am allerwenigsten dem postulierten Ziel nach verbesserter Integration, wenn Thüringen Flüchtlingen spätestens

ab dem 13. Aufenthaltsmonat die Anmietung einer Wohnung einräumt, noch widerspricht es irgendeinem Gesetz, eine Gemeinschaftsunterkunft als eine individuelle Wohnform des betreuten Wohnens mit entsprechenden Standards rechtlich zu gestalten.

Es wäre, meine Damen und Herren, schlicht ein Beitrag für ein auf den Grundsätzen der Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit basierendes Leben von Menschen, die gezwungen waren, ihr Herkunftsland zu verlassen und bei uns Schutz zu suchen. Dasselbe gilt für unseren Vorschlag, unter Abänderung der bisherigen Verwaltungspraxis auf der Grundlage der bereits erwähnten Thüringer Verwaltungsvorschrift, Flüchtlingen ihren ohnehin durch Bundesgesetz erheblich gekürzten Mindestbedarf zum Überleben in Bargeld auszuzahlen, anstatt an dem diskriminierenden System der Wertgutscheine festzuhalten. Die Diskriminierung findet dabei mehrfach statt: bei der Festlegung der Wertgutscheingrößen, bei der Festlegung der Einkaufsmärkte, in denen eingekauft werden darf, und - das habe ich beim letzten Mal schon gesagt - die in der Öffentlichkeit immer wieder zu erlebende Ausgrenzung, wenn die Flüchtlinge an der Kasse ihren Wertgutschein oder ihr Kundenkontenblatt abrechnen müssen. Diese Praxis ist entwürdigend und gehört abgeschafft, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie, Herr Prof. Dr. Huber, der Meinung sind, dass die Auslegung des Gesetzes nach seinem Wortlaut nicht zur juristischen Methodenlehre gehört - und durch Ihr Angebot, mir das zu erläutern, haben Sie ja ganz dezent darauf hingewiesen, dass ich nicht über eine juristische Ausbildung verfüge -, wenn Sie also die Auslegung nach dem Wortlaut nicht zur juristischen Methodenlehre zählen, dann, Herr Professor, kann man den Studierenden eigentlich nur abraten, sich in Ihren Vorlesungen einzuschreiben, wenn Sie in spätestens vier Jahren wieder Ihrer Lehrverpflichtung nachkommen.

(Unruhe CDU)

(Beifall DIE LINKE)

Definitiv aber gehört zur juristischen Methodenlehre, und da werden Sie mir dieses Mal nicht widersprechen - regen Sie sich doch ab, Herr Emde -, die Auslegung eines Gesetzes nach dem beabsichtigten Willen des Gesetzgebers bei der Beschlussfassung der sogenannten Regelungsabsicht und damit untrennbar verbunden nach der Entstehungsgeschichte einer bestimmten Regelung. Genau diese Entstehungsgeschichte des heute geltenden § 3 des Asylverfahrensgesetzes führt uns vor Augen, dass

die tatsächlich bis 1999 bestandene Vorrangregelung von Wertgutscheinen gegenüber dem Bargeld durch den Gesetzgeber abgeschafft wurde. Sie setzen sich dem Verdacht aus, eine fehlende Bereitschaft zur Einführung von Bargeld für Flüchtlinge hinter einer nicht mehr bestehenden Verpflichtung schlichtweg verstecken zu wollen.

Und wenn Sie, Frau Holbe, hier vorn einerseits verkünden, das verstoße gegen Bundesrecht, den Flüchtlingen die Leistungen in Bargeld zu gewähren, und im nächsten Atemzug sagen, Sie haben das jetzt im Kyffhäuserkreis eingeführt, dann widersprechen Sie sich selbst und haben eigentlich deutlich gemacht, dass die Kommune einen Ermessensrahmen hat und den auch ausnutzt. Ich finde das gut.

Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur nachdrücklich auffordern, nehmen Sie ernst, was Sie in den Koalitionsvertrag zur Integration aller Menschen, die hier leben wollen, geschrieben haben und setzen Sie um - ich spreche hier wieder insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der SPD an -, was Sie im Wahlkampf Flüchtlingsorganisationen und Flüchtlingen zugesagt haben.

Wenn Sie nicht mit jeder der von uns vorgeschlagenen Regelungen einverstanden sind, verschließen Sie sich wenigstens nicht der Fachdebatte. Treten Sie mit uns und mit anderen Expertinnen und Experten in eine Debatte für eine Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen. Dass diese Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen in Thüringen nicht notwendig sei, konnte ich auch heute wieder Ihren Beiträgen nicht entnehmen.

Meine Damen und Herren, ich beantrage nochmals die Weiterberatung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes

(Beifall DIE LINKE)

im Sozial- und im Innenausschuss.

Für den Fall, dass Sie sich überraschenderweise auch diesmal der Beratung verweigern, beantrage ich namens meiner Fraktion die namentliche Abstimmung unseres Gesetzentwurfs. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete Berninger. Es hat jetzt Abgeordneter Bergner von der FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich mit Blick auf die Uhr relativ kurzfassen.

(Beifall CDU, SPD)

Danke. Ich freue mich, wenn ich auch mal aus den Reihen der Koalition Beifall bekommen darf. Das ist ein erhebendes Gefühl, Herr Kollege Mohring, Herr Kollege Höhn.

Die FDP steht für eine Lockerung der Residenzpflicht, denn es ist schon so, dass die Residenzpflicht in ihrer bestehenden Form sicherlich nicht sachdienlich ist. Die Bewegungsfreiheit, die den Betroffenen dort nicht zugebilligt wird, kann keine menschenwürdige Basis für den Umgang mit Flüchtlingen in Thüringen sein.

(Beifall FDP)