Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Natürlich haben sich die Bedingungen jetzt doch schlagartig verändert. Sie haben ja sehr ausführlich die Probleme und auch die Gründe angesprochen. Ich glaube, trotz alledem muss man noch auf zwei, drei Dinge eingehen. In fünf Minuten ist da wenig Zeit. Aber wir waren alle überrascht und dass wir als Politik ein Stück aus dem Rennen sind, ist jetzt ziemlich eindeutig. Wie das am Ende ausgehen wird, das wage ich auch nicht vorherzusehen, denn es ist angesprochen worden, 18 Monate haben die Menschen vor Ort in den Regionen, an den Standorten bangen müssen, sind hingehalten worden, Spielchen auf deren Rücken sind ausgetragen worden, das haben wir alles in der letzten Aktuellen Stunde schon einmal ziemlich deutlich gemacht.

Wie die Sanierung von GM aussehen wird - auch das habe ich, glaube ich, in meinem letzten Redebeitrag gesagt -, weiß man nicht genau. Es gibt eine klare Aussage, dass der Standort, dass die Arbeitsplätze erhalten werden. Es gibt auch inzwischen eine Stellungnahme des Gesamtbetriebsratschefs Herrn Franz, der sich erleichtert gezeigt hat über diese Entscheidung, der aber auch sagt, es bleibt dabei, dass die Standortsicherung steht, dass das ausgehandelte Konzept zwischen Arbeitnehmervertretung und GM auch bestehen bleibt. Das macht ein Stück Hoffnung. Ich sage aber noch einmal ganz deutlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war auch enttäuscht von der Entscheidung, die im Lenkungsausschuss gefallen ist. Das muss man einfach so sehen. Sie haben das Patt erläutert, wie dann die Entscheidung durch Herrn Minister Brüderle - das entscheidende Nein - gekommen ist. Vor allen Dingen hat mich auch als Christlich-Sozialem ein bisschen die Begründung in Bezug auf die soziale Marktwirtschaft gestört. Er hat gesagt, wir müssen zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zurückkehren. Für mich heißt soziale

Marktwirtschaft, der Mensch steht im Mittelpunkt aller Politik. Er ist nicht Objekt und er darf auch nicht Mittel zum Zweck sein.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist die Rede von gestern.)

(Beifall CDU)

Das ist eine Grundsatzfrage. Diesen Konflikt, den wir über 18 Monate ausgetragen haben, das haben die Menschen dort gespürt, deshalb, glaube ich, ist das ein bisschen, ich will nicht zynisch sagen, aber es ist nicht ehrlich. An der Stelle, Herr Kemmerich, Sie haben mich das letzte Mal belehrt, 1 Mrd. €, das waren, in der Sekunde etwa 1 € zurücklegen, etwa 35 Jahre. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben weit über 1 Mrd. € in dem Sparpaket zusagen müssen, damit sie da sind, wo wir heute sind. Die bekommen es nicht zurück, da brauchen wir keinen Euro zurücklegen, das Geld ist für diese Familien, für die Menschen dort vor Ort weg. Das ist der Beitrag, den die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Standorten geleistet haben. Das wollte ich an der Stelle zumindest noch mal erwähnt haben, weil ich auch glaube,

(Beifall CDU)

dass die Dinge, Herr Minister Machnig, die Sie noch mal genannt haben im Gutachten vom Lenkungsrat, uns auch nicht zugänglich geworden sind.

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Zwei Seiten.)

Das fand ich schon ein bisschen merkwürdig, weil nur daran natürlich auch Bedingungen geknüpft sind. Ich kann es jetzt verstehen, dass General Motors sagt, ich will das nicht noch einmal durchmachen, dass wir jetzt anfangen müssen, einen Bürgschaftsausschuss in den einzelnen Ländern wieder anfragen, müssen dieses Prozedere von vorn beginnen, ohne einen gewissen Ausgang,

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Jeder Mittelständler muss das auch machen.)

dass der am Ende...

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Hör auf, zu...!)

Aber, lieber Herr Kemmerich, nach 18 Monaten - und Sie sind doch wirtschaftspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion, Sie sind Fachmann, Sie schneiden zwar nur Haare und bauen keine Autos,

(Unruhe im Hause)

aber trotzdem eine Marke wie Opel, die kann nicht noch einmal monatelang dahinvegetieren und sagen, irgendwo wird es schon werden. Wenn ich technisch investieren will, ich muss investieren, die 11 Mrd. € stehen jetzt auch bereit, dann muss ich auch mal zu Potte kommen. Dafür habe ich Verständnis.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Darüber kann man sicher streiten, dass die Spanier und die Briten, die Österreicher und die Polen möglicherweise schon lange eine Entscheidung getroffen haben. Wir haben das nicht getan, aus welchen Gründen am Ende auch immer. Sie könnten jetzt sagen, das war die richtige Entscheidung, ich sage, es war die falsche Entscheidung. Für mich jedenfalls war es die falsche Entscheidung. Ich bin auch davon fest überzeugt oder ich hoffe, dass wir uns hier an dem Podium nicht noch einmal darüber unterhalten müssen, wie das am Tag X möglicherweise weitergeht. Es bleibt bei der Schließung in Antwerpen, die anderen Standorte sind zugesagt. Der Minister hat das angekündigt, im Gleichschritt habe ich gesagt, mit der Ministerpräsidentin wird natürlich der Kontakt - wir müssen ja mit Eisenach im Geschäft bleiben - gehalten. Und wenn es uns gelingt in Sachen über GA bei technischer Entwicklung zu helfen, dann ist das, glaube ich, auch ein Weg, der zumindest regional beschritten werden muss. Ich weiß auch um die Solidarität hier im Hause, wir haben im Januar schon mal einen gemeinsamen Antrag gehabt, wo wir uns miteinander verständigt haben, leider außer Ihnen von der FDP, aber wir stehen, glaube ich, in den Fraktionen da ziemlich geschlossen in den Reihen, weil man einfach sagen muss, dieses Werk in Eisenach wurde immer als Leuchtturm über Jahre propagiert, das verdient es auch, dass wir hier gemeinsam zusammenhalten und dass wir helfen, dass in Eisenach der Standort und die Arbeitsplätze gesichert bleiben. Ich wünsche, dass die Regierung da hart dranbleibt. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergemann. Als Nächster spricht Abgeordneter Ramelow für die Fraktion DIE LINKE.

Wir sind Opel, meine sehr verehrten Damen und Herren, so war das T-Shirt mit Ausnahme der FDP, die ist da immer ehrlich gewesen, ich lobe die Ehrlichkeit. Herr Kemmerich hat schon im Wahlkampf

bei einem IHK-Forum gesagt, wir sollen uns nicht für Opel einsetzen, sondern für Ersatzarbeitsplätze. Damals hatte ich mir gewünscht, dass eine solche Meinung nie in den Landtag kommt. Denn um was geht es? Es geht um den Standort Opel-Eisenach. Es geht um 1.800 Menschen, damit 1.800 Familien, aber es geht auch um einmal für jeden Arbeitsplatz noch fünf weitere Arbeitsplätze, die direkt in Thüringen an diesem Betrieb hängen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Es geht also um viel mehr als nur um einen amerikanischen Konzern und seine Außenstelle. Ein bisschen irritiert bin ich in der Debatte zurzeit, dass die gleichen Menschen, die vor einem Jahr öffentlich gesagt haben, kein deutsches Geld in amerikanische Kassen - ich habe das noch gut im Ohr, es darf keine Bürgschaft geben, wenn nicht garantiert ist, dass das Geld in Deutschland bleibt, der damalige Ministerpräsident in Thüringen hat das auch laut und deutlich vertreten -, dass nun aus diesen Stimmen umgekehrt die Meinung kommt, aber aus amerikanischen Kassen soll das Geld jetzt kommen, das in Deutschland den Umstrukturierungsprozess und in Europa den Umstrukturierungsprozess begleiten soll. Wir haben überhaupt kein Problem damit, wenn General Motors - und das ist der entscheidende Unterschied von der Debatte vor anderthalb Jahren - mittlerweile verstaatlicht ist, unter dem staatlichen Schutzschirm der USA steht und damit in den Kassen dieses Konzerns Geld mit der Hilfe des amerikanischen Staates aufgeräumt ist. Ich glaube, dass es uns gut anstehen würde, wieder zurückzukommen auf das Konzept, das ursprünglich mal gestanden hat, nämlich wie man aus der Marke Opel einen europäischen Konzern entstehen lässt, der nicht ein atomisiertes Teil eines Weltkonzerns ist, sondern wo Opel selber in seiner Beziehung zu den europäischen Werken in der Produktionstiefe und in der Wertschöpfungskette einfach sich verbessert.

(Beifall DIE LINKE)

Dasselbe gilt auch für Eisenach im gleichen Maßstab. Das Werk in Eisenach, das modernste Werk des General Motors Konzerns, ist aber gleichzeitig das gefährdetste Werk überhaupt, weil es nämlich jederzeit von Saragossa mitproduziert werden kann. Ich erinnere mich sehr gut, dass im Wahlkampf auf einmal Frau Merkel und wer nicht alles in Rüsselsheim zur Betriebsversammlung erschienen ist und die große Solidarität verkündet hat. Das, was mich daran stört, ist, dass hinterher so getan wird, als wenn ein europäischer Teil dieses Konzerns nicht berechtigt wäre, einen Antrag zu stellen, und dieser Antrag über ein Dauerfeuer monatelang öffentlich zerredet wird. Der eigentliche Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nämlich, dass zur Rettung der

Banken begleitend der Deutschlandfonds aufgelegt wurde - ich saß damals noch im Deutschen Bundestag, ich erinnere mich sehr genau daran - ausdrücklich mit der Bemerkung, dass damit produzierende Arbeitsplätze saniert, begleitet, umstrukturiert werden sollen. Das ist Sinn und Zweck des Deutschlandfonds. Und die Firmen sind eingeladen gewesen, egal ob groß oder klein, Anträge zu stellen. Dann ist das passiert, was Wirtschaftsminister Machnig gerade erzählt und was die Vertrauensleute und der Betriebsrat von Opel Eisenach mal sehr anschaulich dargelegt hatten. Jeden Tag wurden Details der Antragstellung veröffentlicht, am meisten immer am Sonntag, wenn sich niemand der Arbeitnehmer dagegen zur Wehr setzen konnte. Damit wurde Stimmung gemacht ausschließlich gegen einen einzigen Antragsteller. Vergleichbares ist in Deutschland nicht passiert. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein anderes Unternehmen öffentlich so behandelt worden ist, wie man Opel behandelt hat. Ich stehe unter dem Eindruck, dass hier eine Marke zerstört werden soll und dass das die FDP in Thüringen mitmacht,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

dass das die FDP in Thüringen noch mit Presseerklärungen begleitet letzte Woche. Herr Kemmerich, bei Ihnen erschüttert mich gar nichts mehr. Da kann ich nur sagen, ich nehme es zur Kenntnis. Da stand dann drin, Herr Machnig sei schuld. Bei Herrn Kemmerich ist die Welt so schön einfach. Schuld an dem, was Brüderle gemacht hat, am Abend der Brüderle-Entscheidung war Machnig schuld. Werter Herr Wirtschaftsminister, Sie haben eine geniale Ausstrahlung, dass Sie schon auch dafür haften, was Herr Brüderle treibt.

Ich kann nur sagen, das ist blanker Zynismus von der Thüringer FDP.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nur sagen, es läuft mir eiskalt den Rücken runter, wenn man selbst Menschen mit 3,81 € Stundenlohn beschäftigt und sich dann hinstellt und sagt, ein produzierender Betrieb soll lieber hopsgehen - das heißt es nämlich auf gut Deutsch, was Sie sagen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Deswegen, meine Damen und Herren, dass die Solidarität der Länder zerbrochen ist, liegt ja nicht an unserem Wirtschaftsminister, sondern offenkundig an dem FDP-Wirtschaftsminister in Hessen, der gestern verkündet hat, er sei nicht mehr bereit, mit den anderen drei Ländern zusammenzuarbeiten. Das heißt, die Solidarität, die die Betriebsräte durchgehalten haben - keine Standortkonkurrenz -, macht der

Wirtschaftsminister von Hessen auf einmal auf, nur weil er drei Tage vor einem Landesparteitag seiner FDP steht. Da kann ich nur sagen „pfui Teufel“, so geht man nicht mit Menschen, so geht man nicht mit Arbeitsplätzen, so geht man nicht mit Industrie um.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Pfui!)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

So geht man nicht mit unserem Standort Opel in Thüringen um. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind Opel!

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Als Nächster spricht der Abgeordnete Barth für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister, Ihrer Rede hat man vor allem eines angemerkt: Sie ärgern sich darüber, dass Sie jetzt keinen politischen Einfluss mehr auf den Fortgang bei Opel haben.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: So ein Blödsinn.)

(Beifall FDP)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war der traurige Höhepunkt des heutigen Tages. Sie sind mit Vorfreude hierhergekommen und hatten eine Rede eingesteckt, die bis 14.10 Uhr noch die richtige war, und haben versucht, die an die neue Lage anzupassen. Ich kann Ihnen attestieren, das ist ihnen nicht gelungen.

(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Sie sind Politiker.)

(Beifall FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir heute erlebt haben, ist, dass sich ein Unternehmen, ein großes amerikanisches Unternehmen,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das passt.)

welches in den letzten Monaten viel Geld verdient hat - da ist von 900 Mio. Dollar Gewinn zu lesen, da ist von vorsichtigen Schätzungen zu lesen, dass man über 10 Mrd. € auf der hohen Kante habe - hinstellt und sagt, wir brauchen keine staatliche Bürgschaft mehr...