Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

Wir nehmen die Kritik zur Kenntnis und weisen sie auch gern zurück.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Offener Mund ist das richtige Stichwort.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren - das ist aber nicht das Staunen, das ist der laute Ton, der den Mund öffnet -, das Eisenbahnnetz in Thüringen wurde seit der Wiederherstellung der deutschen Einheit mit mehr als 4 Mrd. € instand gesetzt und ausgebaut. Insgesamt das wichtigste Verkehrsinfrastrukturprojekt für Thüringen ist das VDE - Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 -, der Bau der ICE-Trasse Berlin-Erfurt-Nürnberg. Von der Verwirklichung dieses Verkehrsprojekts profitiert aus unserer Sicht ganz Mitteldeutschland und nicht zuletzt entsteht hier, wie bereits deutlich wurde in den Beiträgen vor mir, ein Teil der transeuropäischen Magistrale von Italien nach Skandinavien. Viele andere beneiden Thüringen darum, und das sind nämlich die Interessierten, von denen ich auch sprach, und wären selber gern angebunden worden. Deshalb sollten wir lieber mit diesem Pfund wuchern, statt es zu beklagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit dem Baubeginn im Bündelungsabschnitt Erfurt-Ilmenau im Jahr 1996 setzte sich die Thüringer Landesregierung mit Nachdruck für einen qualifizierten Baufortschritt ein. Bund und Bahn haben versichert, dass die Fertigstellung bis 2015-2017 geplant und die Finanzierung für die Hochgeschwindigkeitsstrecken Ebensfeld-Erfurt und Erfurt-Halle-Leipzig gesichert sei. Auch der Freistaat unterstützt diese Projekte finanziell, indem er die dem Freistaat zustehenden 239,5 Mio. € aus dem EFRE-Verkehrsprogramm des Bundes einsetzt. Wir sind der festen Überzeugung, dass deren Verwendung zur Beschleunigung des Baufortschritts des VDE 8.1 am zweckmäßigsten für Thüringen ist. Aus den Konjunkturprogrammen der Bundesregierung werden zusätzlich bereitgestellt zur Verstärkung von VDE 8.1 27 Mio. €, VDE 8.2 - das ist Erfurt-Leipzig 78 Mio. € und für den Knoten Erfurt noch einmal 18 Mio. €. Außerdem sind 57 Mio. € aus Mitteln für die transeuropäischen Netze für das VDE 8.2 bewilligt. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel zeigen eines, dass es einen breiten Konsens für den Bau und die Fertigstellung gibt. Ich würde mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, wünschen, dass dieser Konsens deutlich über die Fraktionen von CDU, FDP und SPD hinausreicht und auch in diesem Parlament ein breiterer Konsens da wäre.

EU, Bund und Deutsche Bahn sowie die beteiligten Länder sind sich einig, das VDE 8 muss sobald wie möglich fertiggestellt werden, um den wirtschaftlichen Nutzen, der ja jetzt in Zweifel gezogen wird, unter Beweis stellen zu können und ihn tatsächlich auch zu nutzen. Den Kritikern auch aus diesem Hohen Hause sollte klar sein, dass bei einem gegenwärtigen Investitionsstand von etwa der Hälfte der geplanten Kosten in Höhe von 10 Mrd. € und bei abgeschlossenen Verträgen für den Bau von 21 Tunneln und 29 Brückenbauwerken und weiteren Streckenbaulosen, wie hier von einigen Abge

(Abg. Untermann)

ordneten gefordert, ein Baustopp an politischer Verantwortungslosigkeit nicht zu übertreffen wäre. Hier führt auch nicht der Verweis auf die fragwürdigen Aussagen in einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Studie weiter, die in ihrer Forderung nach einem Baustopp noch nicht einmal die Unterstützung ihres Auftraggebers erhält. Die Studie - das sollten Sie vielleicht auch zur Kenntnis nehmen - wurde mit der Zielstellung vergeben, eine Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Güterverkehr in Deutschland auf dem Schienennetz 2025/30 zu erarbeiten. Zu deren Umsetzung werden ca. 11 Mrd. € benötigt, die zufällig, meine Damen und Herren, beim Baustopp von VDE 8 und Stuttgart 21 zur Verfügung stünden. Ein Schelm, der dabei Böses denkt! Der hieraus konstruierte Eindruck, die Studie empfehle den Stopp der neuen ICE-Strecke, ist aus unserer Sicht verantwortungslos und aus dem Kontext der Studie herausgerissen.

(Beifall CDU)

Er entfacht zudem eine Diskussion aus der Klamottenkiste, die schon längst einen Bart hat. Die Stärkung von Verlagerungstransporten Straße und Schiene, meine sehr verehrten Damen und Herren, die unterstützt diese Landesregierung ausdrücklich und die sie tragenden Fraktionen natürlich auch. Dies darf jedoch nicht zulasten von Projekten gehen, deren Wirtschaftlichkeit erstens nachgewiesen wurde und die bereits einen Baufortschritt von 50 Prozent und mehr aufweisen. Die Neubaustrecke Erfurt-Ebensfeld wird nicht nur den Schienenpersonenfernverkehr erheblich beschleunigen, sondern wird auch für den Schienengüterverkehr einen Nutzen entwickeln. Das Streckenprofil sowie die geplanten Betriebsbahnhöfe berücksichtigen die besonderen Anforderungen einer Güterverkehrsmagistrale. Laut Bundesverkehrsministerium werden nach der Fertigstellung rund 3,4 Mio. t Transportgüter pro Jahr auf den Gleisen der neuen ICE-Strecke erwartet. Das bedeutet eine enorme Entlastung der Straßen vom Güterverkehr. Die Deutsche Bahn wird die technologischen Betriebskonzeptionen zu gegebener Zeit fertigstellen, um den Beweis für die Vereinbarkeit dieser Strecke für den Personen- wie den Güterverkehr als Mischverkehr auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke anzutreten. Klar muss jedoch jetzt sein: Der verkehrliche Nutzen von VDE 8 tritt erst vollständig ein, wenn die Neubauerstrecke durch den Thüringer Wald voraussichtlich im Jahr 2017 die Lücke zwischen den bestehenden Schienenverbindungen schließen wird. Dafür setzt sich die Landesregierung ein. Ich lade Sie ganz herzlich ein, uns in diesem Vorhaben zu unterstützen,

(Beifall CDU)

und ich gehe davon aus, dass die Union auch 2017 noch in der Regierung ist.

(Unruhe DIE LINKE)

Ich darf Sie jetzt schon ganz herzlich einladen, mit nach München zu fahren,

(Beifall CDU)

auch die Kritiker dieser Strecke, denn bis dahin wird sich Ihre Kritik längst verloren haben. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Frau Abgeordnete Dr. Lukin für die Fraktion DIE LINKE. Sie haben noch 5 Minuten Redezeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren. Ich hoffe, die fünf Minuten brauche ich nicht. Ich wollte mich nur gegen den Vorwurf verwahren, dass wir hier sinnlos etwas in den Raum stellen. Ich will nur mal ganz freundlich sagen, die Wirtschaftsanalyse, von der Sie gerade sprachen, oder die Wirtschaftlichkeit stellt sich für mich schon deshalb infrage, weil der gesamte, sehr bevölkerungsreiche Ostthüringer Raum einfach abgehängt wird vom Fernverkehrsnetz. Das ist eine der Konsequenzen dieser Strecke. Außerdem ist nach wie vor auch der Beweis nicht erbracht worden, dass der Güterverkehr auf dieser Strecke, auf der längsten Untergrundbahn durch Deutschland, dann wirklich auch so, wie von Ihnen beschrieben, vor sich gehen wird. Das war gerade das Problem, das in der Studie betrachtet wurde. Wenn sich auch der Auftraggeber nicht vollständig mit ihr identifiziert hat, so hat er den einzelnen Aussagen auch nicht widersprochen.

Ich will uns in dem Zusammenhang einfach noch einmal ans Herz legen, wenn wir davon reden, dass wir den Güterverkehr auf die Schiene verlagern und ihn von der Straße nehmen wollen, dann ist nicht nur eine lange Trasse vonnöten, dann ist ein gut ausgebautes Netz notwendig, und das wird gerade durch die Finanzierung dieses Prestigeobjekts unterfinanziert. Sie haben auch kein Wort gesagt zu den Finanzierungsproblemen der Bahn, die ganz speziell die Mitte-Deutschland-Verbindung betreffen. Ich denke, hier muss man genau noch einmal darüber nachdenken und deswegen hatten wir diese Debatte auch mit forciert und mit der Forderung eines Baustopps unterlegt, dass man die Prüfungskriterien einfach noch einmal anführt, dass man wirklich schaut, welche Regionalentwicklung hier möglich ist, welche Finanzierungsprobleme die Bahn durch dieses Prestigeobjekt hier in Thüringen und in Deutschland noch bekommt und gleichzeitig, welche Effekte dadurch eintreten. Das konnten wir hier nicht überzeugend dargelegt bekommen.

(Minister Carius)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Schubert zu Wort gemeldet, 3 Minuten sind es noch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Carius, Sie haben gesagt, es sei unverantwortlich, angesichts eines Baufortschritts von 50 Prozent wahrscheinlich sind es nur 40, aber das ist ja egal an dieser Stelle - den Stopp zu fordern. Ich sage Ihnen einmal, was noch unverantwortlicher ist. Noch unverantwortlicher ist es, noch einmal die gleiche Summe - und darum geht es ja - hinterherzuschmeißen, um die anderen 50 Prozent weiterzubauen, angesichts der Tatsache, dass auf dieser Strecke kein Güterverkehr fahren kann.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Scherer, die Studie hatte nicht das Anliegen zu erklären, warum auf dieser Trasse kein Güterverkehr fahren kann, auch wenn Sie das gefordert haben. Es ging um etwas anderes bei der Studie, es ging um die Güterverkehrskapazitäten in ganz Deutschland. Den Nachweis, dass es auf der Trasse so nicht geht, den haben schon ganz viele Experten schon vor vielen Jahren geführt. Alle, mit denen wir uns unterhalten haben, und das waren viele, haben gesagt, dass Güterverkehr auf dieser Strecke nicht fahren kann. Vielleicht hat Herr Carius auch Informationen, die wir noch nicht kennen, was ich nicht glaube. Aber ich lade Sie ein, führen Sie den Beweis in der nächsten Ausschuss-Sitzung und zeigen Sie uns, dass das geht. Da bin ich sehr gespannt. Erschrocken hat mich - und das ist meine letzte Bemerkung -, dass Sie im gleichen Atemzug bedauern, dass wir das Longliner-Projekt in Thüringen nicht fortführen. Wenn ich dann gleichzeitig höre, Sie wollen eigentlich mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene bringen, dann würde ich die Longliner nicht erwähnen. Das ist sehr unglaubwürdig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Herr Minister Carius, noch einmal bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, zu den Longlinern will ich jetzt gar nicht so ganz viel sagen. Allein eines: Wir gehen davon aus, dass wir ein Wachstum des Verkehrs in den nächsten Jahren sowohl auf dem Schienenbereich

im Güterverkehr haben als auch auf der Straße und dass das Wachstum so groß ist, dass man sich tatsächlich der Frage nach alternativen Nutzungskonzepten stellen muss. Dem wollen wir uns momentan gerade nicht stellen, das ist auch in Ordnung, das ist auch akzeptabel.

(Beifall CDU)

Die Ergebnisse der Studie belegen jedenfalls, dass aus meiner Sicht eine Nutzung von solchen neuen Fahrzeugkonzepten durchaus geeignet wäre, zum einen den Verkehr auf der Straße deutlich von Lkws zu entlasten und zum anderen - und das sage ich hier auch ganz deutlich - sehe ich nicht einmal den Konflikt, den Sie aufmachen, dass die Longliner dazu führen würden - jedenfalls die, die wir hier in Thüringen geprobt haben -, dass wir einen Wettbewerb zur Bahn herstellen würden. Das ist so nicht gegeben, sondern ganz im Gegenteil. Die neuen Nutzungskonzepte würden eher davon ausgehen, dass wir vernünftige Zubringer über den Longliner machen und dann versuchen, auf der Bahn den größeren Teil der Strecke zurückzulegen.

(Beifall CDU)

Da gibt es durchaus Konzepte, die einen Wettbewerb nicht nahelegen, sondern tatsächlich den Verkehr auf der Straße deutlich minimieren würden oder vielmehr das Wachstum deutlich absenken würden.

Zum Zweiten: Diese Strecke VDE 8 ist für den Güterverkehr auch ausgelegt. Da kann Güterverkehr stattfinden. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis. Sie können es trotzdem anzweifeln, das ist mir recht. Aber die Realität sieht anders aus, als sie mitunter gemalt wird.

Frau Lukin, wenn ich zu dem, was Sie gesagt haben, noch einmal kurz Stellung nehmen darf: Sie haben gesagt, Zubringerverkehr mit der MitteDeutschland-Verbindung ist ganz wichtig, die hätte man vielleicht vorher bauen müssen. Hier müssen wir noch einmal ganz ehrlich und offen sein. Erstens: Sie haben natürlich völlig recht, die MitteDeutschland-Verbindung ist wichtig. Wir setzen uns deswegen auch massiv dafür ein, dass sie kommt. Wir setzen uns auch bei der Bahn und mit der Bahn beim Bund dafür ein, dass hier 50 Mio. € bereitgestellt werden, damit wir den zweigleisigen Ausbau vorantreiben können. Aber man kann doch das eine tun, ohne das andere zu lassen.

(Beifall CDU)

Mal abgesehen davon, meine Damen und Herren, dass es doch wirklich widersinnig ist; kein Mensch baut zuerst einen Zubringer zur Autobahn und danach die Autobahn, sondern man baut natürlich zuerst die Autobahn, zuerst die große Fernverkehrsstrecke und dann - möglichst zeitgleich aber kommt die Frage der Zubringer, weil sie anders kei

ne vernünftige Verkehrsplanung machen können, sondern Sie müssen zunächst von den großen Trassen ausgehen und daran orientiert sich dann die Definition des zusätzlich gebrauchten und notwendigen Netzes.

Insofern, meine Damen und Herren, darf ich Sie herzlich bitten: Arbeiten Sie nicht mit falschen Argumenten und vor allen Dingen zäumen Sie das Pferd nicht von hinten auf. Zuerst machen wir das eine, das andere machen wir währenddessen auch.

(Unruhe DIE LINKE)

Zum einen, meine Damen und Herren, können wir nicht nur in die Zubringerstrecken investieren und zum anderen, was die Frage des Abhängens von Ostthüringen anbelangt, ist mir die Gefahr, dass das in Ostthüringen so gesehen wird, deutlich bewusst. Wir setzen uns aber zum einen massiv dafür ein, sowohl bei der Bahn als auch bei den Wettbewerbern, dass Ostthüringen nicht vom Fernverkehr abgehängt wird. Zum anderen haben wir auch über den Schienenpersonennahverkehr bereits jetzt Strecken in Auftrag gegeben, damit wir dann mit einer möglichst schnellen Schienennahverkehrsverbindung auch auf der alten Saalebahn fahren können. Das heißt, man kann mit Fug und Recht davon reden, dass wir uns sowohl für Ostthüringen als auch für diese neue Trasse einsetzen, die sehr wichtig für Thüringen ist und die mehr nützt, als Sie an Risiken hier beschreiben. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich sehe jetzt keinen, der die 1 Minute Redezeit noch ausfüllen würde, die wir noch hätten in diesem Teil der Aktuellen Stunde und schließe den Teil e) und damit die gesamte Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15

Fragestunde

Als erste kommt die Frage der Frau Abgeordneten Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1084.

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Anfrage behandelt die Planung des Industriegebiets „Rohrer Berg“ in Meiningen.

Der Meininger Stadtrat hat beschlossen, zur Erschließung eines neuen 40 Hektar großen Industriegebiets am Rohrer Berg einen Kredit in Höhe von 4 Mio. € aufzunehmen. Das Projekt zur Erschließung musste im vergangenen Jahr aus dem Haushalt gestrichen werden, weil die Kommunalaufsicht des Landkreises den Haushalt sonst nicht

genehmigt hätte. Der Planungsbereich war im regionalen Raumordnungsplan bereits in zweifacher Hinsicht für andere Zwecke bestimmt. Er galt als Vorbehaltsgebiet für Natur und Landschaft sowie Fremdenverkehr und Erholung. Dem Bedarf an Flächen für die industriell-gewerbliche Nutzung wurde durch die Neuerschließung des Gewerbegebietes „Meiningen - Dreißigacker“ westlich der Stadt bereits Rechnung getragen. In 18 Kilometer Entfernung stehen mit dem Industriegebiet „Thüringer Tor“ potenziellen Investoren 100 Hektar Fläche zur Verfügung.

Im Koalitionsvertrag ist das Ziel vereinbart, „den Flächenverbrauch in Thüringen weiter deutlich zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Brachflächen wieder in Wert zu setzen und vorrangig innerörtliche Lagen zu entwickeln.“

Ich frage die Landesregierung: