Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

Im Übrigen, Sie haben noch nie ein Buch von denen gelesen. Also wie können Sie das eigentlich beurteilen, meine lieben Freunde von der FDP. Deswegen sage ich noch einmal eindeutig, Prof. Sinn …

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe FDP)

Ja lesen tut gut, das bildet.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Freunde?)

Der lädt mich ein, im Unterschied zu Ihnen. Ich will das gern noch einmal sagen, worüber Prof. Sinn gesprochen hat.

Er hat von einem verpatzten Kaltstart gesprochen, er hat davon gesprochen, welche Fehlentscheidungen damals auch getroffen worden sind. Die mache ich mir gar nicht alle zu eigen, aber er entwickelt ein differenziertes Ziel. Prof. Paque’ das Gleiche. Der hat gesagt, einer der größten Fehler damals, so Prof. Paque’, war, dass es auf beiden Seiten zum Beispiel völlig unrealistische Erwartungen im Hinblick auf das ökonomische Fortkommen gegeben hat - ich stimme dem ausdrücklich zu - und dass wir zum Teil nicht konzentriert in die eigentlichen Zukunftsfelder nicht viel früher investiert haben. So weit Prof. Paque’ und einige andere. Deswegen sage ich, ich fühle mich da in guter Gesellschaft, bei denen, die differenziert darauf schauen, was geht.

Im Übrigen, dass es differenzierte Stellungnahmen gibt, da will ich auch an eine verweisen. Ich empfehle die Lektüre des Berichts, den der Bundesinnenminister Thomas de Maiziére vorgelegt hat. Eine sehr differenzierte Analyse, wo man genau nachlesen kann im Übrigen, wo es richtige Entwicklungen, wo es falsche Entwicklungen, wo es Fehler und wo es auch Korrekturbedarf gibt. Das ist die Form der Auseinandersetzung der Debatte, die ich mir wünschen würde, denn nur so zeigen wir, dass wir lernfähig, dialogfähig sind und dass wir in der Lage sind, uns konzeptionell weiterzuentwickeln.

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den Präsidenten des Statistischen Bundesamtes und andere, die sich in den letzten Tagen dazu geäußert haben.

Dann an Herrn Barth, weil der immer noch die mentale Mauer zwischen Wessis und Ossis im Kopf hat, will ich gern noch einmal ein Zitat von Willy Brandt mit auf den Weg geben. Willy Brandt, ich glaube ein

(Minister Machnig)

großer Deutscher, der eben nicht in Ost- und Westkategorien gedacht hat, hat Folgendes gesagt: „Abgeschlossen ist der Prozess des Zusammenwachsens erst dann, wenn wir nicht mehr wissen, wer die neuen und wer die alten Bundesbürger sind.“ Das ist wahr. Das ist ein sehr wichtiger Satz.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, den Satz sollten wir uns alle zu eigen machen. Das ist die Grundlage dafür, dass wir endlich aufhören, in den Köpfen zu differenzieren.

Jetzt noch ein letzter Hinweis auf das, was wir im Rahmen des Symposiums, das übrigens sehr interessant war, diskutiert haben. Da will ich noch einmal eine Bemerkung machen: Es gibt die neuen Bundesländer nicht, sondern Thüringen war und ist anders als Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mecklenburg-Vorpommern ist anders als zum Beispiel Sachsen oder Brandburg oder was auch immer. Alle, die dort gesprochen haben, im Übrigen auch die Wirtschaftsminister egal welcher Partei, oder die Staatssekretäre - der FDP-Minister war nicht da, zeugt auch von hoher Diskussionsbereitschaft - haben auf eines hingewiesen, dass es in den nächsten Jahren auf eine Frage ankommt, dass die einzelnen Ländern eigenständige wirtschaftspolitische Profile aufbauen und daran arbeiten auch alle. Mecklenburg-Vorpommern, um ein Beispiel zu nennen, ist das Erfolgsland im Bereich des Tourismus und die werden massiv in den nächsten Jahren ausbauen. Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg sind zum Beispiel die Länder im Bereich der erneuerbaren Energien, der Photovoltaik, wo wir Enormes geschafft haben. Sachsen ist zum Beispiel das Land der Automobilindustrie noch im stärkeren Maße als wir oder auch der Chipindustrie. So werden Länder sehr unterschiedliche wirtschaftspolitische Profile aufbauen und das ist auch gut so. Wir brauchen Spezialisierung und Differenzierung in den nächsten Jahren. Das ist die große Aufgabe der Wirtschaftspolitik, und zwar sowohl bei kleinen und mittelständischen Unternehmen als auch bei etwas größeren Unternehmen.

Dabei müssen wir auf eines aufpassen, in der Tat sind die KMUs unsere große Stärke. Das unterstreiche ich dreimal. Die haben auch in der Krise Großes geleistet, weil sie sehr anpassungsfähig waren. Allerdings gilt auch, sie können dann zu einer Schwäche werden, wenn es uns nicht gelingt, den Technologieanteil in der Wertschöpfung in den nächsten Jahren zu erhöhen. Dann sind ihre Produkte ersetzbar und das ist meine Sorge. Deswegen möchte ich gern, dass wir in technologieorientierte Entwicklung investieren, dass wir an den großen Trends uns z.B. orientieren, die da heißen

z.B. Energie- und Ressourceneffizienz, und dort Produkte auf den Markt bringen, die ermöglichen, dass die Wertschöpfung auf hohem Niveau bleibt, dass unser Exportanteil, der bei 30 Prozent liegt und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, in den nächsten Jahren wächst. Das ist mein Denken und daran versuche ich auch, meine Politik zu orientieren.

Ich hätte mir gewünscht, dass statt vordergründig kleinkariertem parteipolitischem Gehacke, wie von Herrn Barth hier vorgeführt - ist ja auch nichts Neues -, wir ein bisschen intensiver und differenzierter gesprochen hätten über das, was in den nächsten Jahren notwendig ist. Das, glaube ich, ist notwendig.

Jetzt will ich noch mit Willi Brandt enden, der einen richtigen Satz gesagt hat. Er hat nämlich gesagt: Besinnt euch auf eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will. Das ist wahr, jede Zeit braucht eigene Antworten und wir brauchen jetzt neue Antworten für die nächsten zehn Jahre, die hoffentlich die ökonomische Einheit und die politisch-psychologische und auch mentale Einheit noch stärker macht als in den letzten 20 Jahren. Ich würde mir das zumindest wünschen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt noch dreieinhalb Minuten Redezeit. Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Barth zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister, ich will noch einmal auf Ihr Vorwort zu sprechen kommen. Sie schreiben und dazu haben Sie kein Wort gesagt: „Die ostdeutsche Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren hat einzelne Regionen in unserem Land zurückgeworfen.“ Sie haben das verniedlicht und als Vorwörtchen bezeichnet, so nach dem Motto, das hat ja weiter nichts Besonderes zu sagen, so ungefähr, ich wollte ja nur mal was aufgeschrieben haben. Sie sind Mitglied dieser Landesregierung, sprechen in dieser Funktion in dieser Veröffentlichung auch als Mitglied dieser Landesregierung. Wer Sie kennt - und wir waren ja alle gezwungen, Sie in den letzten Monaten schon kennenzulernen -, der weiß zumindest eines, dass Sie selten etwas Unüberlegtes tun. Ob es immer richtig ist, das ist bei uns allen so, das haben Sie auch eben gesagt, aber dass Sie selten etwas Unüberlegtes tun; deswegen glaube ich nicht, dass das hier ein Vorwörtchen ist, was man mal so schnell am Abend zusammenschreibt und unterschreibt, sondern, dass das schon Ergeb

(Minister Machnig)

nis einer Überlegung ist. Ob es eine Einschätzung ist oder ob Sie damit eine tatsächliche Lageeinschätzung oder eine politische Einschätzung zum Ausdruck bringen wollen - ich vermute Letzteres -, die bedeutet, in diesem Land hat es in den letzten 20 Jahren Regionen gegeben, die heute schlechter dastehen als 1990 und daraus schlussfolgernd die Überlegung: Was will uns denn der Künstler damit sagen? Nämlich, die Politik der letzten 20 Jahre auch ein Stück weit zu diffamieren und zu diskreditieren.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ein Blödsinn!)

Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen, weil Sie strukturiert normalerweise arbeiten und auch denken.

(Beifall FDP)

Herr Minister, weil Sie auch gesagt haben, dass Sie mit so vielen Akteuren aus der Thüringer Wirtschaft immer reden, das war ja auch in Ihrem kleinen Anschreiben zu dem Mittelstandsförderprogramm wieder der Fall, in dem Sie schreiben: „Das Papier habe ich heute im Rahmen des ersten Thüringer Mittelstandsforums mit Akteuren des Thüringer Mittelstands diskutiert und in einer anschließenden“ - hier müsste korrekterweise stehen „unmittelbar anschließenden“ - „Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt“. Ich habe mir tatsächlich mal die Mühe gemacht und habe mal auf Ihre Homepage geschaut, wer denn zu diesem Mittelstandsforum eingeladen war und habe die dann alle mal angeschrieben und gefragt, wie denn diese Diskussion so verlaufen ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wären Sie doch einfach mal hin- gekommen, dann hätten Sie es gewusst.)

Das waren durchaus interessante Antworten. Einer hat es ganz kurz zusammengefasst und hat gesagt: Eine Meinungsbildung zu dem Programm hat dort nicht stattgefunden, sondern es war eine Podiumsdiskussion, auf der das Ding vorgestellt wurde und anschließend haben Sie es dann der Presse vorgestellt. Ein anderer hat gesagt: Wenn man in diesen Runden bei Herrn Machnig nicht ausdrücklich und für das Protokoll Widerspruch äußert, dann gilt man sozusagen als mit bespaßt und zugestimmt und wird am Ende auch mit verhaftet für die Dinge. Das ist eine Art von Vereinnahmungspolitik, auf die Sie sich ein bisschen spezialisiert haben, die aber so nicht funktioniert. Bei einer Veranstaltung in der letzten Woche in Thüringen bei einer Eröffnung einer Firma - ich sage an der Stelle nicht, wo - hat ein mittelständischer Unternehmer gesagt: Dieser Wirtschaftsminister ist eine Gefahr für die Thüringer Wirtschaft.

(Beifall FDP)

Dem kann ich mich nur anschließen, meine Damen und Herren. Herr Minister, wenn Sie - und das zum Schluss - die Veranstaltung in Berlin und meinen Generalsekretär zitieren, dann will ich Ihnen sagen, die beiden Thüringer FDP-Abgeordneten sind wenigstens zu Ihrer Veranstaltung hingegangen und haben Interesse gezeigt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie auch?)

Von der CDU war einer da.

Herr Abgeordneter Barth.

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. Von der SPD aus Thüringen war kein einziger Bundestagsabgeordneter bei der Veranstaltung anwesend.

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Herr Schnei- der war da.)

So viel - der Herr Schneider war nicht da - zu dem Interesse, was Ihre eigenen Veranstaltungen bei Ihren eigenen Parteifreunden verursacht. Danke.

(Beifall FDP)

Wünschen Sie das Wort, Herr Minister?

(Zuruf Machnig, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Ja, gern.)

Sie haben das Wort.

Herr Barth, ich verstehe ja, dass Sie auf bestimmten Punkten immer weiter herumreiten, Sie haben ja nichts anderes. Nur, ich würde dann schon mal genauer schauen. Was ich dort sage, entspricht dem Geiste dessen, was ich hier vorgetragen habe, ist eine differenzierte Betrachtung und auch ein Prozess, wo wir uns anschauen, was kann verändert, was muss verbessert werden. Natürlich hat es Regionen gegeben und so ist doch der Satz zu verstehen, wo auch durch einzelne wirtschaftspolitische Entscheidungen eines passiert ist. Sie sind nicht strukturstärker geworden, das ist wahr. Wer wollte das denn bestreiten? Wer wollte das denn bestreiten, obwohl natürlich auch im Bereich der Infrastrukturen investiert worden ist, dass z.B. beschäftigungspolitisch bestimmte Regionen nicht vorangekommen sind. Das ist wahr. Daran kann man nicht vorbeireden und natürlich ist auch wahr, dass wir heute etwa im Bereich der ALG-II-Empfänger eine doppelt so hohe Anzahl von Menschen in

(Abg. Barth)

Thüringen haben als in den westdeutschen Bundesländern. Auch das ist wahr. Darauf wird man doch mal hinweisen dürfen, wenn man darüber nachdenkt, was in den nächsten Jahren anders gemacht werden soll.

Im Übrigen, Herr Schneider war natürlich auf dieser Veranstaltung; natürlich war er da und natürlich waren aus meiner Fraktion eine Reihe von anderen Akteuren auch da. Die haben zumindest eines gemacht, die haben zugehört. Ihr Generalsekretär hat Mails bearbeitet, so wichtig hat er diese Diskussion genommen. Es war ja gar nicht meine Veranstaltung; Ihr Wirtschaftsminister aus Sachsen hat im Übrigen mit dazu eingeladen und von daher hätte ich mir ein bisschen mehr Interesse schon gewünscht.

Jetzt der letzte Punkt, Sie müssen auch richtig zitieren. Wie ich das Mittelstandsförderprogramm vornahm, habe ich gesagt, dieses Programm ist noch gar nicht fertig, sondern ich fordere euch auf - und das habe ich auf dieser Veranstaltung gesagt -, gebt mir Hinweise darauf, was denn und wo wir in den nächsten Jahren weitere Akzente setzen wollen. Das ist die Realität.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das müssen Sie auch vor der Öffentlichkeit sagen.)

Vor der Öffentlichkeit habe ich genau das Gleiche gesagt. Wenn Sie nicht ertragen können, dass Sie in den Medien nicht vorkommen und ich schon, dafür kann ich nichts, Herr Barth. Das habe ich auch vor den Medien gesagt und nichts anderes und genauso werden wir auch verfahren. Wir werden so verfahren, dass das, was ich dort eingebracht habe, weiter diskutiert wird. Wenn es kluge und wichtige Hinweise gibt, dann werden die selbstverständlich aufgenommen, damit habe ich am allerwenigsten Probleme, weil - ich sage jetzt mal, was mein Prinzip ist - immer dann, wenn ich ein neues gutes Argument lerne, das ich noch nicht kannte, bin ich der Allerletzte, der ein solches gutes Argument nicht nimmt. An der Stelle bin ich ganz offen, da bin ich ein lernendes System. Ich finde, das sollten wir alle sein, ein lernendes System, das mit Menschen im Gespräch ist, mit unterschiedlichen Akteuren, mit Wissenschaftlern im Gespräch ist. Wenn dort gute Ideen vorgetragen werden, von denen ich glaube, dass sie dem Land und seiner wirtschaftlichen oder sozialen Entwicklung helfen, dann werde ich die aufnehmen, davon wird die FDP mich auch nicht abhalten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.