Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

zung, die Einnahmen aus Steuern, aus dem Länderfinanzausgleich, aus Bundesergänzungszuweisungen und die Kfz-Steuererstattung, dann sind 6,42 Mrd. € prognostiziert, das ist das niedrige Niveau dieses Jahres. Es wird also nicht wesentlich mehr Geld geben. Zu allem Überfluss hat uns die Bundesregierung - insbesondere die FDP hat sich da stark gemacht - das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschert, was Thüringen und seinen Kommunen noch mal zusätzlich 100 Mio. € Mindereinnahmen beschert.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Für die ande- ren 400 Mio. € sind Sie aber zuständig.)

Sie können sich noch mal zu Wort melden, Sie haben doch noch Redezeit.

Meine Damen und Herren, ist denn Besserung in Sicht? Wie sieht es denn aus? Da gibt es viele Fragezeichen. Bundesbankpräsident Axel Weber hat in der vergangenen Woche geäußert - ich zitiere, Frau Präsidentin -: „Deutschland befindet sich nicht im Jahr eins nach der Krise, sondern im vierten Jahr der Krise.“ Diese Einschätzung bezieht sich auf die wichtigsten wirtschaftlichen Indikatoren. Dort zeigt sich zwar Besserung, aber ob wir nun wirklich schon aus dem Tal raus sind, ist die große Frage.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Wenn Sie so weitermachen, nie.)

In den öffentlichen Kassen, auch hier in Thüringen, kommt die Krise natürlich zeitversetzt an. Deshalb haben wir die Einnahmeeinbrüche noch, obwohl die Wirtschaft sich scheinbar schon erholt hat. Der Aufschwung in Deutschland steht allerdings auf wackligen Füßen, sagen die verschiedensten Experten. Die große Frage ist: Wie geht es in Amerika weiter dort gibt es große finanzielle und wirtschaftliche Probleme - und was passiert, wenn die gigantischen Konjunkturprogramme dort auslaufen? Wie wirkt sich das auf Deutschland aus? Deshalb betone ich noch einmal, der Haushaltsentwurf der Landesregierung ist dieser Lage angemessen.

Ich hoffe diesmal, dass es von den Oppositionsfraktionen ernsthafte Änderungsvorschläge gibt, und freue mich auf die Beratung.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Warum denn nicht von den Regierungsfraktionen?)

Nun bewahren Sie doch mal die Contenance. Wir werden ganz genauso den Haushalt prüfen und schauen, wo was verbessert werden kann. Das ist doch ganz selbstverständlich. Aber ich erwarte von den Oppositionsfraktionen, dass sie nicht nur reden, sondern dass sie ernsthafte Änderungsvorschläge unterbreiten, über die man dann auch diskutieren kann, die man abwägen kann und woraus auch hervorgeht,

(Unruhe im Hause)

welche politischen Positionen sich dahinter verbergen und man dann auch eine entsprechende Entscheidung treffen kann, aber nicht irgendwelche Papiere mit Luftbuchungen. Massen von Papieren machen es nicht.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Aber das haben wir doch von euch, Luftbu- chungen.)

Meine Damen und Herren, schauen wir uns die beiden Waagschalen, von denen ich gesprochen habe, mal ein wenig genauer an. In der einen liegt ein ordentliches Pfund. Es wird weiter investiert in die Zukunft unseres Landes, in die städtische und ländliche Infrastruktur, in die gewerbliche Wirtschaft, aber auch in die Köpfe unserer Kinder.

(Beifall SPD)

Ihre Bildung entscheidet unsere Zukunft, entscheidet die Zukunft des Freistaats. Sie beginnt bei den Kleinsten. Deshalb ist die frühkindliche Bildung so wichtig. Mit der Kita-Reform hat die Koalition in diesem Bereich ganz entscheidend umgesteuert, das Kita-Gesetz ist im Haushaltsentwurf komplett durchfinanziert. Längeres gemeinsames Lernen soll mit einer besseren individuellen Förderung verknüpft werden. Die Gemeinschaftsschule wird morgen in das Schulgesetz gegossen. Die haushalterischen Voraussetzungen für den entsprechenden Ausbau dieser Schulart sind im Zahlenwerk gegeben.

Meine Damen und Herren das A und O ist Arbeit in Thüringen. Das ist das, was die Menschen bewegt und hier leistet der Haushalt einen wesentlichen Baustein. Die Investitionsausgaben im vorliegenden Haushaltsentwurf sind 200 Mio. € höher als im Jahr 2009, 140 Mio. € höher als im Jahr 2008. Jedes Kind weiß, dass diese Bauinvestitionen wichtig sind für Arbeitsplätze in der Bauindustrie und Arbeitsplätze im Handwerk.

Der Freistaat erhält derzeit noch erhebliche Fördermittel vom Bund und von der EU, das ist im Wirtschaftsbereich, das ist im Landwirtschaftsbereich, im Städtebau und Ähnliches. Für 2011 ist die volle Kofinanzierung dieser Mittel gelungen. Ich sage, das ist gut so. Ich weiß nicht, ob es so weitergeht, aber es ist gut so. Diese Mittel werden sinnvoll eingesetzt in zukunftsfähige Technologien, in erneuerbare Energien, und sie werden reichlich Rendite abwerfen.

(Beifall CDU)

Unsere Feuerwehren sind die entscheidende Säule der kommunalen Daseinsvorsorge bei der Gefahrenabwehr und bei der Bewältigung von Katastrophen und Unglücken. Hier macht die Koalition keine Abstriche.

Die Ehrenpension für die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren, die sogenannte Feuerwehrrente, wird weiter umgesetzt

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl, sehr gut.)

und dafür stellt der Freistaat 2011 3 Mio. € bereit.

Meine Damen und Herren, in Sicherheit leben, das ist ein Grundanspruch der Menschen. Trotz der schwierigen Haushaltslage wird die Koalition die Investitionen im Bereich der inneren Sicherheit und Polizei planmäßig vorantreiben.

Kultur und Sport stärken die Menschen, schaffen Zugehörigkeit, das Bewusstsein von Verwurzelung und tragen damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Das Festhalten am bisherigen Kulturetat ist ein guter Beleg dafür, dass die Landesregierung Kulturpolitik tatsächlich als einen der Schwerpunkte ihres Handelns auffasst.

Die Förderung des Sports wird mit 8,8 Mio. €, wie im Gesetz vorgesehen, an den Landessportbund noch ergänzt mit 8 Mio. € für Investitionen in Sportstätten. Das alles ist finanziell im Haushaltswerk vorhanden, genauso wie die Finanzierung der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege.

Meine Damen und Herren, wir müssen aufpassen, dass die Gesellschaft nicht gespalten wird, dass wir alle Menschen mitnehmen auf den Weg durch dieses Jahrzehnt. Deshalb ist soziale Sicherung wichtig. Mit dem Haushalt 2011 ist es gelungen, bewährte Strukturen und Leistungen zu erhalten. Ich meine damit die Sicherung der Jugendpauschale auf dem hohen Niveau von 11 Mio. €.

(Beifall SPD)

Da sind die Kinderschutzdienste enthalten, die so wichtig sind, aber auch die Arbeit der vielen Jugendpfleger in den Jugendclubs in den Städten und Dörfern.

Es werden die Mittel für die Beratungsstellen erhalten, ob das nun Suchtberatung ist oder Familienberatung oder Verbraucherberatung. Die Mittel für die Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen sind nicht gekürzt worden.

Der Rechtsextremismus spielt eine wichtige Rolle. Ihm darf keine Chance gegeben werden, das Landesprogramm ist finanziell entsprechend untersetzt.

(Beifall SPD)

Die Erhöhung des Blindengeldes von 220 € auf 270 € ist ebenfalls im Landeshaushaltsplanentwurf eingearbeitet. Auch die personelle Verstärkung der Sozialgerichte ist dort ausgewiesen, die dringend notwendig ist, insbesondere im Hinblick auf die ganzen Hartz-IV-Debatten.

Das zentrale Problem ist, wie bekommen wir die Langzeitarbeitslosen in Arbeit. Dazu brauchen wir

gegenwärtig bei dem hohen Stand an Langzeitarbeitslosigkeit ein Arbeitsmarktprogramm. Da geht es darum, Menschen wieder in Arbeit zu bringen, Menschen wieder das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden, aber auch Menschen wieder an den Arbeitsprozess zu gewöhnen. Deshalb sage ich, in dieser Waagschale sind ganz wichtige Impulse zur weiteren Bewältigung der Krise, sind ganz wichtige Impulse für den weiteren Aufbau unseres Freistaats.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nun mal in die andere Waagschale schauen. Darüber schwebt wie ein Damoklesschwert die hohe Verschuldung des Freistaats von 17 Mrd. €, resultierend daraus die hohen Zinsausgaben von weit über 600 Mio. €. Ich bin dem Thüringer Rechnungshof dankbar für seinen Bericht, aber auch für den Sonderbericht, der jetzt vorgelegt worden ist, die aber anknüpfen auch an die vorangegangenen Berichte, in denen die Finanzlage des Freistaats schonungslos offengelegt worden ist. Die Zeiten, als man noch aus dem Vollen schöpfen konnte, sind vorbei. Und ich will noch einmal erinnern: Die Rekordverschuldung stammt aus dem Jahr 1994, als die damalige CDU/FDP-Regierung mehr als 2 Mrd. € neue Schulden in einem einzigen Jahr aufgenommen hat.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Da gab es einen Nachtragshaushalt.)

Im Gegensatz zu anderen neuen Bundesländern hat Thüringen die zurückliegende Legislaturperiode nicht genutzt, um seine Strukturen den dramatisch sinkenden Einnahmen und auch den zurückgehenden Einwohnerzahlen anzupassen. Im Steuerboom der Jahre 2007 und 2008 wurde das Schiff nicht auf Kurs gebracht. Und selbst als Reform gefeierte Maßnahmen dieser Zeit kommen das Land nun teuer zu stehen, wie die Kommunalisierung der Umwelt- und Sozialverwaltung. Die Koalition von CDU und SPD muss nun im Eiltempo nachholen, was vorher in vielen Jahren versäumt worden ist.

Meine Damen und Herren, das Ausgabevolumen im neuen Haushalt wird deutlich reduziert: 333 Mio. € weniger als 2010, das ist keine Kleinigkeit, es befriedigt mich aber auch nicht. Ich hätte mir größere Einsparungen gewünscht, aber man muss ja immer schauen, was ist machbar. Es ist damit gelungen, die Nettokreditaufnahme auf 620 Mio. € zu drücken. Damit ist einerseits die Schuldenbremse sogar nach der Landeshaushaltsordnung eingehalten worden und andererseits das Haushaltsdefizit ganz entscheidend verringert worden. Ich erinnere nur, dass wir im Jahr 2010 ja noch 821 Mio. € hatten. Von den 333 Mio. € Kürzungen sind die Häuser der SPD-geführten Ministerien mit den größten Einsparbeiträgen vertreten, das Sozialministerium mit 94 Mio. €, das Bildungsministerium beispielsweise mit 47 Mio. €. Dagegen

sieht das auf der anderen Seite doch recht bescheiden aus, mit 27 Mio. € beim Bauministerium und 15 Mio. € beim Wirtschaftsministerium. Ein besonderes Lob an die Staatskanzlei. 7 Mio. € sind in dem Einzelplan 02 eingespart worden, und das ist schon beachtlich bei diesem kleinen Einzelplan. Aber ich will auch nicht zu sehr in Lob ausbrechen, bei entscheidenden politischen Projekten hat unsere Ministerpräsidentin die Notbremse gezogen und persönlich erklärt, dass zum Beispiel das Landeserziehungsgeld tabu ist.

Meine Damen und Herren, 333 Mio. € Kürzung das ist kein Pappenstiel. Da geht es nicht nur um die Dinge, die von der Opposition schon alle niedergemacht worden sind: die Schulen in freier Trägerschaft und die Landeszentrale für politische Bildung.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wer macht hier wen nieder?)

Es gibt tiefe Einschnitte in der Krankenhausförderung, die Hochschulförderung sinkt, das Land muss eingreifen in die geltenden Rahmenverträge mit den Hochschulen, die Mittel für den Hochschulbau werden gekürzt, beim Studentenwohnheimbau wird der Rotstift angesetzt - das alles sind erhebliche Einschnitte. Deshalb sage ich, insgesamt ist die Waage austariert.

Einen Satz will ich noch sagen zur Globalen Minderausgabe. Ich hätte mir einen Haushalt ohne Globale Minderausgabe gewünscht, aber sich hier so hinzustellen, als wäre eine Globale Minderausgabe Teufelszeug, wer das behauptet, der liegt doch neben der Mütze. Es ist ein legitimes Mittel einer Regierung, eine Globale Minderausgabe auszubringen und die Gelder einzusammeln, die am Jahresende ohnehin nicht ausgegeben werden. Bei 60 Mio. € Globaler Minderausgabe ist es eine vernünftige Größenordnung. Ich will nur erinnern, dass wir zum Beispiel 2002 399 Mio. € Globale Minderausgabe hatten oder 2004 187 Mio. € Globale Minderausgabe, die sind auch erwirtschaftet worden. Also bleiben Sie mal schön auf dem Teppich. Dann ist es so, es gibt kein Bundesland, das bisher noch nie eine Globale Minderausgabe ausgebracht hat. Der Bund und alle Bundesländer haben das schon gemacht und bei einigen - Bayern oder im Musterländle Baden-Württemberg - wird jedes Jahr eine Globale Minderausgabe ausgebracht. Da sehe ich überhaupt keinen Grund zur Aufregung.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich noch einen Blick über das Jahr 2011 hinaus werfen. Haushaltskonsolidierung wird das zentrale Thema sein und bleiben und der Haushalt 2011 ist nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die schwierigen Haushaltsberatungen der Landesregierung haben gezeigt, der Rotstift allein reicht nicht. Deshalb appelliere ich ganz besonders an unseren Koalitionspartner, nicht weiter an dem Konzept fest

zuhalten „Sparen ja, mit voller Wucht, aber Strukturveränderungen nein“. Dieses Konzept ist von der Lebenswirklichkeit längst überholt.

(Beifall SPD)

Mit Streichorgien allein ist der Landeshaushalt nicht zu retten. Das bestätigt uns auch eindrucksvoll der Thüringer Rechnungshof. Die von der Landesregierung eingesetzte Strukturkommission ist gefragt, fundierte und gut begründete Vorschläge für strukturelle Veränderungen und für weitere Sparmaßnahmen vorzulegen. Ich komme noch einmal auf den Sonderbericht des Thüringer Rechnungshofs zurück. Dort kann man nachlesen: „Durchführung einer Gebiets- und Funktionalreform einschließlich einer Aufgabenneuzuordnung und -zuweisung als Voraussetzung für effektivere und effizientere Strukturen in den verschiedenen Aufgabenbereichen der Landes- und Kommunalebene“. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Jetzt haben wir noch die Chance angesichts der vielen Mitarbeiter in den Verwaltungen, die über 50 und über 60 sind. Allein durch Altersabgänge kann man die Probleme jetzt noch ohne Entlassungen lösen. Aber wenn man in den alten Strukturen die frei werdenden Stellen jetzt alle neu besetzt, dann bekommen wir erst einmal enorme Probleme. Deshalb sage ich, sämtliche Strukturen auf kommunaler und auf Landesebene müssen auf den Prüfstand. Sie müssen demographiefest gemacht werden und sie müssen auch in 10 und 20 Jahren noch funktionieren und bezahlbar sein.

(Beifall SPD)

Wir haben kein Geld mehr, um ineffiziente Strukturen weiterhin zu finanzieren. Die Zeit drängt. Ich danke.

(Beifall SPD)

Für die Landesregierung hat sich die Ministerpräsidentin Lieberknecht zu Wort gemeldet. Ich gehe davon aus, dass es Übereinkunft dazu gibt, den Tagesordnungspunkt Haushalt - egal wie lange er dauert - bis zum Ende laufen zu lassen. Die Fraktionen haben noch Redezeit und wir wollen nicht um 13.00 Uhr in die Pause gehen. Es müsste in Richtung Landesregierung dann gesagt werden, dass sich die Fragestunde verschiebt, also wir damit eine Verschiebung des gesamten Tagesablaufs organisieren. Dann bitte ich darum, dass um 13.00 Uhr hier oben der Wechsel vorgenommen wird. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben das Wort.