Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Frau Rothe-Beinlich, Ihre Forderung nach dem gemeinsamen Lernen bis Klasse 9 ist in Thüringen aber auch längst Wirklichkeit. Aber es gibt eben auch ein grundgesetzlich garantiertes Wahlrecht auf freie Schulwahl. Deswegen können Eltern auch künftig darüber entscheiden, ob ihr Kind ein achtjähriges Gymnasium in Thüringen besuchen möchte. Dafür werden wir ganz stark eintreten. Ich selbst bin fest davon überzeugt, dass ein Gymnasium von Klasse 5 bis Klasse 12 der richtige Weg ist, Mädchen und Jungen mit intellektuellen Begabungen auf ein Studium vorzubereiten.

(Beifall CDU)

Frau Sojka merkt als Kritik an, dass die Gemeinschaftsschule in homöopathischen Dosen eingeführt würde. Ich verstehe das aber dann eher als Lob, Frau Sojka.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ja, das glaube ich.)

Warum? Homöopathen kenne ich so, dass sie zunächst mal eine ganzheitliche Sichtweise auf den Organismus haben und sie setzen auf die Stärkung seiner eigenen Kraft. Und so verstanden, kann die Thüringer Gemeinschaftsschule auch etwas werden. Laut Wikipedia haben klinische Studien keine Wirksamkeit homöopathischer Medikamente oder homöopathischer Mittel nachgewiesen, aber immer mehr Menschen greifen zu und auch die Krankenkassen spielen schon mit.

Mit der Einführung der Gemeinschaftsschule auf freiwilliger Grundlage kommt es nun zum Nebeneinander von Schulmedizin und Alternativmedizin, wenn man es bildlich sprechen will. Genauso wie die Schulmedizin haben sich unsere staatlichen Schulen aber in den letzten zwei Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Sie müssen neben der Umsetzung moderner pädagogischer Erkenntnisse auch auf massiv veränderte gesellschaftliche und familiäre Rahmenbedingungen reagieren; zum Beispiel zieht die Einführung von Doppeljahrgangsstufen über zwei Jahrgänge massiven Veränderungsbedarf in den Lehrplänen nach sich, massiven Veränderungsbedarf in den schulinternen Kooperationen oder Koordinierungen. Oder ein anderes Beispiel: Gab es 1995 wohl kaum eine Regelschule, damals noch dreizügige Regelschule, an der es nicht eine Hauptschul- und eine Realschulklasse gab, die nebeneinander geführt wurden, wird heute wohl an allen Regelschulen nur noch in Kursen differenziert bzw. weitgehend binnendifferenziert unterrichtet. Oder: Viel stärker noch als damals werden Kinder mit Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen gemeinsam mit den anderen Kindern unterrichtet.

All das will ich sagen, um aufzuzeigen, wie stark sich Schule schon verändert hat und dass Pädagogen jeden Tag neu daran sind, ihre Unterrichtspraxis auf den Prüfstand zu stellen und die Schule nach vorn zu entwickeln. Nicht zuletzt haben sich viele Schulen auf den Weg zur eigenverantwortlichen Schule gemacht und somit Prozesse zu mehr Schulqualität, zu mehr Unterrichtsqualität eingeschlagen. Das alles sind Vorgänge, die mit unendlich vielem Umstrukturieren, mit enormem Abstimmungsbedarf, mit der Entwicklung neuer Methoden und Materialien, mit erheblichem Fortbildungsbedarf der Lehrerinnen und Lehrer, aber natürlich auch mit Überzeugungsarbeit einhergehen.

Eine gelingende Einführung der Gemeinschaftsschule kann nur in einer gesunden Mischung von Homöopathie und Schulmedizin aus meiner Sicht stattfinden, aber daneben müssen natürlich auch alle anderen Schulen ihre Möglichkeiten zur Weiterentwicklung haben. Dem will der vorliegende Gesetzentwurf Rechnung tragen.

Erstens: Die Gemeinschaftsschule wird als gleichberechtigte Schulart eingeführt. Dazu soll es einen

Übergangszeitraum von zehn Jahren geben. Die Schulkonferenz, also Eltern, Lehrer, Schüler, sind beteiligt. Sie entscheidet darüber, ob der Weg zur Gemeinschaftsschule beschritten wird, genauso wie dort auch darüber entschieden wird, ob der Weg zur Oberschule eingeschlagen werden soll.

Zweitens: Die Regelschulen erhalten eine Entwicklungsoption hin zur Oberschule. Sie haben das Recht, dieses Qualitätssiegel zu führen, wenn sie eine individuelle Schulausgangsphase anbieten, die folgende vier Bausteine nachweist:

a) Schon an der Grundschule stellen die Regelund die mit ihr kooperierende Berufsschule die Fördermöglichkeiten für die Schüler dar, um einen Weg bis hin in die berufliche Laufbahn hinein frühzeitig aufzuzeigen.

b) Es gibt für Schüler, bei denen die Prognose steht, dass sie einen Abschluss nicht schaffen, ein Konzept zur individuellen Förderung und die Möglichkeit zum Lernen in betrieblicher Praxis.

Der Minister hat das Ziel genannt, es muss das Ziel bleiben: Kein Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss. Daran müssen wir arbeiten und wir sind dabei schon weit gekommen, aber das muss das große Ziel sein.

(Beifall CDU, SPD)

c) Ein dritter Baustein der individuellen Schulausgangsphase ist: Ab dem 9. Schulbesuchsjahr sind die Methoden des produktiven Lernens anzuwenden. Die Stundentafel kann dann gestreckt werden.

d) Schüler mit besonderen Begabungen werden in den letzten beiden Schuljahren auf den Einstieg ins Berufsleben oder einen weiterführenden Bildungsgang vorbereitet.

Für alle Schulen sollen im Anschluss an die Grundschulzeit noch mehr Ganztagsangebote entstehen. Das ist sicherlich ein Thema, bei dem es breiten Konsens gibt. Die Frage ist nur, welchen Weg beschreitet man, so dass die Konzepte der Schule dort sich wiederfinden und zum anderen natürlich auch die finanziellen Möglichkeiten des Freistaats und der Kommunen dort einfließen können und wie gelingt es uns, die Potenziale der Kommunen zu erschließen und wie gelingt es uns, am Ende sozialraumbezogene Aspekte auch mit einzubinden. Denn wir können uns nicht alles leisten, aber dort, wo notwendig, wollen wir uns mehr ganztägige Angebote in allen Schulen leisten.

(Beifall CDU)

Vierter Schwerpunkt bei diesem Gesetz ist sicherlich auch, dass die Feststellung von Schulnetzen für berufsbildende Schulen künftig stärker mit einem Eingriffsrecht des Ministeriums verknüpft sein soll. Das ist sicherlich richtig. Ich sage aber auch, hat man sich in den Regionen auf ein Schulnetz ge

einigt, dann sollte das Ministerium auch dieser Einigung nachkommen und entsprechende Pläne genehmigen.

(Beifall CDU)

An dieser Stelle ein Schwenk, der sich nicht im Schulgesetz wiederfindet, der mir und meiner Fraktion aber große Sorgen bereitet: Das ist die Frage der Zukunft unserer Förderschulen und des Umgangs mit dem gemeinsamen Unterricht. Ich denke, auch im Sinne der Schulträger, aber natürlich zu allererst zum Wohle der betroffenen Kinder ist die Frage zu stellen, ob wir bei der Gesetzesberatung nicht auch über den Bestand der Förderschulen und über die Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts Regelungen treffen sollten.

Meine Damen und Herren, die Bildungspolitik war, ist und bleibt Schwerpunkt Thüringer Landespolitik. Das kann nicht anders sein. Wir sind damit so erfolgreich, dass wir bei Tests vorn mitlaufen. Studenten kommen in großer Zahl in unseren Freistaat, weil es sich herumgesprochen hat, dass es sich hier gut studieren lässt. Andere Bundesländer übernehmen Thüringer Schulmodelle und Thüringer Lehrpläne. Mit anderen Worten, wir sind Vorbild. Ich will nicht das Wort in den Mund nehmen, wir sind Nummer 1, aber wir sind Vorbild in Deutschland mit unserem Schulsystem und das sollten wir auch bleiben.

(Beifall CDU)

Da zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne unserer Kinder neben guter Bildung auch schuldenfreie Haushalte gehören - das muss ich einfach loswerden nach der gestrigen Haushaltsdebatte -,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gehört beides zusammen - nachhaltige Entwicklung im Sinne von Bildung, aber auch nachhaltige Entwicklung im Sinne der Haushalte. Deswegen mahne ich an, auch bei dieser Gesetzesberatung die Frage der Effizienz der eingesetzten Steuergelder im Blick zu behalten. Auch der Bildungsbereich muss sich daran messen. Ich glaube, wir haben hier noch Reserven, die gilt es zu erschließen. Ich beantrage die Beratung im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Emde. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, uns liegt ein

neues Schulgesetz vor, über das wir sicher auch im Ausschuss noch trefflich diskutieren werden und vieles ist hier auch schon gesagt worden. Ich möchte auch mit dem Positiven beginnen, denn es war sehr ernst gemeint, als wir immer wieder dazu aufgefordert haben, dass sich aus unserer Sicht alle, die mit Bildung beschäftigt sind, alle, denen die Bildung unserer Kinder am Herzen liegt, tatsächlich auch an einen Tisch setzen müssen. Denn an der Stelle kann ich nur allen recht geben, die da sagen: Über Bildung entscheiden wir nicht im wüsten Streit, wie wir ihn hier mitunter auch schon erleben mussten, sondern in der Bildung braucht es einen breit getragenen Konsens, der dann aber auch allen Kindern und allen Lernenden und auch den Lehrenden zugute kommen muss. Deswegen, meine ich, müssen wir tatsächlich streiten um den besten Weg, aber nicht gegeneinander, sondern indem wir Argumente abwägen, indem wir einander auch zuhören und indem wir einander nicht immer nur irgendwelche Reizworte unterschieben, Herr Emde, so muss ich das leider sagen. Sie können es natürlich noch sehr oft wiederholen, dass wir eine Einheitsschule für alle verordnen wollten, das wird davon nicht richtiger, das muss ich Ihnen an dieser Stelle auch noch einmal sagen, aber ich werde gleich erläutern, worum es uns geht.

Wir wissen, Bildung öffnet die Türen zur Welt und Köpfe sind unser Kapital hier in Thüringen. Wir haben schon oft die Tradition beschworen, dass es hier die erste frühkindliche Bildung und Erziehung gab, dass wir gute Schulen haben wollen für alle und trotzdem haben wir sehr unterschiedliche Einschätzungen darüber, wie wir dorthin kommen. Ich hoffe, dass wir dazu tatsächlich einen Dialog auf Augenhöhe führen und alle einbeziehen, die auch in der Bildung tätig sind.

Wir wissen, dass der Zugang zur Bildung eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen des 21. Jahrhunderts ist. Gute Bildung entscheidet nicht nur über den beruflichen Erfolg, sondern auch über die Teilhabe an Kultur, an Gesellschaft und letzten Endes auch an Demokratie. Da passt im Übrigen auch die Debatte über die Shell-Studie ganz gut dazu, wo ja Jugendliche befragt werden.

Immer mehr Eltern, Schülerinnen und Lehrerinnen wünschen sich eine Schule, die ungeachtet - das sage ich ganz deutlich, denn das ist ein Problem, was wir auch in Thüringen haben - der Herkunft fördert. Die Herkunft kann sehr unterschiedlich gemeint sein. Das kann bedeuten, dass es Kinder gibt, die aus weniger gut begüterten Elternhäusern kommen, es kann sein, dass es - das ist auch so Kinder gibt, die unterschiedliche Bildungshintergründe in ihren Familien haben. Und wir wissen, dass dies leider heute immer noch zur Folge hat, dass sie nur deshalb, weil sie einen anderen Hintergrund haben als beispielsweise das Kind aus der Akademikerfamilie, keine Laufbahnempfehlung für

(Abg. Emde)

eine weiterführende Schullaufbahn erhalten. Das finden wir hochgradig problematisch.

Genau da muss ich mit einem Kritikpunkt an der Gesetzesvorlage ansetzen. Denn wenn es darin faktisch heißt - meine Kollegin Sojka hat es schon ausgeführt -, dass die Trennung nach der 4. Klasse auch weiterhin möglich ist, und uns Herr Emde hier wortreich erklären möchte, dass das längere gemeinsame Lernen schon jetzt ab der Klasse 5 möglich ist, dann muss ich Ihnen ganz deutlich sagen, dann ist ein Grundproblem nicht verstanden worden. Das Grundproblem ist die frühzeitige Trennung, die frühzeitige Trennung in der 4. Klasse. Es ist schon sehr oft hier darüber diskutiert worden, weil uns das auch alle Entwicklungspsychologen sagen und auch lernpsychologische Erkenntnisse ergeben haben, dass mit zehn Jahren Kinder in einem Alter sind, wo wenig Verlässliches über ihre späteren intellektuellen Entwicklungsmöglichkeiten und Begabungen gesagt werden kann.

Ich will jetzt einen positiven Aspekt aus dem Gesetz aufgreifen, den ich ausdrücklich begrüßen möchte, nämlich die Aufnahme der Verpflichtung der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler, und dass entscheidend ist, der individuelle Lernund Bildungserfolg für alle Lernenden, der gesichert werden soll. Ich bin davon überzeugt, wir sind davon überzeugt und, ich glaube, auch die Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer ist davon überzeugt, dass, wenn dies ernst gemeint ist, was im Gesetz steht, nämlich dass konsequent individuell gefördert wird - das ist das Gegenteil von Einheitsschule, Herr Emde, individuelle Förderung -,

(Beifall SPD)

dass dann die Trennung in der 4. Klasse auch nicht mehr zu rechtfertigen ist, weil wir alle wissen, es gibt Kinder, deren Knoten sinnbildlich später platzt. Ich kann da ganz gut anknüpfen an den gestrigen parlamentarischen Abend der Volkshochschulen. Da hat sich ein junger Mann vorgestellt mit seiner Bildungslaufbahn, der zunächst einen Hauptschulabschluss gemacht hat, dann über die Volkshochschule in Suhl seinen Realschulabschluss nachgeholt hat, schließlich das Abitur nachgeholt hat und dann sogar ein Studium abgelegt hat. Er hat sich bedankt, dass die Volkshochschulen da eine ganz wichtige Aufgabe übernommen haben, die offenkundig vorher nicht wahrgenommen wurde, nämlich die individuelle Förderung eines jungen Menschen, der zunächst einmal weniger Bildungserfolge hatte, erst einmal die Ausbildung zum Maler und Lackierer - das hat er ja erzählt - gemacht hat und erst später einen solchen Schulweg beschritten hat. Ich meine, auch diesen Weg müssen wir weiter offenhalten, nicht dass Sie mich falsch verstehen, dass es auch Quereinstiege gibt, weil Bildungsbiografien sehr unterschiedlich verlaufen. Wir wissen aber alle, dass Laufbahnempfehlungen in der 4. Klasse

sehr oft nur danach getroffen werden, vor welchem Hintergrund die Kinder betrachtet werden, nämlich dass darauf geschaut wird, aus welcher Familie kommen sie, welche Unterstützung erfahren sie von zu Hause zusätzlich, was leistet „die Familie selbst auch zur Bildung“, das meint auch beispielsweise Nachhilfeunterricht, weil eben die individuelle Förderung noch nicht so stattfindet.

Dass eine individuelle Förderung mit Binnendifferenzierung ganz viele Herausforderungen mit sich bringt und auch mehr Personal verlangt in den Schulen, das muss hier auch einmal gesagt werden, und dass wir zudem wissen, dass beim längeren gemeinsamen Lernen, bei individueller Förderung unter Berücksichtigung von Heterogenität und dem Umgang mit Binnendifferenzierung - viele wissen, was Wochenpläne sind, in ganz vielen Schulen wird inzwischen mit Wochenplänen gearbeitet, die ganz unterschiedlich sind für jede einzelne Schülerin, für jeden einzelnen Schüler, und das in einer Klasse - der Bildungserfolg am Ende bei allen besser ist, sowohl bei den Leistungsschwächeren als auch bei den Leistungsstärkeren. Deswegen unser Kritikpunkt, dass die Trennung in der 4. Klasse nach wie vor so vorgesehen ist für den Großteil der Schulen, das halten wir für ein Hindernis mit Blick auf den Zugang zu bestmöglichen Bildungsabschlüssen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch der Punkt, den wir bedauern. Wir freuen uns aber, dass zumindest die individuelle Förderung endlich verbindlich aufgenommen wurde als Verpflichtung. In gewisser Weise teile ich natürlich auch die Hoffnung, dass sich viele Schulen nun von selbst auf den Weg machen und sagen, auch wenn es offenkundig nicht die politischen Mehrheiten gibt oder den Mut gibt, grundsätzlichere Veränderungen in der Schullandschaft vorzunehmen, machen wir das vor Ort. Da möchte ich auf ein Problem eingehen, was wir im Moment praktisch erleben. Minister Matschie hat vorhin gesagt: „Die Schule ist keine Insel.“ Das ist völlig richtig, das sehe ich auch so, Schule muss Lern- und Lebensort sein, aber wir haben in Thüringen Inseln, und das im Flächenstaat. Ich möchte eine Insel benennen und das ist das Eichsfeld. Das Eichsfeld ist insofern eine Insel, dass dort die Landrätinnen und Landräte ihren Schulleitern und Schulleiterinnen quasi verordnet haben, keine Gemeinschaftsschulen einzurichten. Das halte ich für ein Problem, denn wenn wir die Gemeinschaftsschule als gleichberechtigte Schulart neben all den anderen im Schulgesetz festschreiben - meinen jedenfalls wir -, muss der Zugang zur Gemeinschaftsschule selbst im Eichsfeld möglich sein. Da weiß ich noch nicht, wie das funktioniert. Da hoffe ich natürlich auf diese Klausel im Gesetz, dass, wenn sich Schulen aus dem Eichsfeld bewer

ben, das Ministerium ihnen letztlich die Türen zur Welt öffnen wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es aber bedauerlich - das will ich ganz deutlich sagen -, dass es offenkundig einen, man kann es fast schon Feldzug nennen, in den einzelnen Landkreisen gibt, so dass wir von vielen Schulleiterinnen und Schulleitern Zuschriften bekommen haben, die gesagt haben, wir sind aufgefordert worden, uns eben nicht als Gemeinschaftsschule zu bewerben, und das müssten wir doch leider verstehen, weil sie natürlich in gewisser Weise vom Wohl und Wehe ihrer Schulträger abhängig sind. Das halte ich für hochgradig bedauerlich, denn 20 Jahre nach der friedlichen Revolution, 20 Jahre nach der deutschen Einheit sollten auch unsere Schulen das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein haben, keine Konsequenzen ihrer Ländräte befürchten zu müssen, nur weil sie den bestmöglichen Bildungsweg für ihre Kinder auch im Landkreis eröffnen wollen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, den wir sehr begrüßen. Im Schulgesetz - und darum geht es ja auch, dass wir uns nicht gegenseitig Versäumnisse vorwerfen, sondern auch benennen, was an Problemen endlich angegangen wird - wird die Durchlässigkeit im Thüringer Schulsystem erhöht. Das erkennen wir an, das ist auch überfällig gewesen; es ist allerdings nicht konsequent durchdekliniert. Wir meinen, dass die Durchlässigkeit noch sehr viel besser ermöglicht worden wäre, wenn es nicht länger die Trennung nach der 4. Klasse gäbe, und dass zugleich die Durchlässigkeit erhöht würde, wenn es auch solche Sonderregelungen - so will ich es einmal nennen -, wie die in Thüringen eingeführte BLF „Besondere Leistungsfeststellung“ - meine Kollegin Sojka ist darauf schon eingegangen - in dieser Form so nicht mehr gäbe, nicht dass Sie mich missverstehen; wir sind sehr froh, dass es nicht mehr so ist, dass Schülerinnen und Schüler, die am Gymnasium in der 11. Klasse beispielsweise straucheln oder die Schullaufbahn nicht weiterverfolgen, keinen Schulabschluss haben. Darum geht es nicht. Es geht auch nicht darum, irgendjemandem - Herr Emde, die Debatte habe ich damals noch von den Rängen dort oben verfolgt - einen Schulabschluss hinterherzuwerfen. Aber andere Länder machen es vor, dass, wenn die 10. Klasse am Gymnasium erfolgreich bestanden wurde, damit auch ein Realschulabschluss zuerkannt wird, und das halte ich für eine bestehende Ungerechtigkeit gegenüber den Thüringer Schülerinnen und Schülern. Ich habe es in der eigenen Familie im letzten Schuljahr erlebt. Dort haben zwei unserer Töchter die BLF am Gymnasium neben dem normalen Weiterlaufen des Schulbetriebs schreiben müssen. Was das an Druck auf die

Schülerinnen und Schüler bedeutet, die neben dem ganz normalen Unterricht, in dem weiter Kursarbeiten etc. geschrieben werden, eine Prüfung abgelegt werden muss, die es so in vielen anderen Ländern nicht gibt, ist nicht vermittelbar und hat wenig mit Ermutigung und Motivation unserer Schülerinnen und Schüler zu tun.