Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Schülerinnen und Schüler bedeutet, die neben dem ganz normalen Unterricht, in dem weiter Kursarbeiten etc. geschrieben werden, eine Prüfung abgelegt werden muss, die es so in vielen anderen Ländern nicht gibt, ist nicht vermittelbar und hat wenig mit Ermutigung und Motivation unserer Schülerinnen und Schüler zu tun.

(Beifall SPD, Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte auch auf die schon hier diskutierte Schulpflicht, die in der Vollzeit auf zehn Jahre verlängert wird, eingehen. Frau Sojka, Sie haben natürlich recht, wenn es tatsächlich um Warteschlaufen ginge. Warteschlaufen kann niemand wollen, kann auch niemand begrüßen. Aber, ich meine, auch hier muss entscheidend sein, dass es auf den Inhalt ankommt, was in diesem Jahr passiert. Ich habe dieses Gesetz oder den Vorschlag so gelesen, dass es darum geht, die Schülerinnen und Schüler in genau dieser Zeit zu befähigen, beispielsweise eine Ausbildung aufzunehmen oder die Fachhochschulreife doch noch zu erwerben, indem sie die Möglichkeit haben, weiterhin im Zugang zu Bildung zu sein und nicht schon in sehr jungen Jahren, wie wir es sehr häufig haben, in solche Jahre wie das berufsvorbereitende Jahr oder Ähnliches bei dem wir wissen, dass die Bildungserfolge nicht sind, wie wir sie uns gewünscht hätten - zu kommen. Da müssen wir uns anschauen wie es in der Ausgestaltung letzten Endes kommt. Aber ich habe das positiv interpretiert, als ein Angebot, einen besseren Schulabschluss zu erreichen und eine bessere Möglichkeit zum Zugang zur Ausbildung zu erfahren. Die Möglichkeit auf das Sitzenbleiben zu verzichten habe ich auch positiv interpretiert. Das wundert jetzt vielleicht auch nicht. Wir haben ja erst unlängst einen Antrag eingebracht, wo wir genau das vorgeschlagen haben. Zumal dazu ja auch alle Studien vorliegen, die belegen, dass das Sitzenbleiben den Schülerinnen und Schülern nicht hilft und nicht das Gleiche ist wie eine freiwillige Klassenwiederholung - nur um auch gleich diesem Argument zu begegnen. In diesem Sinne hoffe ich auch, dass wir, wie im Ausschuss bereits besprochen, unseren Antrag zu diesem Fakt gemeinsam mit dem Schulgesetz in dieser Frage beraten können und dann sehen, wie wir die bestmöglichen Voraussetzungen für unsere Kinder und Jugendlichen an den Schulen schaffen. Ich möchte allerdings noch ein paar Kritikpunkte ansprechen, die uns wichtig erscheinen. Die Gemeinschaftsschule ist eine reine Wahlmöglichkeit. Das Problem ist, ich hatte es schon gesagt, dass sie manchmal nicht einmal eine Wahlmöglichkeit ist, nämlich dann, wenn sie nicht vorrätig ist. Und da hätte ich gern noch eine Antwort auf die Frage, wie denn allen Kindern und Jugendlichen diese Wahl auch ermöglicht werden soll. Die Wahlfreiheit hat Herr Emde vorhin sehr groß geschrieben. Das unterstütze ich auch, dass

alle anderen Eltern selbstverständlich frei entscheiden können, welchen Schulweg sie für ihre Kinder wählen. Dann muss diese Wahlmöglichkeit aber auch gegeben sein. Wie da die flächendeckende Absicherung sichergestellt wird - anders ist die Wahlmöglichkeit nicht gegeben, sonst kann ich mich ja nicht entscheiden -, das habe ich noch nicht so richtig verstanden. Das zweite Problem, das ich sehe, ist die Schulnetzplanung die wir im Moment vor Ort erleben. Wenn wir dort nämlich sehen, dass die Gemeinschaftsschule mitunter als „Notnagel“ gesehen wird, um einen Schulstandort zu erhalten, nicht aber das pädagogische Konzept dahinter entscheidend ist - ohne zu sagen, wir wollen tatsächlich ein solches Angebot schaffen -, finde ich das schwierig und problematisch. Ich wünsche mir, dass das pädagogische Konzept entscheidend ist und dass wir das natürlich dann auch in der Schulnetzplanung mit berücksichtigen, dass die Gemeinschaftsschule selbstverständlich auch als Angebot vertreten ist. Was mir unklar ist, ist weiterhin, ob die Gemeinschaftsschule auch Ganztagsschule ist. Ganztagsschule mit Zeit für mehr. Für die Klassen 5 und 6 haben sie das beschrieben, dass das möglich sein soll. Wie ist das aber mit den weiterführenden Klassen, wie ist das mit den Gemeinschaftsschulen die jetzt erst - es ist ja möglich in der 5. Klasse - beginnen. Wie sieht es überhaupt mit dem Konzept aus, tatsächlich Zeit für mehr zu haben, auch am Nachmittag. Und da stellt sich in diesem Zusammenhang für uns auch die Frage nach der Zukunft unserer Horte an den Schulen. Da werden wir sicherlich auch noch sehr interessiert im Bildungsausschuss darüber diskutieren, weil wir ganz deutlich sagen, die Horte an unseren Grundschulen sind Markenzeichen. Auch und gerade hier in Thüringen. Sie erfüllen auch einen Bildungsauftrag, sie arbeiten mit den Grundschulen Hand in Hand. Und da, glaube ich, müssen wir schauen, dass diese nicht gefährdet werden.

Ich denke, es ist sehr deutlich geworden, dass wir uns ganz und gar nicht vor der Idee der Gemeinschaftsschule verschließen, wenn es dafür ein schlüssiges Konzept gibt. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es uns darum geht, tatsächlich allen Kindern die am Anfang meiner Rede zitierten Türen zur Welt zu öffnen. Wir meinen, dass wir ihnen die Türen zur Welt öffnen, wenn wir sie von Anfang an konsequent individuell fördern, wenn wir die Hürden senken - damit meine ich Hürden beim Übergang in andere Schullaufbahnen - und diese auch erst möglichst spät vornehmen, das heißt, dass in der 4. Klasse nicht mehr die Trennung erfolgt. Denn wenn die Trennung einmal erfolgt, wissen wir, dass es immer wieder ganz schwierig ist für den einzelnen Schüler und die einzelne Schülerin den Weg an eine weiterführende Schule zurück zu finden.

Ich will auch ganz deutlich sagen, dass wir der Überzeugung sind, dass es in Thüringen auch und

gerade angesichts des demographischen Wandels eine grundsätzliche Debatte über unsere Schulangebote im gesamten Land braucht. Da habe ich schon Bauchschmerzen, wenn ich sehe - Frau Sojka hat die Problematik auch schon angesprochen -, dass es künftig noch mehr unterschiedliche Schultypen gibt. Das ist auch ein Problem aus unserer Sicht, das ist auch kein Geheimnis, dass der Vorrang der Gliedrigkeit des Schulsystems in der Verfassung des Freistaats festgeschrieben ist. Aber wir arbeiten daran, es zu ändern, Herr Emde. Das kann ich Ihnen zusichern. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass wir über kurz oder lang - und das gehört zur Ehrlichkeit dazu - darüber reden müssen, wie wir uns bestmögliche Bildung - das sage ich ganz deutlich - für alle Kinder und Jugendlichen leisten können. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies mit einer derart zersplitterten Schullandschaft möglich ist. Das kann ich mir einfach ganz praktisch nicht vorstellen. Ich meine, dass wir auch und gerade angesichts des demographischen Wandels dazu kommen werden, dass wir eine Schule für alle Kinder haben werden, die ihnen dann die bestmöglichen Bildungsabschlüsse ermöglicht - und zwar alle, ganz individuell. Wir wollen nicht jedes Kind zum Abitur zwingen, nur auch um diesem Märchen gleich wieder zu begegnen. Aber wir wollen selbstverständlich - und das begrüße ich wiederum ausdrücklich -, dass jedes Kind einen Schulabschluss hat und dass dieser Abschluss auch zu dem passt, was dem Kind, dem Jugendlichen, am ehesten entspricht. Insofern auch eine positive Stellungnahme zu Herrn Emde: Der Praxisbezug in der Schule, gerade in dem zehnten Jahr, was vorhin benannt wurde, den halten wir für völlig richtig. Auch die GEW hat das ja immer wieder eingefordert, dass es einen solchen Praxisbezug geben soll. Das finden wir durchaus begrüßenswert. Was das Prädikat Oberschule allerdings mit sich bringen soll außer einem Zugeständnis, dass Ihr Begriff auch vorkommt, habe ich dem Gesetz noch nicht entnehmen können. Aber wir freuen uns auf die Debatte. In diesem Sinne lassen Sie uns nach den Punkten suchen, die uns einen. Lassen Sie uns allen Kindern die Türen zur Welt öffnen und bestmögliche Bildungschancen einräumen. Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete. Als Nächste spricht die Abgeordnete Franka Hitzing von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, die Frage, was sich bei der Jenaplanschule verändert hat, habe ich mir auch gestellt, Frau Sojka. Ich

(Abg. Rothe-Beinlich)

habe auch einmal nachgefragt. Durch die eingeführte neue Schulform Gemeinschaftsschule gibt es jetzt im Statistikprogramm den Begriff Gemeinschaftsschule. Vorher war es nur eine Grundschule und eine Regelschule, jetzt ist der Begriff da. Die Schulleiterin hat keine Probleme mehr, sich einzuordnen. Ansonsten blieb alles ziemlich gleich.

Sehr verehrte Damen und Herren, zum Gesetz grundsätzlich: Eine Novellierung eines Bildungsgesetzes ist immer nach einem bestimmten Verlauf von Jahren notwendig, weil Bildung ein sich ständig verändernder Prozess ist. Das Gute ist dabei auch, dass sich in der Gesellschaft immer neue Erkenntnisse ergeben, was die Bildung betrifft, und immer wieder Dinge zugunsten der Qualität der Bildung verändert werden müssen - letztendlich natürlich im Sinne unserer Kinder hier in Thüringen. Deshalb ist eine Novellierung grundsätzlich zu begrüßen unter dem Aspekt der sich verändernden Demographie in Thüringen, demzufolge der sich verändernden Schülerzahlen und der notwendigen qualitativen Evaluation von Bildung in Gänze. Was mir bis jetzt natürlich schleierhaft ist, ist die Argumentation. Es kommt so raus, als ob bis jetzt das Thüringer Bildungssystem und die Landschaft der Schulen in Thüringen gänzlich versagt haben. Die letzten Redebeiträge implizieren das so ein bisschen. Da möchte ich natürlich vehement dagegensprechen. Denn es ist heute schon einmal genannt worden, Thüringen und das Thüringer Schulsystem können sich sehen lassen, sehr wohl kann es das

(Beifall CDU, FDP)

und im Vergleich der Bundesländer in Deutschland steht es ziemlich weit vorn. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen.

Sehr verehrte Damen und Herren von der Fraktion der CDU, ich möchte Ihnen auch raten, an der Stelle nicht das eigene Maß unter irgendeinen Scheffel zu stellen. Sie sind natürlich in den letzten 20 Jahren - das muss man einfach so sagen, das ist eine Tatsache - maßgeblich an der Entwicklung des Thüringer Bildungssystems beteiligt gewesen. Jetzt knicken Sie ein und sprechen nicht dazu.

(Beifall CDU, FDP)

Das braucht niemand zu tun; ein bisschen mehr Mut an dieser Stelle.

Die Novellierung des Thüringer Schulgesetzes hat einen ganz wichtigen Punkt impliziert, und zwar ist das die Gemeinschaftsschule. Diese Thüringer Gemeinschaftsschule ist nach unserer Auffassung eine Bereicherung der breiten Schullandschaft in Thüringen, wenn sie denn als freiwillige Schule eingeführt wird. Der Herr Minister hat vorhin noch mal ganz genau aufgeführt, welche drei Möglichkeiten es geben wird, eine Gemeinschaftsschule einzuführen. An einer Stelle habe ich ein bisschen Bauschmerzen, nämlich an der Stelle, wenn gesagt

wird, wenn es denn dann keine Einigung gibt zwischen Schulträger und Schule, die sich mithilfe der Schulkonferenz, also Vertretern von Eltern, Lehrern und Schülern, verändern will, dann kommt als Erstes das Schulamt, das Kompetenzzentrum als Moderator dazwischen und wenn auch das nicht klappt, hat das Ministerium die letzte Entscheidung.

(Beifall SPD)

Damit habe ich Bauschmerzen, weil ich hier die Freiwilligkeit dann noch ein bisschen untergraben sehe. Wenn also zwei Partner sich nicht einig werden und auch eine Moderation das nicht schafft, dann muss es dafür gute Gründe geben. Es kann nicht nur sein, dass das irgendwelche Inseln sind, die aus irgendwelchen Gründen das nicht wollen. Das ist eine Unterstellung, die ich so auch nicht stehen lassen würde. Aber eine Freiwilligkeit scheint mir, um das Gelingen von Bildung auch tatsächlich sicherzustellen, ganz notwendig. Das haben wir auch gehört vom Herrn Minister, dass natürlich diese Entstehung der Schule freiwillig sein soll und dann so ein Hintertürchen und zum Schluss entscheiden wir. Aber wenn die sich nicht einig werden, gefällt mir das nicht und das werden wir sicherlich auch in den Ausschussberatungen noch besprechen.

Ein weiterer Punkt im Gesetz ist der Passus kleine Schulen. Also auch relativ kleine Schulen können als Thüringer Gemeinschaftsschule sehr wohl existieren und qualitativ hochwertige Angebote bieten. Das würde aber bedeuten, dass wir die Systematik, wie Lehrer den Schulen zugewiesen werden, vollkommen verändern müssen.

(Beifall FDP)

Derzeit geht es nach dem Statistikprogramm THVPS, dass da sagt, so und so viele Schüler sind in der Schule, danach werden die Lehrer zugeordnet und der Schulleiter hat dann ganz einfach abzusichern, dass eine hohe Qualität im Unterricht vollzogen werden kann und entsprechend die Klassen einzuordnen. Wenn eine Schule klein ist, also wenig Schüler hat, dann hat sie natürlich logischerweise nach dem jetzt funktionierenden Programm auch eine relativ geringere Zuweisung von Lehrerstellen. Da muss man dann hinterfragen, wie das funktionieren soll oder es gibt eine vollkommene Veränderung der Berechnungsgrundlage.

Ein weiterer Punkt: Im Gesetz steht, die Gemeinschaftsschule soll in den Schulbereichen auch Grundschulen, Regelschulen, Gymnasien ersetzen können. Wir wissen, dass es diese Übergangsphase geben soll. Ich bin mir da noch nicht ganz sicher, wie das mit der derzeitigen Schulnetzplanung zu vereinbaren ist, weil die Schulnetzplanung in vielen Kreisen abgeschlossen ist. Es ist ja über Jahre daran gearbeitet worden, Schulnetzplanung zu machen. Grundschulen sind errichtet worden nach

dem Prinzip kurze Wege, kurze Beine oder umgekehrt kurze Beine, kurze Wege, also man hat schon versucht, die Grundschulstandorte nicht anzufassen, um den Kleinen einen relativ kurzen Schulweg zu ermöglichen. Ich rede jetzt natürlich, das merken Sie, wieder vom ländlichen Raum. In den Großstädten Thüringens ist das natürlich etwas anders, da hat man die Straßenbahn und es ist egal, ob ich mit der Straßenbahn in die Richtung fahre oder in die. Im ländlichen Raum, also in der Provinz, ist das etwas anders. Die Schulnetzplanung und natürlich auch der Busverkehr ist im ganz engen Zusammenhang zu sehen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Aber Sie können dort leben, in der Provinz.)

Ich bin aus der Provinz, genau. Sie haben mich jetzt ein bisschen aus dem Konzept gebracht, Herr Emde. Da muss man natürlich jetzt überlegen, wenn die Grundschulen nun da sind, die sind jetzt installiert - viele Grundschulen sind sehr schön und sehr neu gemacht worden, arbeiten nach gutem Konzept, das hat auch der Herr Staatssekretär Merten schon mehrfach bestätigt - und jetzt kommt die Gemeinschaftsschule, die sich freiwillig bilden soll, wo setzen wir die denn nun hin? Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass natürlich bei aller qualitativen Veränderung von Schule und wichtigen Punkten wie Integration aber niemals vergessen werden darf, dass immer auch irgendwo wirtschaftliche Gesichtspunkte dahinter stehen. Die können wir nicht außen vor lassen, weil wir auch an der Stelle nur begrenzte Mittel haben.

(Beifall FDP)

Ein nächster Punkt: Die Finanzierung der Thüringer Gemeinschaftsschule. Es gibt da eine Anschubfinanzierung, das ist bekannt. Jetzt frage ich mich, wird diese Anschubfinanzierung möglicherweise von manchen Schulen, die ohne großen Aufwand zur Gemeinschaftsschule werden können, als Köder gesehen, passiert das eventuell zum Nachteil von anderen Schulen? Die Frage muss man sich hier stellen lassen.

Ich komme jetzt zu einer anderen Schule - das ist natürlich nicht verwunderlich - zur Thüringer Regelschule. Die Thüringer Regelschule betreibt Ganztagsschulen, also die Regelschule selbst konnte sich vor Jahren schon dazu entscheiden, Ganztagsschule sein zu wollen. Das ging als Erstes über das Projekt der Schuljugendarbeit. Die Schuljugendarbeit war Voraussetzung dafür, dass man eine offene Ganztagsschule sein konnte. Man musste an mindestens drei Tagen in der Woche ein Nachmittagsprogramm vorhalten und gleichzeitig ein warmes Mittagessen für die Schüler bereitstellen können. Das haben viele Regelschulen auch in Angriff genommen und sich über dieses Programm strukturell verändert, das pädagogische Konzept verändert und genau die Regelschule zu dem wer

den lassen, was auch die Gemeinschaftsschule für sich in Zukunft in Anspruch nehmen will und wird, nämlich die Schule zu einem Lebens- und Lernraum werden zu lassen. Das ist vielen Regelschulen gelungen, es gab auch großartige Anschubfinanzierungen an der Stelle und dann ist das ganze Thema verändert worden, mehr oder weniger kommunalisiert worden und wir haben jetzt nicht mehr die Schuljugendarbeit im Begriff, sondern wir haben die schulbezogene Jugendarbeit. Das wird über Träger organisiert und natürlich finanziert auf kommunaler Ebene über die Jugendämter.

Diese qualitative Steigerung der Regelschulen ist in den letzten Jahren sehr individuell vonstatten gegangen. Dort haben sich Lehrer, Schüler und Eltern in der Schulkonferenz dazu entschieden, genau diesen Weg gehen zu wollen. Es gibt sowohl gebundene als auch offene Ganztagsschulen und das kommt mir zu kurz in der kompletten Diskussion, dass diese Schulen da sehr viel schon anbieten, was jetzt eingefordert wird. Wenn ich höre, dass wir eine Ganztagsbeschulung machen wollen für die Klassen 5 und 6, dann frage ich mich, wie geht das. Machen wir jetzt einen Rückschritt? Die Regelschulen praktizieren es schon, deshalb sage ich, Ganztagsbetreuung ist vorhanden und bitte nicht so tun, als ob es sie noch gar nicht gäbe.

Gemeinsames Lernen bis Klasse 8, das habe ich schon mehrfach versucht, mal in die Runde zu werfen. Was heißt es eigentlich von der Begrifflichkeit? Es heißt, dass die Kinder von Klasse 1 bis Klasse 8 gemeinsam lernen sollen. Es wird impliziert, dass das jetzige gegliederte Schulsystem das nicht leisten kann. Die Grundschulen, die zuführende Schulen sind für eine Regelschule - das ist meistens mehr als eine, weil die Schülerzahlentwicklungen das ganz einfach nicht anders zulässt -, die Kinder der Grundschulen gehen zusammen in eine Klasse und gehen nach der Beendigung der Klasse 4 - was ich noch hinterfragen würde, Sie wissen, die FDP hat den Gedanken, alle Kinder nach der Klasse 4 erst in die Regelschule gehen zu lassen, um sich allmählich vorbereiten zu können auf einen möglichen Übergang zum Gymnasium, das hatte die Frau Kollegin Rothe-Beinlich auch vorhin schon mal erwähnt. Es ist ganz einfach so, im Alter von zehn Jahren scheint eine Orientierung aus der Sicht des Kindes noch nicht so möglich, da gibt es sehr viel Druck. Deshalb sollte man den Wechsel tatsächlich etwas nach hinten verschieben, aber Druck ist nicht nur negativ zu sehen, das möchte ich ausdrücklich sagen.

(Beifall FDP)

Ein gesunder Leistungserfolg muss nicht Leistungsdruck heißen. Also ich muss natürlich immer irgendwelche Etappen im Leben erreichen, um ein neues Ziel ansetzen zu können. Dazu gehört auch

eventuell, die entsprechenden Leistungen zu haben, um zu einer anderen weiterführenden Schulform gehen zu können. Also noch einmal: Leistungserfolg, Leistungsdruck ist nicht nur negativ zu betrachten. Jetzt sind wir aber bei dem gemeinsamen Lernen. Die Schüler gehen also in der Grundschule zusammen in eine Klasse, gehen nach der Grundschule beispielsweise in eine Regelschule zusammen. Das einzige was sich ändert, mal abgesehen von den Ausnahmeschülern, die nach der 4. Klasse zum Gymnasium gehen - und da rede ich wieder von der Provinz - ist, sie setzen sich in einen anderen Bus, der fährt in eine andere Richtung. Es gibt ganz viele Kinder in Thüringen, die sind sogenannte Buskinder. Ich auch Herr Höhn, ich war mein Leben lang ein Buskind und bin auch heute noch ein Buskind.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Ich muss ja von meiner Provinz nach Erfurt, es hat sich also nichts geändert und es ist was aus mir geworden und ich darf Ihnen versichern, es hat mir nicht geschadet, das will ich damit sagen. Ich darf Ihnen versichern, für diejenigen, für die Stadtkinder unter uns, die nie ein Buskind sein mussten,

(Zwischenruf Abg. Metz, SPD: Oder Straßen- bahn.)

- Straßenbahn fahren dauert meistens nicht so lange wie Bus -, Bus fahren ist für Schüler im Grunde genommen nicht schlimm. Man muss ein bisschen früher aufstehen als die Schüler, die am Ort wohnen, aber dann sitzt man eben in einem Bus und kann sich schöne Sachen erzählen. Die Kinder bleiben also zusammen, steigen in einen anderen Bus und gehen zum neuen Schulstandort Regelschule beispielsweise. Das ist das, was ich gern hinterfragen möchte und auch schon ein paarmal angesprochen habe: In den meisten Regelschulen - Gott sei Dank ist ja Schule so, dass die Individualität auch heute schon im Vordergrund steht und das eigene Schulkonzept der betreffenden Schule wichtig ist gehen die Schüler in Klasse 5, 6, 7 und 8 zusammen in eine Klasse. Nach der 8. Klasse wird dann natürlich geteilt und das ist nötig, weil die einen sich konzentrieren auf ihren Abschluss Richtung Hauptschulabschluss, die anderen konzentrieren sich auf den Regelschulabschluss am Ende der Klasse 10. Dann müssen die Schüler getrennt werden, weil es einfach notwendig ist. Die Stundentafel ist eine ganze andere in der Hauptschulklasse 9 als in der Regelschulkasse 9, bezogen auf die Pflichtfächer, also die Hauptfächer Mathematik, Deutsch und Englisch zum Beispiel. Gemeinsames Lernen gibt es hier schon. Ich möchte es nur noch einmal benennen. Wir dürfen also grundsätzlich nicht so tun, als ob alles schlecht ist, was bisher gelaufen ist, weil die Regelschulen da sehr viel leisten. Das ist mein Credo, das möchte ich betonen und ich werde auch nicht müde, das immer wieder zu sagen. Es

missfällt mir, dass wir nicht mehr über die Regelschule sprechen. Ich akzeptiere, dass Schule novelliert werden muss und ich finde es gut, dass sich eine neue Schulform etablieren kann, die als Ergänzung zur Schullandschaft steht. Aber ich würde sehr ablehnen, wenn diese Gemeinschaftsschule jetzt so eine Art Lösung aller Probleme sein soll. Das kann nicht sein. Da sind wir an der Stelle der Förderschulen. Was passiert mit den Förderschulen? Reden wir jetzt gar nicht mehr von der qualitativ hochwertigen Arbeit der Förderschulen? Wenn Integration sofort ab Klasse 1 in der Gemeinschaftsschule passieren soll, dann ist das grundsätzlich zu befürworten,

(Beifall SPD)

aber immer unter der Prämisse, dass Integration natürlich auch dem individuellen Kind angepasst sein muss.

(Beifall FDP)

Also jede Persönlichkeit muss individuell hinterfragt werden und es muss natürlich auch möglich sein, dass Eltern ihre berechtigten Zweifel anmelden, wenn sie sagen, unser Kind sollte eine Förderschule in den ersten Jahren besuchen, weil es die oder die Probleme hat. Dann muss man dem Elternwillen an dieser Stelle zumindest auch die notwendige Wichtigkeit beimessen.

(Beifall SPD)

Was ich ausdrücklich befürworte in diesem Schulgesetz ist die Schulausgangsphase. Das finde ich sehr gut, dass das jetzt festgehämmert wird, dass gesagt wird, zehn Jahre und wer es nach der 9. Klasse nicht geschafft hat, seinen Abschluss zu machen, der hat eben noch ein Jahr Zeit - genau passend zur Schuleingangsphase, das gefällt mir gut. Ich finde auch die Möglichkeit in Ordnung, dass man nach dem erfolgreichen Hauptschulabschluss und bei dem Vorhandensein einer Lehrstelle dann sagen kann, ich gehe in die Berufsausbildung und dieses Jahr 10 wird anerkannt. Das wäre ja sonst ein Hemmnis für die jungen Leute, die eine Berufsausbildung oder eine Lehrstelle bereits in der Tasche haben.

Zum Berufsschulnetzplan noch zwei Sätze: Freiwilligkeit ist immer oberstes Prinzip, sollte es auch immer bleiben, gerade in der Bildung. Nur das, was man freiwillig schafft, ist auch das, wo man richtig mit Herzblut dahintersteht. Ich hoffe, dass es auch dazu kommt, dass es alles freiwillig gebildete Regionen sein werden, dass dem Priorität eingeräumt wird und erst später diese Eingriffsmöglichkeit des Ministeriums in Betracht gezogen wird, aber das würde ich sehr, sehr moderat machen. Freiwilligkeit scheint mir das Schlüsselwort zu sein an dieser Stelle. Ich glaube, da ist die Berufsschullandschaft bzw. die Landkreise sind auf einem guten Weg und haben die Zeichen der Zeit wohl auch erkannt.

Dass es natürlich nicht sein kann, dass eine Schule Klassen hat, in der acht Leute sitzen, die einen Beruf erlernen wollen, und es 10 km hin im nächsten Landkreis genau dieselbe Schule gibt, da sind wir uns einig.