Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Oder durch den Landtag.)

Aber es ist möglich durch die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten, Herr Kollege Gentzel, hören Sie ruhig zu. Vielleicht ist Ihnen das bislang entgangen, so wie Sie sich gerade benehmen. Auf jeden Fall kann das dann doch eine gewisse politische Abhängigkeit dieses Amts schaffen, die wir nicht für gut halten. Wir meinen, dass grundsätzlich der Ansatz einer Reform wichtig, richtig und überfällig ist, dass aber durchaus noch erheblicher Diskussionsbedarf besteht. Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung an den Innenausschuss und freue mich auf eine spannende Debatte. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Danke schön. Der Kollege Fiedler hat mich eben darauf aufmerksam gemacht, dass offensichtlich der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE

in Drucksache 5/1819 noch nicht verteilt ist. Sieht das in allen Fraktionen so aus?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Dann werden wir uns jetzt noch einmal ganz schnell und umgehend darum kümmern, dass das passiert. Ich wollte nur noch einmal zurückfragen. Danke schön, Herr Abgeordneter Fiedler. Es hat zunächst das Wort der Abgeordnete Gentzel für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe zum Anfang zunächst gern zu - und der eine oder andere hier im Haus wird das verstehen -, dass es mir nicht leichtfällt, auf die Historie dieses Gesetzentwurfs gänzlich zu verzichten. Ich will nur so viel dazu sagen: Die Initiativen in der letzten Legislaturperiode zu diesem Gesetz, zu dieser Strukturreform sind grandios gescheitert mit dem Höhepunkt eines Ministerrücktritts. Sein Nachfolger, das muss man zumindest konstatieren, hat nichts falsch gemacht. Der Grund dafür ist allerdings, er hat nichts gemacht. So ist festzustellen, so konsequent der jetzige Innenminister diesen heutigen Gesetzentwurf vorangetrieben hat, er hat ein unreparables Manko: Die Neuordnung der Thüringer Polizei kommt zu spät. Es ist traurig, dass insbesondere in der Thüringer Polizei dieses noch nicht alle begriffen haben; ich ziele da insbesondere auf die Gewerkschaft der DPolG ab. Aber ich will es klar und deutlich sagen: Die Erklärung der DPolG von Anfang der Woche ist sachlich falsch und zeugt von wenig Sachkenntnis. Das ist mehr als schade, aber ich sage auch ganz ehrlich, ich bezweifle, ob das eine Erklärung der DPolG oder nur ihres Vorsitzenden ist, der da eindeutig interessengesteuert scheint.

Meine Damen und Herren, die Schwerpunkte der Neuordnung bei der Thüringer Polizei sind im Wesentlichen mit vier Punkten zu erklären:

1. die Errichtung einer Landespolizeidirektion als zentrale Führung und Einsatzleitstelle für Thüringen,

2. die Fusion der PDs mit den PIs an den Standorten,

3. die Schaffung einer landesweiten Autobahnpolizeiinspektion,

4. die Auflösung der Verkehrspolizeiinspektionen und der Polizeiinspektionen Zentrale Dienste.

Diese Vorschläge sind nachvollziehbar. Sie sind mehr als nur eine gute Diskussionsgrundlage für die Debatte im Ausschuss.

Meine Damen und Herren, wenn ich das so formuliere, heißt das aber auch, wir stehen nicht mehr

(Abg. Bergner)

am Anfang einer Neuformierung, einer Neustrukturierung der Thüringer Polizei, aber wir sind auch noch lange nicht am Ende der Reform. Dieser Strukturvorschlag muss jetzt untersetzt werden. Ich will einmal daran erinnern, es liegt genau in der Planung des Innenministers, die wir immer zur Kenntnis hatten, nämlich mit den drei Phasen zur Erstellung einer neuen Strukturreform.

Frau Renner, hören Sie gut zu, unverzichtbar für eine Verabschiedung der Polizeiorganisation ist selbstverständlich ein Personalentwicklungskonzept. Frau Renner, wir haben das schon in den Koalitionsvertrag geschrieben, da haben Sie noch geglaubt, der Mond ist eine Taschenlampe.

(Unruhe DIE LINKE)

Um das ganz klar zu sagen: Ohne Personalentwicklungskonzept keine Zustimmung in zweiter Lesung zum POG. Das sage ich hier das zwanzigste Mal.

Meine Damen und Herren, wir müssen wissen, und zwar auf einer Zeitachse von zehn Jahren, wie sieht die Personalausstattung in jeder einzelnen Polizeibehörde aus. Wir müssen wissen, wie sind die geplanten Ausbildungszahlen in den Jahren. Ich sage auch, endlich muss uns im Thüringer Landtag erklärt werden, wie sich das Stellenabbaukonzept bei der Thüringer Polizei in Gänze und in Realität auf die einzelnen Polizeistellen auswirkt. Dieses ist im Koalitionsvertrag so festgeschrieben, nämlich parallel zu der Entwicklung der neuen Strukturen. Es gibt im Augenblick von meiner Seite überhaupt gar keine Zweifel, dass entsprechend aus dem Ministerium auch geliefert wird.

Meine Damen und Herren, zu bemerken ist auch es wundert mich, dass das die Kollegen im Vorfeld nicht bemerkt haben -, dass wir mit diesem Strukturvorschlag im Wesentlichen und in Gänze die Schutzpolizei neu strukturieren. Die Frage Kriminalpolizei und LKA bleibt ausgeklammert. Es gab ursprünglich Vorschläge für eine Aufgabenänderung in den KPI, dass dieses zumindest vorerst vom Tisch ist, das ist richtig, weil, wer da Aufgaben verändert, muss dies auch vernünftig begründen. Das war bis in die Tiefe nicht geschehen. Ich sage auch, das LKA bedarf einer dringenden Überprüfung. Dort brauchen wir eine klare Aufgabenkritik und wir müssen uns auch darüber unterhalten, ob einzelne Bereiche, die im Augenblick noch im LKA sind, nicht in die Landespolizeidirektion gehören. Wenn der Staatssekretär in seiner ihm eigenen Art und Weise formuliert, Thüringen ist zu klein für dieses LKA, hat er im Kern recht und es sollte uns nicht hindern, das zu ändern. Ich sage aber auch, wir haben keine Probleme damit in der SPD, wenn wir zuerst die Strukturen für die Thüringer Schutzpolizei erklären und so festschreiben und dann in einem zweiten Schritt uns der Problematik KPI bzw. LKA zuwenden. Ich lege nur Wert darauf, dass wir dieses ver

bindlich auf einer Zeitachse miteinander besprechen und dass dieses auch festgeschrieben wird, und natürlich muss dieses noch in dieser Legislaturperiode geschehen. Es ist sicherlich nicht die wichtigste Frage, aber auch das will ich hier sagen, mich interessiert schon der zukünftige Zuschnitt der Abteilung 4 im Thüringer Innenministerium. Es ist ja geradezu ein mystisches Rätsel, nicht, was den geplanten Personalabbau dort betrifft, aber auf die Frage, wie viel Referate sollen es denn werden, macht doch mal einen Strukturvorschlag, wird der Ball hin und her gespielt. Ich sehe es sportlich, weil wir als Fraktion immer noch den Hebel „Zustimmung in zweiter Lesung, ja oder nein“ haben. Solange ich diesen Hebel habe, kann ich mit dieser Problematik ganz gut umgehen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Was war das jetzt für eine Drohung?)

Haben Sie jetzt „Drohung“ gesagt?

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das hörte sich bei mir ganz stark an wie eine Drohung.)

Wissen Sie, bei Ihnen hört sich so vieles komisch an, das kann ich jetzt nicht alles im Einzelnen erklären, nein.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Sie drohen hier offen dem Minister und dann fin- den Sie das lustig.)

Ich drohe hier offen dem Minister? Natürlich, ja - eigentlich müssen Sie sich doch freuen. Ihre Rednerin hat hier von mir oder von meiner Fraktion mehr oder weniger eingefordert, ohne Personalentwicklungskonzept kann es doch keine Zustimmung geben.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Herr Gentzel sagte „ohne Leitbild keine Zu- stimmung“, das hat sie gesagt.)

Jetzt sage ich, Personalentwicklungskonzept muss sein, sonst gibt es keine Zustimmung und da beschweren Sie sich wieder. Also, ich kann das langsam nicht mehr nachvollziehen, aber ich muss mir Gott sei Dank nicht Ihre Probleme machen.

Ich will auf einen dritten Punkt hinweisen, über den wir im Ausschuss reden müssen. Meine Erfahrung nicht nur mit dieser Reform ist, wenn Reformen zu lange schwelen, ist das nie gut. OPTOPOL unterstreicht das noch einmal, aber es geht da nicht nur um die Erfahrung mit OPTOPOL. Die Polizisten das kann uns auch in der Umsetzung der Reform helfen - brauchen so früh wie möglich Klarheit. Wenn wir in dem Gesetz festschreiben, dass es erst am 01.01.2012 so umgesetzt werden kann, sollten wir uns im Ausschuss noch einmal darüber unterhalten, ob es möglich ist, diese Zeitachse realistisch ein Stück zurückzufahren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Einstieg - habe ich gesagt - überzeugt meine Fraktion, aber wir sind noch lange nicht am Ende, deshalb beantrage ich für meine Fraktion Überweisung an den Innenausschuss, egal, mit welchem Innenminister wir das dann bereden. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Ich rufe als Nächsten für die Fraktion BÜNDINS 90/ DIE GRÜNEN den Abgeordneten Adams auf und verweise noch einmal darauf, wir haben uns jetzt darum gekümmert, der Entschließungsantrag in Drucksache 5/1819 ist gestern Abend in die Fächer verteilt worden. Falls jemand den nicht hat, wäre es durchaus angezeigt, über die Parlamentarischen Geschäftsführer einmal anzuzeigen, ob der noch ausgeteilt werden soll. Ich denke, flächendeckend an alle müssen wir ihn nicht austeilen, weil er spätestens heute Morgen aus den Fächern genommen werden konnte. Falls an der einen oder anderen Stelle die Lieferung nicht erfolgen konnte, kann das jetzt vor der Abstimmung noch geregelt werden.

Bitte, Herr Adams.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Zunächst fällt mir mit Blick auf die Uhr ein Gedicht ein, das ich in meiner Schulzeit lernen musste und das ich so adaptieren würde: Und noch 32 TOPs bis Buffalo.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind in der Tat 32 Tagesordnungspunkte, die wir noch schaffen wollen. Dann kommt gleich ein Geständnis meinerseits noch hinterher. Teile der Debatte konnte ich jetzt gar nicht verstehen, weil - ich habe mir, während Sie gesprochen haben, Frau Renner und auch Herr Gentzel, noch einmal den neuen Gesetzestext genommen - ich diese enormen Reformen, die Sie da sehen, denen man nicht zustimmen könnte oder die die Polizei voranbringen, wie Herr Gentzel das beschrieb, da drin nicht finde.

(Zwischenruf Abg. Renner, DIE LINKE: Das habe ich doch gesagt.)

Die finde ich da drin einfach nicht. Für mich ist dieses, meine sehr verehrten Damen und Herren, Thüringer Gesetz zur Neufassung und zur Änderung polizeiorganisatorischer Regelungen ein unglaublicher Etikettenschwindel, weil es meiner Meinung nach nichts oder fast nichts neu regelt. Das Einzige, was hier neu geschieht, ist, dass Sie eine neue Ebene, eine neue Behörde, nämlich diese Landespolizeidirektion, einfügen. Das ist einzig neu. Sie haben eine neue Ebene in eine vorher schmalere

Hierarchie eingebunden. Diese Abteilung 4 bleibt bestehen. Herr Gentzel bemängelt zu Recht, dass man nicht wisse, was da geschieht und damit natürlich auch nicht vernünftig nachvollziehen kann, was jetzt genau an Aufgaben in der Landespolizeidirektion stattfinden soll. Für meine Begriffe, wie gesagt, ist das ein einziger Etikettenschwindel und Sie haben auch dargestellt, dass man im Prinzip aus alten Polizeidirektionen, von denen man ja sieben hatte, jetzt eine Landespolizeidirektion macht. Das ist, schlitzohrig würde ich nicht sagen, aber pfiffig, weil man im Prinzip natürlich argumentieren kann, dass aus sieben Polizeidirektionen eine Landespolizeidirektion kommt. Aus 30 örtlich zugeordneten Polizeiinspektionen nach § 6 des alten POG werden sieben Landespolizeiinspektionen. Das ist formal richtig. Schaut man sich aber das Organigramm an, sieht man eine Abteilung 4, eine weitere Landesbehörde, die danach kommt. Dann kommen wieder sieben jetzt neu aufgeteilte Landespolizeiinspektionen. Und diese Landespolizeiinspektionen haben in gleicher Größenordnung wie vorher die Inspektionen, jetzt aber nach § 5 (2) Untergliederungen, die den Polizeiinspektionen vergleichbar sind. Da muss ich ganz ehrlich sagen, da steige ich aus, weil ich nicht verstehe, wo die große Reform kommt. Ich habe wohl verstanden, dass Sie die Zentralen Dienste und verkehrspolizeiliche Zuordnungen nach oben gebracht haben; das allerdings, finde ich, ist eine Reform light, das muss ich schon ganz ehrlich sagen, eine Reform light. Was ich auch nicht verstehe, wie aus dem Gesetz oder wie ich als Parlamentarier erkennen kann, dass aus diesem Gesetz zehn Beamte - wie Sie sagten - je Polizeiinspektion mehr für den Streifendienst bereitgestellt werden. Das, glaube ich, kann man am Ende wirklich nur durch ein Personalkonzept, wie es von der LINKEN eingefordert wird und das Sie uns sicherlich, Sie, Ihr Nachfolger oder jemand, noch liefern werden, erkennen. Aber aus diesem Gesetz heraus kann man das nicht erkennen. Insofern bleibt es wirklich hinter dem Anspruch „weniger Stab, mehr Präsenz“ vollkommen zurück. Es ist ein Reförmchen, ein ganz klitzekleines Reförmchen.

Was ich auch nicht finde, Sie haben gesagt, dieses Gesetz antwortet nun endlich auf den demographischen Wandel. Auch das finde ich nirgendwo. Helfen Sie mir, das ist ein letzter Hilferuf, bitte helfen Sie mir. Erklären Sie mir das, wo hier die Reform ist, dann will ich auch engagiert an der Reform entlang diskutieren. Ansonsten kann man sich die Diskussion fast sparen, weil wirklich nicht viel geändert wird. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Abg. Gentzel)

Vielen Dank. Ich mache mir ein bisschen Sorgen. Das Gedicht mit dem „…bis Buffalo“ endet: „Er starb für uns, unsere Liebe sein Lohn.“

(Heiterkeit im Hause)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Fiedler das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist ja immer ganz gut, wenn man noch zu später Stunde einmal lachen kann, aber ich kann nur teilweise mitlachen. Ich möchte als Erstes beginnen und möchte an der Stelle noch einmal ausdrücklich allen Polizistinnen und Polizisten im Land meinen Dank aussprechen.

(Beifall im Hause)

Selbstverständlich. Sie brauchen es ja nicht zu sagen. Aber ich sage es gern, weil das diejenigen sind, die für uns den Kopf hinhalten und die dann auch den Demonstranten, den nicht friedlichen, gegenüberstehen und von denen die Steine an den Kopf geschmissen bekommen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)