Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Wir debattieren, meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Jahr zum zweiten Mal einen Landeshaushalt. Wir haben das zu Beginn des Jahres gemacht mit dem Haushalt 2010, jetzt der Haushalt 2011. Ich nenne das bewusst, weil es da schon Zusammenhänge gibt, auf die ich noch einmal hinweisen möchte. Der Einstiegshaushalt in diese Legislaturperiode war ein Haushalt, der enormen Steuermindereinnahmen unterworfen war, und er war ein Haushalt, der einen Beitrag zur erfolgreichen Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise gewesen ist und der in seiner Philosophie und in seinem Ansatz dem entsprach, was nicht nur hier in Thüringen, sondern wenn man so will, wirklich europaweit und auch ganz namentlich auf unserer nationalen Ebene mit dem Bundeshaushalt gemacht worden ist. Ich sage, wenn wir jetzt am Ende dieses Jahres auf die wirtschaftliche Situation in Thüringen, vor allen Dingen auf die Arbeitsmarktsituation, auf die Gesamtsituation blicken, waren wir erfolgreich. Sämtliche Länder Europas beneiden uns in Deutschland, wie wir es insgesamt gemeistert haben. Dass wir es in Thüringen noch einmal ausweislich der Zahlen besonders gut gemeistert haben, kann niemand von der Hand weisen. Daher sage ich, es war ein richtiger Haushalt und er war auch erfolgreich.

Ich will ganz klar sagen, wir haben viel getan für die Absicherung der Risiken für Unternehmen, für die Hilfe bei Liquiditätsengpässen, bei Überbrückungshilfen, insbesondere auch zum Erhalt der Arbeitsplätze, dass unsere Unternehmen sofort wieder in der Lage waren, tatsächlich zu aktivieren mit einer Kurzarbeiterregelung, die von allen Bereichen der Wirtschaft ausdrücklich gelobt worden ist, und dass diese Zeit genutzt worden ist für Bildung, für Investitionen, für Neuentwicklungen, um nach der Krise tatsächlich besser dazustehen als vorher. Wir haben uns das politisch gewünscht. Aber dass das auch tatsächlich so eingetroffen ist, da haben die Unternehmerinnen und Unternehmer dieses Landes ihren Beitrag geleistet, aber auch wir ausdrücklich als verantwortlich handelnde Politiker in dieser Koalition aus CDU und SPD.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage auch ganz deutlich vor diesem Hintergrund: Es sind Rechnungen entstanden, die müssen bezahlt werden, ganz klar. Es war auch klar, dass der Haushaltsentwurf 2011 ein anderer sein muss, als der, der es 2010 gewesen ist. Er ist auch ein anderer. Er ist der Einstieg in die Konsolidierung des Lan

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

des, ausweislich aller Daten. Er sichert Handlungsfähigkeit. Wir haben Wort gehalten mit all dem, was wir angekündigt haben, sowohl was unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen betrifft, was unsere Zeitabläufe betrifft, wobei ich für die Zeitabläufe ganz besonders auch der Kooperationsbereitschaft aller Abgeordneten, insbesondere im Haushaltsausschuss, hier im Thüringer Landtag Dank sage, dass es möglich war, alles, was wir unterschiedlich eingebracht haben mit Haushalt und Kommunalem Finanzausgleich, Finanzausgleichsgesetz, jetzt in dieser Sitzung gemeinsam verabschieden zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein ausdrücklicher Dank gilt an dieser Stelle der bisherigen Finanzministerin und jetzigen Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefin in der Staatskanzlei, Marion Walsmann, die vom ersten Tag an mein vollstes Vertrauen hatte und hat und die mit einer Hartnäckigkeit, mit einem Verhandlungsgeschick, aber eben auch mit einem guten Sinn für das Machbare mit uns allen den Haushalt verhandelt hat, in aller Kollegialität auch im Kabinett. Ich sage, die Finanzministerin Marion Walsmann hat diesen Haushalt nicht nur vorgelegt, sondern sie hat ihn auch zu Ende beraten hier im Hohen Haus. Sie war bis zum gestrigen Morgen, 8.00 Uhr, Finanzministerin und hat diese Position wahrgenommen. Ich lege sehr viel Wert darauf.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE und Abg. Barth, FDP: Haushaltsberatung ist heute.)

(Unruhe DIE LINKE, FDP)

Im Haushalts- und Finanzausschuss. Jetzt wissen wir alle, die Anträge sind gestellt, die Messen sind gelesen. Jetzt haben wir noch den öffentlichen Austausch, damit auch dem Transparenzgebot und der Öffentlichkeit Rechnung getragen wird in dieser Debatte. Wir können so einen wunderbaren Übergang auch darstellen von der Verantwortung in der Staatskanzlei, wo unsere bisherige Finanzministerin Marion Walsmann nämlich eben mit ihren finanzpolitischen Kompetenzen auch eine Verstärkung der finanzpolitischen Kompetenz in der Regierungszentrale koordinierend für alle Ressorts jetzt darstellt, gemeinsam mit dem neuen Finanzminister Dr. Voß. Ich bin nur dankbar, dass Sie sich aus Ihren sächsischen Verhältnissen bereitgefunden haben, für diese Kärrnerarbeit, die vor uns allen liegt, die Marion Walsmann eingeleitet hat, aber die weitergeführt werden muss. Wie schwierig das ist und in welcher Situation wir hier sind, ist deutlich geworden aus den Debatten, und zwar aus allen Fraktionen, dass das eine Kärrnerarbeit ist und die ganze Kraft dieser Landesregierung auch erfordert. Wir sind gut beraten mit aller finanzpolitischen Kompetenz durch Marion Walsmann, die diesen Prozess eingeleitet hat als Finanzministerin mit dem Kabi

nett, jetzt in der Staatskanzlei diese Kompetenz einbringt und mit einer noch mal eigenen Kompetenz im Finanzministerium versehen, dass wir diesen wirklichen Ritt, den wir hier wohlüberlegt tun müssen, auch leisten können und das in der Notwendigkeit, natürlich weiter in diesem Land zu gestalten, aber es auf einem deutlich abgesenkten Niveau zu machen, mit allen volkswirtschaftlichen Gesamtkenntnissen, die da einfließen müssen und mit allen Akteuren, die wir im Land dafür auch aktivieren müssen einschließlich auch dieses Hohen Hauses. Das ist also sehr bewusst geschehen.

Dass wir bei dem, was an Aufgaben vor uns liegt, die Baustellen sehr genau identifizieren können, eine ist durch fast alle Redebeiträge auch mit entsprechender Position und Option im Nahziel, aber eben auch im Blick auf die ganze Dekade benannt worden, das ist unsere Landesverwaltung. Natürlich gehört sie auf den Prüfstand. Wir sind mitten dabei. Das ist auch eines der ganz konkreten Ergebnisse der Haushaltsstrukturkommission, die in einem Zwischenbericht vorgelegt hat, was an Aufträgen alles da ist, und die bei dem haushalterisch notwendigen Personalabbau auch schon weitergehend konkret geworden ist, wobei die konkreten Untersetzungen dann natürlich im Einzelnen erfolgen müssen. Aber auch das war jetzt keine Aufgabe eines kurzen Zurufs, sondern dazu braucht man die wirklich belastbare Mitwirkung der Betroffenen, auch in den einzelnen Behörden; ich habe das mehrfach gesagt. Denn Personalbbau erfordert, wenn er wirklich zielgerichtet sein soll, ein ganz konkretes Personalentwicklungskonzept, was beschreibt, dass wir die immer aufwendigeren Aufgaben, die wir haben, mit immer weniger Personal erfüllen müssen. Das in einer Gesellschaft, die es gewohnt ist, dass schnell gehandelt wird, die gewohnt ist, dass mit allen heute auch verfügbaren multimedialen Kommunikationsmitteln auch in der Verwaltung gearbeitet wird. Das heißt, wir haben hier Schritte vor uns, die man nicht nur finanzpolitisch und haushaltstechnisch beschreiben muss, sondern wo auch echte qualitative Arbeit dahintersteht, die geleistet werden muss und wo alle mit ihrer Kompetenz gebraucht werden, um das tatsächlich auch zu erfüllen.

Das Gleiche gilt - diese Baustelle wurde auch benannt - für den Bereich, der fast ein Drittel dieses Haushalts füllt. Das ist der Kommunale Finanzausgleich, mit dem wir es uns weiß Gott nicht leicht gemacht haben. Er hat seine Struktur. Wir haben klare Vorgaben des Landesverfassungsgerichts, aber das gilt auch für die Kommunen. Sie haben keinen Anspruch darauf, den Status quo beizubehalten. Wir müssen Aufgaben gerecht finanzieren, das ist richtig. Da gibt es mehrere Stellschrauben. Da muss man eben gegebenenfalls auch an der Stellschraube Aufgabe drehen und man muss an der Gesamtstruktur des Kommunalen Finanzausgleichs, der uns nicht zwingend bei allem Urteil,

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

was vorliegt, so vorgegeben ist, wie er jetzt ausformuliert ist, sondern da müssen wir in der Tat eine 20-jährige Entwicklung mit in Rede stellen und auch einer kritischen Evaluierung unterziehen. Nun kenne ich ja die Proteste aus den Kommunen, aber ich will hier auch an der Stelle einmal sagen: Es gab ein Jahr, da war wirklich - und ich sage das so, weil es in Sonderheit die Abgeordneten der Mehrheitsfraktion damals mit 45 Stimmen so empfunden haben - verbrannte Erde im Land, insbesondere der Gemeinde- und Städtebund, der damals wirklich kreisweise zu Protestaktionen aufgerufen hat, die Abgeordneten, die in ihren Wahlkreisbüros bedrängt worden sind in einer Art und Weise, was uns dann ja auch eine nicht ganz undramatische Abstimmung hier im Landtag damals noch beschert hat. Wenn man sich heute die Bilanzen anschaut; ich sage immer, die Proteste werden abgefahren und die finden statt - auch jetzt hier vor unserem Landtag wieder, was die freien Schulen betrifft -, wenn man sich dann mal die Mühe macht, wenigstens einmal zu schauen, was war denn die Realität in diesem Jahr. Ich habe hier noch einmal aus unserer Haushaltsstrukturkommission zusammengestellt, was wir alles gemacht haben, es ist jetzt ein bisschen klein für Sie: Wir hatten in keinem Jahr mehr im Kommunalen Finanzausgleich als in diesem Jahr 2005, wo - ich sage es noch einmal - hier verbrannte Erde demonstriert werden sollte, nämlich über 3,077 Mrd. €, die damals im Kommunalen Finanzausgleich waren. Das ist auch 2006 noch einmal annähernd erreicht worden, dann ging es etwas runter. Proteste sind alle legitim, aber man darf auch einmal fragen und den Hinweis geben, ob sich Proteste nicht auch ein Stückchen dadurch selber relativieren und entwerten, indem man immer gleich den Notstand des Landes ausruft, und verantwortlich dann auch mal schaut, was ist da tatsächlich in dieser Zeit passiert.

(Beifall CDU)

Ich will noch einmal einen ganz anderen Bereich zitieren, nur einfach mal signifikant, wo es sehr, sehr deutlich geworden ist, der jetzt nichts mit der aktuellen Lage zu tun hat. Ich frage immer wieder, das ist so meine Rhetorik: Freunde, was ist eigentlich aus Reiten im Wald geworden? Wir hatten kaum einen Bereich, das wissen die älteren Kollegen und Kolleginnen noch, wo so demonstriert worden ist, von allen Fahr- und Reitverbänden. Der Untergang - wirklich nicht nur Thüringens - des Abendlandes wurde beschrieben. Das Gesetz war durch und das Leben ging weiter. Es ist nicht immer so einfach, ich sage immer: Was ist aus Reiten im Wald geworden? Immer mal kritisch evaluieren,

(Beifall CDU)

wie ist man angetreten, welche Befürchtungen gab es und was ist dann tatsächlich auch passiert.

Nun will ich aber für den Kommunalen Finanzausgleich auch eines sagen: Wir haben da die Selbstverwaltung. Die Kita-Debatte haben wir gestern ausführlich geführt; ich stehe da voll hinter dem, was sowohl vom Innenminister als auch vom Bildungsminister hier noch einmal gesagt worden ist. Kommunale Selbstverwaltung hat dann auch den Preis, dass Dinge, die wir vollumfänglich - ich bleibe dabei -, vollumfänglich mit 442 Mio. € finanzieren. Da muss man lange suchen, ob man überhaupt noch ein Land findet, wo man das pro Kopf umrechnet auf die Kinder und auch die Bevölkerung, wo solche Beiträge in das System gegeben werden. Aber die kommunale Selbstverwaltung hat uns halt abgenötigt, dass es zum Teil dann auch und zu einem auch sehr konkret bestimmten Teil durch das Gericht in kommunaler Selbstverwaltung verantwortet werden muss. Das haben wir zu akzeptieren. Deswegen hat die Landesregierung ihr Versprechen aber gehalten - eindeutig. Wir haben das Geld in das System gegeben und jetzt muss kommunale Selbstverwaltung damit auch entsprechend umgehen. Dass es da auch Nebeneffekte gibt durch die Tatsache, dass wir die Schlüssel erhöht haben, dass wir eine dichtere Betreuung ermöglicht haben, dass auf einmal Erzieherinnen und Erzieher auf dem Arbeitsmarkt, um mal bei diesen Kategorien zu bleiben, knapp werden und dass sich manche Erzieherin oder Erzieher, die bisher bei einem freien Träger waren, zu Löhnen und Gehältern, über die wir hier lieber an der Stelle nicht reden - man kann auch das offenlegen -, dann sagen, okay, dann gehe ich in den tariffinanzierten Bereich, z.B. in die Kommunen, und auf einmal Träger, die das bisher nie gemacht haben, gezwungen sind, um ihre Leute zu halten, Tariferhöhungen auch geltend zu machen. Das hat aber nichts mit unseren Finanzierungsströmen zu tun, sondern das hat etwas damit zu tun, dass offensichtlich da auch über viele Jahre Menschen nicht so entlohnt worden sind, nicht die Gehälter bekommen haben, wie z.B. mit der Tarifbindung hätten gezahlt werden müssen. Das ist eine Frage, da müssen sich auch die freien Träger einmal kritisch selber ansehen.

(Beifall CDU, SPD)

Ich will auch noch eines sagen: Wenn wir den Kommunalen Finanzausgleich neu ordnen und vor allen Dingen auch im Blick auf das, was wir beim jetzigen Kommunalen Finanzausgleich völlig zu Recht in Ansatz gebracht haben, dann gilt für die Kommunen, dass auch sie bei ihrer Finanzierung im Grunde drei Faktoren der Gestaltung beachten müssen.

Der erste Faktor sind die eigenen Einnahmen. Die eigenen Einnahmen müssen wir nach dem veranschlagen, was ihnen möglich ist bzw. wie das auch im gesamtdeutschen Konzert - da kann man die jungen Länder nehmen, man kann den gesamtdeutschen Durchschnitt nehmen - üblich ist und sich nicht künstlich runterrechnen lassen, sondern

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

fiktiv tatsächlich für diese Einnahmesituation so in Ansatz zu bringen. Es gibt dann unterschiedliche Schwerpunkte, die die Kommunen auch wieder in kommunaler Selbstverwaltung selber setzen. Aber auf das Kriterium eigene Einnahme zu eigener Leistungsfähigkeit können wir nicht verzichten. Deswegen haben wir, denke ich, völlig zu Recht so gehandelt, auch mit fiktiven Hebesätzen, die nicht über dem Durchschnitt liegen, sondern die immer noch, Herr Minister, einiges unter dem liegen, was in Sachsen ist. Ich denke, wir haben auch Unternehmen inzwischen, die das entsprechend finanzieren bzw. das muss dann auch kommunal ausgehandelt werden. Es ist vertretbar, das, was woanders geht, auch in Thüringen auf einem Durchschnittsniveau zu machen. Wie gesagt, es gibt Beispiele, wo das noch weitaus anders aussieht.

Dann sind es die Zuweisungen des Landes, richtig. Herr Mohring hat völlig zu Recht in seinem Plan hingewiesen auf Effizienzmöglichkeiten auch aus interkommunaler Zusammenarbeit, das ist ein Instrumentarium. Es ist auch möglich, dass wir noch einmal sehen bei dem, was wir an Möglichkeiten geben, um flexibler insgesamt zu handeln. Wir hatten ja in der letzten Legislatur schon über Modellregionen gesprochen, Standardabweichungsmöglichkeiten. Andere Länder haben solche Gesetze gemacht. Wir haben es dann nicht weitergeführt, aber all das ist noch einmal zu betrachten, weil ich nämlich nicht verkenne, dass die öffentlichen Finanzen die kommunalen Finanzen wie auch das, was wir jetzt für den Landeshaushalt diskutieren auch auf der Bundesebene - natürlich vor einem grundsätzlichen Problem stehen, dass die öffentlichen Haushalte allesamt ihre riesigen Schwierigkeiten haben.

Da erlaube ich mir auch ein Wort zur Gemeindefinanzreform auf der Bundesebene. Ich meine nicht, dass wir wirklich gewinnen können, wenn wir nun versuchen, eine Decke, die überall zu kurz ist, zugunsten einer anderen Ebene und zulasten einer anderen Ebene wiederum zu verschieben. Das bringt uns nicht wirklich weiter. Die öffentlichen Finanzen sind insgesamt in eine Bredouille geraten, weil wir ständig in den Aufgaben und Finanzierungsnotwendigkeiten draufgesattelt haben, was separat alles für sich - manchmal auch ein bisschen mit Gutmenschentum versehen - gute, lohnenswerte Dinge sind. Aber man muss immer mal die Gesamtrechnung machen, ob das die Standards im ökologischen Bereich sind. Natürlich wollen wir die Umwelt schützen, ganz richtig, aber sie steht eben auch nicht allein. Natürlich wollen wir so sozial wie möglich miteinander umgehen. Aber wenn das soziale Engagement dann dazu führt, dass eine ganze Gesellschaft sich immer mehr verschuldet und künftige Generationen die Folgen tragen müssen, dann müssen wir eben auch die Generationengerechtigkeit mit in die Waagschale werfen und

schauen, was können wir uns dann noch leisten. Und so könnten wir die Reihen durchgehen.

Das heißt, wenn wir die Gesamtbelastung durch Standards - ob sie von der Bundesebene kommen, ob sie von der europäischen Ebene kommen oder auch im Land selber - aufaddieren, geht das alles auf Dauer nicht mehr zusammen. Das heißt, auch da haben wir eine Evaluierungsarbeit zu leisten, auch da haben wir uns neben der Evaluierung dessen, was hier im Land geschehen muss, natürlich auf der Bundesebene, auch auf der europäischen Ebene zu Wort zu melden. Das war ja eine der Praxiskenntnisse von unserem bisherigen Innenminister Prof. Huber, dass er nie geglaubt hat bei all dem, was da auch gerichtlich entschieden wird, wie das dann in Kumulation vor Ort tatsächlich wirkt und in praktische Politik umgesetzt werden muss. Hier haben wir einen tatsächlichen Beitrag zu leisten in einer Bewusstseinsbildung, wo die Hauptaufgaben eines Umdenkens auch noch vor uns liegen. Ich denke, wir haben uns da über vieles schon auch innerhalb der Landesregierung verständigt. Wir haben ja aufgezählt, wo auch in diesem Haushalt ganz konkret zu kompensieren war, ob es die europäische Dienstleistungsrichtlinie ist, ob es das Geldwäschegesetz war, von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie muss ich gar nicht erst reden, das ist schon ein älteres Thema, ob es das Zensusprogramm war. Natürlich für die innere Sicherheit der BOS-Funk, das ist auch eine materielle Sache, das muss sein, da wollen wir uns natürlich auch gern in Ländersolidarität einklinken. Aber es sind jede Menge Richtlinien, jede Menge Verordnungen, die alle - und wenn es immer nur 1 Mio. ist oder manchmal sind es 2 Mio. und manchmal 10 Mio. - sich addieren. Deswegen haben wir, wenn es um die kommunalen Finanzen geht, aber auch insgesamt, unseren Landeshaushalt ganz klar auf dieser Ebene aufzuarbeiten. Auch das ist Arbeit, die in der Haushaltsstrukturkommission natürlich ein Stück anzusiedeln ist, aber wo auch noch weitergehend immer wieder von den Ressorts der Finger in die Wunde gelegt werden muss. Ich lade dann natürlich auch zu Beiträgen vonseiten der Abgeordneten, wem etwas ganz konkret auffällt, herzlich ein.

Das Dritte ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, das Gebot der strikten Sparsamkeit. Das gilt für uns im Land und das gilt auch im Blick auf die kommunalen Maßstäbe und das, was dort auch zu leisten ist.

(Beifall CDU)

Das heißt, wenn wir für die künftigen Haushalte weiter konsolidieren, und zwar in wirklich signifikanten Schritten, geht das nur, wenn wir auch entsprechend in die Strukturen hineingehen, wenn wir in die Verordnungen, wenn wir in diese Standards hineingehen - all das muss mit auf den Prüfstand.

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Da ist es sinnvoll, über eine gesamte Dekade Stichwort „Thüringen 2020“ - ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Da ist es aber auch natürlich unabdingbar, dass wir Nahziele formulieren. All das müssen wir leisten. Die Debatte haben wir ja angefangen in diesem Jahr, genau das zu tun, das Ende zu bedenken, zu wissen, wo wir am Ende rauskommen, um zu sehen, welche Schritte wir auf diesem Weg bis dahin gehen können, weil Menschen auch eine Perspektive brauchen und nicht nur von Jahr zu Jahr immer wieder mit neuen Zahlen, mit neuen Haushalten konfrontiert werden wollen und können, sondern weil wir insgesamt eine Perspektive brauchen, die ja auch nicht allzu lang ist, mit Verlaub. Wir wissen, wie schnell die letzten zehn Jahre um waren und dass wir im Freistaat Thüringen schon seit zwei Jahrzehnten hier aktiv sind, gehört auch dazu, das also alles in das richtige Verhältnis zu setzen.

Da sage ich: Konsolidierungspolitik ist natürlich schlichtweg - wenn wir an die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, insgesamt an die Eigenständigkeit denken, daran, dass wir hier nicht am Ende von einem „Obersparkommissar“ des Bundes oder einer Gemeinschaft von Bund und Ländern, des Stabilitätsrats, verwaltet werden wollen - das Zukunftssignal auch an unsere Kinder mit der Priorität „Bildung“ selbstverständlich, mit der Priorität „Innovation“, aber natürlich auch mit Infrastruktur, dass die Leute noch dahin kommen, wo sie hin wollen, um die Bildungsangebote anzunehmen, um hier im Freistaat Thüringen eine Perspektive zu haben. Das müssen wir alles miteinander sehen.

Aber alles ist nichts, wenn wir am Ende nicht mehr eigenständig über die Dinge, die uns wichtig sind, entscheiden können. Deswegen muss es in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden und deswegen ist Konsolidierung schlichtweg ein politisches Signal an die junge Generation. Und das sagen nun junge Leute selber, es ist uns das wichtigste Signal, denn es gibt dieses Bild, was ich immer wieder gebrauche, es sind die Kinder, die nicht auf unseren Schuldenbergen spielen dürfen, und es sind die Kinder, die von uns, letztlich unserer Verantwortung erwarten, wieder zu ausgeglichenen Haushalten zu kommen, Schuldenberge abzubauen. Das ist ein Weg, wo wir zunächst einmal damit anfangen müssen, nicht ständig weitere Schulden zu machen, geschweige denn, bis wir dahin kommen, tatsächlich mal zu tilgen, aber das Ziel muss natürlich beschrieben sein. Diese Zukunft beginnt immer im Hier und Jetzt und nicht in irgendeiner fernen Zeit. So müssen wir uns auch auf diese finanzpolitischen Dinge, die wir alle kennen, ich will das jetzt nicht wiederholen, mit den degressiven Einnahmen des Freistaats Thüringen vorbereiten.

Ich sehe, dass das die Fraktionen sehr umfänglich gemacht haben. 1.365 Änderungsanträge, das muss noch nichts über die Qualität sagen, sagt

aber etwas über Quantität, über Einsatz, über Mühe, die dahinter steht, aber eben auch, dass wir eine Gesamtschau der Dinge, wie sie Herr Mohring und auch Herr Höhn mit ihren Vorstellungen hier vorgetragen haben, bekommen haben. Ich meine, da haben wir genügend Möglichkeiten, genügend Impulse, über die wir uns jetzt auch substanziell in der Koalition verständigen, natürlich verständigen mit allen, die hier auch ihren Beitrag zu dieser großen Aufgabe, die wir in Thüringen leisten müssen und können, die Koalition hat sich das Motto gestellt: „Gemeinsam mehr erreichen“. Mit „gemeinsam“ ist die Koalition gemeint, sind aber alle Akteure im Land gemeint, sich hier einzubringen. Das ist in der Tat auch eine Beobachtung bzw. etwas, was sehr diskutiert wird, die Menschen im Land, die Bürgerinnen und Bürger, um deren Zukunft und um die Zukunft ihrer Kinder es geht, tatsächlich das mit zu ermöglichen und bei dem, was alles vordringlich, schnell notwendig ist, aber in der Gesamtperspektive wir dies gemeinsam bauen können, gemeinsam bauen wollen.

Einen Schritt haben wir ja sehr deutlich gemacht: Es ist gut, dass es inzwischen nahezu als selbstverständlich angesehen worden ist, aber selbstverständlich ist das bei Weitem nicht gewesen, jedenfalls über lange Zeit wäre es nicht selbstverständlich gewesen. Es ist jetzt unter uns selbstverständlich, dass wir z.B. die Steuermehreinnahmen ausnahmslos in die Senkung der Nettokreditaufnahme getan haben.

(Beifall CDU)

Auch das gehört dazu. Ich denke, Sie können die Impulse sehen, Sie können die Richtung sehen, die Richtung, die im Übrigen auch mit der Mittelfristigen Finanzplanung eindeutig orientiert ist. Das war bei der 2010er noch anders, aber bei der 2011er ist die Richtung eindeutig. Deswegen sage ich, wir sind auf einem richtigen Weg mit dem, was unsere bisherige Finanzministerin Marion Walsmann vorgelegt hat, was Sie - und ich bleibe dabei - auch zu Ende beraten hat und was nahtlos unser neuer Finanzminister Dr. Voß übernehmen wird und dass wir insgesamt mit der Aufstellung der Landesregierung da in Zukunft noch mehr Wert darauf legen bzw. ein noch größeres Gewicht darauf setzten, das ist, denke ich, auch hinlänglich deutlich geworden. Deswegen danke ich allen, die sich an der Beratung beteiligt haben, in dem Haushaltsausschuss auch in den Facharbeitskreisen der Fraktionen und jetzt auch heute hier im Hohen Haus. Ich hoffe, dass wir damit auf einem guten Weg für die Finanzpolitik auch des Freistaats Thüringen sind. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Mein Blick geht jetzt in die Runde. Für die FDP hat sich der Abgeordnete Barth schon zu Wort gemeldet. Durch die Rede der Ministerpräsidentin verlängert sich die Redezeit für die Fraktionen um 7 Minuten und 39 Sekunden.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerpräsidentin, eine Rede von 27 Minuten und 39 Sekunden, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, von der eigenen Fraktion immerhin zwei Mal durch Applaus unterbrochen, beim Koalitionspartner haben sich beim Schlussapplaus zwei Hände geregt, wenn ich das richtig gesehen habe, spricht ja zumindest mal für überschaubaren Rückhalt in der eigenen Koalition dessen,

(Beifall FDP)

was Sie hier vorgetragen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Haushalt mit insgesamt 470 Mio. € Neuverschuldung. In der Summe beläuft sich die Neuverschuldung, die wir in diesem Kalenderjahr hier in diesem Hohen Haus beschlossen haben, auf 1,3 Mrd. €. Die Ministerpräsidentin hat von einem Erfolg in der Haushaltspolitik gesprochen. Mein Maßstab für Erfolg, das will ich hier offen gestehen, sieht, was Haushaltspolitik betrifft, deutlich anders aus.

(Beifall FDP)

Jeder vierzehnte Euro, fast 7 Prozent oder etwa 7 Prozent des Landeshaushalts gehen zurzeit in den Schuldendienst. Und Sie, Frau Ministerpräsidentin, haben, auch wenn Sie es hier versucht haben, das anders darzustellen, am Tag vor der Verabschiedung des Haushalts, die bisher verantwortliche Ministerin schlicht und ergreifend aus dem Amt gejagt und haben ihr hier dann auch noch gedankt. Wenn das Ihre Form des Dankes ist, Frau Ministerpräsidentin, dann hoffe ich, dass Sie nie irgendwie den Anlass haben, mir einmal für irgendetwas zu danken, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wenn Sie dieser Tage in der Zeitung mit einem Zitat zitiert werden, was lautet: „Bei vielen Dingen sind wir in Thüringen gut oder im guten Mittelfeld, nur bei den Finanzen ist uns das bisher noch nicht gelungen.“ dann ist das sicherlich eine objektive Einschätzung, steht aber auch im merkwürdigen Widerspruch zu dem, was Sie hier gesagt haben, insbesondere werde ich ganz unruhig, wenn Sie dann sagen, dass der neue Finanzminister das nahtlos fortführen soll, was Frau Walsmann immerhin als nun noch nicht einmal gut oder gutes Mittelfeld ihm hinterlässt. Dann, Herr Voß, weiß ich jetzt