Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

(Unruhe FDP)

(Abg. Barth)

Meine Damen und Herren, auch - und ich wende mich im Wesentlichen an Sie, weil Sie Antragsteller sind - die FDP ist für das bisherige Verfahren voll mit verantwortlich. Das Verfahren sagt einfach schlicht und trocken: Die Landesregierungen werden maximal angehört. Und um das auch gleich zu sagen, wie sich die Landesregierung dann äußern wird, ist vollkommen klar, und das seit Monaten, seit Jahrzehnten. Der Herr Abgeordnete Fiedler hat dies erwähnt, das gilt auch für die SPD. Wir pflegen seit Jahren einen guten, teilweise hervorragenden Kontakt zu unseren Bundeswehrstandorten, ob zu den Offizieren, ob zu den Soldaten und zu den Bürgermeistern. Deshalb weiß dort jeder, dass wir zu unseren Standorten stehen. Es gibt keinen Erklärungsbedarf zu dieser Haltung.

Meine Damen und Herren, ich habe es vorhin schon mal erwähnt, hilfreich wäre es schon, wenn CDU und FDP in Berlin dafür sorgen würden, dass die Länder in diesem Verfahren ein größeres Mitspracherecht bekämen.

(Beifall SPD)

Das beträfe zuerst und im Kern die Frage nach einem Kriterienkatalog zur Schließung oder zum Erhalt von Bundeswehrstandorten. Herr Barth, aber genau das habe ich erwartet, dazu kein Satz von Ihrer Seite. Ich hoffe, dass es sich nämlich jetzt nicht rächt, dass CDU und FDP erst die Aussetzung der Wehrpflicht beschlossen haben und sich jetzt mit den Folgen beschäftigen. Das war schon rhetorisch akrobatisch, wie Sie uns erklärt haben, dass Sie beschlossen haben, die Wehrpflicht auszusetzen, aber eigentlich gemeint haben, dass Sie sie abgeschafft haben. Also wenn Sie sie abschaffen wollen, dann sagen Sie es doch und schreiben Sie es in die entsprechenden Papiere,

(Beifall SPD)

das hilft, dann später nicht solche Kapriolen zu machen.

Meine Damen und Herren, ich bin auch vollkommen überrascht, dass Herr Barth von einer bekannten Bundeswehrreform gesprochen hat. Herr Barth, welche Bundeswehrreform meinen Sie eigentlich? Es gibt eine, über die ist viel in den Medien Bericht erstattet worden. Ausgangslage war das Diktat des Finanzministers, auch die Bundeswehr muss sparen, und zwar 8,3 Mrd. €. Ich kann mich noch sehr gut an das souveräne Auftreten unseres Verteidigungsministers in der entsprechenden Klausur erinnern, wo er gesagt hat, ich zeige denen jetzt mal, wie es geht und er sagte - und das war ursprünglich die Bundeswehrreform: Wir müssen die 250.000 Soldaten so abbauen, das 185.000 übrig bleiben. Das bedeutet dann übrigens auch für die Zivilangestellten, dass deren Anzahl von 100.000 auf 65.000 abgebaut wird.

Mittlerweile wissen wir, dass der Stellenabbau auf 185.000 Soldaten überhaupt nicht ausreichend ist, um diese Sparziele zu erreichen. Auch hier ist bemerkenswert, es wird öffentlich diskutiert seit einer Woche und die FDP befindet sich auf totaler Tauchstation. Für die CDU, ich gehe mal davon aus, dass das noch so ungefähr die Linie ist, äußert sich zumindest das Bundeskanzleramt. Dort wird gerechnet, die Fehlanalyse von zu Guttenberg bestätigt und zumindest die Experten aus dem Bundeskanzleramt ziehen daraus den Schluss, dann müssen noch mehr Standorte in Deutschland geschlossen werden. Herr Barth, was sagen Sie denn eigentlich dazu?

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist logisch, dass ein solch erheblicher Stellenabbau bei der Bundeswehr auch Auswirkungen auf die Thüringer Standorte haben muss. Wer anderes sagt, weiß nicht, wovon er redet. Anhand ich habe das vorhin schon einmal erwähnt - eines objektiven Kriterienkatalogs kann man sich doch dann darauf verständigen, diesen Abbau zu erklären und nicht mit Scheinargumenten zu überdecken. Dann aber - und auch dazu gibt es keine Idee von der FDP - müssen wir über ein Strukturhilfeprogramm für die betroffenen Regionen sprechen. Auch das wird dann Aufgabe des Bundes sein, Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen. Auf diese Idee ist die Thüringer FDP noch nicht gekommen.

Meine Damen und Herren, insbesondere von der FDP, es ist noch Redezeit, erklären Sie uns doch endlich mal, wie Sie Ihren angeblichen Einfluss auf die Bundesregierung in dieser Frage wahrnehmen wollen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder ist es so, wie der Verkehrsminister gestern in der Aussprache zu einem anderen Tagesordnungspunkt formuliert hat - und das scheint Linie Ihrer Fraktion zu sein -, er hat gesagt, Sie schreiben hier Anträge, die nicht mal auf Ihrem Bundesparteitag eine Mehrheit finden würden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es geht nicht in erster Linie darum, hier im Landtag Anträge zu schreiben. Es geht darum, auf der Bundesebene zuallererst Verantwortung zu übernehmen, und weil dies das Hauptkriterium bleibt, kann es keine Zustimmung zu dem Antrag der FDP-Fraktion geben. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Schubert zu Wort gemeldet.

(Abg. Gentzel)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung an Herrn Fiedler. Herr Fiedler, Sie haben den Wettbewerb aufgemacht, welche Fraktion bei welchen Veranstaltungen zahlreicher vertreten ist.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Zum „Schottern“ kommen wir nicht mit.)

Wir auch nicht. Da würden wir uns nie treffen, Herr Fiedler. Ich möchte Ihnen empfehlen, sich mal mit meinem Kollegen Herrn Augsten zusammenzusetzen und er wird Sie darüber informieren, wie denn die Teilnahmequote Ihrer Fraktion und der SPDFraktion bei Veranstaltungen zum Thema Agrar und ländlicher Raum ist. Das Angebot steht. Bitte schön.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was hat Agrar mit Bundeswehr zu tun?)

Zum Antrag der FDP: Ich drücke es mal nicht ganz so drastisch aus wie mein Vorredner Herr Gentzel. Dies ist nicht der erste Antrag der FDP-Fraktion, der bei uns doch viel Unverständnis ausgelöst hat. Das Meiste dazu ist von meinem Vorredner auch schon gesagt worden, deswegen möchte ich das auch nur kurz ergänzen. Sie sind ja auch Mitglieder einer Bundespartei und diese Bundespartei hat sich offensichtlich mit der Strukturreform der Bundeswehr angefreundet, auch mit dem Argument der Kostenreduktion, insofern auch noch unser Appell: Dann muss man diese Verantwortung auch im Land dafür übernehmen und nicht mit Scheinargumenten versuchen, Hoffnungen zu erwecken, die völlig unrealistisch sind.

Ein zweiter Punkt: Es ist doch erstaunlich, dass Sie die Bundeswehr plötzlich als Standortfaktor in Thüringen entdecken. Da empfehle ich Ihnen, es gibt Standortfaktoren mit viel größerem Potenzial. Sie haben auf der Bundesebene mit dafür gesorgt, dass einer dieser Standortfaktoren massiv gefährdet ist. Alle Stadtwerke, die angefangen haben in erneuerbare Energien zu investieren, in die Erzeugung von erneuerbaren Energien, sind ausgebremst worden durch Ihren Beschluss, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern.

(Unruhe CDU, SPD)

Fangen Sie an, an dieser Stelle die richtigen Konsequenzen zu ziehen und das rückgängig zu machen. Das wäre besser für Thüringen als das, was Sie mit diesem Antrag bezwecken. Unsere Fraktion lehnt diesen Antrag ab. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seitens der Abgeordneten gibt es keine weiteren Redeanmeldungen. Für die Landesregierung Herr Innenminister Geibert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, liebe Abgeordnete Frau Schubert, überlassen Sie bitte das Thema Bundeswehrreform nicht den Agrarpolitikern, dann kann nichts dabei herauskommen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Das würde ich aber anders sehen.)

(Heiterkeit CDU, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, die Bundeswehr ist fester und geschätzter Teil unserer Gesellschaft.

(Beifall CDU)

Ja, Thüringen steht zu den hier stationierten Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigten.

(Beifall CDU)

Ja, die Thüringer Landesregierung setzt sich nachdrücklich für den Erhalt aller Bundeswehrstandorte ein. Das Bundesministerium der Verteidigung ist aktuell damit beauftragt, die Strukturen der Bundeswehr zu prüfen, um den zukünftigen Erfordernissen der Befähigung zum Einsatz und den Vorgaben des Bundeshaushalts gerecht werden zu können.

Nach der Vorlage des Berichts des Generalinspekteurs vom 7. Juli 2010 und des Berichts der Strukturkommission vom Oktober 2010 hat der Bundesverteidigungsminister eine Reduzierung des Personalumfangs der Soldatinnen und Soldaten von derzeit 252.500 auf rund 185.000 Mann bekannt gegeben. Es wird sich zeigen müssen, ob es bei dieser Größenordnung bleibt. Auf Beschluss der Bundesregierung wird die Wehrpflicht künftig ausgesetzt werden. Dies ist der erste konkrete Schritt zur Umsetzung der Bundeswehrreform, die nach Aussage von Minister zu Guttenberg in der Sitzung des Bundesratsausschusses für Verteidigung am 1. September 2010 einen Zeitraum von ca. sechs bis acht Jahren in Anspruch nehmen wird. Eine Entscheidung zu Standorten kann dabei, so Minister zu Guttenberg, nicht vor Mitte dieses Jahres getroffen werden. In derselben Sitzung äußerte der Verteidigungsminister außerdem, den Bundesratsausschuss an der Diskussion zu Standortfragen zu beteiligen. Insoweit, Herr Abgeordnete Barth, macht es durchaus Sinn, die Vertretung in dem Ausschuss für Verteidigungsfragen des Bundesrats nicht wie sonst in den Bundesratsausschüssen auf Fach-, sondern auf politischer Ebene - und das war eben der Gehalt auch der Beantwortung der Anfrage

wahrzunehmen, so wörtlich, nicht unmittelbar sofort Entscheidungen zu treffen, die plötzlich ohne jede Vorwarnzeit innerhalb weniger oder Monate umgesetzt werden sollen. Ähnlich äußerte sich Minister zu Guttenberg auch in seiner Rede bei der Bundeswehrtagung am 22. November 2010 in Dresden. Dort sicherte er auch den Kommandeuren und Chefs, vom Divisionskommandeur bis zum Kompaniechef, zu, diese an Stationierungsfragen zu beteiligen, die Erfahrungen früherer Stationierungsrunden sorgfältig auszuwerten und dabei auch die Verbundenheit zwischen Bundeswehr und Gesellschaft im Blick zu behalten. Für die Standorte in Thüringen spricht dabei, dass sie nach umfangreichen Renovierungsmaßnahmen auf dem neuesten Stand sind. In den Standorten der Bundeswehr in den neuen Ländern ist der Aufschwung Ost in besonderer Weise sichtbar geworden.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat seit dem Jahr 1990 über 600 Mio. € in seine Liegenschaften in Thüringen investiert. Dabei sind weit über 80 Prozent der insgesamt benötigten Mittel in Standorte wie Erfurt, Gotha, Sondershausen, aber auch die Sportfördergruppe in Oberhof geflossen. In die Werratalkaserne in Bad Salzungen sind sogar bereits über 90 Prozent der benötigten Mittel investiert worden. Der verbleibende Restinvestitionsbedarf in den nächsten Jahren ist somit gerade auch im Verhältnis zu den alten Bundesländern vergleichsweise gering.

Für Thüringen spricht insbesondere aber auch die Tatsache, dass die Bundeswehr hier auch mit Blick auf die nicht erwünschte Abwanderung gerade jüngerer Landeskinder ein größeres Potenzial für zukünftige Zeit- und Berufssoldaten vorfindet, auf das die Bundeswehr gerade auch nach dem Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht angewiesen sein wird. So stammen schon heute rund 85 Prozent der in Thüringen stationierten jungen Soldatinnen und Soldaten aus Mitteldeutschland, fast 40 Prozent direkt aus Thüringen. Neben den strukturellen Argumenten, die für die Thüringer Standorte sprechen, gibt es die Chance, in diesem Prozess der Neustrukturierung und auch bei den Standortentscheidungen beratend Einfluss zu nehmen. Ebenso nutzt die Landesregierung alle Möglichkeiten, die sich darüber hinaus bieten. So hat etwa die Innenministerkonferenz auf Betreiben Thüringens im vergangenen November beschlossen, dass auch künftig in allen Ländern Landeskommandos vorgehalten werden sollen nach anderen Planungen aus dem Verteidigungsressort.

Wir halten natürlich engen Kontakt zu den Verantwortlichen und Befehlshabern vor Ort sowie zu allen vorgesetzten Stellen. Es vergeht keine Woche, in der nicht die zuständigen Mitarbeiter meines Hauses, ich selbst und insbesondere auch die Ministerpräsidentin Gespräche zum Erhalt unserer Standorte führen. Ich gehe davon aus und hoffe,

dass auch die Antragstellerin insbesondere ihre in Berlin bestehenden Gesprächsmöglichkeiten im Interesse Thüringens nutzt.

(Beifall SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ja, die Bundeswehr ist fester und geschätzter Teil unserer Gesellschaft. Ja, Thüringen steht zu den hier stationierten Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigten. Ja, die Thüringer Landesregierung setzt sich nachdrücklich für den Erhalt aller Bundeswehrstandorte ein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Es gibt noch eine Wortmeldung. Für die FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Bergner.

Danke, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister Geibert, ich danke Ihnen ausdrücklich für den sehr sachlichen Bericht, den Sie hier vorgetragen haben, der, wie ich meine, auch im Sinne unseres Antrags ist. Ich denke, Herr Gentzel hat leider bei der Rede unseres Fraktionsvorsitzenden eben nicht richtig zugehört. Es geht, meine Damen und Herren, im Kern darum, dass bei Truppenreduzierungen, die nun einmal so oder so anstehen, natürlich auch Standorte zur Debatte stehen. Da ist es nach unserer festen Auffassung schon Aufgabe gerade von Landespolitikern, für den Erhalt der Thüringer Standorte zu werben. Ich darf das auch ganz dezidiert sagen, da sehen wir uns als Thüringer Liberale natürlich zuerst in der Verpflichtung, für das Land Thüringen und die Standorte im Land Thüringen einzustehen. Da gibt es einen Satz im Volksmund, der sagt etwas salopp: „Das Kind, das schreit, kriegt zuerst die Brust.“ Da sage ich Ihnen, wenn wir es verschlafen, rechtzeitig für unsere Belange zu werben, dann werden die anderen sich freuen, dann werden die anderen den Vorteil davon haben.

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Das tun wir doch schon, Herr Bergner.)

Deswegen, meine Damen und Herren, sage ich Ihnen, es geht nicht nur um Standortaspekte, sondern es geht auch um militärische Aspekte. Kollege Fiedler sprach von dem Panzerpionierbataillon in Gera, in dem ich selber schon des Öfteren gewesen bin. Ich hätte den Termin, nebenbei gesagt, auch gern möglich gemacht, aber zur selben Zeit hatte ich bereits zugesagt zu einer sehr hervorragenden Veranstaltung zum Thema Bürgerrechte bei Minister Poppenhäger, übrigens mit Dr. Burk