Protokoll der Sitzung vom 23.02.2011

Zunächst einmal: Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts wird nicht nur rückwirkend zum 1. Januar 2011 um 5 € auf 364 €, sondern zusätzlich ab dem 1. Januar 2012 um 3 € angehoben. Diese Sonderanpassung berücksichtigt die Preisund Lohnentwicklung des 1. Halbjahres 2010, die bislang nicht berücksichtigt worden war. Die dann erreichten 367 € sind Basis für die reguläre Anpassung auf Basis der Lohn- und Preisentwicklung.

Zum Zweiten: Das Bildungspaket wird zusätzlich zu den Leistungsempfängern nach SGB II und SGB XII auch Kindern von Wohngeld- und Kinderzuschlagsbeziehern zugute kommen. Das Bildungspaket wird nicht, wie ursprünglich vorgesehen, von den Jobcentern umgesetzt, sondern von den Städten und Gemeinden, so dass Bildungsund Teilhabeleistungen unmittelbar auf den vorhandenen kommunalen Strukturen aufbauen und die vor Ort vorhandenen Erfahrungen im Interesse der Kinder und Jugendlichen genutzt werden können. Außerdem werden hierdurch Doppelstrukturen vermieden.

Herr Koppe, ich muss das so krass sagen, hat gelogen. Es ist nicht so, dass die FDP an der Stelle irgendetwas getan hat,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Ministerinnen und Minister der FDP ins Kabinett rein- und rausgegangen. Er ist mit Stimmen der FDP auch beschlossen worden. Damit ist bewiesen und niedergeschrieben, dass die FDP an der Stelle überhaupt nichts getan hat.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Kommunen Vereinfachung bekommen, liegt auch an der Vereinbarung, die wir innerhalb unserer Landesregierung getroffen haben, nämlich

dass wir den Vermittlungsausschuss anrufen. Alle Arbeits- und Sozialminister haben sich dazu verständigt, dass das Verfahren, was Frau von der Leyen mit den Stimmen der FDP vorgelegt hat, völlig untauglich ist und nur Bürokratie bringt. Es kann mir keiner erzählen, dass Sie eine Minute darüber nachgedacht haben, was das überhaupt für Bürokratie- und auch für Folgekosten hat. Es wird trotz alledem schwierig sein, überhaupt einen Weg zu finden, der unbürokratisch ist und der gemeinsam mit den Kommunen dann auch das umsetzt, was wir gemeinsam im Bildungs- und Teilhabepaket tun wollen.

Ich will auch Herrn Dr. Zeh noch einmal antworten. Natürlich hat die SPD das damals nicht vergessen. Wir hatten eine andere Zeit, das müssen Sie sich mal überlegen, 2005. Wir haben die Sozialhilfesätze übernommen damals. Das war ein Gerechtigkeitsansatz zwischen SPD und GRÜNEN, zu sagen, es darf keine steuerfinanzierte Leistung geben, einmal Arbeitslosenhilfe, die so finanziert wird und die so eine Basis hat, auf der anderen Seite die Sozialhilfe, die eine völlig andere Basis hat. Das war ein grundanständiger Ansatz, der bei SGB II zugrunde liegt. Deswegen werde ich mich da auch nicht beirren lassen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damals fand ich es auch gut, dass vier Parteien am Ende gemeinsam gesagt haben, es soll neue Möglichkeiten auch zur Förderung geben.

Die Kosten für das gemeinsame Mittagessen werden nicht nur in Kindertagesstätten und Schulen, sondern zunächst befristet bis Ende 2013 auch in Horten übernommen. Das trifft natürlich unseren Hort in der Schule nicht, weil er Teil der Schule ist, trifft aber die Horte, die außerhalb liegen. Deswegen, denke ich, ist an der Stelle nochmaliges Verhandeln auch gut gewesen. Außerdem wird der Bund zusätzliche Mittel bereitstellen, um Schulsozialarbeit an Schulen zusätzlich in sozialen Brennpunkten zu finanzieren, die sich direkt um Kinder und Jugendliche kümmern können. Der Bund stellt dafür zunächst bis 2013 die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung.

Was auch ganz wichtig ist, wir haben oft darüber gesprochen und, ich glaube, da besteht auch Einigkeit hier im ganzen Haus unter allen Parteien, die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Übungsleiter werden zukünftig bis zu 175 € nicht mehr auf den Regelsatz angerechnet. Wir können uns entsinnen, wir haben das auch für ehrenamtliche Bürgermeister schon einmal diskutiert, was da passiert. Wichtig ist das, denke ich, in jedem Fall. Denn wenn wir schon sagen, wer von Arbeitslosigkeit betroffen ist und sich ehrenamtlich engagiert, der soll dafür auch nicht in diesem Maße herangezogen werden, der soll dafür nicht bestraft werden. Deswegen ist das ein wichtiger Punkt.

Ein Weiteres: Um zu einer baldigen Verbesserung der kommunalen Finanzsituation beizutragen, ist der Bund bereit, Sozialausgaben, die bisher von den Gemeinden getragen wurden, zu übernehmen. Unter diesen Bedingungen wird der Bund die Finanzierung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in drei gleichen Stufen ansteigend bis zum Jahr 2014 vollständig übernehmen. Im Jahr 2010 betrugen die Ausgaben für die Grundsicherung in Thüringen etwa 47 Mio. €. Die Kosten werden voraussichtlich steigen, so dass hier mit einer erheblichen perspektivischen Entlastung zu rechnen ist. Das betrifft im Übrigen auch den Landeshaushalt. Außerdem soll der Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft nach SGB II erhöht werden. In Thüringen geht es hier um eine Größenordnung von voraussichtlich 40 Mio. € mehr. Allerdings stehen den genannten Entlastungen der Kommunen eben auch die Belastungen durch Bildungspaket, Mehraufwendungen für die Kommunen durch Einbeziehung der Warmwasserbereitung in die Leistungen zur Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung sowie durch die Erhöhung des kommunalen Finanzierungsanteils an den Verwaltungskosten der Jobcenter im SGB II gegenüber. Auch das Land muss unmittelbar auf eine Erhöhung des Umsatzsteueranteils verzichten, was ihm an sich durch Kürzungen der Bundesbeteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung zustehen würde.

Ein weiteres Ergebnis ist die Einführung von Mindestlöhnen für 1,2 Mio. Beschäftigte in der Zeitarbeit, im Sicherungsgewerbe und in der Weiterbildungsbranche. In Thüringen betrifft das immerhin etwa 35.000 Beschäftigte und damit kann man sagen, dass für die Leiharbeiter ein Mindestlohn erreicht worden ist, wenngleich wir als Landesregierung es auch problematisch sehen, dass es immer noch zwei Löhne gibt, einen Ost- und einen Westlohn. An der Stelle müssen wir, denke ich, auch weiterarbeiten.

Meine Damen und Herren, das Paket ist wesentlich komplexer, als man das hier in der Aktuellen Stunde darstellen kann. Wir sind auch gern bereit, als Landesregierung dort zu informieren, wenn dann alle Dinge genau vorhanden sind. Herr Dr. Zeh hat das ja angebracht und ich denke, das ist ein guter Vorschlag. Alles in allem müssen wir aber auch bedenken, man kann nicht über Monate und Jahre über so ein Thema streiten. Deswegen hat sich, das will ich auch für die A-Seite sagen, natürlich auch die SPD zu diesem Kompromiss am Ende entschieden, auch wissentlich entschieden, dass wir an manchen Stellen auch gemeinsam weiterarbeiten müssen. Zum Beispiel haben wir als Sozialministerium jetzt auch eingebracht, dass wir die Bemessungsgrundlage, also die Basis der Erhebung, auch verändern müssen. Das heißt, die nächste Stichprobe muss anders aussehen. Schon da fängt die Frage der Berechnung an. Das kann man für

diese jetzige Berechnung gar nicht mehr ändern, aber das wäre z.B. so ein Thema, an dem wir weiterarbeiten müssen.

Ich will noch einmal betonen: Es war das beharrliche Verhandeln der Bundesländer, und da beziehe ich auch die anderen Bundesländer mit ein, da ist Bayern genauso dabei gewesen wie Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, weil für uns wichtig war, dass wir natürlich am Ende auch eine auskömmliche Finanzierung des Bundes für all diese Aufgaben an die Länder bzw. an die Kommunen haben. Denn unsere Haushalte vertragen gemeinsam nicht, das will ich mal deutlich sagen, dass weitere Lasten auf Länder und Gemeinden übertragen werden können. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD)

Damit schließe ich den vierten Teil der Aktuellen Stunde und die Aktuelle Stunde insgesamt.

Ich rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 22

Fragestunde

Die erste Frage ist die des Herrn Abgeordneten Hauboldt, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/2249. Herr Abgeordneter Hauboldt, Sie haben das Wort.

Überwachung von Straftätern durch die Thüringer Polizei

Medienberichten, so einem Artikel der „Thüringer Allgemeinen“ vom 31. Januar 2011, ist zu entnehmen, dass sich die Thüringer Polizei bzw. das LKA nach eigenen Angaben in der nächsten Zeit auf die Überwachung von ca. 150 Straftätern in Thüringen einstellt, deren Haft endet. Aus den Medienberichten ist nicht ersichtlich, wie die Fallzahlen ermittelt wurden und ob bzw. wie die Maßnahmen durchgeführt werden können.

Ich frage die Landesregierung:

1. Auf welcher Daten- bzw. Faktengrundlage einschließlich der rechtlichen Voraussetzungen kommt die Thüringer Polizei zu dem Ergebnis, es stünde in absehbarer Zeit die Überwachung von 150 Straftätern in Thüringen an?

2. Inwiefern und unter Anwendung welcher Kriterien werden Fachleute bzw. Gutachter in die notwendige Prognosefeststellung bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Maßnahme einbezogen?

3. Wie werden bzw. wurden in der Vergangenheit im Allgemeinen solche Überwachungsmaßnahmen (personell/logistisch) ausgestaltet und welche Alter

(Ministerin Taubert)

nativen gibt es nach Ansicht der Landesregierung dazu?

4. Wie wird nach Kenntnis der Landesregierung in anderen Bundesländern in vergleichbaren Fällen verfahren?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Rieder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hauboldt beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Zahl beruht auf Schätzungen des Landeskriminalamts. Grundlage dafür war eine Erhebung eines anderen Landes, die ergeben hat, dass etwa ein Drittel der unter Führungsaufsicht stehenden Personen Sexualstraftäter sind.

Zu Frage 2: In der Regel entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob eine Person als Risikoproband einzustufen ist. Risikoprobanden sind Sexualstraftäter, bei denen wegen der Art und Schwere der begangenen Tat oder ihrer Persönlichkeit oder ihres Verhaltens nach der Tat sowie aufgrund weiterer Anhaltspunkte der erneute Rückfall erhebliche Gefahren für Leib oder Leben anderer mit sich bringen würde. Entscheidungsgrundlage sind Erkenntnisse aus den zur Anlasstat vorliegenden Straf- und Beiakten, insbesondere die hierzu erstellten Gutachten.

Zu Frage 3: In der Vergangenheit wurden entlassene rückfallgefährdete Sexualstraftäter im Rahmen der Führungsaufsicht der Justiz überwacht. Diese Verfahren waren lückenhaft. Deshalb werden künftig bei Risikopersonen zusätzlich Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr durchgeführt. Dazu gibt es keine vernünftige Alternative.

Zu Frage 4: Auch in anderen Bundesländern existieren analoge Konzepte zur Überwachung von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern. Vorreiter für diese Vorgehensweise war der Freistaat Bayern, welcher Ende 2006 ein entsprechendes Landeskonzept in die Praxis umsetzte.

Es gibt noch Nachfragen.

Ja, danke schön. Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, diese Datenerhebung beruht auf Schätzungen des LKA und auf Erhebungen anderer Bundesländer. Ist geplant, dass Thüringen eigene Erhebungen selbst anstellen möchte zum einen?

Eine zweite Frage sei mir gestattet an dieser Stelle: Wird aus den Schätzungen bzw. auch eventuell eigenen Erhebungen hier in Thüringen der Personalschlüssel für die Polizei daraus bewertet, überarbeitet und welche Notwendigkeit ergibt sich daraus?

Zur ersten Frage: Herr Abgeordneter Hauboldt, eigene Erhebungen sind nicht beabsichtigt. Sie sind auch nicht erforderlich, weil die Praxis jetzt zeigen wird, ob die Schätzung zutreffend ist.

Zum Personalschlüssel: Es wurde ein Psychologe eingestellt beim Landeskriminalamt, der besondere Expertise und Kompetenz hat. Das ist der Personalansatz.

Es gibt eine weitere Anfrage aus der Mitte des Hauses. Herr Abgeordneter Meyer.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass die bisherige Überwachung durch die Justizbehörden lückenhaft gewesen sei. Können Sie ausführen, wie viele in den letzten Jahren daraufhin erfolgte Straftaten und welcherart Straftaten eigentlich zu verzeichnen gewesen sind durch diese potenziellen Rückfalltäter?

Ja, die Frage ist, worauf sich das „lückenhaft“ bezieht. Die Führungsaufsicht ordnet häufig an, dass ehemalige Straftäter bestimmte Orte nicht aufsuchen dürfen; es werden auch Auflagen verhängt, irgendwo einen Wohnsitz zu nehmen. Das kann die Führungsaufsicht allein nicht wirksam kontrollieren, dazu bedarf es der Polizei.

Es gibt noch eine letzte Möglichkeit zum Fragen. Bitte, Herr Meyer.

Genau darauf zielte meine Frage ab. Was ist daraufhin an Problemen, sprich an Straftaten, zu verzeichnen gewesen, dass diese lückenhafte Führungsaufsicht bislang bestanden hat?

Ich habe gerade das System erklärt. Wenn Anordnungen der Führungsaufsichten in der Praxis nicht vollständig überprüft werden, dann heißt das natür

(Abg. Hauboldt)

lich, dass nicht ausreichend Vorsorge getroffen wird.