Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Was heißt das jetzt in der Thüringer Schulordnung? Wir brauchen, damit individuelle Förderung nicht nur ein abstrakter Anspruch ist, konkrete Instrumente dafür. Wir haben deshalb in der Schulordnung festgeschrieben, dass es eine flexible Schuleingangsphase gibt. Alle, die sich ein bisschen näher damit beschäftigt haben, wissen, dass Kinder gerade am Beginn der Schulzeit noch sehr unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten haben, auch mit unterschiedlichen Entwicklungsständen in die Schule kommen. Damit alle gut in ihre Schulkarriere starten können, braucht es diese Flexibilisierung am Anfang. Die einen sind in der Lage, die ersten zwei Klassenstufen in nur einem Jahr zu absolvieren, weil sie schon sehr weit sind. Andere brauchen zwei Jahre und andere vielleicht auch drei Jahre, um die ersten beiden Klassenstufen zu absolvieren. Das ist doch ein vernünftiger Einstieg in einen optimalen Schulweg, am Anfang dafür zu sorgen, dass die Unterschiede stärker ausgeglichen werden können und jeder individuell gefördert werden kann. Dieser Idee entspricht jetzt auch der Vorschlag, eine individuelle Schulabschlussphase zu schaffen. Auch dort kommt es noch mal ganz besonders darauf an, am Ende der Schulkarriere dafür zu sorgen, dass auch jeder wirklich einen Abschluss erreichen kann. Es macht doch keinen Sinn, wenn so viele Schülerinnen und Schüler wie heute die Schule ohne Abschluss verlassen und dann Schleifen drehen in weiteren Fördersystemen, sondern die Schule hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Kinder einen Abschluss erreichen können und dass sie damit gute Startbedingungen in Berufsausbildung und Beruf am Ende haben.

Herr Barth, ich komme gleich zu der Frage der Noten und auch zu der Frage der Versetzung. Zunächst einmal zu den Noten. Sie haben ja auch dazu beigetragen, draußen zu verbreiten, die Thüringer Landesregierung will jetzt die Noten abschaffen. Was für ein Nonsens!

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Das haben Sie selber gesagt.)

Das habe ich auch nie gesagt, sondern was ich gesagt habe ist: Ich bin überzeugt, dass wir, wenn wir individuell fördern wollen, neben der Note eine verbale Leistungseinschätzung brauchen. Denn der 3 sieht man nicht an, wo ist das Kind gut und wo ist es nicht so gut. Das kann man aber in einer verbalen Leistungseinschätzung sehr genau beschreiben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aufgrund dieser verbalen Leistungseinschätzung kann dann auch die individuelle Förderung anset

(Abg. Sojka)

zen, nämlich dort, wo die Schwächen sind, um Schwächen auszugleichen, und dort, wo die Stärken sind, um Stärken weiter zu fördern und auszubauen. Darum geht es. Es geht nicht darum, einen Leistungsanspruch aufzugeben oder herunterzuschrauben. Wir haben einen hohen Leistungsanspruch an unsere Schülerinnen und Schüler und der wird auch noch höher damit, dass die Schüler verbal auch bewertet werden, dass genau beschrieben wird, wo sie stehen in ihrer Entwicklung, wo sie gut und wo sie schlecht sind, und es wird Lernentwicklungsberichte geben, die mit dem Zeugnis verbunden sind.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wunschden- ken.)

Damit auch die Elternhäuser stärker einbezogen sind, muss es verpflichtend mindestens einmal im Jahr ein Gespräch mit den Eltern über die Lernentwicklung der Kinder geben. Da wissen Sie, Frau Hitzing, viele Lehrerinnen und Lehrer tun das schon, für die gehört das zum normalen Schulalltag dazu, aber es ist längst nicht überall Standard. Deshalb sorgen wir mit der neuen Schulordnung dafür, dass alle Lehrer verpflichtet sind, so wie die guten Lehrer das heute schon tun, mindestens einmal im Schuljahr ein solches Elterngespräch zu führen. Denn das haben wir doch auch gelernt, dass Schule nicht alles ausbügeln kann, was im Elternhaus versäumt wird. Wir brauchen eine gute Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule. Mit dieser neuen Schulordnung stärken wir die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus.

Jetzt zur Frage der Versetzung: Wir geben mit der neuen Schulordnung die Versetzung nicht auf, sondern wir folgen dem, was in den letzten Jahren schon angelegt worden ist mit den neuen Stundentafeln und den neuen Lehrplänen, die nämlich in Doppelklassenstufen organisiert sind. Das heißt, der Stoff wird nicht mehr verteilt, ein Jahr, ein Jahr, ein Jahr nebeneinander, sondern der Stoff einer bestimmten Einheit wird auf zwei Schuljahre verteilt. Wenn wir das tun und damit längere Lernabschnitte für die Schülerinnen und Schüler schaffen, die uns auch eine bessere individuelle Förderung ermöglichen, nämlich einen längeren Zeitraum, bis zu dem bestimmte Entwicklungsziele erreicht sein müssen, dann ist es doch nur konsequent, wenn wir am Abschluss einer solchen Doppelklassenstufe dann die Versetzungsentscheidung treffen und nicht mitten auf dem Weg.

(Beifall SPD)

Wenn Sie das denunzieren als leistungsfeindlich, Frau Hitzing, dann haben Sie wirklich überhaupt nicht verstanden, worum es hier bei den neuen Stundentafeln und Lehrplänen geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum

Schluss noch einmal deutlich machen: Mir ist sehr bewusst, dass man sich in unserer modernen Welt mit einem hohen Leistungsanspruch an den Einzelnen nur behaupten kann, wenn man auch in seiner Entwicklung zu Leistung gefordert wird, wenn man in seinem Leistungsvermögen gefördert wird. Was wir neu tun dabei, ist, dass wir wirklich den individuellen Lernweg des Einzelnen und seine persönlichen Möglichkeiten ernst nehmen. Das hat überhaupt nichts mit Kuschelpädagogik zu tun, sondern mit dem Ernstnehmen des Individuums. Was ich überhaupt nicht verstehen kann, dass gerade eine liberale Partei, die sich das Individuum auf die Fahnen geschrieben hat und seine Rechte und das Ernstnehmen der Freiheit des Einzelnen, an dieser Stelle ein Problem bekommt, wenn wir sagen, wir machen nicht mehr Standard, Frontalunterricht, den gleichen Brei für alle, sondern wir versuchen, das Wissen so aufzubereiten und zu vermitteln, dass es jedem individuell zugänglich gemacht wird. Das müsste doch eigentlich den Applaus einer liberalen Partei hervorrufen, die so auf den Einzelnen und sein Leistungsvermögen setzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, mit dieser Debatte haben Sie sich völlig verrannt. Denken Sie noch einmal darüber nach. Mein Ziel ist, alle Schüler zur bestmöglichen Leistung zu bringen, dafür zu sorgen, dass in Zukunft kein Schüler mehr die Schule ohne Abschluss verlassen muss

(Unruhe FDP)

ein hoher Anspruch an unsere Schüler, ein hoher Anspruch an unsere Schulen. Wenn wir diesen Weg gemeinsam unterstützen, dann kann er auch gelingen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe niemanden mehr, der einen Redewunsch signalisiert. Damit kann ich die Aussprache zu diesem Teil der Aktuellen Stunde und die Aktuelle Stunde insgesamt schließen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24

Fragestunde

Ich wiederhole noch einmal die Ansage von heute zu Beginn, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer vereinbart haben, alle Fragen abzuarbeiten. Das sind insgesamt 18 Fragen.

Die erste Frage hat der Abgeordnete Kuschel, Fraktion DIE LINKE, in Drucksache 5/2339. Herr Abgeordneter Blechschmidt trägt die Frage vor.

Danke, Frau Präsidentin.

(Minister Matschie)

Berechnungen des Landes zur Auftragskostenpauschale 2011

Der Landtag hat auf Vorschlag der Landesregierung beschlossen, die Auftragskostenpauschale für das Jahr 2011 auf 181 Mio. € festzusetzen. Im Jahr 2010 erhielten die Thüringer Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise noch eine Auftragskostenpauschale in Höhe von 199.150.300 €. In der 46. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 24. Februar 2011 antwortete die Landesregierung auf meine Frage, wie die 181 Mio. € „denn in den Haushaltsentwurf der Landesregierung hineingekommen“ seien, dass dies „doch Bestandteil des Finanzausgleichsgesetzes“ sei und „in der Begründung genau der Paradigmenwechsel in der Berechnung beschrieben und die 181 Mio. € genau das Ergebnis dieser Berechnungen“ seien. Im Gesetzentwurf der Landesregierung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes in Drucksache 5/1751 wird auf die Verordnung über die Auftragskostenpauschale für das Jahr 2011 verwiesen, die Einzelheiten des Verfahrens sowie die Höhe der jeweiligen Erstattungsbeträge festsetzt und erläutert; diese Verordnung liegt bis heute nicht vor. In der 46. Plenarsitzung wurden auf Anfrage die 181 Mio. € nicht weiter untersetzt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hat die Landesregierung die Gesamthöhe der Auftragskostenpauschale für 2011 ermittelt?

2. Wie erklärt die Landesregierung, dass sie zwar dem Landtag die Gesamthöhe der Auftragskostenpauschale für 2011 im Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes vorschlagen konnte, allerdings noch immer keine abschließenden Informationen darüber hat, wie sich die Kosten in den einzelnen Aufgabenbereichen entwickelt haben?

3. Wann wird die Rechtsverordnung zur Auftragskostenpauschale 2011 dem Landtag gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 ThürFAG zur Zustimmung vorgelegt?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Dr. Spaeth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Hierzu verweise ich auf die Begründung zum Thüringer FAG 2011. Danach wurde der Bedarf für die Kostenerstattung der übertragenen Aufgaben im Jahr 2011 mit rund 181 Mio. € prognostiziert. Der Prognose wurde die Annahme zugrun

de gelegt, dass abgesehen vom berücksichtigten Ergebnis des Benchmarking für die in §§ 1 bis 8 der Verordnung sich die übrigen fallbezogenen Erstattungen, das sind die §§ 9 ff., nicht signifikant verändern werden. Basis hierfür war eine Prognose im August des Jahres 2010.

Zu Frage 2: Wie Sie wissen, werden bei der Ermittlung der tatsächlich auszuzahlenden Auftragskostenpauschale nicht nur die Personalkostenentwicklung oder Veränderungen im Aufgabenumfang berücksichtigt, vielmehr beruhen eine Vielzahl von Einzelerstattungsregelungen auf konkreten Fallzahlen oder Istkosten. Beispielhaft sei hier auf die Regelung des § 9 der Verordnung verwiesen. Der Mehrbelastungsausgleich für die Wahrnehmung wohngeldrechtlicher Vorschriften basiert auf der konkreten Anzahl der erstellten Bescheide des Vorjahres. Für den Erstattungsbetrag im Jahr 2011 ist also die Anzahl der Bescheide im Jahr 2010 erforderlich. Diese genauen Daten sind jedoch erst seit Anfang des Jahres bekannt.

Ein weiteres Beispiel ist die Erstattungsregelung für die Wahrnehmung der Aufgaben im Bereich der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung, das ist § 12 der Verordnung. Den konkreten Erstattungsbeträgen für diese Aufgabe liegt eine jeweils aktuelle Abfrage der tatsächlichen Ausgaben der betroffenen Kommunen zugrunde. Die Kommunen sind danach gehalten, die erforderlichen Daten aus dem Vorjahr zu übermitteln. Diese Daten werden aus der vorläufigen Jahresrechnung entnommen. Diese liegt den Kommunen ebenfalls erst seit Anfang 2011 vor. Im Gegensatz zum eingangs erwähnten Prognoseansatz im ThürFAG bzw. im Landeshaushalt wird die Gesamthöhe der Auftragskostenpauschale in der Verordnung über die Auftragskostenpauschale konkret untersetzt. Natürlich kann erst nach genauer Berechnung aller Beträge, die im Rahmen der Verordnung zu zahlen sind, eine verlässliche Aussage zur tatsächlichen Gesamthöhe des Mehrbelastungsausgleichs getroffen werden.

Zu Frage 3: Ausgehend davon, dass bis Mitte April die Ressortabstimmung und die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände abgeschlossen werden sollen, beabsichtigt das Finanzministerium, nach erfolgter Rechtsförmlichkeitsprüfung den Verordnungsentwurf im Mai dem Kabinett zur Befassung zuzuleiten. Sofern das Kabinett den Entwurf billigt, kann er im Anschluss dem Landtag zur Zustimmung vorgelegt werden. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Ich sehe keine Nachfragen dazu. Dann kann ich die nächste Anfrage aufrufen, es ist die der Frau Abgeordneten Schubert, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der Drucksache 5/2370.

(Abg. Blechschmidt)

In Planung befindliche Neutrassierung der B 19 durch den vorderen Thüringer Wald bei Eisenach

Das Land treibt die Planungen für die Transittrasse B 19 im Bereich der Querung des vorderen Thüringer Waldes bei Eisenach voran, obwohl der wirtschaftliche Nutzen meines Erachtens nicht greifbar, der geplante Eingriff in die Natur und Kulturlandschaft jedoch gewaltig ist. Gleichzeitig steht die Finanzierung der mindestens 100 Mio. € teuren Neubautrasse auf zunehmend tönernen Füßen, da der Bund weitere Kürzungen des Straßenbaubudgets angekündigt hat.

Ich frage die Landesregierung:

1. Sieht die Landesregierung nach wie vor einen dringlichen Bedarf, die B 19 im vorderen Thüringer Wald neu zu trassieren? Wenn ja, warum?

2. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, die Eingriffe in die Natur im Zuge des Neubaus der B 19 vollständig zu kompensieren, wie dies im Bundesverkehrswegeplan vorgeschrieben ist? Wenn ja, welche?

3. Welche Folgekosten würden auf den Freistaat Thüringen zukommen, wenn, wie üblich, die alte Trasse der B 19 nach Fertigstellung des Neubauprojekts zur Landesstraße abgestuft würde?

4. Auf welchen Verkehrszählungen und Prognosen basiert die aktuelle Planung und wie wird in diesen der Quell- und Zielverkehr erfasst?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatssekretärin Dr. Eich-Born.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Schubert beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt: