Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

(Beifall DIE LINKE, SPD)

und dann werden wir dem Hohen Hause eine Entscheidung vorlegen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Also, der Schluss war in Ordnung.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Fiedler. Ich rufe auf Herrn Abgeordneten Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich will eher eifern um den Titel desjenigen,

der sich kurz fasst in diesem Parlament

(Beifall CDU)

und der nicht mit sehr langen, ins Entertainment gehenden Reden hier die wichtige Zeit vertut.

Herr Fiedler, da komme ich gleich zu Ihnen. Mir ist aufgefallen, Sie sind ein starker Kämpfer gegen die Linkspartei, wenn es darum geht, die friedliche Revolution - ich sage mal - zu verorten in diesem Raum. Dabei ist mir aufgefallen, dass Sie immer wieder „Wende“ sagen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist, „Wende“ ist ein Begriff, den Egon Krenz geprägt hat. Wir, die Bürgerrechtler, reden immer von der friedlichen Revolution. Vielleicht nehmen Sie das mal wahr.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann habe ich in Ihrer Rede eben - das will ich hier ganz offen sagen - „Parlamentsunwürdigkeit“ gehört. Ich habe mich im letzten Jahr damit sehr auseinandergesetzt und mir dazu eine Meinung gebildet. Ich glaube, dass dieses Entertainment auch ein bisschen in diese Richtung geht. Und ich glaube, dass wir da ein Stück zurückgehen und mehr für dieses Haus gewinnen müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt zurück zum Thema. Am 28. Oktober haben wir in diesem Raum den Thüringer Verfassungstag gefeiert.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ober- lehrer.)

Wir haben eine wunderbare Rede von Pfarrer Führer gehört. Wir haben damit 16 Jahre Thüringer Verfassung gedacht und wir hatten hier eine wunderbare Ausgestaltung - Transparente und Fotos von Demonstrationen. Wir, so glaube ich, das Parlament, haben uns mit diesen Bildern geschmückt und ich finde es sehr wichtig, dass uns das bewusst ist, dass es Demonstrationen waren, die eine friedliche Revolution eingeleitet haben, die viele von uns miterlebt haben. Und das ist eigentlich etwas ganz Besonderes, dass ein Parlament Menschen in sich trägt, die die Revolution, auf der diese Demokratie gebaut ist, miterlebt haben. Da finden Sie in Frankreich zum Beispiel niemanden mehr.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Thüringer Landtag hat im Jahr 1991 die Bannmeile mit den Stimmen der Bürgerrechtspartei FDP zusammen mit der CDU eingerichtet. Ich habe das nie verstanden und mein Freund, der ehemalige Landtagsabgeordnete Olaf Möller, hat damals schon gesagt: „Dies ist die erneute Abschottung der politischen Obrigkeit.“ Ich finde, dem ist gar nichts hinzuzufügen. Ich weiß nicht, warum Sie das damals gemacht haben. Es ist auch lange her, und da nehme ich mal Herrn Fiedler beim Wort, Sie sind ja auch der Meinung, dass man sie abschaffen könnte.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja.)

Insofern bräuchten wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt gar keine großartige Beratung in den Ausschüssen mehr. Wir könnten es einfach schnell machen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber Sie haben ja zu Recht auch ein paar Fragen aufgeworfen: Wie ist es denn mit der Ausübung unseres Mandats? Kann uns das nicht auch irgendwann begrenzen, wenn wir diese Räume hier nicht mehr betreten können? Können wir dann als Parlament nicht mehr zusammentreten? Ich glaube, es ist uns allen klar, dass diese Gefahr doch gar nicht besteht. Es wird immer möglich sein, dass wir unsere Abgeordnetenarbeit durchführen. In dem Zusammenhang, lieber Herr Mohring, finde ich Ihren Vorschlag, die Immunität aufzuheben, um vieles gefährlicher. Damit legen Sie den Grundstein, dass möglicherweise - lassen Sie mich das mal ein bisschen pointiert darstellen - vier Menschen aus Ihrer Fraktion zufällig von einem Staatsanwalt mit einem Verdacht belegt sind und er sagt, okay diese Leute muss ich jetzt erst einmal festsetzen. Wissen Sie, wenn vier aus der CDU-Fraktion festgesetzt sind, dann ist die Regierungsmehrheit futsch.

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre doch wirklich ein Problem und darüber müssen wir nachdenken. Diese Immunität schützt doch nicht Menschen, die Böses vorhaben. Sie schützt doch nicht Menschen, die sich permanent das Recht brechend durch dieses Land fortbewegen, sondern sie schützt davor, dass man mit der Macht der Staatsgewalt, die einzig dieser Staatsgewalt übergeben ist, hier politische Entscheidungen verändern könnte. Das sollten wir alle zusammen nicht wollen und da sollten Sie auch den klaren Blick haben, dass Ihr Vorschlag Ihnen da sehr schaden würde. Wie gesagt, wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müssen über dieses Thema nicht lange reden.

Dieses Bannmeilengesetz hat dem Parlamentarismus nichts genützt, viel geschadet, wir wollen das abschaffen. Jetzt haben wir zwei gleichlautende Anträge und wir werden schauen, wie das in den Ausschüssen weitergeht, können kurz bereden, wie wir das auch noch mal sichern, dass wir immer in dieses Haus hineinkommen können und ich ende mit dem Appell: Lassen Sie uns mehr Demokratie wagen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster hat sich zu Wort gemeldet Abgeordneter Gentzel für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regie hat es so ganz ordentlich gefügt. Gestern haben wir uns im ersten Tagesordnungspunkt über Grundsätzliches unterhalten, wie die Landesregierung ihre zukünftige Arbeit plant, heute reden wir über die grundsätzliche Arbeitsweise des Parlaments in der jetzt anstehenden Legislaturperiode. Ich will das für meine Fraktion ganz deutlich sagen, weil im Vorfeld von der Berichterstattung etwas von Konflikten aufgemacht worden ist, „unfreundlicher Akt“ und ähnliche Formulierungen hat es gegeben. Wir sehen das ganz anders. Bei allem Respekt vor denen, die Regierungsprogramm und -inhalte ausgearbeitet haben, das ist Sache einer Landesregierung, aber das, was wir heute besprechen, ist die Sache des Parlaments. Deshalb gehört das hierhin und nirgendwo anders.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

In dem Kontext sehe ich schon den viel kritisierten Vorschlag auch des Fraktionsvorsitzenden der CDU. Da wird sicherlich irgendwann mal etwas Schriftliches passieren. Aber auch das ist eine Sache des Parlaments, deshalb müssen wir das hier besprechen. Äußern werde ich mich dazu, wenn dann etwas vorliegt. Man schaut einfach mal, was da auf uns zukommt.

Meine Damen und Herren, was die SPD-Landtagsfraktion mit ihrem Antrag will, ist vollkommen klar und eindeutig formuliert. Wir wollen die Bannmeile um den Thüringer Landtag abschaffen. Diese Bannmeile entspricht nicht unserem Parlamentsverständnis. Ja, wir halten sie sogar schädlich für die politische Kultur. Wir freuen uns, dass die Signale aus allen Fraktionen kommen, dass wir wohl optimistisch sein können, eine Mehrheit zu finden, um sie abzuschaf

fen. Was in den 20er-Jahren vielleicht noch passend war, meine Damen und Herren, hat sich lange überholt.

Ich will die zwei Kerngründe skizzieren, warum die SPD-Landtagsfraktion die Abschaffung der Bannmeile beantragt hat. Zum Ersten sind das verfassungsrechtliche Gründe. Es gibt eine Unzahl von Aufsätzen von Wissenschaftlern, von Kriminalisten und von Hochschullehrern zu diesem Thema und die beschäftigen sich natürlich im Wesentlichen mit dem Spannungsfeld auf der einen Seite, Versammlungsfreiheit nach Grundgesetz und auf der anderen Seite die Bannmeilengesetzgebung.

Meine Damen und Herren, diese Wissenschaftler, Juristen, Kriminalisten kommen zu dem Ergebnis: Die Regelvermutung, rings um einen Landtag existiert eine gefahrengeneigte Zone, ist irrig. Und weiter: Eine präventive Notstandsregelung mündend in ein repressives Verbot, das ist nicht mehr zeitgemäß. Diesen Argumenten wollen wir uns ausdrücklich anschließen.

(Beifall SPD)

Die Befürworter einer Bannmeile führen immer wieder einen Schutzzweck für das Parlament in den Raum. Sie sagen, die Bannmeile dient dazu, die körperliche Integrität der Abgeordneten zu schützen, die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments zu schützen. Immer wieder - es ist schon angesprochen worden - wird auch formuliert, wir befürchten, dass sonst die Meinungsbildung der Abgeordneten durch den Druck der Straße beeinträchtigt wird. Man kann das alles auch in einem Satz formulieren und der stimmt zunächst im Kern, aber damit müssen wir uns mal auseinandersetzen, Abgeordnete dürfen keinem physischen und keinem psychischen Druck unterliegen.

Nehmen wir das mal im Einzelnen auseinander. Was den physischen Druck betrifft, glaube ich, kann man getrost Entwarnung geben. Versammlungsgesetzgebung, Hausrecht, Ordnungsbehörden und als letztes Mittel die Polizei, das sind ausreichende Instrumente, die Sicherheit des Hauses und der Abgeordneten auch ohne Bannmeile zu garantieren.

(Beifall SPD)

Auch das gehört an dieser Stelle deutlich gesagt. Auch die Demonstrationskultur hat sich selbstverständlich seit den 20er-Jahren wesentlich weiterentwickelt.

Was nun den psychischen Druck betrifft, auch da haben sich die Verhältnisse grundsätzlich geändert. Tatsächlich ist doch der Druck, den große Verbände auf Abgeordnete ausüben, den finanzstarke Wirt

schaftsorganisationen und nicht zuletzt die Massenmedien ausüben, wesentlich höher als jede Demonstration vor dem Thüringer Landtag.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, viele werden das genauso empfinden. Das ist ausdrücklich nicht immer einfach, aber es ist ausdrücklich auch gewollter Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Niemand käme zum Beispiel ernsthaft auf den Gedanken, so eine Art Bannmeile für die Medienberichterstattung zu konstruieren, wenn dort Druck aufgebaut wird. Nein, wir können Abgeordnete nicht völlig vor organisierten Interessen schützen und, ich sage für die SPD, das wollen wir auch gar nicht. Übrigens - auch das muss an dieser Stelle gesagt werden - Rathäuser und Landratsämter arbeiten in Thüringen seit 20 Jahren ohne Bannmeile. Das kann auch die Anleitung für dieses Haus sein. Dort hat sich das Instrument der Kooperationsgespräche sehr bewährt. Viele hier im Haus haben an solchen Gesprächen regional schon teilgenommen.

Meine Damen und Herren, der zweite Kerngedanke, warum wir die Bannmeile ablehnen, ist ein historischer und dazu ist von meinen Vorrednern viel gesagt worden. 1989/1990 ist auf der Straße das Recht zur Versammlungsfreiheit erstritten worden; diese Freiheit ist eben nicht nur ein reiner juristischer Begriff, das ist auch irgend so etwas Gefühltes, was man in sich trägt, und dieses vom Herbst 1990 mit dem Bannmeilengesetz von CDU und FPD so einzuschränken, hielten wir damals für falsch und halten wir heute für falsch. Die anderen neuen Bundesländer haben übrigens von vornherein auf die Errichtung einer Bannmeile verzichtet und mir ist nicht bekannt, dass dies irgendwelche Folgen für die dortige Gesetzgebung oder für die Arbeitsweise der Abgeordneten hatte.

Meine Damen und Herren, was unsere Kritik an der Bannmeile noch einmal wesentlich verschärft, ist, dass sie durch die Jürgen-Fuchs-Straße führt. Jürgen Fuchs, Bürgerrechtler und Schriftsteller, man muss sagen zu Lebzeiten ein Freund dieses Hauses - wir ehren ihn.

(Beifall SPD)

Wir ehren ihn dadurch, dass wir diese Straße nach ihm benannt haben.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Und das war ein guter Vorschlag. Wer hatte die Idee, die Straße so zu benennen?)

Herr Mohring, finden Sie das nicht ein bisschen sehr, sehr klein gedacht, bei dem Namen Jürgen Fuchs die

Frage zu stellen: Wer hatte denn die Idee, die Straße zu benennen?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dem kann ich nicht folgen. Eine Bannmeile durch die Jürgen-Fuchs-Straße - und auch das war Ihre Idee, Herr Mohring - ist für uns einfach ein Unding. Ich will das ganz klar sagen, wir bestreiten, dass eine Bannmeile durch die Jürgen-Fuchs-Straße im Sinne dieses Mannes gewesen wäre.